Verdunkelt der Lockdown mir die Sinne?
Ein Gastartikel von Utopio | 24/02/2021
Mir geht es in dem Lockdown im Grunde recht gut, ich habe meine Familie um mich, bin nie einsam, habe eine sichere Arbeitsstelle, Homeoffice hat auch seine guten Seiten und ich fühle mich sehr gesund. In diesem zweiten Lockdown geht alles viel einfacher von der Hand als noch im Frühjahr. Die Mädels sind mittlerweile ein eingespieltes Team und so überstehen wir auch den geschlossenen Kindergarten noch gut, trotz fehlender Kontakte zu anderen Kindern. Corona ist nur noch ein Hintergrundrauschen, gegen das ich mich bestmöglich schützen möchte, das aber aus Gewohnheit nicht mehr so direkt ängstigt.
Dennoch hat es der Lockdown jetzt wohl doch geschafft mich irre zu machen. Nicht im klinischen Sinn. Aber dieses ständige zu Hause sein, das mir bis dato eigentlich mit meiner Persönlichkeit nicht so wirklich schwer fiel und ja nie ein 100%iges HomeOffice war, entfaltet nun doch eine Wirkung:
Ich sehe in paranoider Sorge schon unsere Wohnung in Flammen aufgehen. Mein Kopf hat es sich, in Ermangelung eines echten Grunds zur Klage, zur Aufgabe gemacht etwas zu finden, über das er sich Sorgen machen kann. Ich verstehe nicht, woher so plötzlich dieses Gefühl des Bedrohtseins kommt. Etwas in mir glaubt unter dem sprichwörtlichen Damoklesschwert zu stehen. Warum? Es hat sich nichts geändert im Vergleich zu vor zwei Wochen. Es gibt keinen, wirklich keinen Grund zu meckern, über die gerade so surreal stattfindende Allgemeinsituation einer tödlichen Pandemie hinaus. Mir persönlich geht es so gut wie noch nie. Meinen Kindern auch. Und sogar meine Frau, der es im Frühjahr am schwersten gefallen ist, zeigt sich zufrieden. Warum bin ich von einem Tag auf den anderen plötzlich in Sorge?
Es niederzuschreiben hilft mir vielleicht, in der Hoffnung wenigstens der eine da oben liest es und lächelt über meinen Kleinglauben. Ja, was ist das für ein merkwürdig Ding, diese Seele, die du uns da geschenkt hast?
Von Utopio.
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Kleiner Tipp: Schau mal nach den Obdachlosen, Flaschensammlern, Müllwühlern in deiner Gegend bzw. Stadt. Vielleicht denen ein bisschen zuhören, bisschen finanziell unterstützen, ... Vielleicht mal mit einem Freund der Familie Joggen ... Vielleicht mal jemandem, im Altersheim oder im Ausland online Blumen schicken ... Vielleicht mal jemandem eine Karte schreiben, der mit einer Krankheit kämpft, dann ... könnte es sein, dass das Damokles-Schwert zum Damokles-Schwertchen wird.
Du schreibst viel egozentrisches: von dir und deiner Familie ggf. Umfeld. Die (christliche) Welt ist aber größer und egal was noch in der Zukunft (Inflation, Jobverluste, Sozialisolation, ...) kommen mag, es gibt heute schon Menschen, die unsere Hilfe benötigen, die haben kein Damokles Schwert über sich, sondern wurden davon getroffen. Vielleicht sollte man sich einfach mal umschauen, weg von der eigenen heilen Welt, und denen helfen die von der Pandemie isoliert und schmerzhaft getroffen wurden durch Leiden. Ihnen Gutes zu tun und Freude zu bereiten lenkt bekanntlich vom eigenen Damokles-Schwert ab, weil der Blick nicht mehr nach oben geht sondern zu unserem Nächsten.
Aber was der Kopf weiß, fühlt die Seele trotzdem anders.
Das Leid meines Nächsten zu benutzen damit ich mich gut fühle finde ich nicht weniger egozentrisch. Ein leidender Nächster hat Hilfe nötig ganz gleich, ob ich mich durch ihn gut oder schlecht fühle.
Wieso andere Missbrauchen, um sich selbst gut zu fühlen? Sollte es dabei nicht zu allererst um die Hilfsbedürftigen gehen. Meine Gedanken waren so zu verstehen, dass man sich auf andere konzentriert, dann schaut man nicht mehr nach oben und damit auf sich selbst, sondern neben sich und hilft denen die die Hilfe wirklich benötigen. Es geht nicht egozentrische Begriffe wie: Ablenkung, Wohlgefühl, usw. ... es geht schlicht und einfach um andere ...