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Zwischen Osterlachen und Hasenlachen

Christsein verstehen
Veröffentlicht von in Festzeiten · 3 April 2021
Tags: OsternLebenEwigkeitTodZweifelBeweiseVernunftReligion

Zwischen Osterlachen und Hasenlachen
Klaus Straßburg | 03/04/2021

Ostern darf wieder gelacht werden, was man für Karfreitag und -samstag nicht so unbedingt behaupten kann (siehe den Artikel Erfahrungen mit Karls Freitag in diesem Blog). Darum gab es früher in der Kirche den Brauch des Osterlachens. Es war ein fester Bestandteil der Osterliturgie. Das stelle man sich mal heute vor: Ein liturgisch verordnetes herzhaftes Lachen.


1. Das Osterlachen

Die Aufgabe des Pfarrers war es (Pfarrerinnen gab es damals noch nicht 😖), seine Gemeinde zum Lachen zu bringen. Er erzählte eine lustige und nicht immer ganz einwandfreie Geschichte, und die Gemeinde durfte lachen. Wie das gelang und wie kräftig und lautstark das Lachen war, ist mir leider nicht überliefert.

Möglicherweise machte es den Pfarrern Schwierigkeiten, die Gemeinde zu erheitern. Denn im Spätmittelalter versuchten sie es manchmal sogar mit obszönen Handlungen und Worten. Aus Gründen des Anstands habe ich es mir verkniffen, weiter zu recherchieren, worin genau die Obszönitäten bestanden. Jedenfalls kritisierten die Reformatoren die offenbar vorliegenden Entgleisungen und verbannten das Osterlachen aus den Gottesdiensten. Seitdem ist auch zu Ostern ein Stück Heiterkeit aus unseren Gottesdiensten verschwunden.

Heute jedenfalls entlockt man den Gottesdienstbesuchern vielfach nur ein mildes Schmunzeln. Zu ernst scheint die Sache des Gottesdienstes zu sein, und zu ungewöhnlich ist es, bei dieser ernsten Sache zu lachen. Lautes Gelächter wird offenbar in etlichen Gemeinden immer noch als etwas empfunden, was der Situation nicht angemessen ist. Immerhin stehen (oder sitzen) wir ja im Gottesdienst vor Gott. Und bei Gott gibt es nichts zu ... – aber das kann eigentlich nicht sein.

Bleiben wir lieber bei früher: Der Sinn des Osterlachens bestand nicht darin, dem Pfarrer seinen Humor zu bestätigen, sondern dem Tod ins Gesicht zu lachen. Der (hoffentlich nicht der Pfarrer, sondern der Tod) hatte sich an Christus verschluckt und der Lächerlichkeit preisgegeben, meinte man. Keine schlechte Idee, finde ich, wenn man die Vorstellung einmal wörtlich nimmt: Christus raubt dem Tod die Luft, so dass der sich selbst verschluckt, also irgendwie in sich selbst verschwindet und deshalb auch nicht mehr ernst genommen werden muss. Das ist der vorweggenommene Tod des Todes.

Man lachte also diesem vom Tod gezeichneten Tod ins Gesicht. Der war zwar nicht unmittelbar anwesend, stattdessen stand vorne der Pfarrer (der hoffentlich mehr Leben und Freude ausstrahlte als der Tod) – aber man machte jedenfalls ernst damit, angesichts der Auferstehung Jesu einmal herzhaft zu lachen. Gut so! Den Tod hat es sicher geärgert, vielleicht ist er auch deshalb gar nicht erst erschienen. Möglicherweise hatte er auch Sorge, sich nochmal heftig zu verschlucken.


2. Das Osterhasen- und Enkelchenlachen

Heute muss der Tod keine Angst mehr haben, sich zu verschlucken, weil wir ihn so gut es geht ignorieren und verdrängen, statt über ihn zu lachen. Als moderne aufgeklärte Menschen lachen wir nicht mehr dem Tod ins Gesicht, sondern dem Osterhasen. Der sieht ja auch viel lustiger aus als der Tod, und er bringt so schöne bunte Eier. Wir lachen auch gern über das Enkelchen, das sich so rührend über die vom Osterhasen versteckten Eier freut.

Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen. Man kann auch über beides lachen: den Tod und das Enkelchen. Natürlich fällt uns das beim Tod bedeutend schwerer als beim Enkelchen, das so viel Lebensfreude ausstrahlt. Und außerdem erblicken wir ja im Enkelchen so etwas wie die Fortsetzung unseres eigenen Lebens, auch wenn es das natürlich nicht wirklich ist.

Wenn sich unser Lachen aber auf das Enkelchen beschränken sollte, sind wir in eine gewisse Schieflage geraten. Auf dieser schiefen Ebene rutschen wir – es tut mir leid, das sagen zu müssen – immer dem Tod entgegen. Und zwar (der Ehrlichkeit halber muss man es hinzufügen) sogar mit dem Enkelchen an der Hand. Darum wäre ein herzhaftes Lachen über den Tod eine echte Befreiung aus dieser Schieflage.

Leider fällt in diesem Jahr für viele Menschen das Enkelchen-Lachen aus. Wegen Corona. Das ist gemein, weil es gerade sowieso so wenig zu lachen gibt, weil alle Theater, Kinos, Museen, Clubs, Restaurants, Cafés, Hotels, Ferienwohnungen und was es sonst noch so Schönes auf Gottes Welt gibt geschlossen sind (außer der schönen Schöpfung selbst, die ist geöffnet). Was aber gibt es dann überhaupt noch zu lachen an Ostern?


3. Das Lachen über uns selbst

Ich habe einen Vorschlag: Vielleicht können wir mal herzhaft über uns selber lachen. Über das bisschen Restreligion in den hintersten Winkeln unserer Seele. Und über unsere hochgeschätzte Vernunft, die für alles eine Erklärung parat hat. Und über unsere genervte Unzufriedenheit, weil der Urlaub dieses Jahr so unsicher ist und darum unser Leben gar keinen Sinn mehr zu haben scheint, weshalb wir auch so „mütend" sind (ein neues Mixwort aus „müde" und „wütend").

Um mit dem letzten zu beginnen: Hat es nicht eine gewisse Komik, dass wir, die noch nie einen Krieg, eine Hungersnot oder eine Pest erlebt haben, die ganze Landstriche leer fegt – hat es nicht eine gewisse Komik, dass wir es kaum ertragen können, ein Jahr (oder sind es gar eineinhalb Jahre?) ohne Urlaub auszukommen?

Gut, Corona ist für uns alle eine Herausforderung. Manche leiden mehr darunter, andere weniger. Dennoch: Verglichen mit dem, was andere Menschen in vergangenen und gegenwärtigen Zeiten durchmachen mussten und müssen, sind die Einschränkungen, die die meisten von uns treffen, doch eher Peanuts. Manche meinen, sie müssten dennoch auf die Straße gehen und gegen diese Einschränkungen demonstrieren. Das zeugt eher davon, das eigene Leben mit seinen gewohnten Bequemlichkeiten allzu ernst zu nehmen, als davon, einmal über sich selbst lachen zu können. Statt zu lachen, setzt man sich lieber einen Aluhut auf.

Der widerspricht nun wirklich aller Vernunft. Aber mit unserer Vernunft ist es eben auch nicht so weit her, wie wir uns immer eingebildet haben. Da schafft es der Mensch, der mit einer so ausgesprochen leistungsfähigen Vernunft ausgestattet ist, in eineinhalb Jahren nicht, das winzige vernunftlose Virus in seine Grenzen zu verweisen. Stattdessen richtet er ein endloses Lockdown-Öffnungs-Test-Impf-Chaos an. Irgendwie scheint eher das vernunftlose Virus uns Vernunftbegabte unsere Grenzen aufzuweisen.

Wir sind doch die Herren der Natur und der Geschichte, dachten wir immer. Wir haben alles im Griff. Wir wissen fast alles und können fast alles. Nun zeigt sich: Wir wissen nach eineinhalb Jahren immer noch nicht, was wir tun sollen. Und wenn wir etwas wissen, entbrennt sogleich der Streit darüber, ob denn dieses Wissen wirklich richtig ist und was aus ihm folgt. So bewegen wir uns im Dauerkreislauf „Runter mit den Inzidenzen – Rauf mit den Inzidenzen". Das ist doch ein ganz guter Stoff für eine Komödie, oder? Also alle mal herzhaft lachen!

Aber schon bleibt uns das Lachen im Halse stecken. Denn immerhin hat uns dieses vermaledeite Virus den Tod vor Augen gestellt. Fast alle bewährten Mechanismen, ihn zu verdrängen, sind ausgefallen. Zerstreuung ist kaum noch möglich. Überall begegnet nur Corona. Das ist kaum auszuhalten, denn Corona bedeutet Lebensgefahr. Also ignorieren manche das Virus so gut es geht. Andere buchen den Endlich-mal-raus-Urlaub auf Malle. Wieder andere machen trotzdem Party oder setzen sich einen Aluhut auf ...

Mein Vorschlag: Einfach mal über den Tod lachen. Schließlich ist Ostern.

Ja, ich weiß, dass über den Tod zu lachen gar nicht einfach ist. Eigentlich sogar unmöglich. Aber wenn Ostern wirklich einen Sinn hat ...

Mit ein bisschen Restreligion stellt sich das Osterlachen allerdings nicht ein. So einfach lässt sich der Tod nicht vertreiben. Die mühsam hervorgekramte Restreligion beschwert sich eher über den Gott, den es angeblich gibt, der aber nichts gegen Corona tut.

Seien wir ehrlich: Über den Tod zu lachen ist nicht unsere Sache. An ein Leben danach zu glauben auch nicht. Wir sind dabei sogar in guter Gesellschaft.


4. Das fehlende Lachen der Follower-Gemeinde

Die ersten, die entdeckten, dass Jesus offenbar nicht vom Tod verschluckt war, waren nach den Evangelien Frauen. Die erzählten es den Jüngern (heute würden wir sagen follower). Diese Männergesellschaft aber tat, was Männer so tun, wenn sie neue Informationen bekommen: Sie ließen erstmal die kritische Vernunft sprechen. Und die sagte: Stimmt nicht. Ist unlogisch. Kann gar nicht sein. Glauben wir nicht (Mk 16,11; Lk 24,11). Die Restreligion glaubt halt nur, was sie sieht. So ist sie fixiert auf die nackten Fakten. Nur was beweisbar ist, ist real.

Ein restreligiöser Spezialfall war der Jünger Thomas. Der glaubte nicht mal den männlichen Jüngern, dass Jesus lebte. Er wollte Jesus mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Händen fühlen (Joh 20,25). Also ein echt fortschrittlicher Typ. Hat er doch den modernen, an erfahrungsbasiertem Wissen orientierten Menschen glatt vorweggenommen.

Natürlich haben alle Jünger und Jüngerinnen Jesu schließlich doch noch zum Osterglauben gefunden. Und damit auch zum Osterlachen (damals noch ganz unliturgisch, aber dafür ehrlich).

Aber es kann noch schlimmer kommen als bei Thomas und den anderen Jüngern. Da gab es zwei Ex-Follower Jesu, die die Lebendigkeit ihres gestorbenen Meisters selbst dann nicht wahrhaben wollten, als er ihnen persönlich begegnete (Lk 24,13-35). Sie hatten Jerusalem schon verlassen und waren völlig frustriert auf dem Rückweg in ihr Heimatdorf. Die Zeit mit Jesus – offenbar ein schrecklicher Irrtum, vertane Zeit, und so blieb nichts, als wieder in das alte Leben einzusteigen. Da gesellte sich Jesus zu ihnen. Aber die beiden waren so sehr auf die nackten Fakten konzentriert, dass sie ihn nicht erkannten.

Das Phänomen ist uns nicht unbekannt: Was nicht real sein kann, muss man nicht ernst nehmen. Alles Hirngespinste. Wir glauben nicht an Märchen und nicht an Wunder. Also geschehen auch keine. Die Logik geht so: Tot ist tot. Das sind die Fakten. Nur Fakten zählen. Jede Ursache hat eine Wirkung. Und wenn das Gehirn aussetzt, ist der Mensch unweigerlich tot und wird nicht wieder lebendig. Was tot ist, ist und bleibt tot. Ursache – Wirkung: fertig.

Irre: Wir wollen Gott in dieses Schema pressen. Ist das Logik oder einfach nur irre?

Zuletzt haben die beiden Jesus dann doch noch erkannt, als er beim Mahl das Brot brach und ihnen gab. Also als er mit ihnen das Leben teilte. Und just in diesem Moment verschwindet er vor ihren Augen. Dem Glauben bleibt also doch nichts anderes, als dem Unsichtbaren zu vertrauen. Von Gott können wir weder ein Foto machen noch ihn im Experiment objektivieren. Hier gibt es nichts zu beweisen.

Zur Rettung der Männerehre muss gesagt werden, dass es auch manchen Frauen nicht besser erging. Wenn auch aus anderen Gründen. Eine von ihnen, Maria, stand zu Tode betrübt, verzweifelt und weinend am Grab Jesu. Der Evangelist berichtet, dass Jesus sie plötzlich anspricht (Joh 20,11-16). Aber auch sie erkennt ihn nicht, sondern meint, es sei der Gärtner. Sie ist nicht deshalb blind für den Auferstandenen, weil sie in einer Logik befangen ist, sondern von ihren Gefühlen überwältigt. Beides, uns beherrschende Logik und uns beherrschende Gefühle, können uns den Blick für die Realität verstellen.

(Anmerkung für Gendersensible: Ich weiß, dass ich hier sehr schematisch über männliche und weibliche Verhaltensweisen schreibe. Bitte nicht zu ernst nehmen! Maria könnte auch ein Marius und Thomas eine Thomasina sein.)

Die Szene ist dennoch nicht ohne Humor: Jesus als Gärtner? In Arbeitskleidung? Mit einer Schaufel in der Hand? Oder einer Staude, die er gerade einpflanzen wollte? Aber darin liegt auch ein tiefer Sinn: Der, der das Leben selbst ist (der Grund unseres Seins), wird mit dem verwechselt, der das Leben pflegt. Jesus als biologische Pflegekraft sozusagen. Das ist restreligiös; zu wenig für den Herrn über Leben und Tod.

Dann aber sagt Jesus nur ein einziges Wort, und sie erkennt ihn: „Maria!" In welchem Tonfall mag Jesus dieses eine Wort „Maria" gesagt haben? Leider verfügen wir über keine Tonaufnahme (dafür hätte Gott ja nun wenigstens sorgen können!). War es ein zorniges: „Maria, reiß dich zusammen! Du wirst mich doch wohl noch erkennen!" Oder ein trauriges: „Maria, ich bin tief enttäuscht, und es tut mir weh, dass du mich nicht erkennst." Oder ein liebevolles: „Maria, ich bin's. Ich habe dich doch in unseren Gesprächen so oft liebevoll bei deinem Namen genannt." Wie Jesus es gesagt hat, wissen wir nicht. Ich plädiere für das Letztere: An seiner Liebe hat Maria Jesus erkannt.


5. Das Lachen der vom Tod Gezeichneten

Die Liebe Gottes ist der Sinn auch des Osterfestes. Sie geht so weit, dass selbst der Tod sie nicht aufhalten kann. Der liebende Gott lässt die, die durch den Tod gegangen sind, nicht los. Sie sind weder vergessen noch vergangen. Gott liebt sie so sehr, dass er mit ihnen zusammen sein will – für immer und ewig.

Für die Restreligion in den hintersten Winkeln unserer Seele ist das nicht sichtbar. Darum hat sie im Angesicht des Todes nichts zu lachen. Wenn wir es bei ihr belassen wollen, dann sollten wir lieber ehrlich dem Osterhasen ins Gesicht lachen. Viel weiter reicht nämlich die Restreligion nicht. Wer mehr will, muss sich schon auf den Gott in Jesus Christus einlassen. Dann wird es wirklich spannend.

Dann wird es aber auch schmerzhaft. Trauer, Enttäuschung und Lebensfrust sind nicht ausgeschlossen, wie die obigen Beispiele der Jüngerinnen und Jünger Jesu zeigen. Jesus steht uns nicht zur Verfügung, sondern entzieht sich auch. Gott verlässt uns.

Von den Wunden des Lebens und Sterbens bleiben auch die Glaubenden nicht verschont. Das Osterlachen ist ein Lachen, das durchs Weinen hindurchgegangen ist. Ein Leben, das den Tod kennengelernt hat – und dennoch Gottes Sieg über ihn glaubt.

Wer mehr will als Restreligion, darf das Weinen und den Tod nicht scheuen. Wir werden beides sowieso nicht los. Aber wir können im Glauben an den Gott, der Weinen und Tod überwunden hat, mit ihnen leben lernen. Ohne zu verzweifeln.

So sind wir vom Tod Gezeichnete, die dem Leben entgegengehen. Denn zuletzt wird nichts als Lachen und Rühmen sein (Ps 126,1-3):

Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,
dann werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Dann wird man sagen unter den Heiden:
Der HERR hat Großes an ihnen getan!
Der HERR hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.


* * * * *



1 Kommentar
2021-06-17 10:26:42
Über den Gang nach Emmaus.

Und hier noch etwas über den Osterhasen: www.hjcaspar.de/hpxp/gldateien/osterh.htm.

Gruß, Hans-Jürgen.
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