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Hilft Beten? Oder spricht man beim Gebet nur mit sich selbst?

Christsein verstehen
Veröffentlicht von in Glaubenspraxis · 6 März 2021
Tags: GottesbildBeten

Hilft Beten? Oder spricht man beim Gebet nur mit sich selbst?
Ein Gastartikel von god.fish | 06/03/2021

Kürzlich hatte ich eine kurze Diskussion mit einer Theologin. Sie sieht es so, dass Gebet nicht hilft, zumindest nicht in dem Sinne, dass Gott dann auch tatsächlich eingreift. Sie begründete das kurz so, dass es ja ungerecht sei, wenn Gott bei den einen Menschen eingreife, bei den anderen Menschen nicht. Eine Gerechtigkeitslücke gewissermaßen. Wegen dieser Gerechtigkeitslücke könne es also nicht sein, dass Gebet helfe.

Aber ist dies eine biblische Sicht?

Wenn man davon ausgehen möchte, dass Gebet nichts weiter als eine psychologische Selbstreflexion sei, könnte man es auch gleich bleiben lassen. Besser wäre man dann bedient, einfach zu meditieren.

Warum? Weil dem Gebet eine Bitte innewohnt und man sich durch Bitten abhängig macht. Durch Meditation hingegen konzentriert man sich auf sich selbst und versucht, sich zu entspannen. In dieser Hinsicht wäre Meditation also wohl die bessere Wahl.

Aber ist Gebet denn nur eine psychologische Selbstreflexion?

In der Bibel wird Jesus so wiedergegeben, dass man beim Gebet nicht plappern soll, sondern in ein stilles Kämmerlein gehen und Gott sein Anliegen vortragen soll. Gott wisse zwar ohnehin schon, was man braucht, Jesus hält es aber dennoch für wichtig, uns mitzuteilen, dass man diese Bitte trotzdem an Gott explizit richten und sie auch formulieren soll.

An anderer Stelle wird Jesus so wiedergegeben, dass er sagt: bittet, so wird euch gegeben.

Und dann formuliert Jesus auch ein exemplarisches Gebet, das man beten soll, das sogenannte Vaterunser:

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen, denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Amen.

Die dick markierten Worte machen deutlich, dass Jesus hier durchaus mit einem Eingreifen Gottes in unserer Welt rechnet.

Die eingangs zitierte Theologin hat ein deistisches Gottesbild, also die Vorstellung, dass Gott zwar alles geschaffen hat, sich dann aber aus der Welt komplett heraushalte. Ein deistisches Gottesbild ist allerdings keines, das mit dem der Bibel übereinstimmen würde.

Das biblische Gottesbild ist über Generationen von Theologen hinweg, die ihre theologische Essenz in den biblischen Texten hinterlassen haben, immer so, dass durchaus und ganz selbstverständlich mit einem möglichen, oft sogar einem wahrscheinlichen Eingreifen Gottes in unserer hiesigen Welt gerechnet werden kann und darf und muss.

Dies wird auch durch Jesus deutlich. Jesus, wahrer Mensch und wahrer Gott, wird im Christentum als der zentrale Angelpunkt gesehen, als der Punkt in der Geschichte, in welchem Gott auf ganz besondere Weise in unsere Welt hinein spricht und wirkt. Gott begibt sich in Jesus in unsere Welt hinein. Aber nicht nur hier. Auch die alttestamentarischen Propheten sind Sprachrohre Gottes, auch über sie greift Gott in das Geschehen unserer Welt ein.

Und dann schaue man an den Anfang der Genesis, wo ein Lied steht, das womöglich früher im Gottesdienst gesungen würde, der sogenannte Schöpfungsbericht. Aus dem Nichts erschafft Gott alles. Gott greift ein. Und dann geht es weiter mit den Geschichten von Moses und dem Volk Israel, das durch Gottes Wirken aus der ägyptischen Sklaverei befreit wird, ein zentrales Ereignis im Judentum, dessen man sich beim Passahfest immer wieder erinnert. Und so geht es weiter, durch die ganze Bibel hindurch.

Im Garten Gethsemane, kurz vor seiner Verhaftung, betet Jesus zu Gott. Am Kreuz betet Jesus völlig verzweifelt zu Gott: mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Aber Gott hat Jesus nicht verlassen. Gott lässt Jesus nicht im Tod. Was folgt, ist die Auferstehung Jesu. Gott greift ein.

Wer also glaubt, Gebet nutze nichts, kann das gerne glauben, er kann sich auch als (deistischer) Theologe bezeichnen, er steht allerdings damit nicht in der biblischen Tradition und orientiert sich in seiner Sicht auch nicht an der biblischen Theologie.

Deswegen bin ich der Meinung, Gebet hilft. Gebet kann einerseits zwar auch psychologische Selbstreflexion sein, es ist zuvörderst und zuallererst aber ein Gespräch mit Gott, ein Gespräch, das keine Einbahnstraße ist. Es ist ein Gespräch, das auch von Gott beantwortet werden kann.

Wir erhalten keinen Mercedes Benz, wie Janis Joplin in ihrem gleichnamigen Lied singt, wenn wir uns an Gott wenden. Aber Gott antwortet. Er antwortet so, wie es gut für uns ist. Nicht so, dass wir es gleich immer erkennen könnten, manchmal jedoch können wir es doch erkennen, denn seine Antwort ist zu deutlich. Aber Gott antwortet.

Das ist meine tiefe Überzeugung. Und das ist meiner Ansicht nach auch die Überzeugung, die in den biblischen Texten immer wieder hervorgehoben wird. Der Gott, der in unsere Welt hinein spricht und sich in Jesus Christus gezeigt und in unsere Welt hinein begeben hat, spricht eben selbstverständlich auch heute noch in unsere Welt hinein. Er ist kein deistischer Gott, der sich aus allem heraushält, sondern er ist ein Gott für die Menschen, der die Menschen so sehr liebte und liebt, dass er sich selbst ihnen anvertraute, in Jesus.

Übrigens, ich bin auch Theologe. Und in lutherischer Tradition nehme ich die Bibel als theologische Diskussionsgrundlage. Sola scriptura. Und das, was Jesus sagt. Solo Christo.



* * * * *





4 Kommentare
2021-03-07 12:41:54
Aber-Millionen von Gebeten wurden während der sehr langen Zeit in ägyptischer Sklaverei in den vielen Jahrzehnten wohl gesprochen, deren Erfüllung manch einer selbst nie erlebt hat und doch wurden sie erfüllt, aber so wie Gott für alles seine Pläne hat und das auf seine ganz eigene Weise, wenn sie sehr persönlicher Natur für ihn sind.
Dann gibt es die Gebetsbeantwortungen, die etwas weniger persönlicher Natur sind, weil sie Gott geregelter und methodischer beantwortet, wie der Wachstum der Blumen in der Wüste, sobald du Wasser ausgießt wächst es. Dein Beitrag ist von Bedeutung und der kann im Vertrauen liegen, in einer Verhaltensänderung, ... etc.
Ja es gibt Gebet, die Selbstgespräche sein können. Das gilt dann, wenn Gott sie nicht gefallen, dann hört er auch weg. Meistens dann, wenn unser Geist und Lebenswandel Gott beleidigend ist und ihn entehrt. Dann heiligen wir nämlich nicht seinen Namen.
god.fish
2021-03-08 10:08:22
Ich denke nicht, dass wir sagen könnten, warum Gott Gebete erhört oder nicht erhört. Das weiß vermutlich nur Gott. Ich würde aber denken, dass Gott generell Gebete erhört, aber auf eine Art und Weise, wie es aus Gottes Warte und aus seiner Sicht heraus angemessen und gut ist, will heißen: Gott kümmert sich um uns.

Dass Pflanzen zu Gott beten würden, um wachsen zu können, würde mir etwas zu weit gehen. Ich würde Gebet auf die Beziehung zwischen Mensch und Gott begrenzen.
2021-03-12 10:15:49
Das Pflanzen zu Gott beten ist mir auch unbekannt (was mit meinem obigen Vergleich ohnehin nicht gemeint ist), aber selbst wenn sie es täten, hätte ich auch damit kein Problem.

Gebete, die unaufrichtig sind, die heuchlerisch sind, aus einem unreinen Geist im Herzen eines Menschen kommen, werden nicht erhört. Die untreuen Israeliten und sogenannten wahren Propheten bzw. Weisen haben mit solch einem Geist etliche Erfahrungen mit oder besser ohne Gott gemacht, mit allen Konsequenzen. Daher ist es wichtig gemäß Gottes Willen zu bitten, also voller Hingabe an den Namen Jesu, Gottes Geist zu kennen.
god.fish
2021-03-12 13:15:38
Ja, ich würde auch vermuten, dass ein ernstgemeintes Gebet wahrscheinlich besser ist und vielleicht auch eher erhört werden könnte, als eines, das gar nicht so gemeint ist.
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