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Meditationen zum Vaterunser

Christsein verstehen
Veröffentlicht von in Meditationen · 24 Juni 2024
Tags: Beten
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Meditationen zum Vaterunser
Klaus Straßburg | 24/06/2024

Das Vaterunser ist ein kurzes Gebet. Aber der Inhalt ist groß. Darum wollen die Anrede, die sieben Bitten und der abschließende Lobpreis meditiert werden.

Die folgenden Meditationen können zum eigenen Meditieren anregen. Dazu mag es dienen, die Texte mehrmals zu lesen, um nach und nach das Vaterunser mit eigenen Gedanken zu füllen.

Martin Luther hat einmal angeregt: Wenn ein Satz des Vaterunsers unser Herz in besonderer Weise berührt, können wir ruhig mit unseren Gedanken bei diesem Satz stehenbleiben und den Rest des Vaterunsers ein anderes Mal beten.

Beten heißt nicht, einen vorgegebenen Text abzuhaken, sondern das Herz sprechen zu lassen.


* * * * *


Vater unser im Himmel

Vater!
Dass ich das sagen darf –
dass ich zu dir, großer Gott, Vater sagen darf,
als stündest du neben mir wie mein irdischer Vater.
Doch erlaubst du mir, zu dir "Vater" zu sagen,
so wie Jesus zu dir "Vater" sagte,
und ich darf mich fühlen als dein geliebtes Kind,
an dem du Wohlgefallen hast,
so wie Jesus dein geliebter Sohn ist,
an dem du Wohlgefallen hast.1

Vater, sage ich, und weiß doch zugleich:
Du bist anders.
Du bist nicht nur wie ein Vater,
sondern auch wie eine Mutter.2
Und du bist nicht wie menschliche Väter und Mütter
mit ihren Fehlern und Versäumnissen,
sondern du bist das Vorbild aller Väter und Mütter,
du bist so, wie jeder Vater und jede Mutter sein sollte,
aber niemals sein kann.
Du bist vollkommen in deiner Liebe.
Großer Gott, ich danke dir,
dass du dich so klein machst,
dass du an meine Seite trittst,
dass du dich zu mir herabbeugst,
dass du mich zu dir emporhebst,
so dass ich Vater zu dir sagen
und mich als dein geliebtes Kind fühlen darf.
Vater, ich danke dir!

Vater unser!
Du bist nicht nur mein Vater,
sondern der Vater aller Menschen.
Wenn ich dich, unseren Vater, anrufe,
dann denke ich an alle deine Kinder weltweit,
die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen.
Ich kann dich nicht allein für mich anrufen,
sondern muss dich zugleich für alle Menschen anrufen.
Wenn du unser aller Vater bist,
dann sind alle deine Kinder meine Schwestern und Brüder.
Dann sind sie keine Fremden für mich und keine Feinde,
keine Konkurrenten und keine Minderwertigen.
Dann gehört alles, was mir gehört, auch ihnen,
weil du es uns allen geschenkt hast, unser Vater.
Du hast mich in die weltweite Gemeinschaft deiner Kinder gestellt,
und in dieser Gemeinschaft haben alle
einen Halt unter Gleichgeliebten
und eine wichtige, sinnvolle Aufgabe.
Darum bete ich zu dir für alle deine Kinder: unser Vater!

Unser Vater im Himmel!
Du bist unerreichbar für uns und doch nicht fern,
unbegreifbar und doch uns offenbar geworden.
Du überblickst alles und achtest doch auf jeden einzelnen.
Du bestimmst unsere Wege von fern her
und gehst sie mit an unserer Seite.
Du leitest uns durch unser Leben
und leidest mit uns unsere Schmerzen.
Du lebst in der Herrlichkeit des Himmels
und lässt dich herab ins Elend unserer Welt.
Welcher Gott ist größer als du,
unser Vater im Himmel?

Geheiligt werde dein Name

Dein Name, Gott, das bist du selbst, der Heilige.
Du bist an dir selbst heilig,
durch und durch rein und unberührt von allem Bösen,
ewig derselbe und keinem Vergehen unterworfen,
fern von aller Sünde und zugleich mitten unter uns.3
Weil du in Ewigkeit heilig bist,
mögest du auch geheiligt werden
in der vergänglichen, unheiligen Welt.
Geehrt mögest du sein unter allen Völkern,
unter den Mächtigen und den Machtlosen,
unter den Glaubenden und nicht Glaubenden,
unter den Übeltätern und ihren Opfern.
Gelobt mögest du sein von den Glücklichen und Verzweifelten,
von den Reichen und Armen.
Gepriesen mögest du sein von aller Kreatur.
Geheiligt mögest du werden mit unserem ganzen Leben
und mit unserem Tod.
Das Wunder möge geschehen,
dass du von der Schwachheit geheiligt werdest,
dass deine Kraft in der gefallenen Kreatur mächtig werde,
dass du selbst dich heiligen mögest
inmitten des Unheiligen.4

Dein Reich komme

Unser Vater, du hast uns gerufen in dein Friedensreich,
in welchem wir menschlich werden, indem wir dich ehren,
uns selbst finden, indem wir dich suchen,
und frei werden, indem wir dir gehorchen.
Dein Reich ist angebrochen in Jesus Christus.5
Es ist darum nicht nur eine ferne Zukunft,
sondern auch schon Gegenwart
dort, wo der Geist Jesu Christi wirkt.6
Dieser Geist befreit uns zur Liebe,
auf dass Liebe zwischen allen Menschen sei
und allen Kreaturen.

Dein Reich, Vater, können wir nicht bauen.
Darum bitte ich darum, dass es zu uns komme:
auf dass wir aufhören, einander das Leben zu rauben,
auf dass wir nicht mehr zerstören, was du geschaffen,
auf dass wir deinen Namen nicht entheiligen,
sondern dir folgen mit unseren Gedanken und Taten.
Es komme die Liebe, in der niemand allein ist,
es komme die Freiheit der Unterdrückten und Unterdrücker,
es komme der Friede, in dem Feinde sich umarmen,
es komme die Gerechtigkeit für Benachteiligte und Bevorzugte,
es komme die Wahrheit, die Lüge und Täuschung beendet,
es komme die Hoffnung, in der niemand resignieren muss,
es komme der Glaube, der von dir alles erwartet,
es komme die Kraft, die im Leid bestehen kann,
es komme dein Reich, Vater, in dem nichts dir mehr widersteht
und alles sich zum Guten wandelt.7
Im Namen Jesu Christi,
mit dem dein Reich auf Erden angebrochen ist,
bitten wir dich:
Dein Reich komme!

Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden

Dein Wille, Vater, nicht mein Wille geschehe
und sei das Maß aller Dinge.
Dein Wille, nicht meiner
bringe der Welt Frieden und Heil,
wie sie schon im Himmel herrschen
und auf Erden überall dort, wo du regierst.
Denn dein Wille setzt sich durch, wo du es willst
und wo Menschen ihn zur Geltung kommen lassen.

Darum sei mir gnädig:
Hilf mir, mich selbst zurückzunehmen,
lass mich nicht Recht haben wollen dir gegenüber,
bewahre mich vor der Verblendung, Gott sein zu wollen.
Schenke den Mächtigen,
den Meinungsmachern,
den Prominenten, auf die Menschen hören –
schenke ihnen ein Gefühl für deinen Willen,
schenke ihnen deinen Geist, der sie antreiben kann,
auch wenn sie deiner nicht gedenken.
Und schenke den Ohnmächtigen die Kraft,
aus ihrer Ohnmacht aufzuwachen
und sich der Missachtung deines Willens zu widersetzen,
des Willens zu Wahrheit, Gerechtigkeit und Friede.
Mit der ganzen Christenheit auf Erden bitten wir:
Dein Wille geschehe!

Unser tägliches Brot gib uns heute

Vater im Himmel, du stehst an erster Stelle.
Zuerst haben wir deiner gedacht:
deines Namens, deines Reiches, deines Willens.
Nun dürfen wir auch unser gedenken.

Das erste, dessen wir bedürfen, ist die tägliche Nahrung.
Wir kaufen sie aus vollen Regalen,
sie steht uns wie selbstverständlich zur Verfügung,
wir kennen keinen Hunger.
Und dennoch, Vater unseres Lebens,
bist du es, der uns speist.8
Es ist deine Gnade, dass wir leben dürfen
und dass du uns alles zum Leben gibst.
Darum bitten wir:
Lass uns erkennen, wie sehr wir von dir abhängen.
Hilf uns, dankbar zu sein für das scheinbar Selbstverständliche.
Gib uns jeden Tag aufs Neue, was wir zum Leben brauchen:
Nahrung für Körper und Seele,
Gesundheit und Zufriedenheit,
Kraft in Krankheit und Verzweiflung,
gute Beziehungen, in denen wir Halt finden,
und Hoffnung für die Zukunft.
Vater, gib uns auch das Lebensbrot,
das dein Sohn Jesus Christus ist:9
seine unendliche Liebe,
die uns von aller Schuld frei macht
und uns ewiges Leben verheißt.
Darum bewahre uns davor,
unser Glück im Nichtigen zu suchen
und Steine für Brot zu halten.
Lass uns die Hände auftun
und von dir das Leben empfangen
jeden Tag aufs Neue.

Wir denken nicht nur an uns selbst,
sondern auch an diejenigen,
denen es am Nötigsten mangelt.
Darum bitten wir nicht um mein tägliches Brot,
sondern um unseres.
Gib den Hungernden in der Welt,
und lass uns ihnen abgeben von unserem Überfluss.
Gib den Verzweifelten,
und lass uns für sie offene Ohren haben.
Gib den Einsamen und Kranken,
und lass uns an ihrer Seite sein.
Gib den Resignierten,
und lass uns zu Mutmachern werden,
weil dir alle Dinge möglich sind.10
So lass uns leben durch das, was du uns gibst,
und weitergeben von dem, was du uns anvertraut hast.11

Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Wir sind nicht die Guten, für die wir uns meist halten.
Wir können uns nicht entschuldigen, wie wir es oft tun.
Wir können uns nicht reinwaschen mit unseren Ausreden.
Wir sind schuldig vor dir, Vater, und vor unseren Mitmenschen.
Darum bitten wir:
Vergib uns unsere Schuld;
sie tut uns herzlich leid.
Ich bereue, dass ich dich, gütiger Vater, verletzt habe,
dass ich nicht nach deinem Willen gefragt
und dadurch deinen Namen entheiligt habe.
Ich bereue, dass ich meinen Nächsten Leid zugefügt
und die fernen Nächsten ignoriert habe
um meines eigenen Vorteils willen.
Ich bereue, dass ich nicht der war,
den du, Schöpfergott, aus mir machen wolltest.
Darum bitte ich dich:
Nagele mich nicht fest auf meine Verfehlungen,
der du selbst dich hast festnageln lassen
in deinem Sohn Jesus Christus am Kreuz.
Mach einen neuen Anfang mit mir,
der du auch einen neuen Anfang gemacht hast
mit deinem Sohn Jesus Christus,
dem von den Toten Auferweckten.
Gib mir die Kraft, ein neues Leben zu führen,
ein Leben nach deinem heiligen Willen.

Doch ich bitte nicht nur um Vergebung für meine Schuld,
sondern auch für die Schuld der anderen.
Unermesslich ist der Schmerz, den wir Menschen einander zufügen
und womit wir in tiefe Schuld fallen.
Unbeschreiblich und skandalös ist die Ignoranz,
die wir deinem Willen entgegenbringen.
Unbegreiflich ist die Gnade,
mit der du uns all das vergeben willst.
Darum bitten wir:
Lass uns nicht die Folgen unseres Tuns tragen müssen.
Bewahre uns vor dem Unheil, das wir selbst in die Welt bringen.
Vergib in deiner unendlichen Gnade
denen, die dich anrufen,
und auch denen, die dich nicht anrufen.

Ich habe oft nicht vergeben denen, die an mir schuldig wurden.
Ich bin aus der Haut gefahren,
habe mein Recht eingefordert
und gerade so Unrecht getan.
Ich wollte Gerechtigkeit
und habe die Liebe versäumt.
Dabei sollte es doch anders sein:
Ich sollte vergeben, so wie du, Vater, vergibst.
Weil wir auch darin fehlgehen, bitte ich dich:
Vergib uns, dass wir unseren Schuldnern nicht vergeben haben,
und hilf uns, es wie selbstverständlich zu tun.
Hilf uns, ihnen zu vergeben, weil du uns vergibst.
Lass uns die Vergebung leben,
die uns leben lässt.
Lass uns vergeben denen, die uns Leid zufügten,
die unsere Tränen fließen ließen,
die unser Leben schwer machten,
die uns feindlich gesonnen waren und sind.
Lass uns ihnen allen vergeben,
auf dass wir Frieden bringen und beten können:
Vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung

Vater, bewahre uns vor Versuchungen,
denn wir sind schwach.
Alles kann uns zur Versuchung werden,
gerade auch die Besten deiner Gaben.
Denn wir missbrauchen sie,
weil wir nie genug kriegen können,
weil deine Gaben uns nicht ausreichen,
weil wir bezweifeln, dass du uns alles gibst, was wir brauchen.
Wir wollen immer mehr
und geben so der Versuchung nach.
Wenn wir Brot haben, wollen wir Fleisch;
wenn wir Geld haben, wollen wir Gold;
wenn wir zwei Zimmer haben, wollen wir ein Haus.
Haben wir Erfolg, wollen wir Ansehen,
haben wir Ansehen, wollen wir Macht,
haben wir Macht, wollen wir über alles bestimmen.
Sind wir gesund, wollen wir stärker sein als andere,
sind wir begabt, wollen wir andere übertreffen,
sind wir ein Mensch, wollen wir Gott sein.
Vater, erbarme dich über uns.
Hilf uns, dass wir uns genügen lassen an deinen Gaben12
und dass sie uns nicht zur Versuchung werden.
Wir sind schwach,
darum führe uns nicht in Versuchung.

Sondern erlöse uns von dem Bösen

Das Böse verheißt uns Freiheit,
und weil wir nach Freiheit streben,
suchen wir sie dort,
wo sie sich uns anbietet: im Bösen.
Um frei zu konsumieren, was das Herz begehrt,
halten wir uns Sklavinnen und Sklaven.
Um unsern Reichtum nach Belieben zu genießen,
übersehen wir die Kinder, die für uns arbeiten,
und die Armen, die von uns für einen Hungerlohn schuften.
Um die Freiheit des Reisens zu erleben,
schädigen wir deine Schöpfung.
Um unsern freien Lebensstil zu verteidigen,
töten wir unsere Schwestern und Brüder,
deine geliebten Kinder,
die du liebst wie uns, Vater,
auch die, die dich wie wir als Vater anrufen.
Wir merken gar nicht,
dass das, was wir Freiheit nennen, keine Freiheit ist,
sondern unser Versklavtsein an das Böse,
unser Gefangensein in der Selbstsucht.
Die wahre Freiheit gibt es nur
in der Loslösung vom Bösen
und in der Bindung an dich, unseren Vater.
Es ist die Freiheit, bei dir schon alles zu besitzen,
bevor wir unser Herz dem Konsum geschenkt haben,
die Freiheit, aus deinen Händen unser Glück zu empfangen,
bevor wir Geld angehäuft haben,
die Freiheit, in jeder kleinen Kreatur deine Güte zu sehen,
bevor wir in die große weite Welt gereist sind,
und die Freiheit, im Vertrauen zu dir Leid und Tod zu ertragen,
bevor wir Leid und Tod über andere gebracht haben.
Vater, schenk uns diese Freiheit
und befreie uns aus der Bindung an das Böse.

Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit

Unser Vater im Himmel,
der du den Himmel auf die Erde bringst
in deinem Sohn Jesus Christus
und in deinem heiligen Geist:
Du allein richtest dein Reich auf Erden auf,
du allein gibst die Kraft, die vom Bösen befreit,
du allein kannst uns herrlich machen schon jetzt
und du allein schenkst uns Vollkommenheit im ewigen Leben.
Darum loben und preisen wir dich,
darum rufen wir dich an
und darum erwarten wir von dir die Fülle des Guten
in Zeit und Ewigkeit.

Amen

Ja, so ist es.
Daran machen wir uns fest,
daran binden wir uns.
Denn das ist die Wahrheit, von der wir leben.


* * * * *


Bibelstellen:
1   Markus 1,11
2   Jesaja 49,15; 66,13
3   Hosea 11,9
4   3. Mose/Leviticus 22,32
5   Markus 1,15; Lukus 17,21
6   Römer 14,17
7   Römer 8,28
8   Psalm 104,27f
9   Johannes 6,35.51
10 Markus 10,27
11 Lukas 19,11-27
12 2. Korinther 12,9a

Foto: Yerson Retamal auf Pixabay.




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