Update: Eine interreligiöse Feier als Radiogottesdienst
Klaus Straßburg | 06/02/2022
Der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) laufen die Mitglieder weg. Gehörten ihr Ende 1990 noch 29.422.000 Menschen an, so waren es Ende 2020 nur noch 20.236.000. Das ist ein Verlust von 9.186.000 Mitgliedern oder 31,22 Prozent in 30 Jahren. Fast ein Drittel ihrer Mitglieder haben also der evangelischen Kirche in 30 Jahren den Rücken gekehrt (Zahlen lt. Wikipedia).
Ich finde das nicht nur negativ. Es kann ja auch eine Läuterung sein. Übrig bleiben die, denen es wirklich ernst ist. Dennoch wäre es natürlich eine tolle Sache, wenn die Menschen aus Glaubensgründen in der Kirche geblieben wären oder wenn die Anzahl der Kirchenmitglieder sogar gestiegen wäre.
In dieser Situation erwarte ich von der evangelischen Kirche, dass sie sich nach Kräften darum bemüht, ihren Mitgliedern den christlichen Glauben so schmackhaft zu machen, dass ein Austritt für sie gar nicht in Frage kommt.
Darum bemühen sich tatsächlich unzählige ehren- und hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unter ihnen auch viele Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie bezeugen ihren Glauben, setzen sich für die Interessen der Kirchenmitglieder ein und setzen sich zugleich ihrer Kritik aus. Sie hören zu, versuchen Mängel auszubessern und entwickeln kreativ neue Formen der Gemeindearbeit. Dass es auch Missstände und Unzulänglichkeiten gibt, soll damit gar nicht ausgeblendet werden.
Zum Bemühen um die Weitergabe des Glaubens zähle ich auch die wöchentlich im Radio ausgestrahlten Gottesdienste. Am 18. Januar hatte ich hier auf diesem Blog einen kritischen Bericht über eine interreligiöse Feier veröffentlicht, die im Deutschlandfunk zur sonntäglichen Gottesdienstzeit ausgestrahlt worden war. Wie damals angekündigt, habe ich einen Hinweis auf diesen Blogbeitrag und die ersten Kommentare an den Senderbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland, Pfarrer Frank-Michael Theuer, gesandt. Ich war gespannt, ob ich eine Reaktion bekomme. Ich habe keine bekommen.
Was soll man daraus schließen? Ich gehe davon aus, dass der Senderbeauftragte öfter mal eine kritische E-Mail bekommt, die er dann offensichtlich nicht beantwortet. Da stellt sich bei mir der Eindruck ein, dass manche Verantwortlichen auf den funktionalen Ebenen nach der Devise verfahren: Wir machen hier unser Ding, und was die Kirchenmitglieder denken, interessiert uns nicht. Mit Kritik beschäftigen wir uns nicht, es gibt immer jemanden, der was zu meckern hat, wir ziehen das einfach mal durch.
Keine Pfarrerin und kein Pfarrer, auch keine Hauptamtlichen in der Gemeindearbeit könnten sich das leisten. Und wenn sie es sich leisten würden, wären sie nicht lange in ihrer Gemeinde.
Zum Eindruck, den die EKD in dieser Sache hinterlässt, passt auch der erste Satz auf ihrer Website Christ*innen in Deutschland – Statistik zur Evangelischen Kirche in Deutschland. Dort steht nach dem Bibelzitat "Dem Herrn, eurem Gott, sollt ihr folgen ..." (5. Mose 13,5) der Satz: Deutschland ist nach wie vor ein christlich geprägtes Land. So einfach kann man sich die Wirklichkeit schönreden.
Wie gesagt, der Mitgliederschwund in der Kirche bedrückt mich nicht sonderlich. Was mich aber bedrückt, ist, wenn die Kirche nicht mit allen Kräften versucht, die beste Botschaft der Welt unter die Leute zu bringen. Dazu gehört auch, sich mit Kritik auseinanderzusetzen. Kein Wirtschaftsunternehmen, kein Sportverein, keine politische Partei kann es sich auf Dauer leisten, Kritik zu ignorieren. Manche Verantwortlichen der evangelischen Kirche meinen offensichtlich, sie könnten es sich leisten.
Auf derselben EKD-Website steht übrigens auch ein Wort des ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden, Heinrich Bedford-Strohm: Es ist die Kirche mit ihren Mitgliedern, die die wunderbare Botschaft des Evangeliums durch die Zeiten trägt. Ersetzt man Mitglieder durch Glaubende, enthält der Satz eine tiefe Wahrheit.
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danke für Dein "Update". Es veranlasste mich, den ursprünglichen Bericht über den interreligiösen Gottesdienst im House One nochmals zu lesen. Alles, was Du schreibst, ist sehr interessant und nachdenkenswert; das gilt teilweise auch für die Diskussionsbeiträge.
Was ich schon länger gerne wissen möchte: woher stammt das Bild mit den drei religiösen Bauwerken? Gibt es eine solche Stadt, und wenn ja, wo? Mir scheint, dass es sich um eine Fotomontage handelt, und zwar wegen des jeweils künstlich aufgesetzt wirkenden Kreuzes, Davidsterns und Halbmonds.
Mit herzlichem Gruß
Hans-Jürgen
danke für deine Rückmeldung. Du hast vollkommen recht mit der Vermutung, das Foto sei eine Fotomontage. Deine Beobachtung bezüglich der drei Symbole war mit gar nicht aufgefallen, aber sie stimmt natürlich. Ich hatte meine Beobachtung festgemacht an einer horizontalen Linie rechts neben der Synagoge, die das Bild zerschneidet, besonders auch das Haus rechts unten neben der Synagoge und von dort aus aufwärts. Von daher denke ich, dass das Bild der beiden linken Gebäude der Wirklichkeit entspricht, die rechte Hälfte des Bildes aber angefügt ist. Aber man sieht es auch deutlich an den drei Symbolen, die wohl im Verhältnis zu den Türmen auch zu groß sind. Das erkenne ich jetzt auch. Das Foto ist von Pixabay. Wo die eingearbeiteten Bilder gemacht wurden, stand leider nicht dabei.
Viele Grüße
Klaus
für mich ist die Nichtantwort, die du erhalten hast, erwartungskonform.
"Wir machen hier unser Ding, und was die Kirchenmitglieder denken, interessiert uns nicht."
Damit hast du aus meiner Sicht gut auf den Punkt gebracht, wie die evangelische Kirche, deren Mitglied ich bin, auch bei mir ankommt. Die Menschen, die in den Ortsgemeinden die direkte Arbeit machen, haben diese Kritik nicht verdient. Auch darin gebe ich dir recht.
Viele Grüße
Thomas
ich hatte die Erwartung, ob eine Antwort kommt oder nicht, mit 50:50 eingeschätzt. Und es tut mir trotzdem weh, wenn ich dann merke, wie wenig einem Vertreter der Kirche (deren einer ich ja auch selber bin) das Votum eines Mitglieds wert zu sein scheint. Welches verheerende Licht wirft es auf die Kirche, wenn die Adressaten ihrer Botschaft gar nicht wahrgenommen werden?
Dennoch ist mir um die Zukunft der Kirche nicht bange, weil diese Zukunft in Gottes Händen liegt. Als peinlich und der Kirche Jesu Christi unwürdig empfinde ich es aber trotzdem, wenn sie ihre Mitglieder ignoriert.
Viele Grüße
Klaus