Früher Tod – eine Erinnerung
Durch Zufall, nein, im Grunde durch ein banales Googeln im Internet, erfuhr ich kürzlich, dass ein alter Schulkamerad im noch jungen Alter von nur 59 Jahren gestorben war. Seit dem Abitur 1976 hatte ich ihn nicht mehr gesehen und nun erfahre ich – ausgerechnet aus dem Internet – von seinem Lebensende, das heute bereits fünf Jahre zurück lag. Warum hat mich der Tod von Rolf eigentlich so erschüttert?
Rolf N. war jemand, der mir auf seine Weise imponierte. Er war, wie man heute sagt, ein cooler Typ – Rockmusik-Fan und außerdem, wichtig in einer reinen Jungenklasse, ein sehr guter Sportler. Bei einem künftigen Klassentreffen hätte ich mich mit ihm sicher gerne unterhalten. Über unsere gemeinsame Schulzeit, über das, was jeder so aus dem eigenen, langen und doch auch so kurzen Leben gemacht hat. Diese Chance gibt es nun nicht mehr. Ein Leben ist vergangen; Erinnerungen werden bleiben.
Erfahrungen dieser Art werden sich, wenn man die Sechzig erst überschritten hat, noch häufiger einstellen. Jedes Mal werden wir wieder neu erschrecken, wenn uns ein Mensch, den wir jahrelang sahen und mehr oder weniger kannten, verlassen hat. Kürzlich las ich in einem klugen Text "Den Tod vor Augen" über "den Tod als Skandal, der abzuschaffen ist." Zwei Sätze habe ich mir angestrichen: "Sollte man nicht lieber später als früher an den Tod denken? Könnte eine derart existenzielle Erfahrung Menschen nicht aus dem Tritt bringen oder in eine Krise stürzen? ... Wir haben die normalste Sache der Welt – und die einzige, die jeden betrifft – so konsequent verdrängt, dass wir den Tod nur noch als Kränkung, ja Skandal empfinden, der abgeschafft gehört."
Jede/r Lebende muss den Skandal des Todes und das Ende seines Lebens auf eigene Art bewältigen. Ob wir an die Auferstehung und das ewige Leben glauben, ist eine Angelegenheit, die jede/r Gläubige auf ganz eigene Weise beantworten kann – oder auch nicht. Dem künftigen Tod gegenüber so etwas wie Trost auszudrücken und dessen Skandal auszuhalten – das finden wir Lebenden wohl nur im eigenen, mehr oder weniger festen Glauben an ein Leben nach dem Tod.
Ein Gastartikel von Michael Kröger.
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