Ist es Glück oder Unglück?
Klaus Straßburg | 17/11/2022
Joggen fand ich eigentlich immer langweilig. 30 Minuten irgendwo vor mich hin rennen und mich dabei auch noch anstrengen – nee, muss ich nicht haben.
Aber vor einigen Jahren hatte ich ein starkes Bedürfnis, mich mehr zu bewegen. Also überlegte ich:
- Sportverein? – Ach nee, immer feste Zeiten, womöglich Verpflichtungen und dann vielleicht auch noch Vereinsklüngel ...
- Heimtrainer? – Das hatte ich schon mal Jahre zuvor probiert. Aber in ein und demselben Raum auf der Stelle treten, dabei immer in dieselbe Richtung gucken und keine frische Luft atmen – nein, wollte ich nicht mehr.
- Joggen? – Ist doch langweilig. Aber immerhin bin ich dabei unabhängig. Also, ich kann es ja mal probieren. Der Wald ist nicht weit, also mache ich mal einen Versuch.
Kurz gesagt: Der Versuch schlug voll ein. Keine Spur von Langeweile, stattdessen Waldwege, Vogelgezwitscher, frische Luft und keine festen Termine, an die ich mich halten musste. Ich konnte joggen, wann und wo ich wollte.
1. Faszination Joggen
Wildschweine sind mir beim Joggen zum Glück noch nicht begegnet, dafür hin und wieder ein Reh. Eine Begegnung werde ich nicht vergessen: Ich laufe meine gewohnte Strecke durch den Wald. Auf einem kleinen zugewachsenen Pfad, der links ab führte, stand plötzlich vielleicht drei Meter entfernt ein Reh und guckte mich mit seinen großen Augen an. Ich lief ungefähr zwei Meter am Pfad vorbei, machte dann kehrt und schaute nach dem Reh: Es stand immer noch da. Ich machte wieder kehrt, das Reh guckte immer noch. Und so weiter ein paar Mal. Das Reh guckte sehr interessiert und hat sich wohl gefragt, was der komische Typ da macht, der immer wieder vor und zurück läuft und dabei gar nicht voran kommt.
Also, beim Joggen kann man was erleben. Zum Beispiel stehen da plötzlich zwei im mittelalterlichen Ritterkostüm, die miteinander fechten, und ein dritter filmt sie. Das sei später im Internet zu sehen. Ich hab es aber nie gefunden. Oder ein starker Mann, der kaum seinen Schäferhund halten kann, so sehr zieht der an seiner Leine, knurrt und bellt mich an. Sehr unangenehm. Ich hatte die Hand am Pfefferspray.
Seit dem ersten Versuch jogge ich also regelmäßig. Ich kann es nur empfehlen: Es ist super für die Stimmung, außerdem natürlich gesund. Wenn ich irgendwie durchhänge und zu nichts mehr Bock habe, jogge ich eine Runde und fühle mich danach wieder topfit und tatkräftig.
Nein, ich mache jetzt hier keinen Lifestyle-Blog. Keine Werbung für körperliche und seelische Gesundheitsvorsorge. Es geht immer noch um theologische Einsichten für ein gutes Leben. Bitte gedulde dich etwas, die christlichen Einsichten kommen noch.
Ich habe also einen festen Jogging-Weg, ein schöner Weg ohne große Steigungen. Er hat nur einen einzigen Nachteil: Wenn es viel geregnet hat, steht an manchen Stellen so viel Wasser und es bildet sich so viel Schlamm, dass man nicht mehr durchkommt. Aber das passiert zum Glück nicht so häufig.
2. Das Ende meines Weges
Doch dann kam das Fichtensterben. Auch an meinem Jogging-Weg. Und nach dem Fichtensterben kamen die Baumfällbagger. Die machten alles platt. Einschließlich meinen Jogging-Weg.
Der Weg war nun kein Weg mehr, sondern eine aufgewühlte Schlammwüste. Ich war richtig sauer. "Die rauben mir meinen Jogging-Weg!" dachte ich. "Was fällt denen ein?" Ich hatte keine Ahnung, ob der Weg jemals wieder hergerichtet wird. „Diese Forstwirtschaft macht auch alles kaputt!" zeterte ich. Ich rechnete nicht unbedingt damit, dass der Weg jemals wieder begehbar sein würde. Also musste ich mir einen anderen Weg suchen.
Der neue Weg enthielt mehrere Steigungen, was nicht so vorteilhaft ist. Landschaftlich war er fast noch schöner als der alte. Aber ich laufe lieber in der Ebene als ständig bergauf und bergab.
Lange Zeit passierte nichts. Ich hatte mich mit meinem neuen Weg arrangiert. Der alte blieb verwüstet.
Eines Tages geschah Folgendes: Ich hörte ein merkwürdiges Motorengeräusch – ein Trecker oder Ähnliches. Mitten im Wald. Der Motor lief und lief. Was war da los? Ich schwankte zwischen Hoffen und Bangen ...
Also machte ich mich auf, kämpfte mich durchs Unterholz, bis ich einen Blick auf den Weg und die Maschine hatte. Da bewegte sich ein Fahrzeug hin und her. Ich schaute eine Weile zu, bis ich ziemlich sicher war: Es sah so aus, als ob der Weg tatsächlich wieder hergerichtet würde.
Danke, dass du bis hierhin dabei geblieben bist. Wenn du immer noch auf die christlichen Gedanken wartest, kann ich dir sagen: Es dauert nicht mehr lange.
3. Die Neuentstehung meines Weges
Jedenfalls nahm ich beim nächsten Joggen meinen alten Weg in Augenschein. Und tatsächlich: Er war richtig schön planiert. Man konnte ihn wieder begehen und natürlich auch auf ihm joggen. Halleluja!
Der Weg sah nun etwas anders aus als zuvor. Er war ziemlich breit geworden – fast eine Straße. Und der Untergrund war plattgewalzt. Gar nicht mehr so wie ein schöner Waldweg. Aber ich hatte meinen Weg ohne Steigungen zurück.
Und der Weg veränderte sich: Die Natur eroberte sich erstaunlich schnell die Ränder zurück. Bald sah der Weg nicht mehr nach einer Straße aus, sondern wieder mehr nach einem Waldweg. Und diese Entwicklung schreitet bis heute fort. Eigentlich fühle ich mich schon wieder wie auf meinem "alten" Weg.
Und der neue alte Weg unterscheidet sich noch in einer wichtigen Sache vom alten: Auch nach viel Regen sammelt sich dort kein Wasser mehr! Der Weg ist jetzt so eben und der Untergrund so fest, dass das Wasser offensichtlich keine Pfützen und keinen Schlamm mehr bildet, sondern abläuft.
Hey, was für eine grandiose Entwicklung!
- Erstens: Mein Weg ist jetzt genau so schön wie vorher.
- Zweitens: Der Weg ist auch nach viel Regen noch begehbar.
- Drittens: Ich habe nun noch einen zweiten Weg, der auch seine Reize hat und den ich zur Abwechslung auch manchmal laufe.
4. Vermutungen über Glück und Unglück
Und damit bin ich nun endlich bei meinen christlichen Gedanken angekommen. Danke, dass du so lange ausgehalten hast.
Denn jedes Mal, wenn ich jetzt meinen neuen alten Weg laufe, muss ich daran denken, dass es schon oft in meinem Leben solche Erlebnisse gab: Etwas sah nach ziemlich viel Ungemach aus, ich fühlte mich um mein Glück betrogen und haderte manchmal auch mit Gott: "Warum das nun auch noch? War das wirklich nötig, Gott? Konntest du das nicht irgendwie anders lösen? Wie soll es denn jetzt weitergehen?"
Da ging es natürlich um wichtigere Dinge als um einen Jogging-Weg. Ich habe mich also ziemlich geärgert und aufgeregt, Gott Vorwürfe gemacht und ihn sozusagen auf die Anklagebank gesetzt. Ein liebevoller Gott müsste mich doch eigentlich vor so einem Unglück bewahren.
Später, vielleicht erst viele Jahre später, hat sich alles aber als gar nicht so schlimm herausgestellt, wie ich angenommen hatte. Oder das, was ich für ein Unglück gehalten hatte, hatte sogar einen sehr positiven Effekt. Ich musste also einsehen, dass ich mich ganz umsonst geärgert und aufgeregt hatte. Und es stellte sich heraus, dass es ziemlich peinlich war, Gott Vorwürfe gemacht zu haben.
Das Problem besteht darin, dass ich immer zu wissen meine, wie etwas laufen muss, damit es gut für mich ist. Ich habe eine feste Vorstellung davon, wie mein Leben aussehen sollte: was mich glücklich oder unglücklich macht.
Leider kann ich aber nicht in die Zukunft sehen. Ich habe keine Glaskugel. Und hätte ich eine, würde das auch nichts bringen.
Weil ich nicht in die Zukunft blicken kann, vermute ich nur, dass bestimmte Ereignisse gut für mich sind und andere schlecht. Manchmal liege ich damit ja auch richtig. Aber ich kann damit auch komplett falsch liegen. Darum sind es letztlich nur Vermutungen, die ich anstelle. Ich tue aber so, als seien es keine Vermutungen, sondern Sicherheiten. Ich bilde mir ein, ganz genau zu wissen, dass bestimmte Ereignisse ein Unglück für mich sind – und andere nur Glück für mich bedeuten.
Es ist ja im Prinzip gut, dass wir solche Vermutungen anstellen können. So können wir vorausschauend leben und, soweit es uns möglich ist, Vorsorge treffen. Aber wir müssen uns bewusst bleiben, dass es nur Vermutungen sind und dass es keine Sicherheit gibt.
Denn es kann auch ganz anders kommen, als wir vermutet haben. Das, was mir als Unglück erscheint, kann ein großes Glück für mich sein, und ein vermeintliches Glück kann sich in Zukunft als großes Unglück entpuppen.
Ich sollte also nicht so schnell ein Ereignis, das mir quer geht, als Unglück ansehen. Und ebenso kann es gefährlich sein, mich an ein Ereignis zu klammern, das mir als großes Glück erscheint – als ob ich ohne dieses Ereignis höchst unglücklich sein würde.
Ich muss mir einfach eingestehen: Ich kann nicht in die Zukunft blicken. Ich habe nicht den Überblick. Ich kenne aber einen, der den Überblick hat. Und dem sollte ich mein Leben anvertrauen – und dabei davon ausgehen, dass er es immer gut mit mir meint und letztlich alles zum Guten wenden wird (Röm 8,28).
5. Der weise Bauer
Es gibt eine Geschichte, die das besser beschreibt als viele Worte. Ich habe mal gelesen, diese Geschichte stamme aus dem alten China. Jedenfalls spielt sie in einem Land und zu einer Zeit, als der Broterwerb für die meisten Menschen noch ein täglicher Kampf war. Die Geschichte geht so*:
Ein Bauer hatte sehr mageres Land zu beackern, nur einen Sohn, der ihm half, und nur ein Pferd zum Pflügen. Eines Tages lief ihm das Pferd davon. Alle Nachbarn kommen und bedauerten den Bauern ob seines Unglückes. Der Bauer blieb ruhig und sagte: "Woher wisst ihr, dass es Unglück ist?"
In der nächsten Woche kam das Pferd zurück und brachte zehn Wildpferde mit. Die Nachbarn kamen wieder und gratulierten ihm zu seinem Glück. Wieder blieb der Bauer ruhig und sagte: "Woher wisst ihr, dass es Glück ist?"
Eine Woche später ritt sein Sohn auf einem der wilden Pferde und brach sich ein Bein. Nun hatte der Bauer keinen Sohn mehr, der ihm helfen konnte. Die Nachbarn kommen und bedauerten sein Unglück. Wieder blieb er ruhig und sagte: "Woher wisst ihr, dass es Unglück ist?"
In der folgenden Woche brach ein Krieg aus, und Soldaten kamen ins Tal, um junge Männer mitzunehmen, mit Ausnahme des Bauernsohnes, der nicht mit musste, weil er sich ein Bein gebrochen hatte.
Die Weisheit des Bauern besteht darin, sich nicht zu überschätzen. Er weiß um die Begrenztheit seiner Erkenntnis. Er weiß darum, dass er gar nicht entscheiden kann, ob ein Ereignis wirklich Glück oder Unglück bedeutet.
Das Leid ist damit nicht von ihm genommen. Der Sohn, der nicht in den Krieg ziehen musste, steht ihm dennoch bei seiner täglichen Arbeit nicht zur Verfügung, solange das gebrochene Bein nicht verheilt ist. Und man weiß nicht, ob er jemals wieder so gut wird anpacken können wie zuvor.
6. Weder Opfer noch Herrscher
Es geht also nicht darum, ein Ereignis und das Leid, das es auslöst, zu verharmlosen. Aber es geht darum, einerseits die Hoffnung nicht zu verlieren und andererseits sich nicht zu sicher zu fühlen. Das Leben ist immer für Überraschungen gut, Überraschungen positiver und negativer Art – aber immer solche, die wir nicht ahnen.
Aus christlicher Sicht würde ich hinzufügen: Wir haben keinen Grund, die Hoffnung aufzugeben, uns als Opfer zu fühlen und unser Herz der Verzweiflung hinzugeben. Denn im Vertrauen zu dem Gott, der denen, die sich ihm hingeben, alles zum Guten wenden wird, müssen wir in keinem Unglück endgültig verzagen – auch dann nicht, wenn es großes Leid mit sich bringt.
Ich weiß, wie schwer das ist. Und ich weiß, dass wir Gottes Wege oft nicht verstehen werden. Aber ebenso bin ich gewiss, dass Gott es gut mit uns meint. Er wird uns weder über unsere Kraft leiden lassen noch für immer im Sinnlosen verloren gehen lassen (1Kor 10,13; Lk 15,24). Oftmals sehen wir keinen Sinn in dem, was uns widerfährt. Aber wir können darauf vertrauen, dass Gott auch das Sinnlose zu einem Sinnvollen machen kann; und dass er uns durch das Sinnlose hindurch zum großen Ziel führen wird.
Deshalb gibt es keinen Grund, uns Gefühlen der Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit hinzugeben. Es gibt aber auch keinen Grund, unser Glück von positiven Ereignissen abhängig zu machen. Wenn es gut läuft, dürfen wir uns von Herzen freuen und dankbar sein. Aber wir sollten uns unserer Sache niemals zu sicher sein. Denn wir sind nicht die Herren der Welt, die das Weltgeschehen beherrschen. Ein anderer ist der Herr, und wir wissen nicht, welchen Plan er mit uns verfolgt. Es wird nicht immer gut laufen. Auf Freude wird wieder Leid folgen – daran kommen wir nicht vorbei.
Aber im Glauben können wir gewiss sein, dass wir auch im Leid nicht aus Gottes Hand gefallen sind, sondern dass seine Hand uns liebevoll festhält. Diese Hand wird uns durch alles Leid hindurch dem für uns bestimmten Ziel entgegentragen: einem Leben ohne Tränen und Tod, ohne Leid, Geschrei und Schmerz (Offb 21,4).
* * * * *
* Zitiert aus: Willi Hoffsümmer (Hg.): Kurzgeschichten Band 3. 244 Kurzgeschichten für Gottesdienst, Schule und Gruppe.
Matthias-Günewald Verlag, 3. Aufl. Mainz 1988. S. 118. Die Orthographie wurde der neuen deutschen Rechtschreibung
angepasst.
Foto: Anja auf Pixabay (Ausschnitt).
herzlichen Dank, dass Du diesen Gedanken mit uns geteilt hast.
Mit dem Enden von Wegen habe ich auch viele Erfahrungen sammeln "müssen".
Um so schöner, wenn Du in "Tiefe solcher Erfahrungen" eine Hoffnung formulieren kannst, die ich mit Dir teile.
" ... müssen wir inkeinem Unglück endgültig verzagen - auch dann nicht, wenn es großes Leid mit sich bringt. "
Danke, für dieses Fazit, in dem sich viel von meinem persönlichen "Gottvertrauen" und meiner "Ewigkeitshoffung" wiederfindet.
Danke für Deinen Podcast, der immer wieder in die Situationen meines persönlichen Lebens spricht.
Danke für diese Form der "Seel-Sorge" ...
Ganz herzliche Grüße
Thomas
Alles hat immer mindestens zwei Seiten. Positives wie Negatives bedingen einander in endlichen Strukturen. Mal offenbart sich für einen die eine Seite, mal die andere Seite im Strom der Zeit und Umstände einer Entwicklung. Zudem ist in Gottes beschränkten Systemen ist immer alles Positiv wie Negativ, aber immer konstruktiv, auch wenn es einem mal das erste Leben kosten mag. Vergängliches gilt es immer loszulassen, damit wir Unvergängliches ergreifen können. Naja, Glück und Unglück. Die Vor- und Nachteile wechseln ständig hin und her, warum sich den emotionellen Wellen hingeben?! Vielleicht weil sich die Gier gerne mit Freude verbindet und man sich den Leiden ungern stellt. Und wozu führt uns dies ... zum Punkt: Will ich lernen? Lernen mich weiterzuentwickeln? Die neue Persönlichkeit der göttlichen Natur zu fördern? Warum so menschlich denken, wenn wir ohnehin die Kleider bald wechseln werden? Ist es nicht schöner den göttlichen Frieden und Seine Gelassenheit sich zu eigen zu machen? ... Leider werden manche der Schule des Lebens sogar verwiesen, andere bleiben sitzen und wiederholen, andere wechseln in die nächste Klasse, andere auf eine neue weiterführende Schule. Vielleicht sollte man den Begriff der Schule durch Welt ja Leben ersetzen, damit die Tragweiter erfassbarer wird.
Wir haben es selbst in der Hand, ob wir lernen wollen und das hat nichts mit Glück und Unglück zu tun, sondern mit selbstloser Dankbarkeit und mitfühlender Barmherzigkeit und das in beide Seiten - insbesondere in diesem ersten Stadium in menschlichen Körpern auf dieser Erde.
es freut mich sehr, dass du von meinen Beiträgen profitierst und es macht mir Mut, auf diesem Wege weiterzugehen.
Viele Grüße
Klaus
danke für deine gedankenreichen Ergänzungen. Ich finde auch, dass wir nie aufhören dürfen, das Loslassen zu lernen, die Gelassenheit, den Frieden und in alldem auch - das Leiden.
kann eine Gebetserhörung auch als Unglück empfunden werden?
das ist eine gute Frage. Ich würde antworten: Eine Gebetserhörung kann uns als Unglück erscheinen, wenn das Gebet so ganz anders erhört wird, als wir es uns vorgestellt haben. In Wahrheit aber kann es kein Unglück sein, weil schon ein menschlicher Vater seinem Sohn, der ihn um Brot bittet, keinen Stein geben wird; noch vielmehr wird Gott denen, die ihn bitten, nichts Schlechtes, sondern Gutes geben (Mt 7,9-11).
Wir können also eine Gebetserhörung als Unglück empfinden. Sie kann auch wirklich ins Leid führen, also, rein menschlich betrachtet, ein Unglück sein, ja, uns unglücklich machen. Dann sollten wir aber versuchen, uns klarzumachen, dass hinter dem, was wir als Unglück empfinden und worunter wir leiden, Gottes Geschenk des Glücks liegt. Auch dem "Unglück" gibt uns Gott ja nicht hin, um uns zu quälen, sondern um uns unserem Glück und Heil näher zu bringen. Daran festzuhalten ist sicher in schwerem Leid nicht leicht und wird uns wohl nicht immer gelingen. Aber es hilft, nicht in Verzweiflung zu verfallen, sondern auch gegen den Augenschein an dem Vater, der für uns sorgt, festzuhalten.
Letztlich zählen nicht unsere Empfindungen, sondern das Vertrauen auf den, der uns - spätestens im neuen Leben - Glück und Heil verheißen hat. Um diesen Glauben können wir bitten. Möge Gottes Geist ihn in uns wirken.
und wie ordnest du die Aspekte in Verbindung mit Hiob ein?
wenn du die Aspekte "Glück" und "Unglück" meinst: Die Hiob-Geschichte erzählt uns nicht, warum Gott dem Drängen des "Satans" nachgibt und Hiob so viel leiden lässt. Das entspricht unserer menschlichen Erfahrung, dass wird den Grund unseres oder auch fremden Leidens oft nicht kennen.
Dennoch gehe ich davon aus, dass Gott keine Freude daran hat, Hiob (und uns) ins Unglück zu stürzen. Das kann man auch daraus schließen, dass Hiob ja durch sein Leid Gott näher gekommen ist als je zuvor ("Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört; nun aber hat dich mein Auge gesehen", Hi 42,5) und dass er am Ende mehr Güter von Gott erhält, als er zuvor verloren hatte (Hi 42,10ff). Ich will nicht sagen, dass das eine Erklärung für Hiobs Leiden wäre. Aber zumindest wird man sagen können: Es bleibt nicht bei seinem Unglück, sondern am Ende steht Hiobs Glück.
Vielleicht kann man es so ausdrücken: Das Leiden selbst war für Hiob ein Unglück. Aber durch das Unglück hindurch hat Gott ihn ins Glück geführt. Das Glück, das wir erfahren, muss allerdings nicht immer ein irdisches Glück sein. Es kann sich auch erst im ewigen Leben als himmlisches Glück einstellen. Aber wenn wir die Hoffnung auf diese himmlische Glückseligkeit haben, wird uns auch die Bewältigung irdischen Unglücks wahrscheinlich leichter fallen.