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Olaf, Jesus und die Zeitenwende

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Veröffentlicht von in Theologie verständlich · 14 Oktober 2022
Tags: ZeitLiebeLeiden_GottesGeist

Olaf, Jesus und die Zeitenwende
Klaus Straßburg | 14/10/2022

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sprach Bundeskanzler Olaf Scholz von einer Zeitenwende. Er meinte damit, dass das lange Zeit relativ entspannte Verhältnis zu Russland nun unweigerlich zu Ende sei. Russland wird nicht mehr als Partner, sondern als Gegner betrachtet. Der alte, seit dem Zerfall der Sowjetunion überwunden geglaubte Ost-West-Gegensatz ist wieder aufgebrochen. Das zeigt sich in allen Politikfeldern und wird sich in absehbarer Zeit auch kaum ändern.

Aber kann man das wirklich eine Zeitenwende nennen?


1. Was ist eine Zeitenwende?

Überblickt man etwa die letzten 50 Jahre, dann haben sich die Zeiten tatsächlich geändert. Man fühlt sich eher an Zeiten des Rüstungswettlaufs, der militärischen Abschreckung und des Kalten Krieges erinnert als an ein partnerschaftliches Miteinander.

Aber "Zeitenwende" ist ein großes Wort. Es will mehr ausdrücken als einen Wandel der Zeit, eine politische Veränderung der Weltlage. Solche Veränderungen gab und gibt es immer wieder. Bündnisse werden geschmiedet und zerbrechen, Feinde werden zu Freunden und wieder zu Feinden, Konflikte werden gelöst und brechen wieder auf, um erneut gelöst zu werden. Das gab es zu allen Zeiten und wird es zu allen Zeiten geben.

Das große Wort "Zeitenwende" spricht aber nicht von einer Wende innerhalb der sich ständig verändernden Zeit, sondern von einer Wende der Zeiten. Eine Zeitenwende ist also eine grundlegende Veränderung, die alle Zeiten oder zumindest alle folgenden Zeiten betrifft. In einer Zeitenwende geschieht etwas, was die Zeiten in ihrem Wesen verändert, und zwar weltweit und dauerhaft. Man spricht deshalb auch von einem neuen Zeitalter. Es geht also nicht nur um einen zeitlich oder regional begrenzten Wandel oder auch um einen Wandel der Weltlage, der jederzeit von einem erneuten Wandel der Weltlage abgelöst werden kann.

Solche Zeitenwenden, welche die Zeiten weltweit und dauerhaft in ihrem Wesen veränderten, sind zum Beispiel die Entdeckung des Feuers durch den prähistorischen Menschen oder in neuerer Zeit die Aufklärung und die Reformation. Auch technische Entwicklungen wie beispielsweise die Spaltung des Atoms kann man wohl als Zeitenwende bezeichnen. Noch vieles andere ließe sich nennen.


2. Die christliche Zeitenwende

Der christliche Glaube spricht noch in anderer Weise von einer Zeitenwende. Er erblickt nämlich in der Geburt Jesu Christi die Zeitenwende schlechthin. Eben deshalb wurde mit seiner Geburt eine neue Zeitrechnung begonnen, so dass wir bis heute von der Zeit vor Christi Geburt und der Zeit nach Christi Geburt sprechen.

Aber in welchem Sinne ist denn die Geburt Jesu Christi die Zeitenwende schlechthin – die Wende aller Zeiten für alle Menschen weltweit, ja für das ganze Universum?

Mit der Geburt Jesu Christi ist tatsächlich etwas Außergewöhnliches, ja Einzigartiges geschehen: Der Schöpfer hat sich dem Geschöpf gleichgemacht. Das Wesen, das wir "Gott" nennen, ist ein Mensch geworden. Der für uns unsichtbare ewige Gott hat sich uns sichtbar gemacht in einem sterblichen Menschen.

Man darf an dieser Geschichte nicht allzu schnell vorübergehen, weil sie uns ja angeblich hinreichend bekannt sei. Sondern man muss sich das Unfassbare dieser Geschichte immer wieder vor Augen halten.


Erste Beschreibung der Zeitenwende

Gott bleibt nicht in seiner schützenden Höhe, fern von allem menschlichen Elend. Sondern er geht für etwa 30 Jahre als Mensch über diese Erde, mit allen Konsequenzen, die ein Menschenleben mit sich bringt. Er bringt seine Botschaft unter die Leute, wird aber nicht gehört. Er wird vielmehr abgelehnt, verfolgt und schließlich öffentlich hingerichtet. Keine andere Religion weiß von solch einem Gott zu berichten.

Gott tut das alles zum Wohle der Menschheit. Er kann die menschliche Gottlosigkeit und Bosheit und das damit zusammenhängende Elend nicht mehr mit ansehen. Es zerreißt ihm das Herz und es zieht ihn hin zu den gottlosen und leidenden Menschen, um ihnen aus ihrer verzweifelten Lage herauszuhelfen. Aus Liebe begibt er sich in das menschliche Elend hinein, um ihm ein Ende zu machen.

Das Ende ist nicht Jesu Tod am Kreuz. Gott wird zwar zunächst von den Menschen ausgeschaltet. Er lässt es geschehen, anstatt seinerseits die Menschen auszuschalten. Gerade so aber beweist er seine unendliche Liebe zu den Menschen. Die Liebe siegt über die Gewalt.

Darum ist der Tod nicht das Ende. Der gekreuzigte Jesus Christus bleibt nicht im Tod, sondern wird zu neuem Leben erweckt. Er lebt nun für immer und ewig bei Gott.

So geht der Mensch Jesus Christus uns voraus, weist uns den Weg und eröffnet eine unzerstörbare Hoffnung im Elend der Welt. Er ist zwar nicht mehr als Mensch gegenwärtig, aber er schenkt Menschen seine Gegenwart, indem sein Geist in ihnen weiterlebt. Durch die Kraft dieses Geistes können Menschen bezeugen: Die gottlose Welt, die Menschen aller Zeiten sind mit Gott versöhnt. In Jesus Christus hat sich eine Zeitenwende ereignet, die das Leben aller Menschen radikal verändert.


Zweite Beschreibung der Zeitenwende

Wem das alles zu kirchlich abstrakt klingt, dem könnte man es etwas konkreter und kürzer auch so sagen:

Wenn wir schon von Gott reden, dann bitteschön von dem Gott unter uns, nämlich in dem Menschen Jesus. Der war ganz von Liebe erfüllt und hat den Menschen nur Gutes getan. So hat er uns gezeigt, wie Gott ist. Kaum zu glauben, dass die Menschen von diesem Gott nichts wissen wollten. Er entsprach aber nicht ihren Vorstellungen davon, wie ein Gott sein müsste. Darum haben sie Jesus bekämpft und schließlich gefangen genommen, verurteilt und hingerichtet.

Jesus hat das alles geschehen lassen, weil er sich lieber selber ausschalten ließ als seine Verfolger auszuschalten. So groß ist Gottes Liebe, sogar zu seinen Verfolgern. Die aber konnten Jesus nicht wirklich ausschalten. Gerade in seiner Liebe war er stärker als sie in ihrem Hass.

Darum blieb er nicht tot, sondern nach dem Tod begann für ihn ein neues Leben bei Gott. Seitdem ist er zwar nicht mehr körperlich in der Welt, aber sein Geist, seine Kraft ist in der Welt und verwandelt Menschen. Sie haben dann die Kraft, wie Jesus zu leben und Gottes unendliche Liebe in Worten und Taten zu bezeugen.

Ausnahmslos alle Menschen sind von Gott geliebt. Und ausnahmslos alle haben die Chance, nach ihrem Tod ewig bei Gott zu leben. Das ist die entscheidende Zeitenwende für die ganze Welt.


3. Jesu, Olafs und anderer Leute Zeitenwenden

Gegenüber dieser christlichen Zeitenwende ist das, was Olaf Scholz so nannte, nämlich der russische Angriff auf die Ukraine, ganz gewiss keine. Dieser Angriff ist nur einer von wahrscheinlich tausenden in der menschlichen Geschichte. Die Geschichte wiederholt sich. Kriege kommen und gehen, Diktatoren auch. Sie bringen keinen echten Wandel und erst recht keine grundlegende Geschichtswende, sondern immer nur Tod und Zerstörung.

Die Entdeckung des Feuers, die Aufklärung oder die Reformation kann man hingegen durchaus als Zeitenwenden betrachten. Mit ihnen begann etwas Neues, das alle nachfolgenden Zeiten bis heute prägt.

Dennoch unterscheiden sie sich von der Zeitenwende, die mit Jesus Christus angebrochen ist. Denn Gottes Liebe zu den Menschen aller Zeiten, oder anders ausgedrückt: Die Versöhnung der ganzen Welt, des ganzen Universums mit Gott ist so umfassend und weitgreifend, wie es kein anderes geschichtliches Ereignis sein kann.

Denn die Versöhnung der ganzen Welt mit Gott betrifft alles Geschaffene. Ich würde sagen: Nichts ist ausgenommen von Gottes Liebe – der unbedeutende Stein nicht und die fernen Galaxien nicht. Es hat wohl auch alles seinen Sinn und seine Bedeutung im Universum, auch wenn wir sie nicht kennen.

Vor allem hat die Versöhnung, die Freundschaft Gottes mit uns Bedeutung für die Menschen – auch für die, die vor Jesus gelebt haben. Sie alle müssen nicht fern von Gott verharren, müssen nicht im Tod verloren und vergessen bleiben. Denn sie alle sind in die ewige Gemeinschaft mit Gott gerufen.

Eine größere und schönere Zeitenwende kann ich mir nicht vorstellen. Und man kann wohl der Ansicht sein, dies sei eigentlich die einzige echte Zeitenwende. Denn alle anderen Zeitenwenden oder Zeitalter werden von neuen Zeitenwenden oder Zeitaltern abgelöst. Zumindest werden sie relativiert und verlieren mit der Zeit ihre verändernde Kraft.

Die mit Jesus Christus eingetretene Zeitenwende aber verliert niemals ihre verändernde Kraft. Sie gilt bis zum Ende der Zeiten.


* * * * *


Foto: annca auf Pixabay (Ausschnitt)




6 Kommentare
2022-10-16 18:46:55
Hallo Klaus,

ein sehr typisches Predigtrezept: Man nehme einen aktuellen Aufhänger, stelle irgendwie eine Parallele her zu etwas, das in der Bibel steht, hat damit die Grundanforderung erfüllt, das Evangelium in die heutige Zeit hinein zu predigen. Anschließend steht es einem frei, zu reden, worüber man reden möchte, sofern es nur irgendwie mit Bibel und Theologie zu tun hat.

Ich finde die Ausgangsparallele hier allerdings nicht stimmig. Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ist tatsächlich nicht nur eine, sondern die Zeitenwende für Christen, das sehe ich auch so. Das, was der Bundeskanzler beschreibt, sehe ich dagegen nur als einen kurzfristigen unangenehmen Lerneffekt für ihn und Teile der deutschen Gesellschaft an. Man hat sich eingebildet, Wandel durch Annäherung zu schaffen, wobei man offensichtlich die Relationen der gegenseitigen Abhängigkeit unterschätzt hat. Jetzt muss man eben mal die Rolle rückwärts machen. Eine kleine Korrektur, wie sie immer einmal wieder vorkommt.

Mit den großen weltlichen Zeitenwenden wie dem Aufstieg und Fall des römischen Reichs, dem Zeitalter der Entdeckungen, dem Zeitalter der Aufklärung, dem Entstehen moderner Demokratien, der Abschaffung der Sklaven- und Feudalwirtschaften, der Industrialisierung und des Freihandels, dann den Katastrophen des ersten und zweiten Weltkrieges und schließlich der Erkenntnis, dass die Ökologie dem wirtschaflichen Wachstum Grenzen setzt, kann sich diese Detailkorrektur beim besten Willen nicht vergleichen, aber das hast du ja auch schon selbst angemerkt.

Der Versuch, die christliche Zeitenwende mit den anderen, den weltlichen Zeitenwenden zu vergleichen, ist meiner Ansicht nach von vornherein müßig, weil die beiden sich in ganz unterschiedlichen Bezugssystemen bewegen.

Viele Grüße

Thomas
2022-10-16 21:11:37
Hallo Thomas,

ich stimme dir zu: Die Politikänderung ist "eine kleine Kurskorrektur, wie sie immer einmal wieder vorkommt" oder vielleicht auch eine größere Kurskorrektur, aber jedenfalls keine Zeitenwende, wenn man von der Bedeutung dieses Begriffs ausgeht. Ich finde, man sollte sie dann auch als das benennen, was sie ist, und nicht rhetorisch überhöhen. Mit der rhetorischen Überhöhung schafft man sich natürlich auch Raum, die Politikänderung auszuweiten und besser zu verkaufen, nach der Devise: "Außergewöhnliche Situationen ("Zeitenwenden") erfordern auch außergewöhnliche Maßnahmen".

Dass sich die christliche Zeitenwende in einem anderen Bezugssystem bewegt als die weltlichen Zeitenwenden, sehe ich auch. Das unterstreicht ja nur die einzigartige Bedeutung der christlichen Zeitenwende.

Zu deinem ersten Absatz würde ich fragen: Ist es dir denn lieber, das Evangelium nicht in die heutige Zeit hinein zu predigen, also keinen "aktuellen Aufhänger" zu wählen? Ich stelle mir die Frage manchmal selber. Immerhin hat Karl Barth genau das abgelehnt und für sich beansprucht, Theologie zu treiben und nichts als Theologie. Er war trotzdem - oder gerade deswegen? - auch politisch sehr einflussreich. Und ich frage mich wirklich, ob ich nicht auch ausschließlich Theologie treiben sollte. Andererseits sage ich mir: Theologie muss doch eine persönliche und gesellschaftliche Relevanz haben, die dann auch deutlich gemacht werden muss. Oder?

Viele Grüße
Klaus
2022-10-16 23:09:37
Hallo Klaus,

mit Karl Barth berührst du bei mir einen wunden Punkt. Er hat zwar ein paar kluge Sachen gesagt und geschrieben, aber ich als Ingenieur betrachte seine ganz offen formulierte Mischung aus Ignoranz und Arroganz gegenüber den Naturwissenschaften als Selbstausschluss aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Und dass er anscheinend in der evangelischen Theologie noch immer der Platzhirsch ist, kann ich nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen.

Das Predigen in die Zeit hinein betrachte ich unter solchen Vorzeichen als Floskel, als einen Anspruch, den eine Kirche, die mit Bildern aus einer patriarchalen Sklavenhalter- oder Feudalgesellschaft arbeitet, die die Aufklärung verpasst hat, und die sich - vielleicht sogar zu Recht - davor fürchtet, diesen Sprung in die Moderne zu wagen, nicht erfüllen kann.

Die richtigen Stichworte für mich hat Bonhoeffer gegeben: religionsloses Christentum, Rückzug auf Beten und Tun des Gerechten, zumindest für eine Weile, die Frage: Wer ist Christus für uns heute?

Viele Grüße

Thomas
2022-10-17 10:42:56
Hallo Thomas,

da kann ich dich beruhigen: Karl Barth ist längst nicht mehr der "Platzhirsch" in der evangelischen Theologie. Das, was du einforderst, hat sich in vielen Bereichen durchgesetzt. Ich erinnere nur an die feministische Theologie oder die liberale Theologie, die keinesfalls tot ist. Insofern gibt es keine ernst zu nehmende evangelische Theologie (zu der ich weder fundamentalistische oder streng evangelikale Strömungen, wie z.B. in den USA, zähle), die patriarchale Denkweisen bevorzugt, die Aufklärung verpasst hat oder sich davor fürchtet, den Sprung in die Moderne zu wagen. Zudem bestehen ja weder Aufklärung noch Moderne darin, naturwissenschaftliche Erkenntnisse absolut zu setzen und ihnen alle anderen Erkenntnisse unterzuordnen. Eine aufgeklärte Aufklärung und Moderne weiß vielmehr um die Grenzen ihrer selbst und wird sich deshalb auch der (Selbst-)Kritik stellen.

Bonhoeffers Frage "Wer ist Jesus Christus für uns heute?" intendiert mit ihrem "heute" genau das, was ich auch beabsichtige: das Evangelium in die heutige Zeit hinein zu predigen. Die Frage ist aber, ob man das dadurch besser erreicht, dass man eine Analyse der heutigen Zeit voranstellt, auf die das Evangelium Antworten gibt, oder dadurch, dass man das Evangelium für sich sprechen lässt.

Viele Grüße
Klaus
Kerstin
2023-07-21 14:41:47
Wer immer noch glaubt, dass es diesen Jesus-wie er von den Kirchenfürsten für die Christen konstruiert wurde-gegeben hat, der glaubt auch, dass Männer gebären und stillen können?! Sorry, aber was hat sich denn, seit Jesus angeblich in den Himmel aufgestiegen ist, in der Zeit danach zum Guten verändert? Nichts! Im Gegenteil, die Gewalt hat zugenommen, Flüchtlinge fliehen aus ihren Ländern-weil es u.a. ein Geschäftsmodell der satanischen Elite geworden ist, um ordentlich Kohle zu machen. Geld regiert die Welt nach wie vor. Vielleicht hat es einen historischen Menschen vor langer Zeit gegeben. In der Bibel wird uns jedoch im Jesaja ein Gottesknecht angekündigt, der mit Jesus nix zu tun hat. Es wurde alles gefälscht. Diese männliche Gestalt-Jesus-kann mit Gott niemals eins gewesen sein, weil Gott mit der weiblichen Weisheit von Anbeginn der Welt in Beziehung stand. Lest mal, was über die Weisheit geschrieben steht. Gott steht in Beziehung mit einem weiblichen Gegenüber, sonst hätte er nicht gesagt: "Lasst UNS Menschen nach UNSEREM Bild schaffen!" Und er schuf sie als Mann & Frau. Einfach mal logisch denken, denn dann erkennt "Mann", dass Gott der Schöpfer nicht schwul WXKFYist! Also kann ein männlicher Jesus nie sein Gegenüber. Lieben Gruß alle zusammen!
2023-07-21 18:15:26
Hallo Kerstin,

vielen Dank für deinen kritischen Kommentar. Ich kann deine Einwände gut nachvollziehen. Das Leid in der Welt, vor allem der Hunger und die Gewalt, vor allem die Kriege, berühren mich sehr und setzen immer wieder ein Fragezeichen hinter einen allzu bequemen und fraglosen Glauben. Dass es meist um Geld geht oder um den eigenen Vorteil, darin stimme ich dir zu ("Geld regiert die Welt"). Trotzdem denke ich, dass Gott Gutes in dieser Welt wirkt und dass es noch viel schlimmer in der Welt aussähe, wenn er das nicht täte. Manchmal wundere ich mich bei dem ganzen politischen (und auch persönlichen) Chaos, dass überhaupt noch etwas in der Welt funktioniert. Könnte es nicht sein, dass trotz aller menschlichen Gewalt und Selbstbezogenheit und trotz der Monetarisierung vieler Verhältnisse manches Gute geschieht? Es gibt ja wirklich auch echte Nächstenliebe. Ich sehe dahinter Gottes Kraft am Wirken, oder anders gesagt: Gottes Geist.

Übrigens hat Gott meiner Meinung nach männliche und weibliche, väterliche und mütterliche Züge. Nach Jes 49,14f erbarmt sich Gott über Israel wie eine Mutter über ihr Kind, obwohl Israel meint, Gott habe ihn verlassen. Nach Jes 66,13 tröstet Gott wie eine Mutter, und nach Ps 131,2 stillt und beruhigt er die Seele, wie eine Mutter ihr Baby stillt. Und auch der heilige Geist, die Kraft Gottes, ist im Hebräischen weiblich. Gott vereint also beides in sich, Weibliches und Männliches. Dass das in der Kirche oft anders gesehen wurde und dass das Patriarchat die Kirche lange regierte und teilweise (besonders in der katholischen Kirche) auch noch heute regiert, ist eine andere traurige Geschichte.

Auch die Weisheit, von der du sprichst, ist eine interessante Größe: schon vor der Schöpfung bei Gott oder eins mit Gott. Auch die Weisheit ist im Hebräischen feminin. Gott hat für mich kein Geschlecht, weder männliches noch weibliches, sondern vereint beides in sich. Und auch Jesus ist für mich nicht einfach ein Mann (auch wenn er biologisch ein Mann war), sondern hatte auch ausgeprägte weibliche Eigenschaften. Das biologische Geschlecht ist mir nicht wichtig, sondern dass er kein Macho und Patriarch war, sondern ein guter, einfühlsamer Zuhörer, ein sanfter und im Umgang zärtlicher Mensch, der für Versöhnung eintrat und aus Liebe zu den Menschen lieber selbst Leid auf sich genommen hat, als seine Verfolger mit Gewalt zurückzudrängen. Er hätte sich nach Mt 26,52f zwölf Legionen Engel zur Seite stellen lassen können, hat aber darauf verzichtet und stattdessen selbst den Tod auf sich genommen. Das ist, wie ich finde, eine Zeitenwende gewesen, eine Wende des menschlichen Verhaltens, weg davon, anderen Leid und Tod zuzufügen und stattdessen selbst Leid und Tod auf sich zu nehmen. Leider wollen die meisten Menschen sich dem nicht anschließen, aber es gibt auch Gegenbeispiele. Und ich vertraue darauf, dass Gott täglich Menschen seine Geistkraft schenkt, so dass sie im Sinne Jesu leben können. Weil ich auf Gott vertraue, habe ich Hoffnung, mag sich die Welt auch noch so schlimm darstellen. Die "satanische Elite", von der du sprichst, schafft zwar noch viel Leid und Tod, aber sie wird sich nicht auf Dauer durchsetzen. Das Reich Gottes setzt sich durch, schon hier auf Erden, nicht immer deutlich sichtbar, aber es ist da, manchmal nur im Kleinen, in den kleinen Freundlichkeiten und Liebeserweisen, die kaum jemand mitkriegt, und es gibt auch die großen "Wunder", wie z.B. die unblutige Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Ich will das Negative überhaupt nicht wegdiskutieren, aber ich will auch das Positive nicht übersehen. Vor allem will ich die Hoffnung auf das Wirken Gottes und das Kommen seines Reiches nicht aufgeben, gerade in den irritierenden gegenwärtigen Zeiten. Darum habe ich in den letzten Wochen viel über das Reich Gottes geschrieben.

Viele Grüße für jetzt
Klaus
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