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Die erleuchtete Finsternis

Christsein verstehen
Veröffentlicht von in Theologie verständlich · 25 März 2020
Tags: LeidCoronaWeltregimentGottesherrschaftVertrauen

Die erleuchtete Finsternis
Klaus Straßburg | 25/03/2020

Nein, das Virus bestimmt nicht mein Leben. Ich weigere mich, ein Virus als Herrn über mein Leben anzuerkennen.

Natürlich hat sich in kürzester Zeit unfassbar viel verändert. Es gibt Einschränkungen, die ich noch vor zwei Wochen nicht für möglich gehalten hätte.

Das ist die vordergründige Dimension der Wirklichkeit, die wir alle erleben. Es gibt aber noch eine andere Dimension der Wirklichkeit. Eine, die nicht so deutlich sichtbar und spürbar ist, aber dennoch real. Sie ist die entscheidende Wahrheit über unsere Wirklichkeit.

Die Wirklichkeit ist das, was wir erleben. Und die Wahrheit über die Wirklichkeit ist die Deutung dieser Wirklichkeit.

Die entscheidende Wahrheit über unsere Wirklichkeit ist für mich: Gott ist und bleibt seiner Schöpfung in Liebe und Güte verbunden. Es ist nicht alles furchtbar, was jetzt passiert. Ich bin behütet auch im Furchtbaren.

Ja, es gibt das Furchtbare: Menschen sterben, Existenzen stehen am Abgrund, Einsamkeit, Angst und Sorge machen sich breit. Aber all das ist eben nicht das Einzige. Es ist nicht das erste und nicht das letzte Wort über unser Leben.


1. Das erste und das letzte Wort über unser Leben

Das erste und das letzte Wort über unser Leben ist das Wort, das in Jesus Christus zu uns gekommen ist. Es ist das Wort von Gottes Liebe und Güte. Es begegnet uns schon im Alten Testament:

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
(Psalm 23)

Wir dürfen diese Worte nicht einfach lesen. Wir müssen sie buchstabieren.

Der gute Hirte, Gott selbst, ist der, der über unser Leben bestimmt. Wir sind und bleiben von ihm durchs Leben geleitet. Er führt uns unmerklich unseren Lebensweg, mit unsichtbarer Hand.

Unser Weg mag uns erscheinen wie ein Irrgarten, wie eine Ansammlung von Irrwegen und Sackgassen. Das ist die sichtbare Dimension der Wirklichkeit. Die unsichtbare Dimension ist eine andere. Da gibt es grüne Auen und frisches Wasser. Da sind auch die schweren Wege richtige und gute Wege.

Aber was ist gut am Weg durch das furchterregende Virental?


2. Die guten Wege

Nicht alle, aber viele Menschen haben jetzt mehr Zeit, mehr Ruhe. Das Leben wird entschleunigt. Keine Termine, weniger Verpflichtungen, weniger Stress, weniger Eindrücke. Das verdunkelt vielleicht zuerst unser Leben: Eine Leere stellt sich ein. Aber ich kann auch die guten Seiten sehen.

Die Ruhe erlaubt es uns, Dinge zu tun, die zuvor unterblieben sind. Die vielleicht sogar in Vergessenheit geraten sind.

Einen Spaziergang machen, die Sonne genießen. Den Vögeln zuhören. Nachdenken über mein Leben, über das Wesentliche: Was will ich mit meinem Leben? Lebe ich sinnerfüllt?

Ein Buch lesen, mich vertiefen in eine andere Welt, damit das Virus nicht all meine Gedanken bindet. Musik hören, die Augen schließen, tief hineinhören, auf jedes Instrument und ihr wundervolles Zusammenklingen achten. Das Wunder der Musik empfinden.

Die Ruhe erlaubt es uns, die unendlichen Möglichkeiten, die Gottes gute Schöpfung uns auch jetzt bietet, zu genießen.

Dazu gehört auch ein intensives Miteinander: ein ehrliches, tiefgehendes Gespräch. Wir teilen unser Leben, indem wir uns mitteilen. Wir öffnen uns füreinander, lernen uns neu kennen. Wir werden ehrlich voreinander, dürfen schwach sein. Das mag nicht leicht sein, aber es ist einen Versuch wert. Wenn es gelingt, werden wir reich beschenkt sein. Denn auch dazu hat uns der Gott geschaffen, der uns sich selbst in Jesus Christus mitgeteilt hat.

Es gibt noch viele andere Dinge, die uns in Gottes guter Schöpfung geblieben sind: Mit den Kindern spielen. In der Familie oder mit dem Partner/der Partnerin kochen und das Essen genießen. Jemanden anrufen, mit dem ich schon lange nicht gesprochen habe. Kreativ sein. Eine Arbeit erledigen, die ich schon lange vor mir hergeschoben habe.

Bitte setze die Reihe selber fort. Vielleicht entdeckst du ganz neue Freuden, die bisher nur im Hinterkopf schlummerten, ohne dass du sie in die Tat umgesetzt hast.

Manche haben jetzt die Möglichkeit, anderen zu helfen: Einkaufen für die alte Nachbarin, die zur Risikogruppe gehört. Einen Menschen, der allein in seiner Wohnung sitzt, anrufen. Jemanden zum Arzt fahren, der anders nicht hinkommt. Wenn du entdeckst, wie du andere Menschen glücklich machen kannst, wirst du selber glücklich werden.

Die Krise macht es möglich.


3. Die heilsame Krise

Auch das finstere Virental ist nicht einfach nur finster.

Den Redlichen geht das Licht auf in der Finsternis
von dem Gnädigen, Barmherzigen und Gerechten.
(Psalm 112,4)

Das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat das Licht nicht überwältigt.
(Johannes 1,5)

Jesus redete zu ihnen [den Pharisäern] und sprach:
Ich bin das Licht der Welt.
Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis,
sondern wird das Licht des Lebens haben.
(Johannes 8,12)

Es gibt offensichtlich zwei Perspektiven auf die finstere Krisenwirklichkeit: eine, die nur die Finsternis sieht, und eine, die in der Finsternis das Licht sieht. Die zweite ist die christliche Sichtweise.

In alledem, was uns finster erscheint, was uns quält und Sorgen bereitet, gibt es jetzt schon Licht. Wenn im Neuen Testament steht, dass Jesus Christus das Licht ist, dann ist damit gemeint: In ihm ist Gottes Liebe Wirklichkeit geworden und die Welt mit Gott versöhnt worden. Der ganzen Welt leuchtet nun in all ihrer Finsternis das Licht der Liebe und Versöhnung – auch dann, wenn es uns so scheint, als habe die Finsternis die Oberhand gewonnen und das Licht überwältigt (vgl. Joh 1,5 mit 12,35). Aber nichts kann das Licht überwältigen, das Jesus Christus ist. Gottes Liebe und Versöhnung haben Bestand auch im finstersten Tal.

In diesem Geliebt- und Versöhnt-sein wird die Krise sogar zu einer heilsamen Krise. Heilsam ist für mich, was mir in den letzten Tagen bewusst geworden ist.

Mir ist bewusst geworden, was für wunderbare Geschenke das sind, die ich vor der Krise wie selbstverständlich hingenommen habe: Freunde besuchen, das Miteinander pflegen, durch die Stadt bummeln, im Café sitzen, das Gespräch mit anderen Menschen führen, ihre Nähe suchen und sich bei alledem durch nichts bedroht fühlen. Das Virus macht mir bewusst, dass dies alles nicht selbstverständlich ist. Es macht mich dankbar für das Alltägliche und lässt mich den Wert vieler Dinge neu erkennen. Erst wenn uns etwas fehlt, wird uns sein Wert bewusst.

Vielleicht wird uns auch bewusst, wie begrenzt unser Leben ist, wie verletzlich wir sind. Vielleicht wird uns durch die Krise klar, dass der menschliche Allmachtswahn eine Illusion ist. Alles erschien machbar, nichts unmöglich. Ein winziges Virus belehrt uns eines Besseren.

Um nicht missverstanden zu werden: Es geht nicht darum, die Finsternis zu leugnen. Es gibt die Sorge um Gesundheit, es gibt die vielen Todesopfer. Es gibt die Trauernden, die um ihr Leben Kämpfenden und die Verzweifelten. In manchen Ländern leiden die Menschen schon jetzt unsäglich. Aber all das ist nicht das Letzte, ist nicht die erste und letzte Wahrheit über uns Menschen. Im Licht der Liebe Gottes kann ich die Sorgenvollen, die Kämpfenden, die Verzweifelten, die Toten und Trauernden und auch mich selbst und meine Zukunft Gott anheimstellen. Ich kann mein Entsetzen und meine Klagen ihm entgegenschreien.

Im Vertrauen zu dem, der mich in seinen guten Händen hält und einem guten Ziel zuführt, muss ich letztlich auch im finstern Tal kein Unglück fürchten, mich nicht mit Sorgen zermartern. Denn weder ich noch irgendein anderer Mensch kann tiefer fallen als in Gottes Hände. Gibt es etwas Tröstlicheres als das? „Du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich."

Vielleicht können wir auch das in der Krise neu lernen.


4. Gottes Liebesbrief

Von Gottes Liebe erfahren wir in der Bibel. Sie ist von ganz unterschiedlichen Menschen zu verschiedenen Zeiten geschrieben worden, Menschen, die ganz Unterschiedliches erlebt haben. Aber eins verbindet sie alle: Sie wussten um Gottes Liebe. Sie suchten sie, sie zweifelten an ihr, sie fanden sie und verloren sie wieder, sie suchten sie aufs Neue. Sie klagten Gott ihre Not und lobten ihn für seine Güte, die sie erlebt hatten. Sie sprachen zu den Menschen ihrer Zeit über die Krisen der Einzelnen und ganzer Völker und sie erzählten von jenem Einen, in dem ihnen Gott nahekam wie in keinem Zweiten. Ihre Worte sprechen auch zu uns, wenn wir uns ihnen öffnen. Es ist wie ein Liebesbrief, den Gott uns durch seine Boten geschrieben hat.

Die Krise und die Ruhe, die sie mit sich bringt, gibt uns die Möglichkeit, Gottes Liebesbrief zu lesen, einen Satz oder eine Geschichte durchzubuchstabieren. Geh davon aus, dass Gott durch die Worte der Bibel auch zu dir sprechen will. Dass er dir etwas Wichtiges, Entscheidendes zu sagen hat: Es geht um die Wahrheit über dein Leben, über den Sinn und das Ziel deines Lebens.

Du kannst Geschichten lesen von Menschen, die durch tiefste Täler mussten und denen Gott dennoch einen reich gedeckten Tisch bereitete. Geschichten von Menschen, die Irrwege und Umwege gingen, die verirrt waren in ihrem Leben und denen Gott ihr Selbstwertgefühl zurückgab, indem er sie wie einen kostbaren Schatz behandelte: als wenn er sie mit edelstem Öl salbte. Geschichten von Menschen, die Leid und Tod erlebten und dennoch erfuhren, dass ihnen nicht die Finsternis, das Furchtbare, das absolut Negative nachfolgte, sondern Gutes und Barmherzigkeit. Menschen, die gerade in den finsteren Tälern zu vertrauen lernten: „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar."

Das ist die Wahrheit über unsere Wirklichkeit und der Trost in Corona-Zeiten. Nicht Corona-Partys, nicht das Ausblenden und Nicht-ernst-Nehmen der Wirklichkeit sind der Trost, sondern das Vertrauen zu dem, der in allem und durch alles hindurch uns liebt:

Ich bin gewiss,
dass weder Tod noch Leben,
weder Engel noch Mächte noch Gewalten,
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur
uns scheiden kann von der Liebe Gottes,
die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
(Römer 8,38f)

Ich weiß, dass dieses Vertrauen nicht leicht ist. Es ist für uns sogar unmöglich. Aber wir müssen dieses Vertrauen auch nicht aus eigener Kraft aufbringen. Auch das Vertrauen will Gott uns schenken.


5. Unsere Antwort

Ein Jugendfreund von mir lebt zeitweise in Kenia. Er erzählte mir von einer Christin, die er dort kennenlernte, und von ihrem Glauben. Er berichtete, dass sie immer, wenn schwere Zeiten anbrachen, in einem kindlichen Vertrauen sagte: „Jesus wird es schon machen." Sie blieb ruhig, verfiel nicht in Panik und Angst, auch nicht in Aktivismus, sondern vertraute alles ihrem Herrn an: „Jesus wird es schon machen." Ich fand das sehr beeindruckend.

Ich glaube, die Menschen dort leben viel mehr als wir mit der Realität des Todes. Er ist für sie allgegenwärtig. Sie wissen, dass sie ihm ausgesetzt sind, sie können ihn nicht so leicht verdrängen wie wir. Vielleicht sind sie gerade deshalb offener für das Geschenk des Glaubens, für das kindliche Vertrauen: Ich habe keine Macht über mein Leben, aber Gott hat die Macht. Dass ich lebe, ist sein Geschenk. Er wird für mich sorgen, mir wird nichts mangeln. Was immer auch geschieht, ich bin gut bei ihm aufgehoben. „Jesus wird es schon machen."

Das Leben mag uns jetzt furchtbar vorkommen, die Angst uns bestimmen. Aber vor der Klammer alles dessen, was geschehen mag, steht Gottes Liebe und Güte, die unser Leben bestimmt. Was immer auch kommt, dein Leben wird nicht von einem banalen Virus bestimmt, sondern von dem Gott, dem du unendlich wichtig bist und der jedes Haar auf deinem Haupt gezählt hat (Mt 10,30; Lk 12,7).

Ich wünsche dir und mir, dass diese Gewissheit uns bestimmen möge in den nächsten Wochen und Monaten, und dass wir in der Krise wachsen im Vertrauen zu dem, der unser Leben in seinen guten Händen hält und uns niemals loslassen will.


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