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Hauptsache gesund?

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Veröffentlicht von in Theologie verständlich · 8 Januar 2021
Tags: GesundheitVertrauenLebenTodGebote

Hauptsache gesund?
Klaus Straßburg | 08/01/2021

„Hauptsache gesund, Herr Pastor!" Diesen Satz habe ich unzählige Male gehört. Er war immer damit verbunden, dass man von mir selbstverständlich Zustimmung erwartete. Dabei hatte ich bei diesem Satz immer ein ungutes Gefühl in der Magengegend und fühlte mich irgendwie hilflos. Aber was kann man schon gegen den Satz sagen? Ist die Gesundheit nicht wirklich das Wichtigste, was wir haben? Dagegen kann doch der Pastor keine Einwände haben. Und mir fiel wirklich meist nichts anderes ein als zustimmend zu nicken.

Die Gesundheit ist ein Stück Leben. Wer nicht gesund ist, dem ist ein Teil seines Leben verloren gegangen. Darum galten in biblischer Zeit die Kranken schon dem Tode nahegerückt (Hi 33,21f; Ps 88,4-7). Der Tod ist eben die Einbuße von Leben. Wer krank ist, büßt ein Stück Leben ein und ist daher ein Stück weit vom Tod vereinnahmt.

Doch verstand schon das Alte Testament unter dem Leben mehr als intakte Körperfunktionen und seelisches Wohlbefinden. Das Leben, so glaubte man, war daran gebunden, dass der Mensch die lebensförderlichen Weisungen Gottes einhielt. Wich er von diesen Weisungen ab, dann untergrub er das Leben und beraubte die Seele ihrer Kraft (5Mo/Dtn 30,15-18). Wer hingegen der Fürsorge Gottes vertraute, die in seinen Weisungen zum Ausdruck kam, der konnte in Glück und Freude leben.

Weil es dieses Glück und diese Freude in der Welt nur in gebrochener Weise gibt, stellte sich langsam die Erwartung einer neuen Welt ein: ein Leben unter einem neuen Himmel und auf einer neuen Erde (Jes 65,17-25). Nach dem Neuen Testament ist dieses Leben in der vollendeten Gemeinschaft mit Gott die Gabe Gottes an alle, die ihr Heil auf die Liebe Christi gründen – eine Liebe, die in Christi Tod ihren Höhepunkt fand (Röm 6,23; Joh 3,16). Wer darauf vertraut, dass Christi Liebe zu ihm so groß ist, dass Christus lieber selbst den Tod auf sich nimmt als die ihn verachtenden Menschen in den Tod zu geben, der hat das ewige Leben in unzerstörbarer Gottesgemeinschaft ansatzweise schon jetzt (Joh 5,24; Röm 6,10f).

Das Leben ist also nach biblischem Verständnis viel mehr als die Gesundheit des Körpers und der Seele. Das Leben im eigentlichen Sinn ist die vertrauensvolle Beziehung zu Gott und Jesus Christus. Wer in dieser Vertrauensbeziehung lebt, der hat das wahre Leben.

„Hauptsache Vertrauen zu Gott und Christus!", so müsste der Satz eigentlich lauten. Aber dieser Sinn dessen, was Leben ausmacht, ist hinter der Wichtigkeit von Gesundheit ziemlich verloren gegangen.

Körperliches und seelisches Wohlbefinden gehören gewiss zu den höchsten Gütern und sind Geschenke Gottes. Und jeder, der sich relativ guter Gesundheit erfreut, kann leicht sagen, die Gesundheit sei nicht das Wichtigste. Doch haben schon viele Kranke gerade in ihrer Krankheit empfunden, welche Kraft und Freude von ihrem Glauben ausgeht.

Jesus sagte zu manchen, die er gesund gemacht hat: „Dein Glaube hat dich gerettet" (z.B. Mk 10,52). Das Vertrauen zu dem, der das Leben schenkt und bewahrt, tut Körper und Seele gut, und die vertrauensvolle Bitte des Kranken kann Gott dazu bewegen, ihm Gesundheit zu schenken. Das kann, muss aber nicht geschehen. Darum ist die Gesundheit nicht selbstverständlich, sondern bleibt ein hohes Gut und ein Geschenk.

Ich hätte mich schon sehr gefreut, wenn ich auch nur einmal den Satz gehört hätte „Hauptsache Gott vertrauen und gesund sein, Herr Pastor!" Damit hätte ich mich sofort einverstanden erklärt. Denn es geht nicht darum, Gottvertrauen und Gesundheit gegeneinander auszuspielen. Sie sollen nur in rechter Weise einander zugeordnet werden.


* * * * *



2 Kommentare
2021-01-10 19:08:12
Hallo Klaus,

interessanter Beitrag. Ich kann nachvollziehen, wie du dich bei solchen Sprüchen als Pastor fühlen musst. Zumal Gesundheit etwas Fragiles und Vorläufiges ist und du das Bleibende und Ewige vermitteln und vekündigen willst.

Andererseits: Wenn ich es für mich persönlich vergleiche, schneidet moderne Medizin für mich wesentlich besser ab als (christliche) Theologie. Ich habe im letzten Jahr gesundheitlich einen ordentlichen Schuss vor den Bug bekommen, durfte aber gleichzeitig erleben, was moderne Differentialdiagnostik und Therapie leisten, und zwar auf eine für mich rational und naturwissenschaftlich nachvollziehbare Art und Weise.

Meinen Weg zu Glauben und Spiritualität habe ich mir im Vergleich dazu in den letzten Jahrzehnten selber suchen müssen. Es ist noch nicht einmal klar, ob es Gott überhaupt gibt. Bei Kirchens meint man aber, Wissen durch Bekenntnisse und Verkündigung ersetzen zu können und leistet sich dabei noch den Luxus, diese überwiegend selbstreferenziellen Lehren in konfessioneller Trennung weiterzutreiben, als hätten die vermeintlichen Schäfchen nicht längst etwas von Islam, Buddhismus, Atheismus etc. gehört und würden damit vergleichen.

Für mich sind es immer wieder Einzelne gewesen, die hier eine Tür offengehalten und dort eine geöffnet haben. Kirche und Theologie können aber meiner Meinung nach nicht so weitermachen wie bisher. Um das wirklich einzusehen, muss die Schrumpfung aber wohl noch ein paar Jahrzehnte weitergehen.

Viele Grüße

Thomas









2021-01-10 20:58:18
Hallo Thomas,

vielen Dank für deinen persönlichen Beitrag. Ich musste mir meinen Weg zu Glaube und Spiritualität auch selbst suchen, und zwar durch den Dschungel der Theologien und Frömmigkeitsformen. Es war ein langer und kein einfacher Weg. Aber ich denke, es ist „normal" und notwendig, dass jede/r seinen Weg selber findet und nicht einfach einen vorgegebenen kopiert. Denn Glaube und Spiritualität sind weder selbstverständlich noch einförmig. Unterschiede sind gewollt, und „echt" ist oft nur das, was man sich selber erarbeitet hat.

Ob es Gott überhaupt gibt – kann uns das jemals „klar" sein in dem Sinne, dass es offen zutage liegt? Offen zutage liegt nur das Sichtbare, liegen die Dinge dieser Welt. Und selbst die treten in subatomarer Sicht ganz anders zutage als in unserer Alltagssicht. Wie begrenzt sind also unsere unterschiedlichen Sichten auf einen Gegenstand! Da aber Gott kein Gegenstand ist wie andere Gegenstände in der Welt, wird es uns nicht wundern, dass er sich zwar zu erkennen geben mag, aber dennoch ganz anders ist, als unsere Theologien es auszudrücken vermögen.

Das scheint ein Widerspruch zu sein: Wenn Gott sich zu erkennen gibt, wie kann er dann ganz anders sein als das, was wir von ihm erkennen? Ich würde antworten: Er ist allemal größer als unser Erkennen und Verstehen und insofern ganz anders, als wir es fassen können (vgl. Phil 4,7: „der allen Verstand überragt", Luther: „der größer ist als alle Vernunft"). Und dennoch erkennt ihn ein Mensch, dem Gott sich zu erkennen gibt, bruchstückhaft, in unvollkommener Weise (sagt Paulus! 1Kor 15,9: „Unser Erkennen ist Stückwerk").

Von daher denke ich, dass es ein „Wissen" von Gott gar nicht gibt (auch wenn nicht wenige Christ*innen so tun, als besäßen sie dieses Wissen). Es gibt nur die persönliche bruchstückhafte Erkenntnis (und die daraus gewonnene Glaubensgewissheit), die sich immer wieder in Frage stellen lassen muss und diskussionsbedürftig ist. Das mag manchen Christ*innen nicht schmecken, aber alles andere wäre eine Fehleinschätzung der eigenen Erkentnisfähigkeit, und diese neigt zur Überheblichkeit.

Ich stimme dir zu darin, dass Kirche und Theologie nicht so weitermachen sollten wie bisher (wobei ich die Mängel der Theologie vielleicht anderswo verorten würde als du). In ein paar Tagen hoffe ich übrigens einen Artikel zu einer gerade aktuellen Kontroverse um die Zukunft der Kirche zu veröffentlichen, der dich wahrscheinlich interessieren würde.

Viele Grüße
Klaus
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