Wohltäter haben mehr vom Leben
Studien bestätigen biblische Weisheit
Klaus Straßburg | 22/05/2023
Es gibt eine gute Nachricht für Menschen, die ein gutes Miteinander pflegen – die hilfsbereit sind, die treu sind, die Beziehungen aufbauen, die sich für andere engagieren und Gemeinschaft fördern, die Konflikte abschwächen und zur Versöhnung beitragen. Und wenn du jetzt denkst, die gute Nachricht für sie bestehe darin, dass sie in den Himmel kommen – das meine ich jetzt gerade nicht.
Die Verheißung für all diese Menschen ist viel profaner, viel erdverbundener. Wir kratzen heute mal so richtig an der Erde, so dass sie uns unter den Nägeln hängen bleibt. Die gute Nachricht besteht nämlich darin, dass all diese Menschen die besten Chancen haben, glücklich zu werden und lange gesund zu bleiben.
Wie ich darauf komme?* In einer Studie der Harvard-Universität in den USA werden seit 85 Jahren die Lebenswege von Menschen nachverfolgt. Es handelt sich um die längste Entwicklungsstudie der Welt. Die Teilnehmenden werden regelmäßig über ihr Leben befragt: Familie, Freundschaften, Ehe, Arbeit, Erfolge und Misserfolge, Lebenseinstellungen, Zufriedenheit. Arztberichte werden analysiert und die Gehirne der Probanden gescannt.
Das wichtigste Ergebnis der Forschungen lautet: Die besten Chancen auf Gesundheit, Glück und ein langes Leben haben diejenigen, die in befriedigenden Beziehungen leben. Glücklich machen nicht beruflicher Erfolg und gesellschaftliches Ansehen, nicht Reichtum und Klugheit, nicht viele Likes im Internet und auch nicht Bewunderung durch die Mitmenschen. Ebenso wenig sind niedrige Cholesterinwerte eine Garantie dafür, dass wir gesund bleiben. Sondern diejenigen sind mit 80 Jahren die körperlich und seelisch Gesündesten, die im Alter von 50 Jahren in befriedigenden Beziehungen lebten.
Der Psychiater Dr. Robert Waldinger, der die Studie gegenwärtig leitet, fasst es so zusammen:
Gute Beziehungen machen glücklicher und gesünder. Punkt.
Ich möchte hinzufügen: Zum Glück trägt auch bei, dass jemand nicht in Armut lebt, sondern über die notwendigen Mittel verfügt, seine existenziellen Grundbedürfnisse zu befriedigen. Und dass er die Chance hat, sich seinen Begabungen entsprechend zu entwickeln. Und der Gesundheit ist es sicherlich zuträglich, wenn man seine Cholesterinwerte im Blick behält. Was die Ergebnisse der Studie aber sagen wollen, ist offensichtlich, dass befriedigende Beziehungen jedenfalls wichtiger für das Glücksempfinden sind als Reichtum, Erfolg und ein hoher gesellschaftlicher Status.
Andere Studien bestätigen das: Gute soziale Beziehungen sind einer der wichtigsten Faktoren für unser Wohlbefinden. Hingegen ist dauerhafte Einsamkeit ein ebenso großer Risikofaktor wie Rauchen, Bewegungsmangel und Luftverschmutzung.
Wir Menschen sind eben Beziehungswesen. Das wird schon in der biblischen Schöpfungsgeschichte deutlich, in der Gott feststellt, dass es nicht gut für den Menschen sei, allein zu sein. Also macht er ihm "ein Gegenüber, das ihm entspricht" (so wörtlich): ein Wesen, das dem Menschen in seiner Bedürftigkeit entspricht, das ihn anspricht und ein ihm ebenbürtiger und hilfreicher Beistand ist (1Mo/Gen 2,18).
Wir brauchen also Menschen, die uns Gutes tun. Und die anderen brauchen Menschen, die ihnen Gutes tun. Alle profitieren davon – auch der, der anderen Gutes tut.
Denn wenn wir einen Einsamen für einen Moment aus seiner Einsamkeit befreien können, wenn ein Unverstandener sich von uns verstanden fühlt, wenn wir einem Unglücklichen ein Lächeln auf die Lippen zaubern können – dann werden wir selbst mit Freude erfüllt, dann spüren wir, dass unser Leben bedeutsam ist.
Aber kann ich das: anderen Gutes tun? Bin ich damit nicht überfordert? Habe ich nicht mit mir selbst genug zu tun?
Die zweite gute Nachricht ist: Schon kleine Dinge können Großes bewirken. Auch dazu gibt es Forschungsergebnisse. Die amerikanischen Psychologinnen Gillian Sandstrom und Elisabeth Dunn konnten nachweisen, dass schon ein kurzer Small Talk die Stimmung hebt und unser Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt. Schon kleinste Gesten der Freundlichkeit haben einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden – nicht nur das des anderen, sondern auch das eigene. Zum Beispiel, wenn wir jemandem die Tür aufhalten oder ihn freundlich anlächeln.
Wenn wir einmal tief in uns hineinhorchen, merken wir das an uns selbst. Dass es gut für unsere Stimmung ist, wenn uns jemand anlächelt, ist ziemlich klar. Aber dass es unsere Stimmung auch hebt, wenn wir jemanden anlächeln, ist uns vielleicht nicht so bewusst. Doch es ist offenbar so: Wer anderen ein Lächeln schenkt, lebt glücklicher und länger.
Und es gibt noch eine dritte gute Nachricht: Das freiwillige soziale Engagement hat in Deutschland in den letzten 20 Jahren stetig zugenommen. Im Jahr 2019 haben über ein Drittel der Menschen über 14 Jahren in Deutschland ein Ehrenamt ausgeübt. Das sagt der sogenannte Deutsche Freiwilligensurvey. Das ist eine repräsentative telefonische Befragung, die alle fünf Jahre für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgeführt wird.
Auch das freiwillige Engagement für andere wirkt sich der Wissenschaft zufolge auf die Freiwilligen selbst positiv aus – auch dann, wenn es keine Bezahlung gibt. Es tut einfach gut, sich für andere einzusetzen oder mit anderen zusammen im Umwelt- oder Tierschutz tätig zu sein. Studien zeigen: Wer sich sozial engagiert, fühlt sich wohler, und zwar bis ins hohe Alter. Wer anderen gerne hilft, ist im Normalfall mit seinem Leben zufriedener als jemand, der das nicht tut.
Die Weisen Israels, die ihre Lebenserfahrungen oft in kurzen Sprüchen festgehalten haben, wussten bereits um diese Wahrheit:
Die Sünder verfolgt das Unheil,
die Wohltäter aber belohnt das Glück.
(Spr 13,21)
Ein Wohltäter tut sich selbst Gutes,
ein Unbarmherziger aber schneidet sich ins eigene Fleisch.
(Spr 11,17)
Und sehr poetisch drückt es Spr 4,18 aus:
Der Pfad der Wohltäter ist wie ein aufgehender Lichtglanz,
der immer leuchtender wird, bis der Tag hervorgeht.
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* Quelle: Die Techniker – Das Magazin. Hg. von der Techniker Krankenkasse. Ausgabe 04/2023, S. 6-9.
Foto: Klaus Straßburg.