Pfingsten und der Turmbau zu Babel
Klaus Straßburg | 04/06/2022
Was hat Pfingsten mit dem Turmbau zu Babel zu tun? Eine ganze Menge. Aber der Reihe nach ...
Die Geschichte vom Turmbau zu Babel, einem Turm, der bis in den Himmel reichen sollte, steht am Anfang der Bibel, in der sogenannten "Urgeschichte" (1Mo/Gen 1-11). Die Urgeschichte erzählt keine uralten Geschichten, die sich in grauer Vorzeit zugetragen haben. Sie sagt aber, indem sie Geschichten erzählt, Entscheidendes und für alle Zeiten Gültiges über Gott und die Menschen aus.
Die Geschichte vom Turmbau in 1Mo/Gen 11,1-9 handelt von einer Menschheit, in der alle dieselbe Sprache sprechen. Alle verstehen einander. Als man diese Geschichte erdachte, stellte man sich vielleicht wirklich vor, dass es am Ursprung der Menschheit einmal so war. Ob das zutrifft, spielt hier gar keine Rolle. Es geht nicht um historische Richtigkeit, sondern um theologische Aussagen. Und die erste Aussage ist: Man versteht sich. Ein bemerkenswerter Zustand, wenn man einmal bedenkt, wie oft wir heute aneinander vorbei reden.
Das gegenseitige Verständnis der Menschen gibt ihnen eine große Macht. Man ist nicht zersplittert in verschiedene Völker und Kulturen, sondern man bildet eine große Einheit. Gemeinsamkeit macht stark. Also will man diese Gemeinsamkeit der Sprache auf keinen Fall verlieren. So beschließen die Menschen, eine Stadt zu bauen und einen Turm, wie es noch keinen gab: Er soll bis in den Himmel reichen. "So machen wir uns einen Namen, damit wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen." Ein gemeinsam geschaffenes monumentales Werk und der gemeinsame Ruhm verbinden. Dann zerstreitet man sich nicht so leicht und läuft nicht so schnell auseinander.
Das gemeinsame kulturelle Schaffen ist nicht ohne Übermut und Vermessenheit. Mit dem Turm möchte man in den Raum Gottes gelangen, auch wenn man das nicht ausspricht. Vermessenheit gibt sich immer bescheiden. Natürlich will man nur das Beste, nämlich bleibende Gemeinschaft für die Menschen, Frieden und Verständnis füreinander. Doch es geht um mehr: Ruhm, Ehre, Macht, einen unauslöschlichen Namen. All das, was eigentlich Gott zukommt.
Dass da ein Turm gebaut wird, entgeht Gott nicht. Man beachte aber die humorvoll-ironische Beschreibung: Der Turm, der bis in den Himmel reichen sollte, ist so winzig, dass Gott aus dem Himmel herniederfahren muss, um ihn sich aus der Nähe anzusehen. Auch Gottes Reaktion ist nicht ohne Ironie: "Dies ist erst der Anfang ihres Tuns. Nun kann man sie nicht mehr davon abhalten, all das, was sie ersinnen, auch zu tun."
Dass den Menschen nun alles möglich ist, macht deutlich, dass sie wie Gott geworden sind – wie die Menschen jedenfalls meinen, auch wenn sie das niemals behaupten würden. Deutlich zeigt zum Beispiel der Krieg, dass Menschen sich göttliche Autorität anmaßen: Sie können über Leben und Tod entscheiden. Heute müssen wir hinzufügen: Sie können sogar über die Fortexistenz der Schöpfung entscheiden. Sie können der Schöpfung ein Ende bereiten entweder durch eine atomare oder eine ökologische Katastrophe. Das ist das Ergebnis der menschlichen Hybris, der Selbstüberhebung, in der sie über ihr Menschsein hinaus wollen.
Gott sieht die Gefahr, die der maßlos gewordenen Menschheit verborgen ist. Darum muss er eingreifen: "Wohlan, lasst uns hinabsteigen, und ihre Sprache soll verfallen, dass einer die Sprache seines Gefährten nicht mehr vernehmen kann!" Der Satz greift ironisch das "Wohlan, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen" auf, das die Menschen am Beginn ihres Tuns zueinander gesprochen hatten. Jetzt tut Gott etwas, und sein Tun zeigt, wer hier wirklich etwas bewegen und durchsetzen kann. Das Tun der Menschen ("Wohlan, lasst uns ...") ist demgegenüber nur ein lächerliches, aber dennoch gefährliches Spektakel.
Die Rettung vor der Gefahr besteht darin, dass die Menschen einander nicht mehr verstehen und über die ganze Erde zerstreut werden. Sie erreichen also mit ihrer Hybris genau das Gegenteil dessen, was sie erreichen wollten: Ihr "göttliches" Wunderwerk verbindet sie nicht, sondern zersplittert sie. So ist es immer, wenn Menschen maßlos und überheblich werden und sich zu Göttern erheben: Das schafft weder Frieden noch Einigkeit, sondern Streit und Konfrontation. Verbindend wirkt es nur, wenn Menschen sich dessen bewusst bleiben, was sie sind: eben Menschen, fehlbare Geschöpfe Gottes.
Wir leben in einer Zeit, in der die Menschheit wohl in einer Weise gespalten ist wie selten zuvor. Die unermesslichen Möglichkeiten, sich Informationen zu beschaffen, haben nicht dazu geführt, dass wir einander näher gekommen sind. Im Gegenteil: Durch den scheinbar unbegrenzten Zugang zu Informationen gewinnen Menschen das Gefühl, sie könnten sich zu Experten auf jedem Gebiet machen. Auch das ist eine Art der Vermessenheit, in der man den Grad seiner eigenen Informiertheit maßlos überschätzt. Überspitzt gesagt: Das Internet schafft keine Experten, sondern Halbinformierte, die sich für allwissend halten. Geradezu gefährlich ist es, wenn man sich in einer Informationsblase bewegt, ohne es zu bemerken. Andersdenkende können dann nicht mehr akzeptiert werden und werden möglicherweise mit Hasskommentaren beschimpft.
Wir verstehen einander einfach nicht mehr. Und, das Gefühl stellt sich ein, wir wollen es auch gar nicht mehr. Je größer die Probleme werden, desto erregter wird das chaotische und überhebliche Ins-Wort-Fallen, Durcheinanderreden und Übertrumpfen des Andersdenkenden durch pure Lautstärke, ohne überhaupt einmal über das Gegenargument nachzudenken. Und das gilt auch für Fernsehdiskussionen zivilisierter und angeblich reflektierter Menschen. Dadurch wird jedoch nur die zunehmende Unsicherheit deutlich. Der demokratische Respekt vor der Meinung des Andersdenkenden aber geht in der emotionalen Aufwallung verloren.
Um Emotionen ging es übrigens auch in der Pfingstgeschichte (Apg 2,1-12). Sie erzählt, dass die Jünger Jesu mit dem Geist Gottes erfüllt wurden und anfingen, "in anderen Zungen zu reden". Zwar streiten sich die Gelehrten noch immer, was genau damit gemeint sein könnte; aber dass es in der jungen Christenheit ein sehr emotionales Loben und Preisen Gottes gab, wird man annehmen können. Jedenfalls führt die Gabe des Geistes Gottes dazu, dass die anwesenden Menschen aus den unterschiedlichsten Völkern die Jünger Jesu in ihrer jeweiligen Sprache reden hören.
Das schafft Erstaunen, Verwirrung und Ratlosigkeit, denn damit war nicht zu rechnen – unterschieden sich die Völker doch damals kulturell, politisch und religiös kaum weniger als wir heute. Das Verbindende fehlte. Wie war es möglich, dass die Jünger Jesu plötzlich von allen verstanden wurden?
Es war ein neuer Geist, der jetzt wehte – Gottes Geist. Das ist kein Geist der Spaltung, sondern ein verbindender Geist. Leider hat die Kirche selbst dies viel zu oft nicht beherzigt. Das ändert aber nichts daran, dass Gottes Geist menschliche Zerstreuung und Gegnerschaft beendet. Denn im Reich Gottes gibt es weder Hasskommentare noch Durcheinanderreden, weder Unfriede noch Respektlosigkeit. Insofern nimmt die Pfingstgeschichte den Frieden und die Einheit vorweg, die im Himmel vollkommen verwirklicht sind.
Frieden und Einheit können nicht vom Menschen geschaffen werden, sondern er empfängt sie. Und zwar völlig unerwartet, überraschend und ohne dass er dafür tätig werden muss. Der Mensch muss diesen neuen Geist nur wehen lassen. Das klingt einfach, ist es aber für den Menschen nicht. Denn in ihm steckt ja immer noch die Hybris, selbst einen Turm in den Himmel bauen zu wollen anstatt es zuzulassen, dass der Himmel einfach auf die Erde kommt und Gottes Geist im Menschen Wohnung nimmt.
Der Geist des Übermuts und der Vermessenheit zerstreut und verfeindet, wie wir gesehen haben. Der Geist Gottes hingegen verbindet, denn er ist ein Geist des rechten Maßes, der Vergebung und Liebe. Darum bedeutet Pfingsten nicht nur, dass es zwei freie Tage gibt. Das Pfingstgeschehen ist vielmehr ein für die Menschheit entscheidendes Geschehen – gerade heute, wo gesellschaftliche Spaltungen sich ausbreiten und ein grausamer Krieg tobt.
Es wird nicht gehen ohne ein immer neues Aufeinander-zu-Gehen, ohne Respekt für den Andersdenkenden, ohne die Mühe, nach dem Wahrheitskern auch des fremden Argumentes zu suchen. Es wird nicht gehen ohne einen neuen Geist, den wir allerdings nicht in uns tragen oder erzeugen können, sondern der uns geschenkt werden muss.
Wem das zu passiv klingt, dem sei gesagt: Der Mensch kann sich diesem Geist versagen, ihn ignorieren und nicht zum Zuge kommen lassen. Er ist deshalb gehalten, sich für ihn zu öffnen, ja sich ihm hinzugeben. Der Mensch ist also nicht komplett passiv oder gar fremdbestimmt. Er bestimmt selbst, welcher Geist ihn regiert. Weil er sich im Empfangen des Geistes Gottes an Gott, den Geber des Geistes, hingibt, ist sein Verhalten ein gebendes Empfangen
Wir sind also Empfangende, die sich dem Empfangen des Pfingstgeistes hingeben. Dass wir uns in dieser Weise für ihn öffnen, ist vielleicht so wichtig wie nie zuvor in einer maßlos gewordenen und gespaltenen Menschheit, in der wir einander kaum noch verstehen können.
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was soll ich dazu sagen.
Vielleicht dies ... Mögen wir von Herzen demütig sein und bleiben,
damit die wirklich Guten Informationen die Herzen findet, die dafür empfänglich sind,
damit daraus nicht ein Spiel mit Informationen wird, sondern die Grundlage für bessere Realitäten in BeReichen, die das Lebens lebenswert machen.
Glücklich dürfen die Wartenden sein, die sich bewusst sind, das sie den heiligen Geist benötigen.
Glücklich dürfen die im heiligen Geist sein, die ihn ausleben, weil ein herrlicher Name aus Demut erwächst. Nicht selten beginnt es damit, einander zuzuhören, während man sich zurücknehmen lernt. Für die Wahrheit muss man nicht lieblos und selbstgerecht, ... vermessen werden. Man muss sie nur bezeugen, dann steht sie für sich, unumstößlich und spricht für sich selbst. Sie hat einen Namen und muss sich keinen erst machen. Die Herausforderung in der menschlichen Existenz besteht darin, sie zu verinnerlichen, mit allen Versuchungen, die an sie getragen werden. ...
danke für deinen ergänzenden und weiterdenkenden Kommentar. Das Sich-selbst-Zurücknehmen ist mir auch sehr wichtig. Aber damit fangen unsere Schwierigkeiten schon an. Und wir müssen sogar damit rechnen, abgelehnt zu werden. Zum Empfangen des Geistes gehört also auch die Bereitschaft zum Leiden. Dem auszuweichen ist wohl eine der schwersten Versuchungen, die an uns herangetragen werden.