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Die rechte Zeit für Krieg und Frieden

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Veröffentlicht von in Theologie aktuell · 11 Februar 2023
Tags: FriedeKriegUkraineWeisheitEntscheidungenZeit

Die rechte Zeit für Krieg und Frieden
Ein Aspekt biblischer Weisheit
Klaus Straßburg | 11/02/2023

Gerade noch hatte man sich zur Lieferung von Kampfpanzern durchgerungen, schon gibt es die ersten Stimmen, die Kampfflugzeuge befürworten. Auch Langstreckenraketen werden schon gefordert. Gibt es ein Ende der Waffenlieferungen? Soll der Ukraine die Möglichkeit gegeben werden, Moskau anzugreifen?

Im Buch der Sprüche/Sprichwörter, einem Buch alttestamentlicher Weisheit, heißt es (20,18):

Nur unter kluger Lenkung führe Krieg!

Die Lenker dieses Krieges sind die Präsidenten Putin und Biden. Putin wird vom russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill II. unterstützt. Sein Krieg erhält so die religiöse Weihe. Das Volk wird politisch und religiös verführt.

"Wer rechtschaffene Menschen irreführt auf einen bösen Weg, der fällt in die eigene Grube", weiß Spr 28,10. Damit ist die Gefahr ausgedrückt, dass Irreführung sich nicht auszahlt. Es kann sein, dass die Sache für die Verführer des Volkes nicht gut ausgeht. Jedenfalls ist, wer einen unnötigen Krieg beginnt, dadurch Zigtausende Zivilisten tötet und sein Volk betrügt, gewiss kein kluger Kriegslenker.

Auf der anderen Seite steht der amerikanische Präsident Biden. Er entscheidet letztlich über das Vorgehen des Westens – auch über weitere Waffenlieferungen.

Von Biden hatte ich nach seiner Antrittsrede im Januar 2021 einen überzeugenden Eindruck gewonnen. Er bekennt sich als katholischer Christ. Er hatte in seine Rede ein stilles Gebet für die Opfer der Corona-Pandemie und für Amerika eingefügt. Im Wahlkampf hatte er sich mit Papst Franziskus darin einig erklärt, dass Solidarität mit den Armen geübt werden müsse.

Gilt das alles heute nicht mehr? Im Ukraine-Krieg werden bis heute etwa 100.000 gefallene Soldaten auf jeder Seite geschätzt und 50.000 ukrainische getötete Zivilisten. Die USA als die westliche Führungsmacht hätte es in der Hand, kompromissbereit mit Putin in einen Dialog zu treten und auf ein Ende des Krieges hinzuwirken. Stattdessen werden immer tödlichere Waffen geliefert.

Gerade noch hat Biden klargemacht, er werde die Ukraine unterstützen, solange es nötig sei. Der Präsident sieht offenbar nur einen Weg: die Fortsetzung des Krieges, und das heißt, die Fortsetzung des Tötens. Sollen noch einmal 250.000 Menschen sterben?

Gestorben wird mit und ohne Krieg. Gerade sind in der Türkei und in Syrien mehr als 22.000 Menschen durch das Erdbeben umgekommen – ein kleinerer Teil davon in Syrien. Hilfslieferungen aus dem Westen kommen nur tröpfchenweise in Syrien an, weil nur ein einziger Grenzübergang von der Türkei aus geöffnet ist. Das Land leidet seit vielen Jahren schwer durch den Krieg, den der syrische Präsident Assad mit Hilfe Russlands gegen sein eigenes Volk führt. Hilfsorganisationen sagen, Syrien leide auch unter den von den Vereinigten Staaten verhängten Sanktionen.

Von Assad und Putin erwarte ich nichts. Aber was ist los mit dir, Joe Biden? Kennst du keine Solidarität mit den Armen mehr? Betest du nicht mehr für die Opfer von Erdbeben und Krieg?

Die Bibel schließt einen Krieg offenbar nicht kategorisch aus. Wenn er aber geführt wird, soll er mit Nachdenken und Weisheit geführt werden. Zum Nachdenken über einen Krieg gehört immer auch das Nachdenken über sein möglichst schnelles Ende. Ich sehe im Moment nur Nachdenken über weitere Waffen, weitere Eskalation. Das ist das Gegenteil einer weisen Kriegslenkung.

Was Weisheit bedeuten kann, wird im Buch Prediger/Kohelet näher beschrieben (8,5-8):

Das Herz eines Weisen kennt die richtige Zeit und das rechte Verhalten. Denn für jede Sache gibt es die richtige Zeit und das rechte Verhalten. Denn das Unglück des Menschen lastet schwer auf ihm. Denn er weiß nicht, was werden wird; denn wer sollte ihm mitteilen, wie es werden wird? Kein Mensch hat Macht über den Wind, den Wind zurückzuhalten, und niemand hat Macht über den Tag des Todes. Im Krieg wird kein Soldat nach Hause entlassen, und das Unrecht lässt seinen Urheber nicht entkommen.

"Krieg hat seine Zeit, und Frieden hat seine Zeit" (Pred/Koh 3,8). Das heißt: Es gibt eine Zeit, in welcher die Zeit des Krieges zu Ende ist und das Handeln sich auf Frieden richten muss. Wann das sein wird, liegt offenbar nicht auf der Hand. Es braucht das Herz eines Weisen, um die Zeiten zu unterscheiden und in rechter Weise zu handeln. Und "der Anfang der Weisheit ist die Ehrfurcht vor Gott" (Spr 9,10).

Die Ehrfurcht vor Gott ist offensichtlich keine Privatsache, sondern hat Auswirkungen auch auf das politische Handeln. Wer glaubt, denkt anders. Und wer anders denkt, handelt anders. Wer glaubt, bestätigt sich nicht ständig selbst, sondern sieht auch das Unglück, das kommen könnte. Er sieht die Unwägbarkeiten, die es unmöglich machen, sich der Zukunft und des eigenen Handelns zu sicher zu sein. Er weiß um die eigenen Grenzen und darum, dass er die Zukunft nicht in der Hand hat. Nicht einmal den Wind kann er zurückhalten. Wie sollte er dann Unglück und Tod aufhalten können? Wer glaubt, nimmt deshalb auch sein eigenes Denken und Handeln kritisch in den Blick.

Soweit ich sehe, fehlt den meisten Menschen diese selbstkritische Perspektive. In Politik und Medien werden Selbstsicherheit und Zukunftswissen vorgegaukelt. Die Begrenztheit der eigenen Einsicht und der eigenen Handlungserfolge kommt nicht in den Blick. Der Mensch erlebt sich als Gott, der weiß, was die Zukunft bringt und wozu das eigene Verhalten führt.

Dieser trügerischen Selbstgewissheit fehlt die Ehrfurcht vor Gott, weil sie sich für allwissend und allmächtig hält. Darum ist sie töricht. Sie führt zum Missbrauch der eigenen Verantwortung. Aber niemand kann seiner Verantwortung entkommen. Wie im Krieg kein Soldat aus dem Kampf entlassen wird, so wird auch keiner, der in seiner scheinbar allwissenden Überheblichkeit Unheil über die Welt gebracht hat, aus seiner Verantwortung entlassen. Wer die rechte Zeit verpasst, den Frieden ins Auge zu fassen, muss sich dafür verantworten. Vielleicht irgendwann vor den Menschen, in jedem Fall aber vor Gott.

Es geht dabei nicht darum, das Bild eines zornigen Gottes zu malen und dadurch Angst und Schrecken zu verbreiten. Aber es geht darum, darauf hinzuweisen, dass Verantwortung ernst genommen werden muss – und dass die Verführer, die Selbstgewissen, die Überheblichen, die unnötig, rücksichtslos und ohne die Beachtung der rechten Zeiten meinen, Krieg führen zu müssen, nicht ewig über die Opfer des Krieges triumphieren werden, indem sie selbst ungeschoren davonkommen.

Möge Joe Biden zur Weisheit gelangen, der richtigen Zeit und des rechten Verhaltens gewahr zu werden. Möge er sich an die Worte seiner Antrittsrede erinnern. Möge er derer gedenken, die täglich unschuldig sterben, um endlich ein Ende des Krieges ins Auge zu fassen.


* * * * *


Grafik: Gerd Altmann auf Pixabay.




8 Kommentare
2023-02-12 13:23:53
Hallo Klaus,

es gibt zurzeit keinen Krieg zwischen Russland und den USA. Das wäre im Übrigen auch der NATO-Fall, und dann hätten wir in Deutschland ebenso wie die Amerikaner, Engländer, Franzosen und diverse viel weniger Handlungsspielraum als zurzeit. Auch "wir" befinden uns nicht im Krieg mit Russland, auch wenn unsere Außenministerin, die ich ansonsten sehr schätze, das neulich zu unbedacht so formuliert und sich damit zu Recht viel Kritik eingehandelt hat. Selbst Putins Russland spricht, wenn ich es recht überblicke, nach wie vor nicht von einem Krieg, sondern von einer militärischen Sonderoperation, auch wenn Putin dort faktisch einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt.

Wer müsste zurzeit dort über einen Frieden verhandeln? Putin und Selenskij, möglicherweise unter Vermittlung anderer.

Bitte male hier nicht den Weltkrieg an die Wand! Das ist eine Konzession an Putins Propaganda. Diesen Krieg gegen die Ukraine hat nicht Biden zu verantworten, sondern Putin ganz allein!

Zurzeit ist Putin offensichtlich noch nicht bereit, zu verhandeln. Selenskij ist vermutlich auch nicht dazu bereit, weil sehr wahrscheinlich dann die Russen noch ein Stück der Ukraine mitnähmen. Vermutlich ist Putin erst zu Verhandlungen bereit, wenn sich die Ukraine anschickt, die von ihm völkerrechtswidrig annektiert Krim zurückzuerobern.

In dieser Situation mit Putin oder aber generell mit einem Nachfolger Putins könnte man verhandeln, zurzeit kann man nur parallel und inoffiziell reden und versuchen, Kanäle offenzuhalten.

Viele Grüße

Thomas
2023-02-12 17:43:40
Hallo Thomas,

ich halte es für klug, wenn man schon Krieg führt, immer darüber nachzudenken, wie der Krieg beendet werden kann. General Vad ist der Meinung, man müsse den Krieg vom Ende her denken. Das fehlt mir in der gegenwärtigen politischen Diskussion, in der es nicht um Dialog, sondern um militärischen Sieg geht. Es wird also gar nicht ausgelotet, ob ein Waffenstillstand jetzt möglich wäre oder nicht. Natürlich müsste man Putin dann ein Angebot machen und nicht auf Maximalforderungen bestehen. Aber dazu ist Biden offensichtlich nicht bereit.

Die Maximalforderungen führen zu maximal vielen Toten und zerstörten Menschenleben. Jeder möge selbst abwägen, ob es das wert ist und was aus christlicher Nächsten- und Feindesliebe das "kleinere Übel" wäre.

Der Westen ist von Biden abhängig, Selenskyj ist vom Westen abhängig. Biden ist also die entscheidende Person neben Putin. Darum können nur die beiden über einen Dialog entscheiden. Im März 2022 gab es übrigens schon eine Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine, die dann wohl vom Westen abgelehnt wurde. Eine andere Erzählung sagt zwar, dass die Ereignisse von Butscha die Vereinbarung obsolet gemacht haben. Das erscheint mir aber weniger einleuchtend, weil es widersinnig ist, die Toten von Butscha als Argument für hunderttauschend weitere Tote anzuführen.

Aber die politischen Perspektiven und Einschätzungen werden immer auseinandergehen. Darum scheint es mir angemessen, wenn Christen eine spezifisch christliche Einschätzung abgeben, indem sie von anderen Maßstäben ausgehen, als es Nichtchristen tun. Zum christlichen Maßstab gehört meiner Meinung nach auch, sich selbst zurückzunehmen, zu Zugeständnissen bereit zu sein und auch schmerzhafte (!) Kompromisse einzugehen, um Menschenleben zu retten. Diese Bereitschaft sehe ich in der gegenwärtigen politischen Diskussion leider überhaupt nicht. Ich finde, Christen könnten und sollten genau diese alternative Perspektive in die Diskussion einbringen, was ich mit meinen bescheidenen Mitteln versuche. Ich erhebe auch keinen Anspruch auf die absolut richtige Sichtweise. Leider hüllen sich die Kirchen aber in dieser weltbewegenden Situation weitgehend in Schweigen, anstatt einen umfassenden kirchlichen Dialog anzustoßen und sich in die politische Diskussion mit ihrer Botschaft einzubringen, was ich als äußerst peinlich und opportunistisch empfinde.

Ich habe von einem drohenden Weltkrieg in diesem Artikel gar nicht gesprochen. Dass er aber eine Gefahr darstellt und durch die Lieferungen immer schwererer Waffen nicht gerade verringert wird, wird auch von Befürwortern dieser Lieferungen nicht bezweifelt. Wenn man diese leider reale Gefahr zum Ausdruck bringt, ist man nicht automatisch ein Propagandist Putins.

Viele Grüße
Klaus
2023-02-13 22:41:41
Hallo Klaus,

ja, stimmt, du hast von einem dritten Weltkrieg nicht ausdrücklich gesprochen. Aber du bringst wiederholt Biden als Verhandlungspartner und damit indirekt als Kriegspartei ins Spiel. Sobald die USA hier Kriegspartei sind, haben wir aber den dritten Weltkrieg. Die USA sind, ebenso wie Deutschland, sehr vorsichtig und abwägend, ab wann sie hier evtl. Kriegspartei würden. Biden hat sich mit den Abrams-Panzern genau so geziert wie Scholz mit den Leopard-Modellen, und das mMn mit guten Gründen.

Die christliche Weg wäre es, sich nicht zu verteidigen, und auch der Ukraine zur Kapitulation zu raten. Aber Christentum ist eine individuelle Angelegenheit, geht den Weg der Liebe (=Anti-Macht) und ist für kollektive Machtenscheidungen weder zuständig noch geeignet. Das christliche Freiheitsverständnis ist ein anderes als das landläufige, das auch dem Kampf der Ukraine zu Grunde liegt.

Ich würde in dieser Situation weder auf ausgewiesene Christen hören, noch Deutschland wegen historischer Vorbelastung noch auf die USA wegen zu großer Distanz, sondern auf Polen und Balten, die lange unter der sowjetischen Knute gestanden haben und denen ich ein besseres Verständnis dafür zutraue, wie Putin tickt.

Viele Grüße

Thomas

Michael Kröger
2023-02-14 07:25:32
Hallo Klaus,

menschliche Weisheit ist das Gegenteil einer sich selbst überzeugenden staatlichen Propaganda. Sie wird wird dann zu einer "schwachen messianischen Kraft " (Walter Benjamin), wenn ihre Stunde gekommen ist: wenn die Menschen im Westen u n d im Osten durchschauen, wie sie von eigenen, bestimmten Ideen instrumentalisiert wurden und sie so weiter unfrei gehalten werden - im Westen im Namen einer Form von grenzenloser, "westlicher Freiheit". Im Osten unter P. im Namen eines angeblichen Antinazismus und einer Rückkehr ins alte Reich. Beide Einstellungen sind von ihrem jeweiligen Recht überzeugt, dass sie die jeweils andere Seite als Feindbild benötigen, um sich an der Macht zu halten. Erst, wenn sich diese Einstellungen beginnen zu verändern und für Menschen durchschaubar werden, wird die Weisheit - hoffentlich - zum Zuge kommen.

Viele Grüsse
Michael


2023-02-14 10:42:07
Hallo Thomas,

vielen Dank für dein Statement, das mir die Gelegenheit gibt, meine Position zu präzisieren. Wenn du schreibst, das Christentum sei eine individuelle Angelegenheit, dann klingt das für mich so, als wolltest du sagen, es sei eine reine Privatsache. Dem kann ich nicht zustimmen. Christlicher Glaube hat auch politische Dimensionen, wie man z.B. an der Botschaft der alttestamentlichen Propheten deutlich sehen kann. Aber auch Jesu Kritik an dem Wirtschaftsbetrieb im Tempel und an den religiösen Autoritäten zeigt, dass es nicht nur um die privaten Beziehungen geht, sondern auch um die gesellschaftlichen Machtverhältnisse. Natürlich kann sich jeder Mensch individuell und frei für oder gegen den christlichen Glauben entscheiden. Aber diese Entscheidung, wie immer sie auch ausfällt, impliziert eben nicht nur das Handeln im zwischenmenschlichen Bereich, in der Ich-Du-Beziehung, sondern auch im sozialen Bereich. Sozialethik ist deshalb eine christliche Angelegenheit und war es schon immer. Nicht umsonst hat der Gottesbezug sogar Eingang ins Grundgesetz gefunden.

Dass das christliche Freiheitsverständnis ein anderes als das landläufige ist, darin stimme ich dir zu. Das bedeutet für mich aber nicht, das landläufige als schicksalhaft und unabänderlich gegeben zu betrachten, sondern im Gegenteil das christliche als Angebot und Einladung immer wieder auszusprechen und seinen Mehrwert als Alternative zum landläufigen Freiheitsverständnis in die Diskussion einzubringen. Es könnte ja sein, dass ein Staat, der das christliche Element komplett ignoriert, sich eben dadurch ins Unglück stürzt (wie es bereits Israel und seinen Königen im Alten Testament in Bezug auf ihre zweifelhafte Gottesbeziehung immer wieder vorgeworfen wird).

Aus dieser Perspektive kann ich nicht anders, als auf das zu "hören", was ich der christlichen Botschaft entnehme, und das "Hören" auf irgendwelche Staaten oder Staatslenker erscheint mir gerade nach dem Erleben dieses Krieges als geradezu absurd - was nicht bedeutet, dass ich politische Einschätzungen nicht mehr wahrnehme, aber ich teile ihre Bewertung durch säkulare Institutionen meistens nicht. Die politische Logik und die des Krieges ist meistens eine andere als die christliche. Das kann mich aber nicht dazu bewegen, die christliche Logik zugunsten der politischen aufzugeben (Logik verstehe ich hier nicht als formale Logik, also als Folgerichtigkeit und Wiederspruchsfreiheit der Denkoperationen, sondern als inhaltliche Logik, als die dem Denken zugrunde liegenden Wertmaßstäbe).

Sollte dieser Krieg wirklich zu einem Weltkrieg eskalieren, was ich nicht hoffe, was aber auch nicht auszuschließen ist, dann wird man danach sehr wahrscheinlich die Kirchen fragen, warum sie nicht deutlich davor gewarnt und auf Alternativen zur Eskalation hingewiesen haben, und die Kirchen müssten erneut ihre Schuld bekennen wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Es geht mir ja auch nicht darum, den Krieg einfach mit einer Kapitulation der Ukraine zu beenden, sondern Verhandlungen über einen Waffenstillstand überhaupt einmal ernsthaft zu beginnen und aus der Spirale der immer tödlicheren und die Eskalation geradezu herbeirufenden Waffenlieferungen auszubrechen. Das kann doch eigentlich nicht zu viel verlangt sein - es sei denn, man ist eben zu keinerlei Zugeständnissen bereit und muss dann wirklich bis zum Sieg Krieg führen (falls dieser überhaupt zu erreichen ist, was von vielen Experten auch bezweifelt wird).

Viele Grüße
Klaus
2023-02-14 11:08:21
Hallo Michael,

danke für deine positive, Hoffnung machende Perspektive. Die "messianische Kraft", die ja eine messianische Zukunftsperspektive impliziert, fehlt uns wirklich, auch wenn sie nur eine schwache Kraft sein kann. Aber hoffnungsvoll stimmt die Annahme, dass diese schwache Kraft sich gegenüber all der vor Stärke und Kraft nur so strotzenden staatlichen Propaganda auf beiden Seiten und ihren Betreibern durchsetzen kann.

Weisheit beinhaltet nach alttestamentlichem Verständnis auch die Fähigkeit, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Diese Fähigkeit ist dem Menschen nicht von Natur aus gegeben, sondern sie kann in der Gottesbeziehung wachsen bzw. Menschen können von Gott mit dieser Fähigkeit begabt werden. Insofern gibt es immer Hoffnung auf weises Verhalten - auch dann, wenn davon bis jetzt wenig zu sehen ist.

Viele Grüße
Klaus
2023-02-15 18:19:25
Hallo Klaus,

zum Thema "politische Dimension des Christentums". Hier werden wir keine gemeinsame Linie finden. Für mich ist individuell durchaus etwas anderes als privat. Und natürlich hat individuelle Ausrichtung am Christentum auch eine politische Wirkung. Der barmherzige Samariter als Figur handelt individuell, hilft dem, der unter die Räuber gefallen ist, aber er hilft und bezahlt selbst. Trotzdem ist das politisch und sind Leute, die so handeln, auch heute noch politisch. Jesus hat die damalige Kirche kritisiert, damit natürlich auch gesellschaftliche Wirkung gehabt, war aber kein politischer Revolutionär. Der erfahrene Machtmensch Pilatus hat das laut biblischer Überlieferung auch sehr schnell erkannt.

Und wenn Jesus davon spricht, man sollte dem Feind auch die andere Wange hinhalten, ist auch das für mich individuell zu versteht. Es geht nicht etwa darum, die Wange eines Dritten hinzuhalten, also wenn ein Angreifer die Krim besetzt und die Mariupol verwüstet hat, ihm auch noch Kiew hinzuhalten.

Christliche Politikberater dagegen standen mindestens genau so oft auf der falschen wie auf der richtigen Seite. Selbst heute noch ist vom rechten Rand der CDU bis hin zum linken Rand von SPD und Grünen alles Mögliche christlich begründbar und wird auch so begründet.

Das organisierte Christentum in Deutschland ist im Abwärtstrend. Der organisierte Islam in Deutschland dagegen befindet im Aufwind, und der Islam ist von Anfang an auch strukturell politisch gewesen.

Wenn es nach mir ginge, würde in Deutschland ein bewusst säkularer Staat angestrebt, wie in Frankreich auch. Meiner Meinung nach wäre das auch gut für das Christentum, das als politische Religion, anders als der Islam, komplett ungeeignet ist.

Viele Grüße

Thomas
2023-02-15 21:31:12
Hallo Thomas,

im Grunde ist Deutschland ja schon ein säkularer Staat - auch wenn es noch manche Verquickung zwischen Staat und Kirchen gibt, die aber wohl demnächst nach dem Koalitionsvertrag abgebaut werden, jedenfalls die aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts stammenden Staatsleistungen an die Kirchen. Im übrigen hielte ich eine freikirchliche Organisation der Kirchen für gar nicht übel.

"Individuell" habe ich nicht mit "privat" gleichgesetzt. Dass Jesus ein politischer Revolutionär war, habe ich auch nicht behauptet - er war es nicht, aber er war auch nicht unpolitisch. Auch dass ich die Wange eines Dritten hinhalte, damit dieser geschlagen werden kann, ist nicht meine Meinung. Allerdings erscheint es mir so, dass wir genau das tun, solange wir die Ukraine "unsere Freiheit verteidigen" lassen, wie immer wieder gesagt wird. Das ist ein typischer Stellvertreterkrieg - der andere muss seine Wange hinhalten, damit wir unsere nicht hinhalten müssen.

Alles andere zu dem Thema habe ich oben bereits geschrieben. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Viele Grüße
Klaus
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