Thomas de Maizière und der Regenbogen
Wer die Welt vor dem Untergang bewahrt
Klaus Straßburg | 19/10/2022
Gestern bei Markus Lanz ging's hoch her. Endlich mal wieder keine langweilige Einigkeit bei den Gästen, sondern kontroverse Diskussion. Die gab es leider viel zu selten in den Diskussionen um den Ukraine-Krieg. Aber positiver Streit tut der Demokratie gut. Das spürte man gestern.
1. Zu Gast bei Markus Lanz
Es ging um die Klimapolitik. Die Aktivistin Luisa Neubauer war eingeladen. Und ich muss sagen: Die 26jährige schlug sich prächtig neben all den alteingesessenen Medienprofis. Sie ließ sich auch nicht aus der Ruhe bringen, wenn Markus Lanz ihr ins Wort fiel, was dieser ja ganz gerne tut. Neubauer ließ sich nicht stoppen und redete einfach weiter. Dem redegewandten Moderator gingen manchmal sogar die Argumente aus, was ich von ihm gar nicht kenne. Zeitweise schien es so, als würde diesmal nicht Lanz seinen Gast "grillen", sondern sein Gast den Moderator.
Unterstützung erhielt Neubauer von dem Soziologen Matthias Quent. Damit hatte Lanz möglicherweise nicht gerechnet. So war die Diskussion ziemlich ausgeglichen. Wie gesagt, eine Wohltat für die Demokratie.
Und dann war da noch der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der war mir eigentlich immer recht sympathisch. Ein ruhiger Typ, sachlich, nicht polemisch. So trat er auch gestern auf, in der Sache oft im Streit mit Luisa Neubauer, aber immer fair. Doch auch ihm fiel zu manchen Argumenten der 26jährigen nichts mehr ein.
Das ist natürlich meine subjektive Sicht auf die Sendung. Aber eigentlich geht es mir auch um etwas ganz anderes.
2. Gottes Wort im Munde Thomas de Maizières
Gegen Ende der Sendung hatte Thomas de Maizière einen großen Moment. Es ging darum, wie man dafür sorgen kann, dass Menschen sich in den heutigen Krisen nicht ohnmächtig, sondern sicher fühlen. Dazu sagte de Maizière:
Stärke in Ungewissheiten zu gewinnen, das sag' ich mal als Christ, die Grundzuversicht in das Leben und in die Zukunft – ich bin jetzt Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Kirchentages, dann will ich das Bild schon mal sagen: ...
Bravo, Thomas, das ist mutig! Dass sich ein Politiker oder eine Politikerin zum christlichen Glauben bekennt, ist äußerst selten in unserer deutschen Welt.
Ich wusste gar nicht, dass Thomas de Maizière so christlich ist. Darum spitzte ich jetzt natürlich besonders die Ohren bei dem, was er dann hinzufügte:
... dann will ich das Bild schon mal sagen: Nach der Arche Noah kommt der Regenbogen, und Gott sagt: Wir müssen dafür eintreten, dass die Welt nicht wieder untergeht.
Nach diesem Satz musste ich laut lachen.
3. Was Gott wirklich sagte
Lieber Thomas, gerade das sagt Gott nicht! Du hast ja recht: Nach der Arche Noah, nach der Sintflut, die alles Leben auf der Erde zerstörte außer das Leben in der Arche, nach alldem kommt tatsächlich der Regenbogen.
Aber, lieber Thomas, der Regenbogen ist nicht das Zeichen der menschlichen Fähigkeiten. Er ist vielmehr das Zeichen des ewigen Bundes, der bleibenden Verbundenheit Gottes mit allen Lebewesen (1Mo/Gen 9,8-17). Thomas, lies doch bitte einmal nach, was Gott wirklich dazu sprach:
Wenn ich Wolken über der Erde aufziehen lasse, erscheint der Bogen am Himmel. Dann denke ich an meinen Bund mit euch und mit allen Lebewesen. Nie wieder soll das Wasser zur Sintflut werden, um alles Leben zu vernichten.
(Vers 14, BasisBibel)
Lieber Thomas, Gott sagt hier genau das Gegenteil von dem, was du ihn hast sagen lassen. Gott spricht nicht davon, dass wir dafür sorgen sollen, dass so etwas wie die Sintflut nicht mehr passiert. Er sagt vielmehr, dass ER dafür sorgen wird.
Thomas, du bist ein kluger Mann. Du verstehst sicher, dass das ein himmelweiter Unterschied ist. Leider hast du diese Stelle offensichtlich nicht gründlich gelesen. Aber ich bin sicher, dass du das nachholen wirst.
Du hast deine Stellungnahme dann so abgeschlossen:
Und in Unsicherheit solche Gewissheit zu haben, dass wir etwas tun können gegen die Ohnmacht – egal, ob wir jetzt streiten über den Weg –, aber dass wir etwas tun und nicht wie das Kaninchen vor der Schlange vor Unsicherheiten versuchen zu kapitulieren, das ist, glaub' ich, der Weg, aber nicht die Illusion, wir kämen zurück in alte Sicherheiten, das glaub' ich nicht.
Dein Anliegen, Thomas, ist ja löblich. Ich glaube auch, dass es vollkommene Sicherheit auf Erden nicht geben kann. Ich stimme dir auch zu darin, dass wir verantwortlich sind dafür, dass apokalyptische Krisen nicht vorkommen. Nein, wir sollen gewiss nicht vor all den Unsicherheiten kapitulieren und wie das Kaninchen vor der Schlange in Schockstarre verfallen. Stattdessen sollen wir etwas tun gegen das Leid, das der Klimawandel schon jetzt über die Erde bringt.
Die Frage ist aber: Was bewegt uns dazu, das zu tun? Wie kommen wir dahin, all die Unsicherheiten und menschlichen Unfähigkeiten einmal hinter uns zu lassen und mutig zur Tat zu schreiten? Was macht uns Hoffnung angesichts des schon beginnenden Klimawandels, so dass wir nicht kapitulieren, sondern fröhlich und tatkräftig unseres Weges ziehen?
Lieber Thomas, das sind doch nicht unsere menschlichen Fähigkeiten! Wenn wir auf die schauen, können wir doch wirklich nur kapitulieren! Meinst du wirklich, dass es Grund gibt, auf die Menschen zu setzen – angesichts eines Bolsonaro in Brasilien, eines Putin in Russland und des nach wie vor allerorten im Kleinen und im Großen praktizierten klimaschädlichen Größen- und Konsumwahns? Lieber Thomas, ist nicht die Hoffnung auf den Menschen gerade die Illusion, von der du gesprochen hast?
4. Die evangelische Kirche und die Rettung der Welt
Es wäre ja nicht so tragisch, wenn allein Thomas de Maizière sich hier einmal geirrt hätte. Aber leider krankt ein nicht unbeträchtlicher Teil der evangelischen Kirche daran, seine Hoffnungen eher auf den Menschen zu setzen statt auf Gott. Der Mensch ist der Herr der Welt – das passt gut in die Zeit. Der Mensch ist fähig, zwischen gut und böse frei zu wählen. Der Mensch kann die Welt retten – oder auch dem Untergang preisgeben. Der Mensch regiert also die Welt.
Wenn man in der evangelischen Kirche dieser Meinung ist, dann passt es ja gut, dass de Maizière jetzt der Vorsitzende des Kirchentages ist.
Nach biblischer Vorstellung ist es aber ganz anders: Jesus Christus ist der Herr der Welt. Gott ist der "König", der die Welt regiert. Und Gott ist es, der sich entschieden hat, der Welt Gutes zu tun, ihr ewig verbunden zu bleiben trotz allen menschlichen Versagens.
Nicht der Mensch entscheidet also darüber, ob die Welt Bestand hat oder nicht, sondern der Schöpfer. Denn der Schöpfer hat die Welt nicht in grauer Vorzeit erschaffen und dann den Menschen überlassen, sondern er bewahrt sie auch in ihrem Bestand, er erschafft sie sozusagen täglich neu. Die Schöpfung ist ein Prozess, der bis heute anhält – kontinuierliche Schöpfung (im Theologendeutsch: creatio continua). Darum heißt es im Psalm 104:
Mensch und Tier halten Ausschau nach dir,
damit du ihnen Essen gibst zur richtigen Zeit.
Du gibst es ihnen, sie sammeln es auf.
Du öffnest deine Hand, sie essen sich satt an deinen guten Gaben.
Wendest du dich ab, erschrecken sie.
Nimmst du ihnen den Lebensatem, dann sterben sie und werden zu Staub.
Schickst du deinen Lebensatem aus, dann wird wieder neues Leben geboren.
So machst du das Gesicht der Erde neu.
(Ps 104,27-30; BasisBibel)
Christlich gesehen gibt es nur eine Hoffnung für die Welt, die uns Mut macht und zur Tat schreiten lässt: Gott ist uns gnädig und bewahrt die Welt vor ihrem Untergang. Und es gibt keine bessere Motivation zum Engagement, als auf den Gott zu blicken, der die Welt vor dem Untergang bewahren wird – bis zu dem Tag, an dem ER ihr Ende beschlossen hat, um einen neuen Himmel und eine neue Erde zu erschaffen.
Insofern gilt: Jedes christlich-ethische Engagement bezieht seine Kraft aus dem Regenbogen – aus Gottes ewigem Bund mit seinen Geschöpfen.
Lieber Thomas de Maizière, lies doch bitte nochmal genau nach!
* * * * *
Foto: Pexels auf Pixabay.
Aber was ist das Bessere? Meines Erachtens keine "heile" Welt im vordergründigen Sinne, sondern, wenn ich die Aussagen Jesu ernst nehme, dann geht es darum diese Welt zu transzendieren bzw. sie zu überwinden. Es geht um ein transzendentes Lebensverständnis: Meinen Frieden gebe ich euch, nicht wie die Welt gibt. Daher folgt daraus für mich als Christ als gedankliche Konsequenz, dass der Mensch letztlich ausgeliefert ist an diese Welt und dem Treiben der Mächtigen ohnmächtig gegenübersteht. Eben dieser Ohnmacht hat sich auch Jesus ausgesetzt und in der Annahme des Ausgeliefertseins in diese Welt den höchsten Gedanken der Macht formuliert: Ich lasse mein Leben, niemand nimmt es mir. Ich habe die Macht es zu lassen und die Macht es wiederzunehmen." Dieser Gedanke bildet für mich die geistige Grundlage, wie Beschwerliches, Leidvolles, wie Krankheit, Schwäche, Leid und Tod grundlegend überwunden werden können, nämlich in der Geisteshaltung Jesu.
Beste Grüße
Elmar Vogel
vielen Dank für Ihre wichtige Stellungnahme. Ich stimme Ihnen in den meisten Punkten zu. Entscheidend wichtig ist für mich wie für Sie, dass der Friede, den Jesus gibt, zuerst ein innerer Friede ist. Wenn man die Gabe eines solchen Glaubens annimmt, kann man dann auch in all der Ohnmacht, die wir manchmal empfinden, inneren Frieden haben – in der Gewissheit nämlich, dass uns in dieser Welt alles genommen werden kann, aber nicht die Liebe Gottes und das Leben, das uns trotz des Todes verheißen ist. Das ist auch für mich die Grundlage meines Lebens.
Wenn ich auf diese Weise die Welt überwinde, dann heißt das für mich nicht, dass sie mir gleichgültig wird. Im Gegenteil. Ich fühle mich aufgerufen, von meinem inneren Frieden etwas in die Welt zu tragen – gerade auch dann, wenn es weltliche Mächte gibt, die Unfrieden über die Welt bringen. Jesus sagte: "Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet es allen, die im Hause sind. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, preisen" (Mt 5,14-16). Ich erkenne darin meine Verantwortung für die Welt, und zwar eine Verantwortung nicht nur im persönlichen Miteinander, sondern auch im gesellschaftlichen.
Vielleicht liegt hier der Punkt, an dem wir uns unterscheiden. Es ist richtig, dass wir dem Treiben der Mächtigen gegenüber manchmal ohnmächtig sind. Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Ohnmacht in dem inneren Frieden, den uns der Glaube geben kann, zu ertragen. Ich würde dann keine gewaltsame Revolution anzetteln, aber versuchen, auf andere Weise gegen das Unrecht zu arbeiten. Doch diese absolute Ohnmacht ist ja nicht der Normalzustand. Wir haben ja in unserem Land die Möglichkeit, uns zu engagieren, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten, Missstände anzuprangern und uns für das einzusetzen, was wir für gut und richtig halten. Zumindest haben wir die Möglichkeit, bei Wahlen unsere Stimme abzugeben.
Man kann sicher viel einwenden gegen die Mächtigen, die, wenn sie gewählt sind, doch machen, was sie wollen. Man kann die Ohnmacht des "kleinen Mannes" erwähnen, der sowieso kein Gehört findet. Man kann die Medien kritisieren, die durch ihre Berichterstattung Einfluss nehmen, einen Einfluss, gegen den man keine Chance hat, sich durchzusetzen. Das empfinde ich manchmal als eigene Machtlosigkeit.
Dennoch denke ich, dass wir nicht so machtlos sind, wie wir manchmal denken. Und zwar aus einem einfachen Grund: Ich glaube nämlich, dass Gott selbst durch uns auf diese Welt Einfluss nehmen will. Ich glaube, dass Gott Frieden und Gerechtigkeit stiften möchte, und dass er das auch durch Menschen tut. Unsere Welt wird ja durch alle Menschen, die guten Willens sind, zum Besseren hin verändert, oder das Schlimmste wird durch sie verhindert. Das müssen nicht immer Christen sein. Gott erwählt sich Menschen aus allen Völkern und Religionen (oder auch Religionslose), um durch sie Großes zu vollbringen. In der Geschichte gibt es dafür viele Beispiele. So wie Gott sich Mose erwählte, um sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten zu befreien, und viele Jahre später den heidnischen Perserkönig Kyros erwählte, der das Volk nach langem Exil in seine Heimat entließ. Und die Propheten Israels waren hochpolitische Menschen, die Missstände konsequent anprangerten, weil Gott sie dazu berufen hatte und weil sie sein Wort weitergeben mussten.
So denke ich, dass wir auch heute in unserem überschaubaren Bereich aufgerufen sind, für eine bessere Welt einzutreten – für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, wie die ev. Kirche das schon vor vielen Jahren zusammengefasst hat. Man kann es sicher auch anders zusammenfassen. Wir können vielleicht nicht viel bewirken. Aber jeder Mensch kann in seinem Umfeld durch Wort und Tat seine Meinung kundtun, kann ein Beispiel geben und andere zum Nachdenken bringen. Er kann sich auch darüber hinaus engagieren, wenn ihm das liegt. Ich glaube, dass Gott dadurch etwas verändert – auch dann, wenn es uns ganz aussichtslos erscheint und wenn wir so gar nichts sehen von seinem Wirken. Zugleich bitte ich Gott, dass er die Gedanken der Mächtigen zum Guten hin bewegen möge und dass er viele Menschen durch seinen Geist zum Glauben und zur Liebe führen möge. Beides schließt sich ja nicht aus, sondern ein: das Beten um Veränderung der Menschen und das persönliche Eintreten dafür. Und beides erwächst meiner Meinung nach aus dem inneren Frieden, den uns Jesus schenkt und der die Grundlage unseres Lebens ist.
Herzliche Grüße
Klaus Straßburg