Jeder Tag kann Pfingsten sein
Klaus Straßburg | 23/05/2021
Weil es mir mit dem Glauben ernst ist, möchte ich gern einen starken, festen Glauben haben, eine unzerstörbare Hoffnung und in mir eine unwiderstehliche Liebe.
Menschen, die nicht so religiös sind, würden es vielleicht anders ausdrücken: Sie suchen einen Halt im Leben, eine Orientierung, einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft und ein gutes, liebevolles Miteinander.
Wie auch immer wir es ausdrücken: Wir können ohne all dies nicht leben. Darum bemühen wir uns darum, einen Halt zu finden, uns gute Voraussetzungen für die Zukunft zu schaffen und mit unseren Mitmenschen zurechtzukommen.
Aber unser Bemühen scheitert. Der Halt löst sich auf, die Zukunft ist trotz aller Planungen ungewiss, und das Miteinander wird immer wieder harten Prüfungen unterzogen.
Als Glaubender kann ich es so ausdrücken: Mein Gottvertrauen ist keinesfalls so stark, wie ich es mir wünsche. Mein Blick in die Zukunft ist eher pessimistisch als zuversichtlich. Und an der Liebe scheitere ich sowieso.
Hier kommt nun die froh machende Botschaft des Pfingstfestes ins Spiel: Ich muss für all das nicht sorgen, weil Gottes Geist dafür sorgt.
Oder, unreligiös gesprochen: Ich muss mich um den Halt, die Zuversicht und die Liebe nicht bemühen, weil Gott, die gute Macht des Lebens, mich damit erfüllen will.
Was ich selbst tun muss, ist dann nur noch: das zulassen, was Gott in mir wirkt. Das tun, was in mir ist.
Das ist die Botschaft von Pfingsten: Du musst nicht zum Glauben kommen, weil der Glaube zu dir kommt. Du musst nicht krampfhaft an der Hoffnung festhalten, weil die Hoffnung dich festhält. Du musst nicht um Liebe kämpfen, weil die Liebe um dich kämpft.
Mit einem Wort: Weil Gott dies alles in dir bewirken will, musst du es nicht selber bewirken.
Du hast schon etwas davon in dir. Ohne wenigstens einen Hauch davon könntest du gar nicht leben. Und wenn es viel zu wenig ist, so warte darauf, dass es stärker in dir wird. Warte darauf, dass es Wirklichkeit wird. Die Stunde wird kommen. Für jeden Menschen wird es Pfingsten – wenn er sich auf Gottes Wirken einlässt.
Ich möchte so gern, dass jeden Tag für mich Pfingsten ist. Und es geschieht – mal mehr, mal weniger. Es gibt auch Tage, an denen merke ich gar nichts von jenem Geist des Lebens, der Freude und Zuversicht. Dann weiß ich: Ich habe es nicht in der Hand. Es ist eine tägliche Gabe, ein Geschenk. Gott muss mich nicht beschenken. Er kann sich mir auch entziehen.
Aber, ehrlich gesagt, meistens ist es umgekehrt: Nicht Gott entzieht sich mir, sondern ich entziehe mich ihm! Ich lasse seinen Geist nicht zum Zuge kommen, ich lasse das nicht raus, womit er mich erfüllt hat.
Ich muss das akzeptieren. Inzwischen weiß ich: Gott verzeiht mir das. Er verlässt mich nicht auf Dauer. Es wird wieder anders werden. Morgen schon kann der gute Geist wieder in mir sein. Dann ist wieder Pfingsten geworden.
Denn jeder Tag kann Pfingsten sein – so Gott es will und wir ihn lassen.
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