Nine eleven
Klaus Straßburg | 12/09/2021
Gestern jährten sich zum 20. Mal die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York und andere amerikanische Einrichtungen. Die deutschen Medien berichten schon seit Tagen darüber. In New York fand eine große Gedenkfeier für die Verstorbenen statt.
Die Bilder des Anschlags auf das World Trade Center sind in das kollektive Gedächtnis der Welt eingegangen. Sie zeigen, wozu religiöse Verirrung und ideologischer Fanatismus fähig sind.
Nach offiziellen Angaben starben durch die Anschläge, bei dem vier Flugzeuge entführt und zur Explosion gebracht wurden, 2.996 Menschen. Die Zahl der Verletzten wird auf über 6.000 geschätzt (Wikipedia), nach anderen Angaben auf über 20.000.
Ich kann nur versuchen, Anteil zu nehmen am Tod der vielen Menschen und am Leid der Verletzten sowie ihrer Angehörigen. Gott segne sie alle.
Zugleich verurteile ich die Terroranschläge. Terror schafft keinen Frieden, sondern Tod, Leid und erneuten Unfrieden.
Dennoch gibt es für mich etwas Irritierendes.
Ich frage mich, warum niemand der verletzten und gestorbenen Zivilisten gedenkt, die durch den nachfolgenden sogenannten „Krieg gegen den Terror" zu beklagen waren. Müsste man ihrer nicht auch gedenken?
Ich spreche nicht von getöteten Terroristen, sondern von zivilen Opfern, zum Beispiel aus dem Irak-Krieg des Jahres 2003.
Die Zahl der getöteten Zivilisten wird von einer US-amerikanischen und britischen Initiative gegenwärtig mit 185.869 bis 209.012 angegeben. Die amerikanische Johns Hopkins Universität kommt auf bis zu 100.000 zusätzlich Gestorbene im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum vor Kriegsbeginn (Wikipedia).
Der Krieg wurde mit einem angeblich bevorstehenden Angriff auf die USA mit Massenvernichtungswaffen begründet. Der amerikanische Außenminister Colin Powell führte im UN-Sicherheitsrat angebliche Beweise für biologische und chemische Waffen sowie für Bauteile atomarer Waffen des Irak vor. Solche Waffen wurden nie gefunden. Im Jahr 2005 bedauerte Powell seinen Auftritt im UN-Sicherheitsrat und bezeichnete ihn als „Schandfleck" in seiner Karriere.
Ich versuche, auch Anteil zu nehmen an den namenlosen Toten des Irakkriegs sowie am Leid der Verletzten und ihrer Angehörigen. Ich wünsche auch ihnen Gottes Segen und verurteile auch diesen Krieg.
Ebenso wäre der Opfer des Kriegs in Afghanistan-Kriegs zu gedenken, der ebenfalls als „Krieg gegen den Terror" gerechtfertigt wurde.
Ich glaube, dass Gott an der Seite aller Leidenden ist: an der Seite der Toten aus dem World Trade Center, der Flugzeugpassagiere, der Frauen und Männer, die ihre Partner, und der Kinder, die ihre Mütter und Väter verloren haben. Aber auch an der Seite der getöteten Kinder, Frauen und Männer im Irak und in Afghanistan sowie ihrer Familien, die mit Terror und Krieg nichts zu tun hatten. An der Seite all der Verletzten und Verstümmelten, die bis heute unter den Folgen der Anschläge und Kriege leiden.
Sicher hat jedes Volk das Recht und die Pflicht, zuerst mit den eigenen Volksangehörigen zu trauern. Ich hätte es jedoch für ein überzeugendes christliches Zeugnis gehalten, wenn in das Gedenken an die Terroropfer von New York auch die Kriegsopfer im Irak und in Afghanistan einbezogen worden wären. Denn vor Gott sind alle Menschen gleich und alle in gleicher Weise zu achten:
Da tat Petrus den Mund auf und sagte: Gemäß der Wahrheit erkenne ich, dass Gott nicht die Person ansieht, sondern dass in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt, ihm willkommen ist.
(Apg 10,34f)
Es gibt keinen Unterschied zwischen einem Juden und einem Griechen [man könnte heute ergänzen: zwischen einem christlichen und einem muslimischen, einem amerikanischen, irakischen und afghanischen Menschen]; denn einer und derselbe ist Herr über alle, der reich ist für alle, die ihn anrufen. Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.
(Röm 10,12f)
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