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Was bleibt und was nicht bleibt

Christsein verstehen
Veröffentlicht von in Theologie verständlich · 12 Juli 2021
Tags: VertrauenErkenntnisHoffnungLiebeEwigkeit

Was bleibt und was nicht bleibt
Klaus Straßburg | 12/07/2021

Manchmal versteht man etwas besser, wenn man darauf achtet, was jemand nicht gesagt oder geschrieben hat. Der Apostel Paulus hat einmal davon geschrieben, was eigentlich das Bleibende ist – eine typische Frage der antiken griechischen Philosophie. Sie fragte nicht so sehr nach dem, was kommt, sondern nach dem, was bleibt.

Was also bleibt – von unseren Taten, von unserem Leben, von der Geschichte, ja von der ganzen Welt? Was ist das beständige Wesen der Dinge, das nicht vergeht, sondern in allen Wandlungen bleibt? – So hätte ein antiker Philosoph gefragt.

Paulus war kein griechischer Philosoph, sondern jüdischer Christ. Er schreibt zur Frage, was bleibt:

Jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
die größte aber von diesen ist die Liebe.
(1. Korintherbrief Kapitel 13 Vers 13)

Warum nennt Paulus gerade diese drei? Oder anders gefragt: Was nennt er nicht? Was gehört seiner Meinung nach nicht zu dem, was bleibt?

Man könnte viel nennen: Politische Programme bleiben nicht, philosophische Systeme auch nicht, auch künstlerische Leistungen nicht. Ebenso werden Weltanschauungen und Religionen vergehen. Alles, was uns so wichtig ist, um das wir manchmal kämpfen, an dem unser Herz hängt: Nichts davon bleibt.

Ja, auch das Christentum ist nichts Bleibendes, sondern unterliegt der Kritik wie überhaupt alles Menschliche: Wir Menschen erkennen nur bruchstückhaft, all unser Forschen, Erkennen und Bewahrheiten ist Stückwerk. Denn vor dem genannten Satz schreibt Paulus:

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in rätselhafter Erscheinung,
dann aber von Angesicht zu Angesicht;
jetzt erkenne ich teilweise,
dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin.
(1. Korintherbrief Kapitel 13 Vers 12)

Paulus war in dem, was er hier schrieb, ausgesprochen modern: Er wusste um die Grenzen der menschlichen Erkenntnismöglichkeiten und unterzog all unsere Erkenntnisse einer scharfen Kritik. Da war Paulus ganz auf der Linie des Sokrates, auf der Linie Immanuel Kants, Hans-Georg Gadamers und anderer bedeutender Philosophen.

Was ist es noch, was nach Paulus nicht zu dem gehört, was bleibt? Fortschritt, Weiterentwicklung, technische Neuerungen, Programme der Weltverbesserung, Visionen und Zukunftsforschung. Alles, was Paulus nicht nennt, mag an seinem Ort nützlich und wertvoll sein, aber das ändert nichts daran, dass es nur relative Gültigkeit hat, dass es letztlich zu dem gehört, was keinen Bestand hat, was vergeht.

Dazu gehören auch eine menschenfreundliche Haltung, ein Humanismus, der Kapitalismus und der Kommunismus. Unsere Moral gehört dazu, unsere westlichen Werte, die wir so gern hochhalten, sogar die Demokratie und Freiheit gehören dazu. Nicht, dass nicht all das an seinem Ort gut und wichtig wäre, aber seine Güte und Wichtigkeit ist sehr relativ, sehr bestreitbar und vergänglich. Es ist nichts weiter als Stückwerk.

Dagegen stellt Paulus zunächst den christlichen Glauben. Das ist die Beziehung zu dem Gott, der die Liebe ist (was nicht heißt, dass das, was wir Liebe nennen, Gott ist). Es bleibt die Beziehung zur Liebe, das Einssein mit der Macht der Liebe, das Einssein mit dem in der Welt wirkenden Gott, mit der in der Welt wirkenden guten Macht, die unverfügbar für uns ist und die die Krise all unserer Konzeptionen und Erkenntnisse ist, die Erfüllung unseres Suchens und darum das Fragezeichen hinter all unserem Finden. Auch wenn wir anfangen, christliche Denksysteme zu entwickeln, müssen wir die Krise dieser Systeme mitdenken und uns unserer Grenzen bewusst bleiben.

Die Beziehung zu Gott, zur unverfügbaren Macht der Liebe bleibt. In der Form des Glaubens, des Vertrauens zu Gott bleibt sie „jetzt", wie Paulus bewusst schreibt. „Jetzt", auf Erden, bleibt der Glaube.

Außerdem bleibt die Hoffnung. Hoffen heißt, auf die Macht der Zukunft zu setzen und von ihr zu leben, von Gott, der die Zukunft in seinen Händen hält (wir müssen bildlich reden, denn Gott hat keine Hände wie wir). Hoffen heißt, auf den Gott setzen, von dem her alle Zukunft kommt, ja der unser aller Zukunft selbst ist, ob wir es wissen oder nicht. Wir können wissen, dass Gottes Zukunft gut ist, aber wir wissen nicht, wie sie sein wird. Das sind wiederum die Grenzen unseres Erkennens. „Jetzt", auf Erden, bleibt immerhin die Hoffnung.

Und die Liebe bleibt: Gott selbst, der die Liebe ist. Die Versöhnung bleibt, die Vergebung, der Friede und die Freude. All das kommt von ihm, aus seiner Liebe, aus ihm selbst. Alles, was wir schaffen, ist demgegenüber ein Stochern im Heuhaufen. Unsere „Liebe", unsere Moral und Ethik, unsere Werte, unser wohlmeinendes Handeln – alles ein Stochern, ein Suchen, ein hier und da sogar eine Zeit lang hilfreiches Ausbessern und Trösten, aber nichts gegenüber der Liebe selbst.

Und dennoch meint Paulus, die Liebe sei die größte von den dreien Glaube, Hoffnung und Liebe. Warum? Weil die Liebe ewig bleiben wird.

Die Liebe fällt niemals [dahin].
Seien es Prophetien, sie werden zunichte gemacht werden;
seien es [ekstatische] Zungenreden, sie werden aufhören;
sei es Erkenntnis, sie wird zunichte gemacht werden.
(1. Korintherbrief Kapitel 13 Vers 8)

Werden denn Glaube und Hoffnung nicht bleiben? Was denen, die es wollen, bleiben wird, ist die Beziehung zu Gott, das Einssein mit ihm. Der irdische Glaube, das Vertrauen auf Gott, ist davon nur ein unvollkommenes Bild und wird vom Vollkommenen abgelöst werden. Denn wo jemand mit Gott eins ist, muss er ihm nicht mehr vertrauen. Er lebt ja im Vertrauen, in der Einheit mit ihm.

Die Hoffnung wird unnötig sein für die, die in der Zukunft Gottes, in seiner Gegenwart „von Angesicht zu Angesicht" leben. Denn wo alles endgültig gut ist, muss nicht mehr auf das Gute gehofft werden.

Wenn wir in der Beziehung zu Gott vollendet sein werden, wenn unser Leben vollendet sein wird, dann wird freilich auch das, was wir hier auf Erden gelebt haben, nicht einfach weg sein. Es gehört ja zu uns. Es ist ein Teil von uns. Und es wird daher auch ein Teil des ewigen Lebens sein – nicht in der unvollkommenen irdischen Form, sondern in der vollendeten Form: so, wie Gott es sich gedacht hat.

Gott hat viele Namen: das, was uns unbedingt angeht, die Macht der Liebe und der Zukunft, die gute Macht, die nicht vergeht, das A und das O, der Anfang und das Ende, der Vater, der gute Hirte, die Liebe, die zu uns kommt jeden Tag, ob wir es wissen oder nicht. Wie auch immer wir aber Gott nennen mögen: Er ist Gott und wir sind Menschen. Er ist unendlich und wir begrenzt. Er ist die Liebe und wir bestenfalls ein schwacher Abglanz seiner Liebe, von ihr angestrahlt wie der Mond von der Sonne.

Das zu wissen, macht uns nicht klein, sondern groß. Denn Gott, die Liebe, kommt zu Menschen, nicht zu Göttern. Wir müssen keine Götter sein, um in ihren Genuss zu kommen.

Es ist eine Wohltat, Mensch zu sein und nichts als Mensch und als ein solcher von Gott unendlich geliebt zu sein. Denn die Liebe fällt niemals dahin.


* * * * *



14 Kommentare
Hans-Jürgen Caspar
2021-07-13 10:56:45
Lieber Klaus,

im ersten Teil Deines ausgedehnten Textes bis einschließlich "Stückwerk" stimme ich Dir voll zu, und die Zusammenstellung dessen, was alles vergehen wird, finde ich interessant.

Dagegen verstehe ich von dem Folgenden praktisch nichts mehr - bitte verzeih'! Manches erscheint mir sozusagen "dogmatisch" und überzeugt mich nicht.

Insbesondere konnte ich noch nie begreifen, dass es ein besonderes Zeichen von Liebe sein soll, wenn ein Vater sein einziges Kind zugunsten anderer Menschen opfert und in den Tod schickt. Dabei war im es im Falle Jesu auch noch so, dass Sein Opfertod vielfach nicht verstanden wurde (auch von einem Teil der Jünger), und das gilt bis heute. Die meisten Westeuropäer und auch wir Deutschen wissen gar nichts davon oder haben höchstens durch vorangegangenen, weitgehend folgenlos gebliebenen Religionsunterricht eine vage Erinnerung an dieses, zum Fundament des Christentums gehörende Ereignis .

"Gott ist Liebe" (hauptsächlich und mehrfach wiederholt hauptsächlich von Johannes) ist für mich eine auch in Gottesdiensten oft zu hörende Floskel - aber trifft sie zu?! Mir erscheint Gott eher unpersönlich, zwar gewaltig, aber mit menschlichen Begriffen wie "Liebe" kaum beschreibbar. (Im Alten Testament sind es noch mehr, davon manche schrecklich und grausam.)

Herzliche Grüße
Hans-Jürgen



2021-07-13 17:40:21
Hallo Klaus,

danke für diese Auslegung, mit der ich sehr viel anfangen kann! Das Hohelied der Liebe im 1. Korintherbrief gehört zu meinen Lieblingsstellen in den Paulusbriefen. Praktisch alle meine üblichen Konfliktpunkte mit theologischen Dogmen und zwischen meinem technisch-naturwissenschaftlichen Denken und biblischen Wundererzählungen werden damit in ihrer Bedeutung ebenso stark wie angemessen relativiert.

Sprachlich mag ich allerdings die Lutherübersetzung lieber, in der ich die zitierten Stellen praktisch auswendig kenne.

Viele Grüße

Thomas
2021-07-13 18:58:21
Lieber Hans-Jürgen,

hier braucht sich niemand dafür zu entschuldigen, dass er mein Gestammel nicht versteht. Im Gegenteil: Kritik ist durchaus erwünscht!

Du stößt dich an dem Satz "Gott ist Liebe", der zweimal im 1. Johannesbrief steht (4,8.16). Man kann dem sicher viel entgegensetzen. Im Alten Testament gibt es den kriegerischen Gott und den Gott des Gerichts, der Unheil über die Menschen bringt. Im Neuen Testament gibt es die Hingabe Jesu ans Kreuz durch seinen himmlischen Vater. Man kann mit Recht fragen, was das mit Liebe zu tun hat.

Andererseits wird Gott im Alten und Neuen Testament beschrieben als der, der seinem Volk Israel treu bleibt trotz dessen Untreue und der es durch alle geschichtlichen Katastrophen hindurch an das von ihm gesetzte Ziel führt, zunächst ins "Gelobte Land", und danach wird dem Volk der ewige Friede in der Gemeinschaft mit Gott verheißen - wohlgemerkt dem Volk, das ohne Staat und Tempel ist, das ein Spielball der Weltmächte ist und dessen Existenz permanent auf dem Spiel steht.

Im Neuen Testament ist Gott der, der nicht die Frommen, sondern DIE GOTTLOSEN gerechtspricht (Röm 4,5; 5,6), der sich in Jesus den Sündern, Verachteten und Besessenen zuwendet und der diesen Weg konsequent bis zum Ende geht, nämlich dem Ende am Kreuz. Es wäre ein Leichtes gewesen für Jesus, sich dem Kreuz zu entziehen, er hätte seine Liebe zu den von den religiösen Autoritäten Verstoßenen nur ein wenig einzuschränken brauchen, und schon hätte er seine Haut gerettet. Aber gerade an seiner Liebe konnte er keine Abstriche machen.

So werden auch Gottes Gerichte im Alten Testament nicht als blinde Strafen verstanden, sondern als Rufe zur Umkehr. Gott straft nicht sinnlos, sondern auch sein Gericht kann Ausdruck seiner Liebe sein. Und der Tod Jesu ist die Konsequenz seiner Liebe, nicht ein Betriebsunfall und nicht ein Ereignis, dem er (wollte er konsequent lieben) hätte aus dem Weg gehen, das also hätte verhindert werden können.

Das ist jetzt in aller Kürze meine Sicht der Dinge. Zum Verständnis des Todes Jesu habe ich mich aber im Artikel "Welchen Sinn hatte Jesu Tod am Kreuz" schon ausführlich geäußert (bitte über die Themenseite unter dem Stichwort "Leiden Gottes" aufrufen). Auch mein Buch "Versöhnte Welt - Wie wir Jesu Tod 'für uns' verstehen können" befasst sich eingehend mit diesem Thema.

Zur Personalität Gottes kann ich sagen, dass ich Gott sowohl als Person als auch als Macht verstehe. Dazu steht etwas im Artikel "Eine Person anderer Art" (Themenseite Stichwort "Personalität Gottes"), den du ja auch schon gelesen hast. Ich glaube, wir reduzieren Gott, wenn wir ihn NUR als Person oder NUR als Macht verstehen. Beides gehört bei Gott zusammen.

Nun ist es sicher richtig, dass Gott mit menschlichen Begriffen "kaum beschreibbar" ist. Was Paulus schreibt, gilt auch für unsere menschlichen Begriffe: Sie sind Stückwerk. Gott ist größer als all unsere Beschreibungen. Und dennoch können wir nicht umhin, mit menschlichen Worten von ihm zu reden - wir haben ja keine anderen. Auch die Bibel redet mit menschlichen Worten. Und sie beschreibt Gott als gnädig, barmherzig und von großer Güte, als vergebend, als sich den Sündern zuwendend, als für uns sich einsetzend und uns einem wunderbaren Ziel entgegenführend - ich finde das alles mit dem Begriff "Liebe" sehr gut zusammengefasst, wie es ja auch das Alte und Neue Testament schon tun.

Wie gesagt, das ist jetzt alles sehr knapp gesagt, aber ich gehe gern weiter ins Detail, wenn du mir konkret schreibst, was du nicht verstehst und was dich nicht überzeugt. Schön, dass wir auf diesem Weg miteinander ins Gespräch kommen 😁.

Viele Grüße
Klaus
2021-07-13 19:48:46
Hallo Thomas,

ja, das Hohelied der Liebe ist schon etwas Besonderes. Schön, dass dir meine Auslegung gefällt.

Die Lutherübersetzung ist natürlich sprachlich einzigartig und einprägsam, sie kommt mir auch immer zuerst ins Gedächtnis.

Liebe Grüße
Klaus
Hans-Jürgen Caspar
2021-07-14 13:16:30
Lieber Klaus,

danke für Deine wiederum ausführliche Antwort mit für mich nützlichen Details und Überlegungen.

Zu den Sätzen, die ich nicht verstehe, gehört zum Beispiel dieser: "Die Beziehung zu Gott, zur unverfügbaren Macht der Liebe, bleibt." Oder das, was Du in Verbindung mit Gott über die Hoffnung schreibst, dass es erhalten bleibt. Auch glaube ich nicht, dass einiges andere von dem, was Du nennst, Bestand haben wird. Was Menschen in, sagen wir: hundert Jahren - das wären vier Generationen - glauben werden, können wir nicht vorausahnen. Schon jetzt, jedenfalls bei uns, ist vielen Gott gleichgültig, von Jesus und Seinem Errettungswerk ganz zu schweigen. Sie wissen einfach nichts mehr davon, was an allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte liegt.

Die Interessen der meisten liegen woanders als auf geistlichem Gebiet und reichen von existenziellen Sorgen und Zielen bis hin zur Unterhaltung und zu zweifelhaften, zum Teil schädlichen Vergnügungen. Das eigene Seelenheil, früher für viele etwas sehr Wertvolles (Luther: "Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?"), spielt bei ihnen kaum noch eine Rolle. Bei allem wirkt sich die rasante technische Entwicklung aus, die wir zur Zeit erleben und die es vorher nicht gab. Ihr Ende ist nicht abzusehen, auch nicht ihr Einfluss auf das zukünftige geistige Leben.

Für Deinen Hinweis auf frühere Blog-Artikel bin ich Dir dankbar. Ich las sie mit Freude, auch Bewunderung, so zum Beispiel die Passagen über Paul Gerhardt.

In "Welchen Sinn hatte Jesu Tod am Kreuz?" liest man über Gott: "Er tut nichts anderes als das, was sein Wesen ist: lieben." Das ist auch so ein Satz, dem ich nicht zustimmen kann.

Insgesamt aber bemühe ich mich, Dir zu folgen und Dich zu verstehen, und habe dabei manches neu hinzugelernt. So bin ich gerne bei Dir, "elektronisch" sozusagen, und grüße Dich!

Hans-Jürgen

2021-07-14 21:55:57
Lieber Hans-Jürgen,

danke für deine Erläuterungen. Ich kann dazu jetzt Folgendes sagen:

Du verstehst den Satz nicht: „Die Beziehung zu Gott, zur unverfügbaren Macht der Liebe, bleibt." Ich gehe davon aus, dass unsere Beziehung zu Gott, unser Glaube kein Menschenwerk ist, also nichts, was wir Menschen zuwege bringen.

Gemeinhin wird ja angenommen: Jeder Mensch hat die Chance zu glauben oder nicht zu glauben. Er kann sich frei entscheiden, ob er glauben will oder nicht. Diese Einstellung halte ich für falsch.

Glaube ist meiner Überzeugung nach ein Geschenk Gottes bzw. eine Gabe des heiligen Geistes. Wir selbst können aus uns heraus nicht glauben, wir können nur dankbar das Geschenk des Glaubens annehmen; und zwar so, wie ein Verhungernder das Brot, das ihm geschenkt wird, annimmt. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass er es annimmt. Es ist darum keine Wahl, die er trifft, keine Abwägung, sondern eigentlich das einzig Mögliche. Darum kann ich auch das Annehmen des Geschenks des Glaubens nicht als freie Entscheidung des Menschen verstehen. Zum Annehmen seines Lebens, der Beziehung zu Gott, muss er sich nicht entscheiden. Er tut es einfach.

Dass es dennoch geschieht, dass Menschen dieses Geschenk nicht annehmen, kann ich nur als Verstocktsein, als Gefangensein in ihrem Ich verstehen. Dasselbe gilt für die Hoffnung, weil die Hoffnung eng mit dem Glauben verbunden ist.

Weil Gott selbst den Glauben wirkt, kann es auch nicht geschehen, dass irgendwann der Glaube auf Erden ausstirbt. Gott wird es nicht zulassen. Es wird Menschen geben, die in die ewige Beziehung zu Gott eingehen. Wenn ich auf die Menschen schaue, muss ich dir Recht geben darin, dass niemand wissen kann, was sie in hundert Jahren glauben und ob sie überhaupt noch glauben. Aber ich schaue eben nicht auf die Menschen.

Als biblische Belege dafür, dass der Glaube ein Geschenk ist, kann ich unter anderem anführen: Eph 2,8-10; 1Kor 12,3b.9; 2Kor 3,4-6; Phil 1,29.

Dazu, dass Gott nichts als Liebe ist, habe ich in meiner ersten Antwort an dich oben schon etwas geschrieben. Ich denke, dass uns auch dann, wenn Gott uns leiden lässt, der liebende Gott begegnet. Er ist kein Gott, der zerstört, sondern der uns weiterführt. Er will nichts Schlechtes für uns, sondern nur Gutes. Als Richter richtet er nicht hin, sondern auf.

Ich weiß nicht, ob ich auf deine Fragen und deine Kritik hinreichend eingegangen bin und ob mein Standpunkt durch diese wenigen Bemerkungen deutlich geworden ist. Wenn noch etwas unverständlich geblieben ist oder du noch Fragen hast, lass es mich wissen.

Viele Grüße
Klaus
Jochen
2021-07-15 10:43:26
Hallo Klaus,
wie steht es mit der Wahrheit? Vergeht sie, gibt es sie überhaupt nicht (ein sehr moderner und bequemer Standpunkt, mit dem man sich in Diskussionen gut 'durchwurschteln' kann), oder wird sie erst offenbar (vgl. Röm. 8,18)?. Ich meine diese absolute Wahrheit, von der jeder Wissenschaftler, Philosoph, rechtgläubige Mensch ausgeht, dass es sie gibt, auch wenn er sie noch nicht kennt. Ist sie in der Liebe enthalten? Es mag zwar sein, dass Wissenschaft, philosophische Systeme etc. nicht bleiben, das hängt nach meinem Verständnis aber nicht damit zusammen, dass die Wahrheit verloren geht, sondern dass Philosophie etc. nicht mehr notwendig sind, weil die Wahrheit völlig offenbar ist. So wie auch Hoffnung nicht mehr notwendig ist, wenn man sieht (Röm. 8, 24)

In der Aufzählung was nicht bleibt würde ich, ja, den ganzen Internet-Moloch noch hinzunehmen, der die Menschen nicht freier und besser, sondern in Wirklichkeit kleiner macht.
Hans-Jürgen Caspar
2021-07-15 19:29:44
Hallo Klaus,

danke für Deine ausführlichen Erläuterungen.

Deinen Satz mit der "Beziehung zu Gott" verstehe ich nun. Mit ihr ist der Glaube gemeint. Er ist ein Geschenk Gottes, ein Angebot, das für alle Zeiten bestehen bleibt.

Über Gottes Liebe habe ich weiter nachgedacht und bin zu folgendem gekommen:

Man kann fragen, worin sie besteht, und wie sie sich äußert. Abgesehen von der berühmten Bibelstelle "Also hat Gott die Welt geliebt, ..." im Johannes-Evangelium, lautet eine mögliche Antwort: im Schützen, Helfen, Bewahren in Gefahren und Notfällen, bei Krankheiten, naturbedingten und von Menschen verursachten Katastrophen, um nur einiges zu nennen.

Gerade bei letzteren wird sie besonders sichtbar, so etwa bei den aktuellen, durch anhaltende Regenfälle in zwei Bundesländern hervorgerufenen, schweren Schäden, bei denen es sogar Tote gab. Wildfremde Menschen rücken enger zusammen, zeigen Mitgefühl, unterstützen Hilfsbedürftige mit Rat und Tat. Sie üben praktische Nächstenliebe, zu der uns Jesus auffordert. So wirkt sich Gottes Liebe nicht nur materiell, sondern auch auf geistigem Gebiet aus. Sie lässt uns erkennen, wer wir eigentlich sind und was zu unseren Hauptaufgaben und -pflichten gehört. Solche Situationen wie im Moment verdeutlichen, wie schwach und anfällig der Mensch gegenüber unerwarteten, gefahrvollen Einflüssen im Grunde ist.

Gottes Liebe und Fürsorge treten nicht regelmäßig auf und beseitigen Unheil nicht immer vollständig. Sie sind nicht, etwa durch Gebete, einfach nur abrufbar; aber ohne sie würde manches noch viel schlimmer werden.

Mit dem Vorstehenden will ich nicht sagen, dass Atheisten nicht ebenfalls mitfühlend, hilfsbereit und aktiv sein können; hier aber geht es speziell um die Liebe Gottes und einzelne ihrer Eigenschaften.

Mit herzlichen Grüßen
Hans-Jürgen


2021-07-15 20:52:24
Hallo Jochen,

für mich ist es keine Frage, dass es die Wahrheit gibt, ja dass Jesus sie persönlich IST. Weil Jesus untrennbar zu Gott gehört, ist für mich auch klar, dass die Wahrheit, die Jesus ist, in Ewigkeit bleibt. Sicher wird sie in Vollkommenheit erst noch offenbar, wie auch die Herrlichkeit (Röm 8,24).

Es scheint mir, dass biblisch die Begriffe Wahrheit, Herrlichkeit und Gnade/Liebe eng zusammengehören (vgl. Joh 1,14.17), aber auch Wahrheit und Wort Gottes (2Kor 6,7; 12,7). Auch Jesu Worte werden ja bleiben (Mt 24,35 parr), und sie sind die Worte der Wahrheit.

Von daher würde ich sagen, dass die Wahrheit Gottes bleiben wird, die aber nicht identisch ist mit philosophischer oder wissenschaftlicher Wahrheit. Letztere werden vergehen, auch die Wahrheit unseres Glaubens, die nur eine relative Wahrheit ist und die Wahrheit Gottes nur dann spiegeln kann, wenn sie von Gott dazu gesegnet wird.

Auch die technische „Wahrheit" gehört dazu, die in ihren von dir benannten Auswüchsen eher zu der Torheit gehört, von der Paulus in 1Kor 1f spricht.

Danke für deinen Hinweis auf Röm 8,24, den ich als biblischen Beleg dafür verstehen kann, dass auch die Hoffnung vergeht. Denn wenn man die Hoffnung sieht (ich denke, Paulus meint die erfüllte Hoffnung), dann braucht man nicht mehr zu hoffen.
2021-07-15 20:53:22
Hallo Hans-Jürgen,

du hast mich richtig verstanden: Ich verstehe den Glauben als eine vertrauensvolle Beziehung zu Gott und Jesus Christus. Und da wir von uns aus zur Entwicklung einer solchen Beziehung nicht in der Lage sind, sind wir darauf angewiesen, dass Gott selbst sie in uns weckt. Wir sprechen auch von der Kraft des heiligen Geistes, der ins uns ruft „Abba, lieber Vater!" (Röm 8,15; Gal 4,6)

Auch was du zur Liebe schreibst kann ich unterstützen. Wichtig ist nur, wie du auch sagst, dass Gottes Liebe und Fürsorge nicht alles Unheil beseitigt und auch nicht durch Gebete einfach abrufbar ist. Gerade in diesen Fällen finde ich wichtig, dass Gott uns dennoch liebt und für uns sorgt, auch wenn wir das nicht sehen und nicht empfinden. Es ist dann der Gott, der durch das Unheil hindurch uns dem Heil entgegenführt, so wie wir es auch an Jesus Christus sehen: Er hat ihn nicht vor dem Tod bewahrt und gerade so zum Leben geführt. Diesen Weg müssen wir alle gehen. Gott hat es zugelassen, dass Jesus den Menschen ausgeliefert wurde, d.h. er hat nicht den Menschen den Garaus gemacht; lieber ist er selbst in den Tod gegangen (in seinem Sohn), so dass die Menschen weiterhin leben konnten. Der Gott, der selbst leidet, kann uns lehren, dass Leid uns nicht von Gott trennt.

Viele Grüße
Klaus
2021-07-16 23:03:06
Hallo Klaus,

Kurzgefasst: "Mit Gott durch Unheil zum Heil" - eine persönliche, nicht naheliegende Auffassung, die ich respektiere.

Viele Grüße
Hans-Jürgen
2021-07-17 20:45:34
Hallo Hans-Jürgen,

"mit Gott durch Heil und Unheil" trifft es gut - wobei es nicht immer Unheil sein muss, durch das Gott uns dem Ziel entgegenführt. Er beschenkt uns ja auch mit viel Gutem. Beides kommt auch in deinem Artikel zum Ausdruck, den man mit Klick auf deinen Namen lesen kann. Ich habe einmal etwas geschrieben mit dem Titel "Durch die Hölle in den Himmel", das du mit Klick auf meinen Namen lesen kannst.

Viele Grüße
Klaus
2021-07-18 16:50:22
Lieber Klaus,

danke für den Hinweis auf Deinen Artikel voller Hoffnung und Vertrauen. Er enthält Fragen, auf die der Mensch keine Antwort findet. Sie sind Gottes Geheimnis, entsprechend Jes.55,8.

Zum Stichwort "Hölle" habe ich oben etwas zum Anklicken, das mein Wissen über die christliche Lehre und meine Gedanken dazu weiter umreißt.

Herzliche Grüße
Hans-Jürgen
2021-07-18 22:04:49
Hallo Hans-Jürgen,

ein schöner Vers, den du nennst: "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern so hoch der Himmel über der Erde ist, soviel sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken höher als eure Gedanken" (Jes 55,8f). Es ist vielleicht UNANGENEHM zu wissen, dass wir Gottes Wege für uns und seine Gedanken über uns nicht durchschauen können. Es ist aber TRÖSTLICH, dass es allemal GOTTES Wege für uns und GOTTES Gedanken über uns sind und nicht die Wege eines unbestimmbaren Schicksals oder Zufalls und die Gedanken einer bösen Macht, die es nicht gut mit uns meint.

Viele Grüße
Klaus
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