Christsein Verstehen - Christsein verstehen

verstehen

Theologische Einsichten für ein gutes Leben

Christsein

Christsein
verstehen
Theologische Einsichten für ein gutes Leben
Direkt zum Seiteninhalt

Warum teilen wir Fotos vom reich gedeckten Tisch?

Christsein verstehen
Veröffentlicht von in Ethische Fragen · 29 Oktober 2021
Tags: EthikKulturDankbarkeitFreude

Warum teilen wir Fotos vom reich gedeckten Tisch?
Klaus Straßburg | 29/10/2021

Es ist Mode geworden, den reich gedeckten Tisch zu fotografieren und das Foto umgehend an Familienangehörige oder Freunde zu versenden. Ich habe mich gefragt: Warum tut man das?

Vielleicht will man damit sagen: „Freut euch mit mir an diesem schmackhaften Essen! Schade, dass ihr nicht dabei sein könnt!"

Oder will man sagen: „Schaut her, wie gut es mir geht! Was ich mir alles leisten kann!"

Es ist schön, wenn man sich über das schmackhaft zubereitete Essen freuen und dankbar dafür sein kann.

Etwas anderes ist es, wenn man vorführen will, wie gut es einem geht und welche Glücksmomente man dem anderen vielleicht gerade voraus hat.

Und geradezu unanständig wäre es, mit dem Essen zu protzen und zu zeigen, was man sich alles leisten kann.

Ich denke, wenn wir andere an unserer Freude teilhaben lassen wollen, ist dagegen nichts einzuwenden. Aber wie ist es, wenn jemand seinen Reichtum fotografiert: seinen neuen Mercedes, seine teure Markenkleidung – oder eben das besonders reichhaltige und schmackhafte Essen?

Mir jedenfalls stellt sich, wenn ich solch ein Foto vom reich gedeckten Tisch sehe, immer ein gewisses Unbehagen ein.

Ich muss dann immer denken: Wir feiern mit solchen Fotos unseren Überfluss. Und zwar in einem Bereich, der absolut lebensnotwendig ist. Es geht nicht um ein Auto oder um Markenkleidung, auf die man zur Not auch verzichten kann. Auf Nahrung aber kann kein Mensch verzichten.

Wenn wir das Lebensnotwendige feiern, das uns im Überfluss zur Verfügung steht: Beschämen wir damit nicht diejenigen, die sich diesen Überfluss nicht leisten können? Ganz zu schweigen von den unzähligen Menschen in den armen Ländern dieser Welt, die heute nicht wissen, was sie morgen essen sollen.

Ist es nicht sogar zynisch, den Überfluss des Lebensnotwendigen zu feiern (nicht das Essen als solches, sondern dessen Überfluss!), obwohl wir wissen, dass Millionen von Menschen nicht einmal das Minimum dieses Lebensnotwendigen zur Verfügung steht?

Ich rede jetzt nicht von Fotos in Kochbüchern, in der Werbung oder in der Kunst. Ich rede von dem außergewöhnlichen Essen, das auf unserem Tisch steht und das wir per Foto in die Welt senden.

Was teilen wir eigentlich, wenn wir das Foto vom reich gedecken Tisch teilen? Wir teilen unseren Lebensstil und unsere Freude am Überfluss. Aber den Überfluss selbst teilen wir nicht.

Paulus schrieb einmal: „Euer Überfluss helfe ihrem Mangel ab" (2Kor 8,14). Es ging um finanzielle Hilfe für die notleidende Gemeinde in Jerusalem.

Der Sozialpsychologe Alexander Bodansky meint: Sein Essen zu fotografieren „ist definitiv eine Form der Selbstdarstellung".

Im Tagesspiegel las ich, man könnte „das Foto der Mahlzeit immerhin als so etwas wie das moderne Tischgebet lesen, halten wir doch damit vor dem Essen einen Moment inne und vergegenwärtigen uns selbst unser gutes Leben."

Meine Frage wäre: Sollten wir, wenn wir uns unser gutes Leben vergegenwärtigen, es nicht auch dankbar aus Gottes Händen nehmen? Sollten wir deshalb nicht vielleicht zurückhaltender auftreten mit unserem Überfluss, uns an ihm freuen, aber ihn nicht auch noch ausbreiten? Sollten wir, statt unseren Reichtum durch ein Foto zu kopieren und zu versenden, also jedenfalls digital zu vervielfachen, nicht an jene denken, denen es am Lebensnotwendigsten mangelt?

Oder sehe ich das alles zu negativ? Mich würde ehrlich deine Meinung interessieren. Vielleicht bin ich ja der einzige, der so ein unangenehmes Gefühl bei solchen Fotos bekommt. Oder gibt es noch andere Menschen auf dieser Welt, die ähnlich empfinden?


* * * * *



10 Kommentare
2021-10-29 13:17:53
Hallo Klaus

interessant finde ich immer, wenn ein Mahl mal wieder ungemein lecker geschmeckt hat, dass man aus tiefer Dankbarkeit sich bei der Köchin oder beim Koch bedankt. Manchmal sogar mehrfach, in den höchsten Tönen und sogar daran zurückdenkt. Und irgendwie endet da bei vielen Menschen schon die Dankbarkeits-Kettenreaktion. Warum eigentlich? Ist wirklich alles nur der zubereitenden Person geschuldet? Gibt es wirklich nicht noch mehr die daran beteiligt sind, direkt und indirekt?
Ich finde unser himmlischer Vater ... als Schöpfor, Architektor, Designor, Creator, Rezeptor ... hätte da zumindest ein kleines von Herzen kommendes Dankeschön mit einem wertschätzenden Lächeln irgendwie verdient.
2021-10-29 13:47:07
Hallo Pneuma,

danke für deinen wichtigen Hinweis! Ich denke auch, dass der, in dessen Hand Wachsen und Gedeihen liegt, das dickste Dankeschön von uns erhalten sollte. Der Dank an die Köchin oder den Koch wird dadurch ja nicht überflüssig. Das muss ich mir besonders zu Herzen nehmen.

Und wie gehst du mit den Fotos vom schmackhaften Essen um?
Hans-Jürgen Caspar
2021-10-29 22:04:58
Hallo Klaus,

nein, Du bist nicht der einzige, der bei solchen Fotos ein unangenehmes Gefühl bekommt. Danke für Deine mahnenden Worte und herzliche Grüße,

Hans-Jürgen

2021-10-29 22:18:06
Danke, Hans-Jürgen, es freut mich, dass ich nicht allein bin!

Klaus
2021-10-30 10:16:01
Hallo Klaus

Ich denke genauso wichtig, wie das Foto selbst, ist 1. der ausgewählte Verteilerkreis, ist 2. die beabsichtigte Aussage an den Verteilerkreis und ist 3. die Motivation des Verteilers. Ich sehe Positives, wie Negatives darin. Negatives aber, wenn man Gott dabei ausschließt sowie den Verteilerkreis, das Mahl und sich selbst dadurch überbetont. Es sollte grundsätzlich weder der Personenkeis, die Schöpfung, noch der geschickte Handwerker ... mehr verehrt werden als der Schöpfer. Sonst stimmt irgendwie die gesunde Verhältnismäßigkeit überhaupt nicht mehr.
Wird alles jedoch in einer rücksichtsvollen, respektvollen und demütigen Weise dargeboten, dann darf und sollte die Freude geteilt werden, so lange man alles zur Verherrlichung von Gottes guten und liebevollen Namen tut. Vielleicht sollte sich eine solche Person die Frage stellen:
Welche Gesinnung, Eigenschaften bzw. "Früchte" möchte ich mit meinen Bildern und Aussagen zum Bild im Verteilerkreis fördern?
god.fish
2021-10-30 10:17:13
Ich denke, es kommt immer auf das Innere Motiv an. Und dieses Motiv kann man bei anderen Menschen nie genau kennen, spielen doch die eigenen Motive bei der vermuteten Interpretation der Motive anderer auch immer eine Rolle.
Wer Essen in sozialen Netzwerken zur Selbstinszenierung verwendet, verwendet auch andere Dinge dafür, in diesem Fall wäre das Thema also nicht auf das Essen beschränkt, sondern es wäre ein generelles Thema, die Selbstdarstellung einmal zu hinterfragen, bzw warum Menschen eine solche nötig haben.
Wenn jemand aber einfach den aktuellen Augenblick für sich und andere festhalten will, um andere teilhaben zu lassen an dem eigenen Glück, sollte eigentlich nichts dagegen sprechen. Und unabhängig davon kann man natürlich tatsächlich auch noch Geld spenden oder sich anderweitig sozial engagieren.
2021-10-30 10:57:04
Hallo Pneuma,

vielen Dank für die wichtigen weiterführenden Gedanken und die gute Frage, die man sich stellen sollte! Ich fürchte, dass die meisten Menschen sich all diese Gedanken nicht machen.
2021-10-30 11:08:40
Hallo god.fish,

vielen Dank für deine interessante Stellungnahme! Ich denke auch, das Motiv ist entscheidend, und ja, niemand kennt die Motive des anderen wirklich.

Auch die Ausweitung der Fragestellung auf andere Selbstdarstellungen im Netz finde ich wichtig. Da müssen wir uns alle, die wir im Netz unterwegs sind, fragen, warum wir das tun.

Es gibt wohl nur ein Problem dabei: Wer ist sich über seine eigenen tiefen Motivationen schon im Klaren? Was uns bewusst ist, ist nur die Spitze des Eisbergs - der Hauptteil unserer Motivationen, Handlungsgründe, Gefühlsgrundlagen liegt im Verborgenen.

Man müsste also sehr selbstkritisch und ehrlich in die eigenen Tiefen blicken können oder dies zumindest, so gut es geht, versuchen.
Jochen
2021-10-31 13:49:55
Hallo Klaus,
also mein Vater war ein Mensch, der die schwäbische Küche nicht verachtete, ehrlich gesagt sehr schätzte. Für ihn (und meine Mutter) haben wir tatsächlich einmal einen Foto-Kalender gebastelt, der u.a. auch Bilder von besonders gelungenem Essen zeigte, denn wir wußten, dass das seine Wellenlänge war. Wenn ich mit meiner Mutter telefoniere, geht es häufig um Dinge, die im weitesten Sinne mit Essen zu tun haben. Ich habe mal einen Vortrag von Michael Stahl gehört, ein ehem. Bodyguard, der über seine Erfahrungen mit seinem Elternhaus und Gott Vorträge hält. Er meinte, dass die ganzen Kochshows im Fernsehen u. ä. psychologisch eine Wurzel in der Sehnsucht der Menschen nach (heiler) Familie hätten. Ähnlich könnte es auch mit Bildern von Essen sein. Aber Michael Stahl ist auch Schwabe, vielleicht liegt es auch daran :-)
2021-10-31 14:24:01
Hallo Jochen,

vielen Dank für deine bedenkenswerten Gedanken. Besonders interessant finde ich den Gedanken über die Sehnsucht nach heiler Familie, kann aber nicht beurteilen, ob da was dran ist. Der Kalender, den ihr für euren Vater gebastelt habt, war sicher eine gute Idee, und als Geschenk finde ich das auch völlig in Ordnung. Ich finde, das ist etwas ganz anderes als dieses permanente Teilen der Fotos vom Essen, das auf dem Tisch steht.

Theologische Einsichten für ein gutes Leben
Christsein
verstehen
Christsein
verstehen
Theologische Einsichten für ein gutes Leben
Zurück zum Seiteninhalt