Die Zeugen Jehovas
Klaus Straßburg | 06/02/2023
Es schellte und ich öffnete die Tür. Zwei junge Frauen standen vor mir und lächelten mich an. Sie wirkten außerordentlich freundlich, hatten ein gepflegtes Äußeres und waren modern gekleidet. Menschen, bei denen ich kein Problem hätte, sie in einem überfüllten Café zu fragen, ob ich mich zu ihnen an den Tisch setzen darf.
Sie standen also vor meiner Tür und sagten, ohne aufdringlich zu wirken, sie würden gern mit mir über Gott sprechen. Ich antwortete, ich sei evangelischer Pfarrer und Christ, kenne mich also mit dem christlichen Glauben aus, und fragte, ob sie Zeugen Jehovas seien. Sie bejahten das und erwiderten, mein Pfarrer- und Christsein würde nichts ausmachen, sie würden trotzdem gern mit mir ins Gespräch kommen. Weil ich gerade etwas Zeit hatte, bat ich sie herein und wir tauschten uns über unseren Glauben aus.
1. Erfahrungen mit den Zeugen Jehovas
Es blieb nicht bei diesem einen Gespräch. Obwohl ich ihnen von Beginn an zu verstehen gab, dass ich meiner Kirche treu bleiben und kein Zeuge Jehovas werden würde, kamen sie immer wieder. Es schien sie überhaupt nicht abzuschrecken, zu einem Pfarrer ins Pfarrhaus zu gehen. Manchmal musste ich sie abweisen, weil ich beim besten Willen keine Zeit hatte. Die Gespräche erlebte ich als sehr offen und tolerant. Wir stellten hauptsächlich Übereinstimmungen fest. Ich dachte manches Mal: Es scheint fast so, als würden wir uns glaubensmäßig kaum unterscheiden.
Obwohl ich mehrfach bekundete, dass ich nicht zur ihrer Glaubensgemeinschaft übertreten werde, kamen sie immer wieder, und ich fragte mich, warum sie das wohl tun. Ich weiß nicht mehr, ob ich ihnen die Frage sogar einmal stellte. Ihre Antwort könnte gewesen sein: "Weil wir gern mit Menschen über den Glauben reden."
Das Ganze ist schon viele Jahre her, und ich erinnere mich nicht mehr, wie es endete. Es ist möglich, dass ich nach etwa zwei Jahren darum bat, die Gespräche zu beenden. Ich hatte jedenfalls einen keineswegs radikalen oder aufdringlichen Eindruck von den Zeugen Jehovas gewonnen, sondern einen immer freundlichen und offenen.
Als Student hatte ich schon einmal eine Erfahrung mit den Zeugen Jehovas gemacht. Sie standen, wie immer überraschend, an der Tür zu meiner Studentenbude: ein älterer Herr und ein Junge von vielleicht 16 Jahren. Ich bat sie herein, und nach meiner Erinnerung offenbarte ich mich als Theologiestudent. Der Mann brachte das Gespräch auf die Bibel. Es wurde schnell deutlich, dass er ein fundamentalistisches Bibelverständnis hatte, also von der wörtlichen Eingebung der Texte durch Gott ausging. Ich sagte, für mich sei die Bibel Gottes Wort in Menschenmund. Daraufhin beendete der Mann das Gespräch ziemlich abrupt, und beide verließen mich. Als ich ihnen durchs Fenster hindurch nachblickte, sah ich ihn gestikulierend auf seinen jungen Begleiter einreden.
Die Zeugen Jehovas sind uns wahrscheinlich allen bekannt – entweder von ihrem stillen Stehen in der Fußgängerzone, mit einem Schriftenständer neben sich, oder vom persönlichen Besuch an der Haustür. Es wird in Deutschland wohl kaum jemanden geben, der nicht schon einmal die Tür öffnete, und da standen sie: zwei Zeuginnen oder Zeugen, die freundlich erklärten, sie würden gern ein Gespräch über Gott mit uns führen.
Man kann sicher ganz unterschiedliche Erfahrungen mit den Zeugen Jehovas machen. Es gibt auch Bücher ehemaliger Zeugen, welche die Gemeinschaft verlassen haben und von schlimmen Erfahrungen berichten. Aber wo liegen eigentlich die Ursprünge der Zeugen Jehovas, und was glauben sie eigentlich wirklich?
Ich kann hier nur das Wichtigste zusammenfassen. Da ich nicht über eigene Erfahrungen aus einer Mitgliedschaft bei den Zeugen Jehovas verfüge und auch deren Schriften nicht umfassend studiert habe, muss ich mich dabei vor allem auf das stützen, was andere über die Zeugen Jehovas geschrieben haben, ergänzt um einige Passagen der Zeugen Jehovas-Website.
2. Die Geschichte der Zeugen Jehovas
Die Ursprünge der Zeugen Jehovas liegen im 19. Jahrhundert in den USA. Der religiös interessierte Teilhaber der Herrenmodekette seines Vaters Charles T. Russell bildete mit fünf weiteren Personen einen Bibelstudienkreis, der schnell anwuchs und zwei Jahre später bereits 30 Personen umfasste. Russell wurde zum "Pastor" dieses Kreises gewählt. Es folgten erste Publikationen. Von Beginn an waren ihm Berechnungen der Zeitpunkts wichtig, an dem Jesus Christus wieder zur Welt kommen und sein Königreich aufrichten würde.
Russell verkaufte seine Anteile am väterlichen Geschäft und reiste fortan bescheiden lebend auf eigene Kosten als Prediger durch die Vereinigten Staaten. Er gründete einen Schriftenmissionsverlag, bildete kleine Bibelgruppen und führte die Verteilung der Schriften durch die Gruppenteilnehmer ein.
Für das Jahr 1914 prophezeite Russell die Wiederkunft Christi und den Anbruch eines "Tausendjährigen Reiches" des glücklichen Lebens auf Erden. Doch das Jahr 1914 verstrich, und statt des Tausendjährigen Reiches kam der Erste Weltkrieg. Russell gestand Fehler in der Berechnung ein, versuchte aber dennoch, seine Prophezeiungen aufrechtzuerhalten. Er starb plötzlich auf einer Vortragsreise im Oktober 1916 mit 64 Jahren.
Zu dieser Zeit gab es bereits die Organisation der "Wachtturm-Gesellschaft". Russells Nachfolger an der Spitze des Direktoriums dieser Gesellschaft wurde der Jurist Joseph F. Rutherford. Er gab der Organisation seine zukünftige Struktur und traf viele bedeutende inhaltliche Vorentscheidungen.
Schon länger gab es Zweigstellen der Wachtturmgesellschaft in Europa. Nach Russells Tod spalteten sich etwa 4.000 Mitglieder im Streit mit Rutherford ab. Der führte für die verbliebenen Gruppierungen den Namen "Bibelforscher" ein und grenzte sie scharf von den christlichen Gemeinschaften ab. Die christlichen Kirchen, alle anderen Religionen und das ganze weltliche Staatensystem wurden von ihm als Teufelswerk verurteilt und in die Hölle verdammt. Das Kreuzsymbol und die Feier des Weihnachtsfestes wurden abgeschafft.
Die Verteufelung des Staates wurde später infolge einer veränderten Auslegung von Röm 13 wieder aufgegeben. Vom Staat wird nun gesagt, dass Gott ihn "zugelassen" habe. Jedoch sei im Jahr 1914 das Königreich Christi angebrochen und damit eine "neue Nation" geboren, so dass die alten Nationen sich erübrigt hätten. Man hielt also am Jahr 1914 als Beginn der Herrschaft Jesu Christi fest, jetzt jedoch so, dass er unsichtbar im Himmel die Herrschaft über das Königreich Gottes übernommen habe. Die alten Nationen sollten deshalb ihre Souveränität an Christus abgeben, wozu die "Bibelforscher" sie immer wieder aufriefen.
Rutherford und einige Anhänger waren entschlossen, die Christenheit zu zerschlagen. Sie wurden deshalb in den USA angeklagt und inhaftiert, aber gegen Kaution wieder freigelassen.
Die Organisation bekam eine mehr und mehr autoritäre Führung. Die Leiter der Ortsgruppen wurden nicht mehr von den Mitgliedern gewählt, sondern von oben bestimmt. Der Dienst zur Verteilung der Schriften wurde für die Mitglieder verpflichtend. Die Organisation "Wachtturmgesellschaft" erhielt die unumschränkte Leitungsvollmacht: Sie wurde als der sichtbare Vertreter Jesu Christi auf Erden verstanden. Es herrscht eine theokratische Ordnung, das heißt: Gott tut seinen Willen der religiösen Institution kund und herrscht durch sie. Alles, was die religiöse Institution lehrt, ist identisch mit Gottes Willen.
Das bedeutet für die einzelnen Glaubenden, dass der Wachtturmgesellschaft unbedingt Folge zu leisten ist. Widerspruch gegen sie ist dem einzelnen Glaubenden nicht möglich. Denn Gott offenbart sich nicht einzelnen Menschen, sondern nur der theokratischen Organisation. Wer diese Organisation verlässt, also sich von den Bibelforschern löst, der trennt sich von Gott, kehrt unter die Herrschaft des Satans zurück und verliert das ewige Leben.
Im Jahr 1931 führte Rutherford den Namen "Zeugen Jehovas" ein. Die Bezeichnung geht zurück auf den hebräischen Namen Gottes, wie er im Alten Testament begegnet. Der Name wird mit vier hebräischen Konsonanten geschrieben, die den deutschen Buchstaben JHWH entsprechen. Weil die hebräische Schrift keine Vokale kennt, sondern nur Konsonanten, ist umstritten, wie der Name zu biblischen Zeiten ausgesprochen wurde. Früher dachte man, die Aussprache sei "Jehova". Heute geht man von "Jahwe" aus (gesprochen jachwe).
Rutherford starb 1942. Unter seinem Nachfolger Nathan H. Knorr wurden manche Formulierungen Rutherfords abgeschwächt: Man müsse nicht der Wachtturmgesellschaft gehorchen, sondern Gott, der aber durch die Wachtturmgesellschaft repräsentiert werde. Nicht alle Religionen seien Teufelswerk, sondern es gebe wahre und falsche Religion, wobei jedoch nur die Zeugen Jehovas die wahre Religion praktizierten.
Worin aber besteht die "wahre Religion" der Zeugen Jehovas?
3. Die Lehren der Zeugen Jehovas
a) Der Kampf zwischen Gott und Satan
Nach der Vorstellung der Zeugen Jehovas spielt sich auf der Erde ein Machtkampf zwischen Jehova und dem Satan ab. Der Satan hat sein Reich in der Welt aufgerichtet. Er gründete die Staaten, die kommerziellen Organisationen und die Kirchen und Religionen. Die ganze Welt, mit Ausnahme der Zeugen Jehovas, steht unter der geistigen und politischen Diktatur des Satans.
Jehova sandte Jesus Christus, der den Versuchungen des Satans nicht erlag. Jesus Christus ist der Sohn Gottes, aber Gott dem Vater nicht gleich, sondern ihm untergeordnet. Auch der heilige Geist ist nicht Gott gleich, sondern Gottes wirksame Kraft. Die Zeugen Jehovas lehnen also die christliche Lehre von der Dreieinigkeit Gottes ab.
Eine zentrale Rolle im Denken der Zeugen Jehovas spielt die Vorstellung, dass das Ende der Welt nahe sei. Mehrfach wurden Berechnungen aufgestellt für den Termin einer letzten Schlacht zwischen Jehova (vertreten durch Jesus Christus) und den "gottfeindlichen Mächten" (Staaten, Kirchen, internationalen Wirtschaftsverbänden, den Vereinten Nationen). Alle diese Termine haben sich nicht bewahrheitet.
b) Die Endschlacht bei "Harmagedon"
Die Zeugen Jehovas haben genaue Vorstellungen davon, wie die Ereignisse in der Endzeit der Welt ablaufen werden. Es wird eine furchtbare Endschlacht zwischen Gott und den Nationen, die allesamt dem Satan verschrieben sind, stattfinden. Symbol dieser Endschlacht ist eine im Alten Testament berichtete wichtige Schlacht bei der Stadt Megiddo in Israel. Deshalb wird die Schlacht "Harmagedon" oder "Armageddon" genannt (Offb 16,16). Was dort passieren wird, haben die Zeugen Jehovas so beschrieben:
Ja, Blut wird in Strömen fließen, wenn Gottes Hinrichtungsstreitkräfte zur Tat schreiten. Die 69 Millionen Toten der zwei Weltkriege werden nichts sein im Vergleich zu den Opfern des Krieges Gottes von Harmagedon [...] Die Menschheit wird weltweit durch brennende Geschosse, Feuerregen und andere verheerende elementare Kräfte, die mit dem Gericht Gottes einhergehen, in Schrecken versetzt werden [...] Und Gottes Hinrichtungsstreitkräfte werden ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht zuschlagen. Denn Gott gebietet ihnen, keine Barmherzigkeit zu zeigen.
Satans gesamtes Weltsystem, angefangen bei der Christenheit, muss von Jehovas Becher der Rache trinken [...] Es ist der Wille Jehovas, dass Jesus als sein Schwert handelt, wenn er Rache übt [...] Keiner einzigen Nation wird es erspart bleiben, in dieser Weise vom Becher des Grimms Jehovas zu trinken [...] Daher ist es für alle gerecht gesinnten Menschen höchste Zeit, sich von der Bosheit der Nationen abzuwenden, bevor die vier Engel den verheerenden Sturm des Grimms Jehovas loslassen [...] Echtes Entsetzen! Die Zornglut Jehovas wird auf jeden Fall [...] zum Ausdruck gebracht werden [...] Wenn sich der Sturm der großen Drangsal gelegt haben wird, werden wir uns [...] auf der Erde umsehen können, voller Dankbarkeit dafür, dass wir am Leben sind und uns an dem Auftrag Jehovas beteiligen können, die gereinigte Erde in eine herrliches Paradies umzuwandeln.
("Der Wachtturm" vom 1.2.1985, S. 4ff und "Der Wachtturm" vom 1.3.1994, S. 21ff, zitiert nach Hempelmann: Panorama, S. 528f)
Auf der aktuellen Website der Zeugen Jehovas habe ich solche bluttriefenden Texte nicht mehr gefunden. Dennoch bin ich angesichts eines solchen unbarmherzigen Gemetzels durch den Zorn und die Rache Gottes froh, an einen barmherzigen und gnädigen Gott zu glauben – einen Gott, dessen Barmherzigkeit und Gnade seinen Zorn so weit überragt, dass er zwar Sünde nicht ungestraft lässt "bis in die dritte und vierte Generation", aber Gnade übt "bis in die tausendste Generation" (2Mo/Ex 20,5f; 34,6f; 5Mo/Dtn 5,9f). Gottes Gnade ist demnach 250 bis 330 Mal größer als sein Zorn – eine Zahl, die für die meisten Menschen in biblischer Zeit unvorstellbar groß war. Das müsste doch bei allen berechtigten Aussagen über ein Gericht Gottes berücksichtigt werden.
Nimmt man die Aussagen der Zeugen Jehovas ernst, dann erzeugen sie natürlich eine ungeheure Angst, der man nur dadurch entkommt, dass man ein Zeuge Jehovas wird. Denn dann kann man sich nach dem Hinschlachten von Millionen freuen und dankbar dafür sein, dass man selbst nicht zu ihnen gehört. Wie man sich aber beim Anblick der Millionen Hingeschlachteten, darunter auch unzählige Kinder, noch freuen kann, ist mir eine echte Frage.
Eine Lehre von ewigen Höllenqualen gibt es hingegen bei den Zeugen Jehovas nicht. Die Ungläubigen werden in der Schlacht bei Harmagedon getötet und bleiben tot. Wann diese Schlacht sich ereignen wird, darüber machen die Zeugen Jehovas heute keine Angaben mehr, weil sich alle bisherigen von ihnen errechneten Termine nicht erfüllt haben.
Nach Harmagedon bricht nach der Vorstellung der Zeugen Jehovas das sogenannte "Tausendjährige Reich" an. Das ist ein herrliches Paradies auf Erden, ein ewiges Reich des Glücks, der Freude und des Friedens, das ewige Leben für die Zeugen Jehovas. Sie werden die Hingeschlachteten bestatten und den dann Auferweckten aus vergangenen Zeiten Wohnungen, Nahrung und Kleidung beschaffen, vor allem aber ihnen das Evangelium predigen. Nur 144.000 Menschen, von denen heute nur eine kleine Zahl unter den Zeugen Jehovas lebt, ist es vorbehalten, in den Himmel aufgenommen zu werden und dort mit Christus zusammen zu regieren. Die anderen, deren Glaube sich bewährt hat, werden in ewiger Freude auf der erneuerten Erde leben.
c) Die Absonderung von der Welt
Weil die Welt in allen ihren Institutionen und Strukturen der Macht des Satans verfallen ist, leuchtet es ein, dass die Zeugen Jehovas sich so gut wie möglich von der Welt absondern sollen. Sie sollen keine Geselligkeit mehr mit anderen Menschen pflegen und die Teilnahme an Parties, Betriebsfeiern, Kegelclubs, Sportvereinen etc. vermeiden. Ostern und Weihnachten werden nicht gefeiert.
Da auch der Staat unter der Herrschaft des Satans steht, übernehmen die Zeugen Jehovas keine politischen Ämter und beteiligen sich nicht an Aktivitäten politischer Parteien, sozialen Reformen oder Wohltätigkeitsveranstaltungen. Sie nehmen auch nicht an Wahlen teil und singen keine Nationalhymne. Sie zahlen zwar Steuern und befolgen die staatlichen Gesetze, aber nur soweit sie nichts von ihnen verlangen, was den biblischen Geboten widerspricht. Schülerinnen und Schüler dürfen nicht in der Schülervertretung mitarbeiten oder sich zur Klassensprecherin wählen lassen.
Nicht ganz im Einklang damit scheint es zu stehen, wenn die Regierungen der Staaten durchaus positiv bewertet werden. Auf der Website der Zeugen Jehovas heißt es:
Da die Regierungen wertvolle Dienste leisten, indem sie für Schutz und Sicherheit sowie für das Wohl ihrer Bürger sorgen, haben sie das Recht, als Gegenleistung für ihre Dienste Steuern und Abgaben zu verlangen. Sie können als "Gottes öffentliche Diener" bezeichnet werden, weil sie nutzbringende Dienste leisten (Rö 13:6, 7). [...] Wenn eine Regierung ihren Aufgaben in der rechten Weise nachkommt, ziehen oft alle Nutzen daraus. Zu diesen Aufgaben gehören die Aufrechterhaltung eines Rechtssystems, das den Bürgern zu ihrem Recht verhilft und Schutz vor Verbrechern, Pöbelaktionen usw. bietet (Php 1:7; Apg 21:30-32; 23:12-32).
Wie sehr auch die christlichen Kirchen von den Zeugen Jehovas abgelehnt wurden, veranschaulicht folgender Text:
Als ZEUGEN JEHOVAS legen wir folgendes Zeugnis ab: WIR VERABSCHEUEN die Schmach, die Babylon die Große [also das Heidentum] und vor allem die Christenheit auf den Namen des einen wahren und lebendigen Gottes Jehova gebracht hat [...] WIR VERABSCHEUEN das Festhalten der Christenheit an babylonischen [= heidnischen] Lehren, insbesondere an der Lehre von einem dreieinigen Gott, von der Unsterblichkeit der Menschenseele, von der ewigen Qual in der Hölle, von einem Fegefeuer, und das Festhalten an der Verehrung und Anbetung von Bildnissen – wie die Madonna und das Kreuz [...] Wir verabscheuen gottfeindliche Philosophien und Praktiken, die in der Christenheit stark verbreitet sind, wie die Evolutionstheorie, Bluttransfusionen, Abtreibungen, das Lügen, Habgier und Unehrlichkeit [...] Wir verabscheuen die Unmoral und die Freizügigkeit in der Christenheit und unter ihrer Geistlichkeit [...] Wir verabscheuen die gewaltige Blutschuld, die sich daraus ergibt, dass 100 Millionen Menschenleben allein in den Kriegen unseres Jahrhunderts geopfert wurden [...]. Wir frohlocken darüber, dass die bestimmte Zeit nahe ist, wo Gott an Babylon der Großen die richterliche Strafe vollstrecken wird.
("Der Wachtturm" vom 15.4.1989, S. 18f; zitiert nach Hempelmann: Panorama, S. 531)
Man kann sicher manche hier geäußerte Kritik am Christentum als berechtigt empfinden. Dennoch fällt die Überheblichkeit auf, mit der man allein im Besitz der Wahrheit zu sein beansprucht und jede Selbstkritik vermissen lässt.
Heute ist die Wachtturmgesellschaft wohl vorsichtiger mit ihren Urteilen über das Christentum. Auf ihrer Website ist Folgendes zu lesen:
Nur der Glaube, der sich auf die Wahrheit der Bibel stützt, führt Menschen zu Gott (Johannes 4:24; 17:17; 2. Timotheus 3:16, 17). Aber Religionen, die etwas über Gott lehren, das der Bibel widerspricht, bringen ihre Anhänger eher von Gott weg. Und es gibt viele Lehren, von denen die meisten glauben, sie kommen aus der Bibel, aber in Wirklichkeit wurden sie von anderen Religionen übernommen. Dazu gehören zum Beispiel die Lehre von der Dreieinigkeit, von einer unsterblichen Seele und von der Hölle. Ein Glaube, der sich auf solche Lehren stützt, ist wertlos, weil er die Wahrheit der Bibel durch religiöse Traditionen ersetzt (Markus 7:7, 8).
Auch wenn hier sehr viel rücksichtsvoller formuliert wird als 1989, scheint das Ergebnis doch dasselbe zu sein: Nur ein Glaube, der sich an die Wahrheit der Bibel hält, führt zu Gott. Die Lehren von der Dreieinigkeit, von einer unsterblichen Seele und von der Hölle gründen nicht in der Bibel. Ein Glaube, der sich auf solche Lehren stützt, ist wertlos. Er führt also nicht zu Gott. Damit ist indirekt gesagt, dass zum Beispiel der christliche Glaube, der die Lehre von der Dreieinigkeit vertritt, nicht zu Gott führt.
Es fällt auf, dass der Weg zu Gott nach dem Verständnis der Zeugen Jehovas vorrangig über die Annahme der richtigen Lehren zu führen scheint. Es geht also nicht so sehr um das Vertrauen zu Gott und Jesus Christus, sondern vor allem darum, dass man die rechten Lehren im Kopf hat und akzeptiert. Die rechten Lehren aber gibt unfehlbar die Wachtturmgesellschaft vor.
4. Der Lebenswandel der Zeugen Jehovas
Der Predigtdienst in der Fußgängerzone oder im Gehen von Haus zu Haus gehört für die Zeugen Jehovas zu den Verpflichtungen Gott gegenüber. Weil der Mensch schwach ist und den Dienst nicht unbedingt freiwillig tut, muss er seinen Dienst als Pflicht anerkennen, um immer wieder neu motiviert zu sein. Zu den weiteren Pflichten gehören z.B. Liebe üben, familiäre Pflichten, Ehrlichkeit, Gesetzestreue (solange die Gesetze nicht dem Willen Gottes widersprechen). Das alles dient offensichtlich dazu, anderen und sich selbst das ewige Leben zu verschaffen:
Mit anderen Worten, wir müssen alles tun, um uns selbst und auch jene, die auf uns hören, zu retten.
Damit ist der Zeuge Jehovas angewiesen, sich selbst durch seine Taten zu erlösen. Dem entspricht es, dass der erlösende Tod Jesu am Kreuz bei den Zeugen Jehovas eine merkwürdig untergeordnete Rolle spielt. Jesus zahlte durch seinen Tod das "Lösegeld" für unsere Sünden und ermöglicht uns dadurch, das ewige Leben zu erhalten. Dieses erhalten wir aber nur dann, wenn wir sein Opfer schätzen und ein entsprechendes Leben führen. Damit aber ist die Erlösung von unseren Taten abhängig, liegt also letztlich in unserer eigenen Hand.
Dementsprechend gibt es bei den Zeugen Jehovas eine umfangreiche "Gemeindezucht" – eine Aufsicht der Gemeinde über den Lebenswandel der einzelnen Mitglieder. Wenn jemand dem Willen Gottes, so wie die Wachtturmgesellschaft ihn vorgibt, nicht gehorsam ist, wird er mehrmals von verschiedenen Gemeindegliedern und schließlich von der ganzen Versammlung ermahnt und zur Umkehr aufgerufen. Wenn er dem nicht folgt, wird ihm die Gemeinschaft entzogen: Er wird ignoriert und wie Luft behandelt. Auch seine Verwandten werden angewiesen, den Kontakt mit ihm auf das Notwendigste zu beschränken.
In den USA wird von einigen Fällen sexuellen Missbrauchs berichtet. Nach den Vorschriften der Wachtturmgesellschaft kann jemand aber nur dann einer Tat überführt werden, wenn sie durch mindestens zwei Zeugen nachgewiesen wird (wie es in 5Mo/Dtn 19,15 geregelt ist). Es ist deutlich, dass das in Fällen sexuellen Missbrauchs nahezu ausgeschlossen ist. Daran wird deutlich, wie widersinnig es sein kann, biblische Texte rein buchstabentreu auf alle denkbaren Situationen anzuwenden, ohne ihrem eigentlichen Sinn nachzuspüren.
Auf der anderen Seite steht ein unvergleichlich konsequentes Festhalten der Zeugen Jehovas an ihren ethischen Vorstellungen, ein Festhalten, das auch das Martyrium nicht scheut. Unter den Nationalsozialisten gingen die Zeugen Jehovas, damals noch Bibelforscher genannt, willig ins KZ und dachten gar nicht daran, ihre Haltung der Kriegsdienstverweigerung aufzugeben. Der evangelische Pastor Martin Niemöller berichtete aus dem KZ Sachsenhausen, dass die SS eine Zeit lang jeden Morgen einen Zeugen Jehovas aufrief und ihn fragte, ob er bereit sei, als Soldat zu kämpfen. Wenn er verneinte, wurde er vor der versammelten Mannschaft gehenkt. Alle verneinten, ohne Ausnahme.
Rudolf Höß, Kommandant des KZ Auschwitz, berichtete in seinen Lebenserinnerungen:
"Die Bibelforscher in ihrem Glauben zu erschüttern, war gänzlich unmöglich." Prügelstrafen ließen sie "mit einer Inbrunst über sich ergehen, dass man beinahe annehmen konnte, sie seien pervers veranlagt." Einige wegen Wehrdienstverweigerung zum Tod Verurteilte liefen "beinahe im Trab" zu ihrer Exekution und warteten mit verklärtem Gesicht auf die Kugel. "Alle, die dies Sterben sahen, waren ergriffen, selbst das Exekutions-Kommando war benommen."
(Hutten: Seher, S. 119; dort zitiert nach Höß: Kommandant in Auschwitz, Stuttgart 1958, S. 33f).
Unter den Nazis wurden 6.019 Zeugen Jehovas verhaftet und rund 2.000 ins KZ gebracht. In der Haft starben 635, und 253 wurden hingerichtet.
Auch in der DDR wurden die Zeugen Jehovas unterdrückt, inhaftiert und misshandelt. Dasselbe geschah ihnen in der Sowjetunion. Dort setzten sie in Gefängnissen und Lagern ihre Verkündigung fort. Damit sie nicht andere Gefangene mit ihrem Glauben "ansteckten", wurden sie schließlich in einem einzigen Lager konzentriert. Verfolgungen erlitten die Zeugen Jehovas aber auch in der nichtkommunistischen Welt, z.B. in Spanien wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung oder in den USA wegen ihrer Weigerung, die amerikanische Flagge zu grüßen.
5. Bewertung der Zeugen Jehovas
Es ist schwierig, eine abschließende Bewertung der Zeugen Jehovas abzugeben, ohne die Gemeinschaft von innen her zu kennen. Das zeigt auch ein Gerichtsurteil, mit dem die Wachtturmgesellschaft den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erstritten hat.
Die Organisation hat jahrelang in Gerichtsverfahren, die bis vor das Bundesverfassungsgericht gingen, um diesen Status gekämpft. Erstmals wurde er ihr schließlich im Jahr 2006 durch das Land Berlin verliehen. Auf der Website der Zeugen Jehovas ist folgender Auszug aus der Zeitung "Die Welt" vom 26.03.2005 zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 24.03.2005 zu lesen:
Alle gegen sie erhobenen Vorwürfe, so das Gericht, hätten sich als nicht substantiiert erwiesen. "Im Ergebnis könne sich der Beklagte (das Land Berlin) daher nur auf sogenannte Aussteigerberichte, Berichte von Sekteninitiativen … stützen." Familiengerichte, Ärzte, Psychologen und wissenschaftliche Untersuchungen hätten jedoch deren Sicht der Dinge nicht bestätigt. Dass "Aussteiger ihren Erfahrungen mit der Gemeinschaft … im Nachhinein positive Aspekte abgewinnen könnten, sei kaum anzunehmen". Diese Einschätzung des Gerichts steht in diametralem Gegensatz zur Tätigkeit der amtskirchlichen Sektenbeauftragten, die ihr negatives Urteil über die religiöse Konkurrenz nicht nur auf diese "Aussteigerberichte" gründen, sondern auch mit den Ausgetretenen und den Antisektenorganisationen aufs engste zusammenarbeiten. So mancher von den Landeskirchen bezahlte Pfarrer ist bei "Sekteninfos" und anderen Organisationen beratend tätig. Die über das Urteil empörten Kirchenoberen müssen sich die Frage gefallen lassen, wie sie wohl reagieren würden, wenn die Vorwürfe entlaufener Priester und kirchenkritischer Atheistenverbände vor ordentlichen Gerichten für bare Münze genommen würden.
Dennoch ergibt sich mir, auch nach dem Lesen einiger Texte auf der Website der Zeugen Jehovas, ein zwiespältiges Bild. Theologisch äußerst bedenklich finde ich die These, dass Jesus Christus durch seinen Tod am Kreuz nur die Möglichkeit der Erlösung schaffe. Der Mensch muss sich demnach der Erlösung erst noch würdig erweisen. Dadurch entsteht ein Leistungsdruck, der nur dadurch Entlastung findet, dass man sich in bedingungslosem Gehorsam der Wachtturmgesellschaft hingibt. Nur dann kann man der Erlösung sicher sein – wobei immer noch die Frage bleibt, ob man denn wirklich alle Vorgaben der Organisation erfüllt.
Die Wachtturmgesellschaft hat angeblich die Wahrheit. Deshalb fehlt ihr jede Selbstkritik. Und ihr Absolutheitsanspruch wird gefestigt durch die Verurteilung aller anderen Glaubenden. Das ist das bekannte Schema, das auch in der Welt oft angewandt wird, von der sich die Zeugen Jehovas doch eigentlich so stark abgrenzen möchten: Wir sind die Guten, die anderen die Bösen.
Wer sich auf die Zeugen Jehovas einlässt, muss also wissen, dass er sich vorbehaltlos der Wachtturmgesellschaft auszuliefern hat. Er liefert sich nicht Gott oder Jesus aus, sondern der Organisation, die Gott und Jesus repräsentiert. In dieser theokratischen Ordnung ist jedes eigene Denken im Grunde ausgeschlossen; denn die Organisation denkt für alle ihre Mitglieder.
Kritisch ist auch die gänzlich unhistorische und am Buchstaben klebende Bibelauslegung zu beurteilen. So lehnen die Zeugen Jehovas z.B. jede Bluttransfusion ab und berufen sich dabei auf Apg 15,20.29; 21,25, wo es heißt, dass die Christen sich "des Blutes enthalten" sollen. Hier geht es allerdings nicht um Bluttransfusionen, die es damals ja noch gar nicht gab, sondern um Speisevorschriften. Der Bibeltext wird also unhistorisch ausgelegt und so verstanden, als sei er heute für unsere Situation aufgeschrieben worden. Es ist zwar richtig, dass die Bibel wörtlich genommen werden will. Zugleich muss sie aber in ihrem historischen Kontext ausgelegt werden und der dadurch gewonnene Sinn eines Textes auf jede neue Situation neu angewendet werden. Es kann nicht so getan werden, als seien die biblischen Texte heute entstanden.
Das ist freilich ein Problem fundamentalistischer Gruppen auch in den christlichen Kirchen. Insofern sind die Unterschiede zu solchen kirchlichen Gruppen möglicherweise nicht sehr groß. Hinzu kommt, dass es wahrscheinlich auch zwischen den Ortsgruppen der Zeugen Jehovas Unterschiede hinsichtlich ihrer Atmosphäre der Offenheit und Toleranz gibt.
Die Konsequenz, mit der die Zeugen Jehovas ihre Überzeugung leben bis hin zur Leidensbereitschaft und zum Martyrium, kann man nur bewundern. Auch von ihrer Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und ihrem Fleiß wird berichtet. Mit der Freundlichkeit ist es aber offensichtlich vorbei, wenn man bei der Organisation in Ungnade fällt.
Zum Schluss möchte ich noch von einer Erfahrung meiner Eltern berichten: Sie wurden jahrelang von einem Ehepaar der Zeugen Jehovas besucht und führten angeregte Gespräche mit diesem. Obwohl meine Eltern immer wieder betonten, sie würden ihre evangelische Kirche nicht verlassen, kam das Ehepaar immer wieder, über Jahre hin. Die Gespräche verliefen in einer offenen und toleranten Atmosphäre, und im Laufe der Jahre entstand so etwas wie eine Freundschaft zwischen Glaubenden. Es fanden sogar gegenseitige Besuche mit Kaffeetrinken statt. Offenbar profitierten beide Seiten von dieser Beziehung.
Ich möchte daran den Gedanken anknüpfen, dass Gott seinen Geist über Menschen aller Religionen und Gemeinschaften ausgießen kann und dass es in allen Religionen und Gemeinschaften Menschen gibt, die im Vertrauen zu Gott und Jesus Christus leben. Mag es auch viele Unterschiede in der Lehre geben, so kann doch große Übereinstimmung in dem Vertrauen bestehen, "von guten Mächten wunderbar geborgen" zu sein. Darauf aber kommt es letztlich an. Und wenn dieses Vertrauen und das ihm entsprechende Handeln da ist, mag es sein, dass die theoretischen Lehrunterschiede gar nicht so gravierend sind – auch dann nicht, wenn man unterschiedliche Begriffe benutzt, um seinen Glauben auszudrücken.
Soweit mein Bericht über die Zeugen Jehovas. Es ist nur ein Ausschnitt ihrer Geschichte und ihrer Lehren, wie ich sie hauptsächlich in Büchern über diese Religionsgemeinschaft gefunden habe. Vielleicht machst du dir, wie immer, selber ein Bild, indem du die Website der Zeugen Jehovas durchforstest. Wenn du eigene Erfahrungen mit den Zeugen Jehovas gemacht hast, kannst du sie gern in einem Kommentar mit allen, die den Blog lesen, teilen und so das Bild vervollständigen.
Siehe auch das Update vom 11.03.2023.
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Quellen
- Reinhard Hempelmann u.a. (Hg.): Panorama der neuen Religiosität. Sinnsuche und Heilsversprechen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin. Gütersloher Verlagshaus. Gütersloh 2001. S. 521-535.
- Kurt Hutten: Seher – Grübler – Enthusiasten. Das Buch der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen. Quell Verlag, 13. Aufl. Stuttgart 1984. S. 80-135.
- Hans-Jürgen Twisselmann: Sieben Glaubensgemeinschaften. Darstellung und Kritik. Nordelbische Reihe für Weltanschauungsfragen. Heft 6. Itzehoe 1993. S. 12-27.
- Wikipedia-Artikel "Zeugen Jehovas".
Foto: https://www.jw.org/de/bibliothek/zeitschriften/wachtturm-nr2-2021-mai-jun/neue-welt-paradies/.
danke für diese ausführliche Darstellung von Geschichte und theologischen Vorstellungen der Zeugen Jehovas. Ich habe mich nie so weit darauf eingelassen.
In der Zeit, als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe, waren das für mich spießige Leute, die abstruse religiöse Vorstellungen haben, die entfernt ans Christentum erinnern, und die von ihrem Verein zur Mission gezwungen wurden, ob es ihnen nun lag oder nicht. Ich konnte mit wortwörtlichem Bibelverständnis schon als Jugendlicher nichts mehr anfangen, und war in dieser Zeit sowieso dichter am Atheismus als am Christentum. Ich habe die ZJ deshalb nur abgewimmelt.
Meine Mutter wusste nicht so recht, wie sie auf die ZJ reagieren sollte. Sie hat sich das ein paar mal angehört, fand die Leute ernsthaft und nicht übel, die Lehre doch ziemlich entfernt von richtig, ohne dass genau hätte sagen können, was nun falsch war.
Meine Schwester hatte mal eine Phase, wo sie über einen Bibelkreis und einen Theologiestudenten als Freund mehr theologisches Wissen hatte. Sie hat sich mal die Zeit genommen, zwei von den Damen zum Gespräch hereinzubitten, und dann ihre Lehre hinterfragt und zerpflückt, bis sie nicht nicht mehr weiterwussten, immerhin aber versprachen, beim nächsten Mal jemanden mitzubringen, der sich besser auskenne. :-) Was daraus am Ende geworden ist, weiß ich nicht.
Mein Vater hat in seinen späten Jahren, wo er sich immer freute, wenn mal jemand zu Besuch kam, hin und wieder ZJ hereingebeten, sich erstmal angehört, was sie zu sagen hatten, nur um ihnen anschließend, so meine Schwester, ihnen seinerseits auf einem völlig anderen Gebiet einen vom Pferd zu erzählen, bis sie schließlich wieder gingen.
Für mich wären die ZJ ganz sicher nicht die richtige Religionsgemeinschaft, auch wenn ich ihre Position zu Dreieinigkeitslehre richtiger finde als das theologische Standardverständnis. Auch achte ich ihre Konsequenz. Aber ich fühle mich ja sogar in der sehr liberalen evangelischen Kirche mit einem Bein drin und mit dem anderen draußen. Bei den ZJ hätte ich innerhalb kürzester Zeit ein Ausschlussverfahren am Hals
Ich finde es nur erstaunlich, dass man sie offenbar mit Argumenten nicht aus dem geschlossenen System ihrer Lehren herausbringen kann.
Viele Grüße
Thomas
vielen Dank für deinen ganz persönlichen Erfahrungsbericht. Ja, es ist schon erstaunlich, dass man sie mit Argumenten nicht überzeugen kann (andererseits aber auch wieder nicht, denn geht es uns nicht irgendwie allen in gewissem Sinne so?). Aber es ist eben, wie du sagst, ein geschlossenes System, das noch dazu das eigene Denken ausschließt (jedenfalls soweit es sich außerhalb des Denkens der Wachtturmgesellschaft bewegt). Schon darum und wegen ihrer Abwertung der Gnade zugunsten des eigenen Handelns wären die Zeugen Jehovas auch nichts für mich.
Was dein Vater machte, ist ja ziemlich raffiniert renitent, nach der Devise: Wenn ihr mir einen vom Pferd erzählt auf einem Gebiet, auf dem ich mich nicht auskenne, erzähl ich euch auch mal einen vom Pferd auf einem Gebiet, auf dem ihr euch nicht auskennt. Aber auch das scheint sie ja nicht überzeugt zu haben.
So ist das eben, wenn man sich in einem geschlossenen System bewegt - heute nennen wir das "Blase", und in einem solchen bewegen sich wahrlich nicht nur die Zeugen Jehovas.
Wirklich überzeugend finde ich aber ihr konsequentes ethisches Handeln. Darum kann ich sie auch nicht durchweg verurteilen, sondern sehe sie auch mit einem gewissen Respekt. In mancher Beziehung würde ich mir auch von evangelischen Christen solche Konsequenz wünschen. Andererseits kenne ich die Zeugen Jehovas nicht von innen - und ich denke, auch in ihren Gruppen wird es ganz schön menscheln.
Viele Grüße
Klaus