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Falsche Gebetspraxis - schlechte Stimmung

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Veröffentlicht von in Glaubenspraxis · 15 November 2023
Tags: BetenDankbarkeitWirklichkeit

Falsche Gebetspraxis – schlechte Stimmung
Klaus Straßburg | 15/11/2023

Mein tägliches Morgengebet besteht fast nur noch aus Bitten, habe ich bemerkt. Es gibt die Kriege, es gibt so viel menschliche Bosheit und Not, dass ich ständig darum bitte, Gott möge dieses Elend beenden. Weil das Elend aber kein Ende nimmt, wiederhole ich jeden Tag aufs Neue dieselben Bitten. Das tut mir nicht gut.

Es tut mir aus zwei Gründen nicht gut: Erstens führe ich mir jeden Tag das Elend der Welt vor Augen, bevor ich meine Bitten formuliere. Zweitens muss ich mir jeden Tag eingestehen, dass sich an diesem Elend noch immer nichts geändert hat. Gerade darum, weil sich noch nichts geändert hat, liege ich Gott ja immer wieder mit denselben Bitten in den Ohren.

Im Grunde setze ich dabei voraus: Das Elend besteht fort, und Gott hat noch nichts zum Guten gewendet. Aber ist das wirklich so?

Ist es nicht vielmehr so, dass Gott jeden Tag Gutes bewirkt? Dass er jeden Tag Menschen rettet und Leid verhindert oder verringert?

Das Alte Testament setzt auf jeder Seite voraus, dass Gott auf verborgene Weise oder durch Menschen in der Weltgeschichte handelt (z.B. 2Mo/Ex 3,7-10; 5Mo/Dtn 7,17-19; Ri 11,29; Ps 7,7-12; 73,23f). Im Neuen Testament wird erzählt, wie Gott durch den Menschen Jesus Christus und nach dessen Tod durch seinen Geist in der Geschichte handelt (z.B. Joh 5,36; Apg 2,4).

Der christliche Glaube geht also davon aus, dass Gott die Welt nicht sich selbst überlässt, sondern beständig in der Welt handelt: Er bewirkt Gutes, rettet und richtet einzelne Menschen (2Sam 22,47-51) und ganze Völker (Jes 45,22; Jer 9,25f) und bewahrt seine Schöpfung vor dem Untergang (1Mo/Gen 8,21f).

Gott kann sogar durch Leid und Tod hindurch Heil und Leben entstehen lassen (Joh 16,20; 1Kor 15,54f). Er handelt eben nicht immer so, wie wir es uns vorstellen und wünschen. Darum lässt sich sein Handeln nicht beweisen, sondern nur im Glauben bezeugen. Es bleibt für nicht Glaubende immer zweifelhaft, für Glaubende aber kann es (obwohl sie auch Zweifel kennen) zur Gewissheit werden.

Zurück zu meinem Beten: Ich versuche jetzt, nicht von der Bosheit der Menschen und vom Elend der Welt auszugehen, sondern von Gottes täglichem Handeln in der Welt; davon, dass er auch an diesem Tag retten, die Not lindern, Menschen zum Guten bewegen und sogar durch den Tod hindurch Leben schaffen wird. Ich versuche mir bewusst zu machen, dass der neue Tag ein guter Tag ist: ein Tag, den der Herr gemacht hat und an dem ich mich freuen und fröhlich sein kann (Ps 118,24). Dann beginne ich mein Gebet in einer ganz anderen Stimmung.

Am Anfang meines Gebets können Lob und Dank stehen für das, was Gott in den letzten 24 Stunden Gutes getan hat – auch wenn ich davon nichts mitbekommen habe. Ich denke auch daran, was er gerade jetzt Gutes bewirkt und an diesem Tag noch Gutes bewirken wird. Ich bitte ihn dann darum, auch in aussichtslosen Situationen Menschen zu retten und die verstockten Herzen derer, die Böses tun, aufzubrechen. Ich denke also vom positiven Handeln Gottes her und nicht vom negativen Zustand der Welt her.

Das gelingt nicht immer gleich gut. Manchmal passiert es mir, dass beide Gefühle nebeneinander stehen und um die Oberhand ringen: einerseits meine Dankbarkeit für Gottes rettendes und Leben schaffendes Handeln und andererseits meine Traurigkeit über die Not, über die vielen Menschen, die von anderen Menschen getötet werden.

Jedenfalls soll in Zukunft nicht das Böse den Ton in meinem Gebet angeben, sondern das Gute, das Gott täglich tut – auch in der vom Bösen durchsetzten Welt.


* * * * *


Foto: Claudia auf Pixabay (Ausschnitt).




4 Kommentare
god.fish
2023-11-15 22:59:43
Ich kenne das. Ich glaube, man soll und kann im Gebet z.B. Menschen dem Segen Gottes anempfehlen und für sie bitten, aber dann muss man auch versuchen, loszulassen - denn wir sind nicht Gott und können durch Beten, wenn es Werkgerechtigkeit und Pflicht wird, nicht mehr bewirken, als durch ein Gebet, das versucht, zu vertrauen.
Und ja: man sollte auch immer den Dank ins Gebet hineinnehmen, weil das den eigenen Blick auf das Gute und Schöne in Gottes Welt fokussieren kann.
2023-11-16 10:09:15
"Man sollte auch immer den Dank ins Gebet hineinnehmen, weil das den eigenen Blick auf das Gute und Schöne in Gottes Welt fokussieren kann." Das ist sehr wahr. Es ist nur manchmal sehr schwer, weil das Böse und Hässliche sich so sehr in den Vordergrund drängt. Wir leben in einer Welt, in der die Bilder vom Schlechten und Grausamen in Sekundenschnelle um den Globus fliegen und uns täglich ins Wohnzimmer geliefert werden. Das Gute und Liebevolle aber geschieht oft im Verborgenen und ist wohl schwer darstellbar - es wird leicht kitschig und damit unglaubwürdig, wenn man es zeigen will.

Ich denke, es ist ein Problem, dass das Böse sich ungemein aufbläst und wichtig macht, obwohl es, christlich gesehen, schon verspielt hat. Jesus hat den Satan, das Böse, schon vom Himmel fallen sehen wie einen Blitz (Lk 10,18). Gegen die Wichtigtuerei des Bösen hilft tatsächlich nur das Vertrauen, dass Gott die Oberhand hat - und behält.
god.fish
2023-11-16 20:38:12
Ja, das Böse ist auch immer viel medienwirksamer, als das Gute. Die Nachrichten berichten fast ausschließlich über Missstände. Macht natürlich Sinn, aber drum muss man versuchen, sich medial nicht zu überfrachten, sonst kann man das Gefühl bekommen, die Welt wäre hauptsächlich schlecht, was sie nicht ist.
Wollte kürzlich mal das Netzwerk BlueSky ausprobieren und dem Hass und der Hetze von X (Twitter) etwas entkommen und rate mal, wer einer meiner ersten Follower war ? Kommst du nie drauf.
https://god.fish/2023/11/13/mein-neuer-follower-der-satan/
2023-11-16 21:43:21
👍
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