Ohne Glauben können wir Christus gar nicht haben. Aber es ist damit wie mit einem Jungen, dem ein Fünffrankenstück geschenkt worden ist. Natürlich muss der Junge das Geldstück nehmen; wenn er davonläuft und es nicht nimmt, hat er eben nichts. Aber keinem Jungen wird es in den Sinn kommen, nachher zu erzählen: "Denkt, ich hab meinen Arm ausgestreckt und die Finger aufgebogen und sie dann wieder zusammengeschlossen und den Arm zurückgezogen und das Geldstück in den Hosensack gesteckt"; jeder Junge wird voll Jubel berichten: "Denkt, der und der hat mir fünf Franken geschenkt!" So ist es auch mit Christus. Natürlich nehmen wir sein Geschenk im Glauben an; aber wer davon noch lang schwatzen könnte, wer von seinem Glauben, von seiner Bekehrung noch erzählen könnte, der hätte gar nicht verstanden, was mit ihm geschehen ist. Denn Glauben, das heißt ja gerade: ganz und gar jetzt nur noch auf Jesus Christus hinschauen und wissen, dass er alles, ganz alles getan hat.
Eduard Schweizer
Was geschieht mit einem Menschen, der an Jesus Christus zu glauben beginnt?
Wir sind geneigt, psychologische und soziologische Erklärungen dafür zu suchen: Sein Elternhaus, seine Gruppenzugehörigkeit, seine Erfahrungen oder seine Gefühlswelt haben ihm den Weg zum Glauben geebnet. So kann man versuchen zu erklären, warum der eine Mensch glaubt und der andere nicht.
Das mag alles nicht verkehrt sein. Aber es trifft nicht den Kern. Denn in allen erklärbaren Phänomenen wirkt Christus selbst in unerklärbarer Weise. Darum sollen wir nicht lange von unseren Erfahrungen, unserer Entscheidung und unserem Glauben erzählen, sondern von Christi Entscheidung für uns und seinem Wirken in unserem Leben.
Dass ein Mensch an Jesus Christus zu glauben beginnt, ist ein unverfügbares Wunder und eine unergründliche Gnade.
Quelle: Eduard Schweizer: Einübung im Glauben anhand des Heidelberger Katechismus. Vadian Verlag St. Gallen 1953. S. 39. Orthographisch angepasst an die Neue Deutsche Rechtschreibung.
ich kann Eduard und dich sehr gut verstehen in dem Punkt, insbesondere aus der Freude heraus.
Allerdings spricht nichts dagegen in aller Demut auch von den eigenen bescheidenen Werken zu reden, da sie erst das große Geschenk durch Glauben erfassen und somit bedingen. Sie über zu gewichten wäre selbstgerecht und naiv. Sie unter zu gewichten würde das Geschenk nicht ermöglichen. Es ist eine Symbiose, wobei der Fokus in der Gesamtheit liegt und sich im Miteinander erschließt. Natürlich bleibt die Gnade unverdient. Vielleicht aber gerade deshalb, weil sie unverhältnismäßig ist!
in diesem Punkt unterscheiden wir uns wohl doch ein wenig. Ich verstehe unsere guten Werke und unseren Glauben als Geschenke, die wir nur dankbar annehmen können, ohne davon zu sprechen, was wir dafür getan haben, um diese Werke und diesen Glauben zu empfangen - so, wie Jesus sagte, unsere linke Hand solle nicht wissen, was die rechte tut (Mt 6,3), und wie die Gesegneten Gottes ihn fragen werden: Wann haben wir eigentlich Gutes getan? (Mt 25,34-39) Sie wissen nämlich gar nicht um das Gute, das sie getan haben, also können sie auch nicht davon sprechen.
Natürlich können wir manchmal vermuten, dass diese oder jene Tat vielleicht etwas Gutes war, aber wir können uns auch irren und werden deshalb die vermeintlich gute Tat am besten für uns behalten (Mt 6,2). Das heißt ja nicht, dass dadurch das Geschenk nicht möglich wird oder dass wir es abwerten. Im Gegenteil, ich werte das Geschenk dadurch auf, dass ich mich auf den Geber konzentriere und ihm danke anstatt mich auf mich zu konzentrieren und davon zu reden, dass ich das Geschenk angenommen habe und dass so ein gemeinsames Wirken von Gott und mir zustande gekommen ist - wenn man überhaupt von einem "gemeinsamen Wirken" sprechen kann. Denn das Annehmen ist ja eigentlich keine gute Tat, die ich getan habe, weil ich so gläubig bin, sondern das Selbstverständliche, das jemand tut, der nichts hat, aber ein über die Maßen wertvolles, sein Leben rettendes Geschenk gereicht bekommt.
Was bringt es mir eigentlich, von meinem Annehmen zu sprechen, und sei es in aller Bescheidenheit? Und ist es mit der Bescheidenheit nicht eigentlich schon vorbei, wenn ich von meinem Annehmen rede statt von Gottes Schenken?
Ich finde, das drückt die Geschichte von Eduard Schweizer ganz gut aus.
Ich denke Liebe zu geben, aber auch Liebe anzunehmen ist gleichermaßen wichtig. Der große Unterschied besteht definitiv in den Relationen, was zu Recht Gottes Liebe überströmender und überreicher macht. Und dennoch wird gerade durch Ihn offenbar wer, was und wo wir stehen. So wie die Liebe eines Vater gegenüber der Liebe eines Kind zueinander. So wie die Unendlichkeit gegenüber der Endlichkeit ist. So ist die Liebe - eine Wechselbeziehung im Miteinander, auch wenn einer zuerst damit beginnt, auch wenn einer alles gibt, und doch vereinigt sie beide Liebenden, so dass alles wieder auf einen zurückkommt. Logischerweise weg von sich selbst und sich im anderen wiederfindend. Ein "Perpetuum mobile" weil es gegenseitige und beiderseitige Liebe ist. Aus der Demut entwickelt sich ein gesundes Mitgefühl aber auch Verständnis für andere, weil es durch ein Vorbild und Beispiel inspirierender ist. Keine Schuld oder Minderwertigkeit als Antrieb sondern eine Liebe für gemeinsame Werte, in der man zusammen und miteinander in die Zukunft geht und sie gemeinsam gestaltet. So ist auch die Bescheidenheit ein Geschenk von Gott über die man sich freuen darf. Davon zu reden, zeigt die eigene Verwandlung und Entwicklung. Das ehrt Gottes Geist definitiv noch mehr.
das sehe ich auch so: Die Liebe ist eine Wechselbeziehung. Und tatsächlich: Mit unserer Liebe geben wir Gott auch etwas (allerdings nichts, auf das er angewiesen wäre). Aber unser Geben und Gottes Geben unterscheiden sich fundamental. Das deutest du ja auch an. Aber weil Gott nicht auf unser Geben angewiesen ist, würde ich nicht von einem "perpetuum mobile" sprechen, das sich vom beiderseitigen Geben speist. Ich denke vielmehr, dass sich unser Geben von Gottes Geben, unser Lieben von Gottes Lieben speist und nicht Gottes Geben und Lieben von unserem; denn er gibt sich uns und liebt uns auch dann, wenn das Geben und Lieben von unserer Seite aus versiegt (Röm 4,5; 5,6). So wie er uns zuerst geliebt (1Joh 4,19) und damit unser Lieben überhaupt erst ermöglicht hat, so liebt er uns immer wieder neu auch dann, wenn unsere Liebe erkaltet und gibt uns damit die Möglichkeit, auch ihn zu lieben.
Deshalb kann man sagen: Unser Geben ist abgeleitetes Geben. Es lebt nicht von unserer Aktivität, sondern vom Empfangen. Es ist das selbstverständliche Geben dessen, der zuvor empfangen hat. Selbstverständlich deshalb, weil es völlig irre ist, dass jemand, der über alles geliebt und dem alles gegeben wird, den Geber nicht auch liebt und ihm alles gibt. Dass es trotzdem geschieht, dass diese Selbstverständlichkeit nicht gelebt wird, ist die unerklärliche Möglichkeit der Sünde. Und wenn es geschieht, dass ein Mensch das Selbstverständliche tut, dann gibt es für ihn nur die Dankbarkeit, dann gibt es für ihn nur die Liebe des Gebers und nicht das, was er selber tut. Denn das ist für ihn so selbstverständlich, dass er daran überhaupt keinen Gedanken verschwendet. Er kann ja gar nicht anders, als auch zu lieben, weil er eben die Liebe, die er empfängt, realisiert und sich nicht, was eben völlig krank und irrational ist, sich von ihr distanziert. Er lebt ganz einfach das, was in ihm ist, was er geschenkt bekommen hat, er realisiert sein Sein, er ist er selbst, nämlich der Geliebte, anstatt sich selbst und damit den Liebenden zu verleugnen und sein Heil irgendwo anders zu suchen, nur nicht da, wo es ist. Er entfremdet sich von sich selbst, wenn er nicht der Geliebte sein will, der er ist. Wenn er aber dieser Geliebte sein will, dann liebt er unwillkürlich den, der ihn liebt, und das ist kein selbst hervorgebrachtes Geben, sondern ein Geben, das ganz vom Empfangen lebt und nur die andere Seite des Empfangens ist.
Ich denke, diesen Unterschied sollte man sich klarmachen, wenn man an ein wechselseitiges Geschehen zwischen Gott und Mensch denkt: Gottes Geben ist ursprüngliches Geben, das heißt ein Geben, das sich selbst Quelle ist. Des Menschen Geben aber ist abgeleitetes Geben, das heißt ein Geben, das sich aus dem Geben Gottes speist.