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Mein Leben in Hamsterkauf-Zeiten

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Veröffentlicht von in Theologie mit Humor · 2 April 2020
Tags: CoronaAngstHoffnungVertrauen

Mein Leben in Hamsterkauf-Zeiten
Klaus Straßburg | 02/04/2020

Irgendwie sind wir alle zu Hamstern geworden. Eigentlich sehr niedliche Tierchen. Ich hatte früher selber einen.

Aber wie leben wir in Hamsterkauf-Zeiten? Kaufst du noch oder hamsterst du schon? Hier gebe ich dir einen kleinen Einblick in mein Hamsterleben.

Ich bin ein sehr am Tagesgeschehen interessierter Hamster. Das ist in diesen Zeiten nicht immer lustig. Denn meine geliebten Informations- und Diskussionssendungen kennen nur noch ein Thema. Du ahnst schon, was ich meine. Manchmal kann ich das C-Wort nicht mehr hören. Darum will ich es auch gar nicht aussprechen. Jedenfalls interessiert mich der Rest des Fernsehprogramms meistens nicht. Darum lande ich schließlich doch wieder bei – du weißt schon. Leider.

Manchmal zieht das, was ich da höre und sehe, meine Stimmung gehörig runter. Bevor ich in mein Hamsterbett krieche, denke ich dann: Hättest du dir das doch bloß nicht reingehamstert. Zu spät.

Ich schwanke zwischen positiven und negativen Eindrücken. Mal bekomme ich Informationen, die meine Sorge vergrößern, und mal solche, die sie verkleinern. Und ich merke, dass auch die Experten sich widersprechen und ihre Meinung mitunter ändern. Also wissen wir offensichtlich relativ wenig über das Virus, das uns zu Hamstern macht, und lernen gerade viel dazu.

Jeden Morgen, wenn ich aufwache, denke ich: Oh toll, ich habe keinen Husten, kein Halskratzen und kein Fieber. Danke, Herr, dass ich noch gesund bin.

Ich nutze die Kontaktbeschränkungen, um mich zu Hause zu beschäftigen. Durch meine Website und mein neues Buch gab und gibt es genug zu tun. So kommt keine Langeweile auf.

Seit einigen Tagen habe ich ein kleines technisches Problem mit meiner Website. Das hätte ich mir gegen die Langeweile nicht gewünscht. Lässt sich aber nicht ändern. Darum erscheint dieser Artikel auch später als geplant.

Vom Schreibtisch nach draußen: Ich freue mich darüber, dass es keine Ausgangssperre gibt. So kann ich mich draußen bewegen und regelmäßig joggen. Ein Hamster braucht schließlich viel Bewegung. Ohne diese Bewegung würde mir etwas sehr Wichtiges fehlen.

Ich genieße auch von Herzen die Sonne, die uns in den letzten Tagen so sehr verwöhnt hat. Dann spüre ich die warmen Strahlen auf meinem Gesicht, höre die Vögel zwitschern und danke Gott für die wunderbaren Gaben seiner Schöpfung.

Kleine Unterbrechung des Wunderbaren: In der letzten Woche musste ich mich einer Zahn-OP unterziehen. Ich dachte: Okay, ist sicher nicht so ideal, in Hamstervirus-Zeiten mit offenem Mund auf dem Stuhl zu liegen, der Hamster-Zahnarzt und seine Mitarbeiterin über mich gebeugt... Wer weiß, ob die nicht infiziert sind? – Und wie voll wird wohl das Wartezimmer sein? Was mache ich, wenn ich den gebotenen Abstand nicht einhalten kann?

Beim Zahnarzt stellte ich dann fest: Im Wartezimmer war ich fast der einzige. Bei der Behandlung arbeiteten natürlich alle mit Mundschutz. Ich selbst musste mir vor der Behandlung die Hände desinfizieren und den Mund mit einer desinfizierenden Lösung spülen. Man war also sehr auf Hygiene bedacht. Das gab mir Sicherheit.

Die OP ist übrigens gut verlaufen, und der Heilungsprozess macht gute Fortschritte. Dafür bin ich sehr dankbar.

Manchmal gehe ich auch zum Hamstern in den Hamstermarkt. Die Backen müssen ja schließlich voll sein. Gestern ist es mir zum ersten Mal passiert, dass die Regale mit dem Klopapier leergefegt waren. Da waren wohl andere Hamster schneller als ich. Aber das ficht mich nicht an. Es gibt schließlich wichtigere Dinge als das. Und im Notfall kann man ja auch...

Im übrigen habe ich aufs Hamstern bis jetzt verzichtet. Man muss ja nicht jede Mode mitmachen. Aber wenn ich das nächste Mal Klopapier sehe, werde ich mir die Backen vollstopfen. Damit die anderen nicht wieder schneller sind.

Zurück nach Hause: Ich nutze die Zeit, Hamsterfreunde anzurufen, die ich länger nicht gesprochen habe. Das belebt die Kontakte und erfreut mein Herz (und auch das der Angerufenen). Die Kontaktreduzierung auf der einen Seite führt also zu einer Kontaktbelebung auf der anderen Seite. Toller Ausgleich, oder?

Ich lerne, Dinge zu schätzen, die mir vor dem Hamstervirus selbstverständlich waren, die jetzt aber nicht mehr erlaubt sind. Zum Beispiel, mich überall hin zu begeben, wohin ich möchte. Oder mich mit Menschen zu treffen und auszutauschen. Jetzt, wo das nicht mehr geht, wird mir bewusst, wie wertvoll das ist und dass es nicht selbstverständlich ist. Schnell kann sich alles ändern.

Das heißt für mich: Ich habe es nicht in der Hand. Ich kann mein Leben nur sehr bedingt selbst bestimmen. Schnell kann es passieren, dass Anderes über mich bestimmt, über das ich keine Gewalt habe.

Sogar mein Weiterleben kann schnell in Frage stehen. Der, der über mein Weiterleben entscheidet, bin nicht ich, sondern ist mein Schöpfer (Ps 104,29f). Nicht, dass ich das nicht auch schon wusste, bevor ich zum Hamster wurde. Aber diese Einsicht ist jetzt kein abstraktes und theoretisches Wissen mehr, sondern ein handfestes und täglich gefühltes Erleben. Das ist ein großer Unterschied.

Wir Macher, die wir meinen, alles zu schaffen, was wir uns vornehmen, und die Kontrolle über unser Leben zu haben, werden massiv daran erinnert, dass wir nur sehr kleine Macher sind. Im besten Fall sind wir Mitmacher Gottes, wenn er uns mitmachen lässt und wir diese Rolle für uns annehmen.

Wie ich schon schrieb, freue ich mich meiner Gesundheit. Aber ich denke nicht nur an mich selbst. Ich bete für die Erkrankten und Gestorbenen, für die Länder, die viel schwerer betroffen sind als unseres und für die, die entfernt nicht die medizinischen Möglichkeiten haben wie wir in Europa. Und ich bin überzeugt davon, dass Gott Gebete hört und sich von ihnen sogar beeinflussen lässt (z.B. Am 7,1-3; Jon 3,7-10; Apg 10,1-4; Jak 5,16).

Ich weiß nicht, warum diese Pandemie über die Welt gekommen ist, und fürchte, dass vielen armen Ländern noch Schlimmes bevorsteht. Ich denke dabei auch an die völlig überlaufenen Flüchtlingslager, in denen die Menschen dichtgedrängt leben müssen (Übrigens finde ich es schlimm, dass die schon beschlossene Aufnahme von Kindern aus griechischen Lagern jetzt erstmal auf Eis gelegt ist.)

Aber eins weiß ich: Wir haben einen Gott, der in allem Leid an der Seite seiner Geschöpfe bleibt (Ps 16,8-11) und mit ihnen leidet, Mitleid mit ihnen hat und sich ihrer erbarmt (z.B. Ps 31,8-17; Mt 9,36). Ein Gott, der selbst durch Leid und Tod hindurchgegangen ist und Leid und Tod besiegt hat (z.B. Apg 3,15; 1Kor 15,54f).

Das schmälert nicht das, was Menschen auf Erden erleiden müssen. Aber ich bin gewiss, dass nicht Leid und Tod das Letzte sind, sondern Freude und Leben (Ps 126). Und dass ich darum mit all meinen Sorgen und Ängsten bei Gott Ruhe finden kann. Jesus sagte: „Kommt her zu mir, all ihr Erschöpften und Belasteten, und ich werde euch Ruhe geben" (Mt 11,28).

Und diese Ruhe sollte Konsequenzen haben: Weil alle Menschen bei Gott Ruhe vor ihren Sorgen und Ängsten finden können, sollten die Nationen nicht an sich selbst zuerst denken, sondern zusammenrücken. Wir sollten solidarisch mit all denen sein, die nicht so gute Überlebenschancen haben wie wir. Jetzt gilt es, dass die Starken den Schwachen helfen (z.B. Apg 2,44f). Wenn wir das nicht tun, nehmen wir die Verantwortung nicht an, die Gott uns übertragen hat.

Ich denke manches Mal an Ostern. Dieses Osterfest wird wohl für uns alle ein außergewöhnliches sein. Die Botschaft von Ostern ist aber dieselbe wie jedes Jahr. Es ist die Botschaft von dem endgültigen und universalen Sieg Gottes über Leid und Tod. Mir ist diese Botschaft zum Lebensinhalt und letztlich zum einzigen Trost im Leben und im Sterben geworden.

Ich armer Hamster bin zwar nicht immer sorglos und ohne Angst, aber ich versuche, Gott zu vertrauen und mich bei ihm zu bergen. Gott möge mir dazu die Glaubenskraft geben.

Soweit einige Aspekte meines Hamsterlebens in diesen besonderen Zeiten. Wenn du etwas aus deinem Hamsterleben mit anderen teilen möchtest, dann kannst du das unten tun. Ich freue mich darüber. Denn so können wir Hamster uns austauschen, ohne uns zu sehen. Hamster müssen schließlich zusammenhalten.

Sei Gott befohlen. Er möge deine dicken Hamsterbacken füllen mit allem, was du brauchst. Darum bleibe möglichst froh im Glauben und vertrau dich dem an, der auch dein Leben in seinen guten Händen hält und niemals loslassen wird.


* * * * *


Anmerkung: Dieser Artikel war ursprünglich ernsthaft und ohne Humor geschrieben. Erst als ich das Foto fand, hatte ich die Idee mit den Hamstern und habe den Artikel nochmal umgeschrieben. Darum ganz herzlichen Dank an die Fotografen S. Hermann & F. Richter, die ihr Foto auf Pixabay veröffentlicht haben.





2 Kommentare
Petra Einloft
2020-04-05 13:51:32
Lieber Klaus,
seit kurzem lese ich deinen Blog.
Ich bin ganz begeistert von deinem Hamster-Text. Er teilt herrschende Aufregung, Bedenken und Schwierigkeiten in unserem derzeitigen Alltag, öffnet aber auch den Blick auf weitaus größere Tragödien mit oder gar ohne Corona. Und Gott ist mittendrin. Du schreibst das alles so treffend und in diesem Fall auch humorvoll, dass ich den Text gerne auf unserem Gemeinde-YouTube-Kanal vorlesen würde. Hier werden z.Zt. wie vielerorts Andachten, Impulse und Gottesdienste hochgeladen. Ich bin neue Presbyterin in der Ev. Kirchengemeinde Oberfischbach und würde gerne unseren Pfarrer im Online-Andachts-Bereich unterstützen. Selbstverständlich würde ich den Textursprung und Verfasser ausdrücklich zu Beginn nennen und auf deinen Blog hinweisen.
Über deine Zustimmung würde ich mich sehr freuen, könnte aber eine Absage absolut akzeptieren.
LG Petra Einloft
Klaus Straßburg
2020-04-05 17:40:30
Liebe Petra,
vielen Dank für deine Rückmeldung. Es freut mich sehr, dass dich mein Text angesprochen hat. Da ich noch nicht so viele Kommentare auf meiner Website bekomme, ist es wichtig für mich zu erfahren, wie mein Blog und Podcast bei den Menschen ankommen. Natürlich kannst du den Text gern auf eurem YouTube-Kanal vorlesen.
Viele Grüße, und ich wünsche dir Segen und Gesundheit
Klaus Straßburg
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