Erfahrungen einer Weltreise
Klaus Straßburg | 25/07/2021
Vor einigen Tagen bin ich mit meinem Fahrrad durch die Welt gefahren. Dabei habe ich sie mir genau angesehen.
Ich habe dabei festgestellt: Die Welt ist ziemlich klein. Irgendwie sogar beschaulich. Eigentlich ein Dorf. Informationen verbreiten sich in Windeseile durch die Welt. Und trotzdem ist die Welt, man kann schon sagen: idyllisch, wirklich schön. Es gibt dort alles, was man zum Leben braucht. Man kann sich dort richtig wohlfühlen.
Der Gründer der Welt hat sich nicht lumpen lassen. Und die Entwicklung der Welt ist im Großen und Ganzen, von einigen Ausnahmen abgesehen, nur positiv zu beurteilen.
Natürlich gibt es in der Welt auch Dinge, die nicht so schön sind. Denn in ihr leben ganz unterschiedliche Menschen: solche, die sich um das Wohl aller bemühen (oder sich jedenfalls bemühen, sich darum zu bemühen), und solche, die sich eher um ihr eigenes Wohl bemühen. Es gibt reiche und arme, kranke und gesunde, gebildete und weniger gebildete (aber was heißt das schon?), dicke und dünne, fleißige und freizeitige (warum gibt es dieses Wort eigentlich nicht?) und so weiter ... Und weil die Menschen so unterschiedlich sind, kommt es immer wieder zu Konflikten.
Zum Beispiel stört es eigentlich kaum jemanden, dass es Reiche und Arme in der Welt gibt – bis auf die Armen. Die stört das schon. Aber was die denken, interessiert sowieso keinen.
Naja, das war jetzt etwas übertrieben. Manchmal muss man ein wenig übertreiben, um etwas deutlich zu machen. Ein paar reiche Weltbewohner gibt es schon, die das interessiert. Aber das sind nur so wenige, dass es gar nicht ins Gewicht fällt und sich auch niemand daran stößt.
Die Reichen leben nämlich von den Armen getrennt. Nein, nein, sie leben schon in derselben Welt, aber die Reichen halten sich von den Armen fern. Sie wollen mit ihnen nichts zu tun haben. Eigentlich kennt kaum ein Reicher irgendeinen Armen wirklich – also mehr als sein Gesicht oder seinen Namen. Darum kennen die Reichen auch die Lebensumstände der Armen nicht. Würden sie sie kennen, wäre das auch sehr unangenehm für sie und würde ihr Wohlbefinden beeinträchtigen. Und das möchten sie natürlich nicht.
Natürlich gibt es auch Kultur in der Welt: das Welt-Café.
Im Welt-Café zeigt man sich, wie sollte es anders sein, weltoffen und hat Freude an fremden Kulturen. Schade nur, dass die Armen in den fremden Kulturen davon nichts haben.
Jeder versucht nämlich, es sich in der schönen Welt so schön wie möglich einzurichten. Die Welt bietet doch so viele wunderbare Möglichkeiten, sich das Leben schön zu machen. Dabei denkt man, seien wir ehrlich, vor allem an das eigene Zuhause. Weniger denkt man an die Nachbarn oder gar an die, die weiter entfernt leben. Man denkt auch nicht wirklich an die Armen. Für die hat man ein Almosen und dann auch ein gutes Gewissen.
So sind die Menschen nun mal, auch die Unbescholtenen, die Freundlichen, diejenigen, die „sich nie etwas haben zu Schulden kommen lassen" (man muss das schon in Anführungsstriche setzen) und mit denen man gern mal ein Pläuschchen hält.
Besonders dreht sich in der Welt alles um die eigene Familie. Das sind vor allem die Kinder und die Kinder der Kinder. An die Kinder der Kinder der Kinder denkt man aber schon nicht mehr. Obwohl die es doch ausbaden müssen, was wir ihnen eingebrockt haben. Und wahrscheinlich müssen es sogar schon die Kinder der Kinder ausbaden. Aber das möchte man nun wirklich nicht wahrhaben in der schönen Welt.
Ja, so sind sie, die Weltbewohner: oft gedankenlos, obwohl sie so viel Wert auf ihre Gedanken legen. Und ziemlich gleichgültig, obwohl sie stets behaupten, wie wichtig ihnen Werte sind und dass natürlich nicht alles gleich gültig ist. Es ist schon ein merkwürdiges Völkchen, die Weltbewohner ...
Natürlich gibt es auch Christinnen und Christen in der Welt. Die meinen, sie wären anders – besser (aber das würden sie natürlich nie, nie, nie laut sagen). Sie treffen sich sonntags in der Kirche.
Die Kirche ist von Mauern, Zäunen, Büschen und Bäumen umgeben, das Tor ist zu und man muss eine Treppe hinaufsteigen. Außerdem wirkt die Kirche etwas angestaubt, irgendwie aus der Welt gefallen. Darum haben auch viele Weltbewohner gar keine Lust mehr, in die Kirche zu gehen. Merkwürdig, denn es sollen doch eigentlich viele hinein ...
Vielleicht ist die Kirche auch etwas zu versteckt hinter dicken Bäumen, so dass man sie kaum sieht. Sie fällt gar nicht auf. Wenn sie nicht da wäre, würde es auch nicht auffallen. Also, die Menschen möchten schon, dass es eine Kirche gibt. Aber auffallen soll sie möglichst nicht, sondern alle in Ruhe lassen und alle Bedürfnisse erfüllen.
Immerhin gibt es aber immer noch einige, die am Sonntag in die Kirche gehen und fromme Lieder singen. Leider verhalten sie sich nicht immer danach, was sie singen. Aber das macht nichts. Sie haben ja einen gnädigen Gott, der ihnen alles vergibt.
Hoppla! Das war aber ein tiefes Schlagloch! Jetzt wäre ich, als mir der letzte Satz einfiel, fast mit dem Fahrrad umgekippt.
Also, eigentlich bin ich ja ungern so ironisch. Aber manchmal ... Und dann erschreck ich mich selbst. Wie eben. Das war ja richtig gemein! Ich hoffe, du bist nicht auch fast umgekippt.
Aber vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht, wenn man mal über einen Satz stolpert und sich erschreckt. Denn nur wer stolpert, merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Er unterbricht seinen Gang und hält inne. Also wenn du gestolpert bist: Sieh es positiv und nimm den Satz trotzdem mit Humor. Er will nur auf ein Missverständnis aufmerksam machen.
In der Welt ist es nämlich so, dass man manchmal etwas spitz formulieren muss, wenn man auf etwas aufmerksam machen will. Alles, was keinen aufregt, wird auch von keinem gehört. Vielleicht liegt es auch daran, dass nur so wenige Menschen in die Kirche gehen: Die Kirche ist immer sehr höflich und freundlich – stellt keinen in Frage und regt darum auch keinen mehr auf.
Um nicht missverstanden zu werden, erkläre ich das, was ich sagen wollte, gern noch einmal ganz sachlich, dafür aber ausgesprochen langweilig und eher einschläfernd statt aufrüttelnd: Gott vergibt tatsächlich ausnahmslos alles, wenn es uns ernst ist. Aber das ist kein Freifahrtschein dafür, nun munter Schlechtes zu tun (gähn).
Das sind so richtig richtige Sätze, über die aber keiner stolpert.
Vielleicht gehen viele Menschen auch deshalb am Sonntag nicht in die Kirche, weil die Kirche nichts zum Stolpern anbietet, sondern irgendwie langweilig ist. Dann kann man auch gleich im Bett bleiben und erst mal ausschlafen. Und wochentags denken sie auch eher selten an den lieben Gott. Aber als Christinnen und Christen fühlen sie sich trotzdem. Da sind sie ganz selbstbewusst.
Die Kirche ist an diesem merkwürdigen Selbstbewusstsein nicht ganz unschuldig. Sie hat den Menschen nämlich lange verkündet und tut es oft auch heute noch, dass jeder ein Christ ist, der als Baby getauft wurde. Ist doch nett von der Kirche, nicht wahr, den Menschen so eine gute Nachricht zu verkünden? (Pfui, schon wieder so ironisch ...) Wie ich schon sagte: Die Kirche ist immer sehr freundlich und höflich und will es sich mit keinem verderben.
Ich will damit nicht sagen, dass es nicht auch ernsthafte Christinnen und Christen in der Welt gibt. Wie viele? Wer weiß das schon. Gut, dass wir uns darüber nicht den Kopf zerbrechen müssen. Das heilige Buch der Christenmenschen sagt, dass es nicht viele sind. Vielleicht liegt es daran, dass man von ihnen in der Welt nicht viel merkt.
Oder liegt es daran, dass die Christenmenschen sich fein säuberlich an die anderen angepasst haben? Das ist bequem und verursacht keinen Streit. Wer möchte schon gern mit seinen Nachbarn im Streit liegen? Da hält man sich doch lieber zurück und lebt unauffällig genauso, wie die anderen auch. Oder gibt eben hier und da mal ein Almosen. Jedenfalls gilt es, möglichst Streit zu vermeiden. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Der Friede ist schließlich ein hohes Gut. Und noch dazu ein hoher Wert des Christentums.
Als ich so durch die beschauliche Welt fuhr, habe ich mich gefragt, wie es wohl in 50 Jahren in der Welt aussehen wird. Wird dann immer noch alles so scheinbar friedlich sein? Wird es in den Gärten so wunderbar blühen und werden die Felder so fruchtbar sein? Oder werden die Probleme dann so groß geworden sein, dass man ihnen nicht mehr gedankenlos oder gleichgültig gegenüberstehen kann? Wird die Welt dann von hohen Wällen umgeben sein, die sie vor dem anstürmenden Meer schützen? Werden die Kinder der Kinder der Kinder (oder gar schon die Kinder der Kinder) dann in bunkerartigen Gebäuden leben, die ihnen den einzigen Schutz vor den Unbillen des Wetters und der knallenden Sonne bieten?
Fragen über Fragen. Leider stellen sich die meisten Menschen in der Welt diese Fragen gar nicht. Sie leben ihr schönes Leben in den schönen Tag hinein, und unangenehme Gedanken möchten sie am liebsten los sein – ach, das hatten wir ja schon ...
Fährt man so mit dem Fahrrad durch die Welt, dann sieht eigentlich alles sehr friedlich aus. Vordergründig jedenfalls. Denn hinter den dicken Mauern der Häuser, die in gepflegten Gärten mit blühenden Blumen stehen, spielen sich (das darf man vermuten) die Dramen des Lebens ab. Die möchte ich hier nicht weiter benennen, du kennst sie selbst. Schade eigentlich, wo es doch eigentlich so schön ist in der Welt.
Menschen tun in der Welt, was sie schon immer taten: Sich selbst und anderen das Leben schwer machen. So hat es der Gründer der Welt natürlich nicht gemeint. Im Gegenteil, er hat doch so einen wunderbaren Ort für die Menschen errichtet, damit es allen gut gehe. Aber was hilft's, wenn die Menschen es anders wollen?
Aber um der Gerechtigkeit willen muss man schon sagen, dass es auch das andere gibt: das Gute, Hilfreiche, Lebensförderliche; die Liebe und die Hilfsbereitschaft. Da ist irgendetwas, was sich immer wieder gegen das Schlechte durchsetzt. Lichtblicke in der Finsternis. Die Christinnen und Christen würden sagen: Da ist ein guter Geist, der die Menschen antreibt. Und obwohl sie sich gegen ihn wehren, setzt er sich doch immer wieder mal durch. Eigentlich sogar ziemlich oft, auch wenn die Weltbewohner gar nicht merken, dass er am Werk ist. Gut, dass es ihn gibt ...
Wie gesagt: Die Welt ist eigentlich ein wunderschöner Ort. Oder besser gesagt: Sie könnte es sein, wenn nicht die Menschen wären und dem guten Geist so hartnäckig Widerstand leisten würden ...
Aber ohne Menschen geht es nun mal nicht. Was wäre schon eine Welt ohne Menschen? Ein heilloses Durcheinander, ein Urwald ohne Kulturwald, eine alles überwuchernde Natur mit gefährlichen monstergleichen Tieren. Das wäre kein Ort zum Wohlfühlen, das wäre ... das wäre ... gar keine Welt zum Radfahren mehr. Darum ist es schon gut, nein sehr gut, dass es Menschen gibt, die die Welt bebauen und schützen, die sie zu einem Ort machen, an dem es sich für alle leben lässt – wenn, ja wenn sie sich an die Ideen des Gründers der Welt halten.
Und wenn du nun wissen möchtest, wo ich diese Welt entdeckt habe, dann lass einfach das „die" bei „Welt" weg und lies einfach nur „Welt". Und damit du mir glaubst, dass ich wirklich an diesem Ort war, habe ich dieses Foto gemacht:
* * * * *
danke für diesen amüsanten Beitrag!
Tja, das waren noch Zeiten, als die Kirche den Leuten noch mit dem Jüngsten Gericht drohen und ihnen zumindest verbal die Hölle heiß machen konnte. Wenn ich die Weltgeschichte richtig überblicke, gab es damals aber trotzdem mehr absolute Armut und auch größere Unterschiede zwischen Armen und Reichen als heute.
Kirche arbeitet wie jede Organisation zu einem großen Teil an ihrer Selbsterhaltung. Angesichts des nachhaltigen Mitgliederschwunds in Deutschland hat sie damit alle Hände voll zu tun. Sie sollte sich vielleicht mit Ansprüchen an sich selbst hinsichtlich anderer Aufgaben nicht überfordern.
Viele Grüße
Thomas
der in die Welt war und sie sehr gut kannte:
Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist!
Wenn jemand die fehlgeleitete und sündige Welt liebt,
ist die Liebe Gottes nicht in ihm.
Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, insofern,
dass er seinen einzigen Sohn für uns gab und hingab,
damit wir nicht mehr Teil der Welt sind.
Diese alte Welt sowie ihr unheiliges Streben ist vergänglich;
der neue BeReich sowie sein heiliges Streben ist unvergänglich.
Daher will uns die Liebe Gottes zu Gottes Kinder machen.
Und wir sind es.
Deswegen erkennt uns die Welt nicht mehr,
weil sie Gott nicht erkannt hat.
Wundert euch daher nicht, wenn die Welt euch hasst.
Und glaubt daher nicht jedem Geist,
sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind;
da sich viele falsche Wahrheiten in der Welt verbreiten.
Diese sind aus der Welt,
deswegen kommen sie aus dem Geist der Welt,
und die Welt folgt dem.
Jeder Geist, der nicht Christus bekennt, ist nicht aus Gott;
und dies ist der Geist des Anti-Christus, von dem ihr gehört habt,
dass er kommt und bereits in der Welt ist.
Ihr seid aber Gottes Kinder und habt die Welt überwunden,
weil der Gott, welcher in euch ist,
größer ist
als der Gott, welcher in der Welt ist.
Denn die Kinder Gottes überwinden die Welt;
und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat:
Unser Glaube, dass Jesus, der Sohn Gottes ist.
Hierin ist die Liebe Gottes zu uns offenbart worden,
dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat,
damit wir durch ihn leben so wie jener durch den Vater lebt.
Wir wissen, dass wir aus Gott und im Licht des Guten sind,
aber die ganze Welt liegt in der Finsternis des Bösen.
Die Frage lautet somit:
Liebe ich die Welt auf die gleiche Art und Weise wie Gott?
Sehne ich mich danach,
dass alle ihre Sünden bereuen und umkehren zur Liebe?
Selbsterhaltung ist nicht Aufgabe der Kirche, schon gar nicht mit Blick auf die Anzahl ihrer Mitglieder. Ich denke, wenn sie Kirche für andere ist, wie Bonhoeffer es forderte, muss sie sich um sich selbst keine Gedanken machen.
Ich denke auch, eine bisschen "die Hölle heiß machen" (ich würde es anders ausdrücken) kann nicht schaden, sonst passiert es, dass uns die Welt heiß gemacht wird, wie es gerade geschieht, und auch die Schere zwischen Armen und Reichen wieder größer wird.
Viele Grüße
Klaus
Danke für dein Bekenntnis.
bei meinen sarkastischen Bemerkungen zu Kirche habe ich mich (bereitwillig) von dem spitz-ironischen Ton, der hier und da in deinem Beitrag vorkommt, anstecken lassen.
Viele Grüße
Thomas