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Der christliche Fundamentalismus und seine Folgen

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Der christliche Fundamentalismus und seine Folgen
Geschichte – Ausprägungen – Bewertung
Klaus Straßburg | 24/05/2024

Wer schon einmal mit einem christlichen Fundamentalisten diskutiert hat, weiß, dass er sich wappnen muss. Ein Fundamentalist tritt mit großem Selbstbewusstsein auf und kann seine Thesen mit Bibelstellen belegen. Wenn man nicht genauso selbstbewusst und bibelfest entgegnen kann, hat man schlechte Karten. Ein solches Gespräch kann sehr verunsichern.

Aber woher kommt eigentlich der christliche Fundamentalismus? Wo liegen seine Wurzeln? Welche Lehren vertritt er in seiner protestantischen Variante? Und wie kann man ihm angemessen entgegnen? Darum geht es in diesem Artikel. Er umfasst folgende Teile:

1. Der Glaube an die "auserwählte Nation"
2. Der politische Fundamentalismus in den USA
3. Der Zusammenhang zwischen religiösem und politischem Fundamentalismus
4. Der protestantische Fundamentalismus in Deutschland
5. Zwei Beispiele des nichtchristlichen Fundamentalismus
6. Theologische Bewertung des Fundamentalismus

Der Begriff "Fundamentalismus" entstand erst im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit religiösen Strömungen in den USA. Doch das mit diesem Begriff Gemeinte hat eine bezeichnende Vorgeschichte, auf die wir nun zuerst einen Blick werfen.


1. Der Glaube an die "auserwählte Nation"

Zwischen 1629 und 1740 wanderten über zwanzigtausend reformierte Gläubige von England nach Amerika aus und siedelten sich im Norden der amerikanischen Ostküste an, dem sogenannten "Neuengland".1 Die Gläubigen forderten eine Reinigung (engl. purification) der Kirche von römisch-katholischen Lehren und wurden deshalb "Puritaner" genannt.

Was sie nach Amerika mitbrachten, waren die apokalyptischen Bilder vom Kampf zwischen Christus und dem "Anti-Christus" (Antichrist), zwischen der wahren und der falschen Kirche. Außerdem glaubten sie daran, dass Jesus Christus bald auf die Erde zurückkehren und ein tausendjähriges Friedensreich aufrichten werde. Vor diesem Friedensreich aber gebe es einen militärischen Endkampf auf Leben und Tod. So segneten die puritanischen Prediger noch vor ihrer Auswanderung die Truppen Oliver Cromwells (gest. 1658) als "Soldaten Christi", und zwar für ihren Kampf gegen die Truppen des Antichristen – so nannte man die Truppen des Königs Karl I. Cromwells Truppen siegten, und der König wurde hingerichtet. In Irland ging Cromwell brutal gegen die Katholiken vor und ist deshalb noch heute dort verhasst.

Nach ihrem Sieg hatten die auswanderungswilligen Puritaner den Eindruck, dass jetzt die Weitergabe des protestantischen Glaubens in Amerika ihre Bestimmung sei. Der in Amerika geborene Erweckungsprediger Jonathan Edwards (gest. 1758) verkündete, dass durch die Bekehrung Amerikas das "Reich des Satans" auf der ganzen Welt überwunden werde. Das weiße, angelsächsische, puritanische Amerika verstand sich als die überlegene Nation, die mit Gott auf ihrer Seite den Sieg davontragen würde.

Wie Israel von Gott aus der ägyptischen Sklaverei befreit worden war, so fühlten sich die Auswanderer von der Unterdrückung im feudalistischen, absolutistischen und staatskirchlichen Europa befreit. Freiheit und Selbstbestimmung galten als die amerikanischen Errungenschaften und als das politische Heil, das diese "auserwählte Nation" der Welt zu bringen habe. Dazu aber müssten die Feinde dieser Nation vernichtet werden, so wie das ägyptische Heer, vor dem Israel am Schilfmeer gerettet worden war.

Die Vorstellung von der "auserwählten Nation" blieb durch die Jahrhunderte hindurch in den USA erhalten. Deren zweiter Präsident, John Adams (gest. 1826), schrieb 1813 an Thomas Jefferson (gest. 1826):

Viele hundert Jahre müssen vergehen, bevor wir verdorben sein werden. Unsere reine, tugendhafte, gemeinschaftsorientierte, föderative Republik wird für immer bestehen, den Globus regieren und die Vollkommenheit des Menschen einführen.2

Thomas Jefferson selbst, Adams' Nachfolger im Präsidentenamt, verstand die USA als "die unschuldige Nation in einer bösen Welt."2


2. Der politische Fundamentalismus in den USA

Von der Zeit der puritanischen Auswanderer an bis heute ist die politische Philosophie der Vereinigten Staaten von dem Sendungsbewusstsein bestimmt, die Welt vom Bösen befreien zu müssen.3 Die Aussagen verschiedener Präsidenten zeugen davon. Der 28. Präsident der USA, Woodrow Wilson (gest. 1924), ging davon aus, dass das amerikanische Volk "das grenzenlose Privileg habe, seine Bestimmung zu erfüllen und die Welt zu retten".4 John F. Kennedy (gest. 1963) und sein Nachfolger Lyndon B. Johnson (gest. 1973) bekannten sich zum "messianischen Glauben" der Vorväter. Und Richard Nixon (gest. 1994), der den Vietnamkrieg so lange wie möglich weiterführte, verkündete, dass

unser Glaube mit Kreuzzugseifer erfüllt werden müsse, um die Welt zu verändern und die Schlacht um die Freiheit zu gewinnen.4

Wer sich selbst auf der Seite des Guten wähnt und die Welt vom Bösen erlösen will, muss dem Bösen einen Namen geben. Dementsprechend sprach Präsident Ronald Reagan (gest. 2004) von der Sowjetunion als dem "Reich des Bösen", und George W. Bush (geb. 1946) fand nach dem Untergang der Sowjetunion eine Gruppe von Staaten, die er als "Achse des Bösen" und "Schurkenstaaten" bezeichnete. Er wollte die Völker "zur Demokratie erlösen" und erklärte seinen Krieg gegen den Irak als göttliche Mission:

Freiheit ist nicht ein Geschenk der USA an die Völker, sondern ein Geschenk Gottes an die Menschheit.5

Hintergrund des Glaubens von Bush ist die schon erwähnte Lehre vom tausendjährigen Reich. Es sei die Bestimmung der USA, diesem Reich durch einen Endkampf gegen das Böse den Weg zu bereiten.

Schließlich hat auch Bill Clinton (geb. 1946) die Mission der USA für die gesamte Welt bestätigt:

Amerika muss weiterhin die Welt anführen, für die wir so viel getan haben. [...] Amerikas lange, heroische Reise muss immer weiter nach oben führen.6

All diese Zitate amerikanischer Präsidenten belegen, wie sehr in den Vereinigten Staaten der Mythos gepflegt wird, eine endzeitliche Rolle in der Weltgeschichte zu spielen, das heißt den Endkampf der Guten gegen die Bösen zu kämpfen. Dafür wird sogar eine Zerstörung der Welt in Kauf genommen. Ronald Reagan sprach ausdrücklich von einer nuklearen Katastrophe, die "unsere Generation" treffen könnte.7 Der "doomsday", der Weltuntergang, ist offensichtlich die Kehrseite des politischen Sendungsbewusstseins, die Welt vom Bösen zu befreien.

Dass dieses Sendungsbewusstsein keine fixe politische Idee, sondern tief in der Kultur der Vereinigten Staaten verankert ist, zeigt jeder Ein-Dollar-Schein. Auf dem Siegel der USA steht der lateinische Satz: "Novus ordo seclorum" – neue Ordnung der Zeitalter. Mit anderen Worten: Die Vereinigten Staaten wurden für eine neue Weltordnung gegründet. Und kaum ein anderes Wort beschreibt dieses Bewusstsein deutlicher als die Sätze von Herman Melville in seinem Roman "Moby Dick" von 1851:

Wir Amerikaner sind das besondere auserwählte Volk – das Israel unserer Zeit; wir tragen den Bogen der Freiheiten der Welt [...] Lange genug waren wir Skeptiker uns selbst gegenüber und bezweifelten, ob tatsächlich der politische Messias gekommen war. Aber er ist in uns gekommen, wenn wir nur seinen Eingebungen Ausdruck verleihen würden.7


3. Der Zusammenhang zwischen religiösem und politischem Fundamentalismus

Es ist schon ansatzweise deutlich geworden, dass religiöser und politischer Fundamentalismus in Zusammenhang miteinander stehen können.8 Jedenfalls gehört zum amerikanischen Fundamentalismus die Tendenz zu einer konservativen politischen Überzeugung, die versucht, ihre politische Gesinnung systematisch und durch politische Institutionen durchzusetzen. Die fundamentalistische Bewegung in den USA ist durch sogenannte "fundamentals" geprägt, das heißt durch fundamentale Lehren, die angeblich unwiderruflich zum christlichen Glauben dazugehören. Fünf solcher Lehren lassen sich nennen:

  • Die ganze Bibel ist absolut irrtumslos.
  • Jesus wurde von einer Jungfrau geboren.
  • Jesus starb als stellvertretendes Sühnopfer für unsere Sünden.
  • Es gibt eine Auferstehung des Leibes zum ewigen Leben.
  • Vor dem Jüngsten Gericht wird Jesus Christus wiederkommen und sein tausendjähriges Friedensreich aufrichten.

Diese fünf Punkte sind nicht alle schlichtweg falsch. Es kommt aber sehr darauf an, wie man die biblischen Aussagen dazu interpretiert. Geht es der Bibel zum Beispiel entscheidend darum, dass Maria eine Jungfrau war, als Jesus geboren wurde, oder geht es um die Aussage, die damit über Jesus gemacht werden soll: dass er nämlich nicht einfach ein Mensch wie alle anderen war, sondern zugleich Mensch und Gott? Was das bedeutet, muss natürlich auch wieder diskutiert werden.

Man landet also schnell beim Bibelverständnis, wenn man mit Fundamentalisten diskutiert. Denn mit der These von der absoluten Irrtumslosigkeit der Bibel wendet sich der Fundamentalismus gegen alles, was er für eine Relativierung der Autorität der Bibel hält, vor allem durch die wissenschaftliche Bibelauslegung mit Hilfe der historisch-kritischen Methode. Diese Methode untersucht die biblischen Texte auf ihre historische Entstehung hin und versteht die Bibel nicht als in einem Guss aufgeschriebenes Buch, das den schreibenden Menschen wortwörtlich vom heiligen Geist eingeflüstert wurde.

So wendet sich der Fundamentalismus auch gegen die Urknalltheorie und die Entwicklung der Lebewesen innerhalb von Jahrmillionen und hält an der Vorstellung von der Schöpfung in sieben Tagen fest, wie es im 1. Buch Mose bzw. Exodus beschrieben ist.

Wie sich biblische Vorstellungen auf politische Themen auswirken, zeigt folgendes Beispiel. Nicht wenige amerikanische Fundamentalisten glauben: Weil die Bibel keine Irrtümer enthält, gibt es einen Zusammenhang zwischen dem tausendjährigen Reich und dem Martyrium der Glaubenden, wie es im biblischen Buch der Offenbarung beschrieben ist. Bevor das Reich Christi anbricht, findet demnach ein Endkampf der Glaubenden gegen die Feinde des Glaubens statt, im dem viele Glaubende sterben und zu Märtyrern werden. Der Tod amerikanischer Soldaten, die im Krieg gegen das Böse gefallen sind, ist demnach ein Märtyrertod. Die Gefallenen haben mit ihrem Tod der Herbeiführung des tausendjährigen Reiches gedient.

Der jährlich in den USA gefeierte Memorial Day ist der Gedenktag für die Gefallenen. Er fand erstmals 1864 im Gedenken an den letzten Gefallenen der Schlacht von Gettysburg im amerikanischen Bürgerkrieg statt. Seitdem werden jährlich am Memorial Day die Gräber der amerikanischen Gefallenen geschmückt, und die Veteranenverbände demonstrieren in den Straßen. Der 16. Präsident der USA, Abraham Lincoln (gest. 1865), hat von den in Gettysburg Gefallenen gesagt: "Sie gaben ihr Leben, damit die Nation lebe." Und er fügte hinzu:

Wir sind überzeugt davon, dass diese Toten nicht umsonst gestorben sein werden; dass diese Nation unter Gott eine neue Geburt der Freiheit erleben wird und dass diese Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk nicht von der Erde verschwinden wird.9

Die zunächst noch relativ kleinen Vereinigten Staaten dehnten sich im Jahr 1803 massiv nach Westen hin aus, indem sie Land von Napoleon kauften. Die Eroberung des Westens und die weitgehende Ausrottung der indianischen Ureinwohner begann. Religiös wurde das dadurch untermauert, dass man die Indianer tötete und vertrieb, so wie es Israel bei der Einnahme des Gelobten Landes mit der dortigen Bevölkerung getan hatte. Man rechtfertigte das mit der für die USA geltenden "manifest destiny", der offensichtlichen Bestimmung. Es gehöre zur göttlichen Bestimmung der USA, den Kontinent zu erobern. Der Erweckungsprediger Lyman Beecher (gest. 1863) erklärte, die Vereinigten Staaten seien dazu bestimmt, "den Weg in die moralische und politische Emanzipation der Welt zu weisen".10

Bis heute gehören solche Überzeugungen zur US-amerikanischen Kultur. Die 1995 erstmals erschienenen Bestseller "The late great Planet Earth" von Hai Lindsay erzählen von der Endschlacht im Tal von Armagedon. Der Ort beschreibt die Gegend des israelischen Meggido und wird in der Bibel ein einziges Mal erwähnt (Offb 16,16). An diesem Ort werden der Bücher von Lindsay nach die antichristlichen Armeen aus Russland und China mit US-Atombomben vernichtet. Danach soll Christus erscheinen und sein tausendjähriges Reich errichten. Lindsay war Nahostberater von Präsident Reagan.


4. Der protestantische Fundamentalismus in Deutschland

Der in Amerika entstandene Fundamentalismus ging auch an Europa nicht vorbei.11 In Deutschland gab es innerhalb des Protestantismus im 18. und 19. Jahrhundert verschiedene pietistische Strömungen und Erweckungsbewegungen, welche die Bibel in den Mittelpunkt stellten und die persönliche Frömmigkeit der Christinnen und Christen hervorhoben. Heute wird diese Glaubensrichtung eher "evangelikal" genannt.

Aber nicht jeder Evangelikale ist auch Fundamentalist. Es gibt zwar viele Berührungspunkte zwischen Evangelikalen und Fundamentalisten, zum Beispiel die grundlegende Bedeutung der Bibel und die persönliche Frömmigkeit. Seit einigen Jahren wird aber eine sogenannte neue evangelikale Bewegung stärker, welche die Bibel hochachtet, sie aber dennoch nicht als wortwörtlich inspiriert versteht, sondern ihren – von Gott geleiteten – geschichtlichen Entstehungsprozess über viele Jahrhunderte ernst nimmt. Der "Worthaus"-Verein, der 2010 gegründet wurde und mit Videos, Podcasts und Tagungen viele Menschen erreicht, kann als Beispiel für die neue evangelikale Bewegung stehen. Sie wird von den fundamentalistischen Evangelikalen misstrauisch beäugt und zum Teil bekämpft.

Als fundamentalistische bzw. dem Fundamentalismus nahestehende Institutionen in Deutschland können zum Beispiel gelten
  • die 1966 entstandene Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium"
  • die fundamentalistische Studiengemeinschaft "Wort und Wissen"
  • einige Bibelschulen
  • der Pressedienst "IDEA" mit seiner wöchentlichen Zeitschrift "IDEA", früher "idea Spektrum"
  • der Evangeliumsrundfunk (ERF)


5. Zwei Beispiele des nichtchristlichen Fundamentalismus

Werfen wir einen kurzen Seitenblick auf zwei nichtchristliche Fundamentalismen.12 In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte der religiös-politische Fundamentalismus vielerorts einen Aufschwung. Ein Beispiel ist die Wahl Menachem Begins zum Premierminister Israels im Jahr 1977. Die streng religiösen Gruppierungen in Israel erlangten nun auch politische Bedeutung. Die konservative Regierung gründete, unterstützt von den streng religiösen Kräften, zahlreiche neue Siedlungen in den von Israel besetzten Palästinensergebieten und begründete dies auch damit, dass diese Gebiete nach biblischer Aussage dem von Gott auserwählten Volk Israel zugesprochen worden seien.

Heute noch werden solche Maßnahmen von der israelischen Regierung Benjamin Netanjahus religiös begründet. In der Regierung sitzen Vertreter extremer religiöser Richtungen, die ihre nationalen Interessen und Gebietsansprüche religiös begründen und das ganze Land einnehmen möchten, weil es Israel laut Bibel von Gott zugesprochen sei. Andererseits gibt es extreme palästinensische Gruppen, zu denen auch die radikale Hamas gehört, die das ganze Land für die Palästinenser beanspruchen und Israel vernichten wollen. Wie man gegenwärtig sieht, ist zwischen solch extremen Standpunkten keine Einigung möglich, was zu Gewalt und Krieg führt.

Die Hamas gehört zu den fundamentalistischen Gruppierungen des Islam. Im Jahr 1979 rief Ayatollah Khomeini in Teheran die Islamische Republik aus, deren Staatsoberhaupt er bis zu seinem Tod im Jahr 1989 war. Die Islamische Republik ist ein Gottesstaat, das heißt, in ihr gelten keine weltlichen, sondern die göttlichen Gesetze des Korans. Wie diese zu interpretieren sind, entscheiden letztlich die geistlichen Führer des Landes. Das höchste Amt im Staat bekleidet ein islamischer Rechtsgelehrter, der auch Religionsführer genannt wird. Der sogenannte Wächterrat besteht aus zwölf religiös-fundamentalistischen Mitgliedern. Diese zwölf Männer wachen darüber, ob die Gesetze und deren Ausführung mit dem Koran übereinstimmen oder nicht. Außerdem bestimmen sie, wer zu Wahlen zugelassen wird und wer nicht. Der Iran ist also keine Demokratie, sondern ein Staat, in dem wenige religiöse Fundamentalisten das Sagen haben.

Der Iran ist streng antiwestlich orientiert und unterstützt bis heute die Hamas sowie die Hisbollah im Libanon und die Huthis im Jemen – alles politisch-militärische Gruppen, die sich die Vernichtung Israels zum Ziel gesetzt haben. Der islamistische Fundamentalismus breitete sich nach der Revolution im Iran über viele muslimische Staaten aus. Er macht auch immer wieder von Terrorakten in aller Welt von sich reden.


6. Theologische Bewertung des Fundamentalismus

Der Fundamentalismus ist ein breit gefächertes Phänomen. Darum konnte die Darstellung nur eine erste Orientierung bieten. Manches müsste ergänzt, anderes differenzierter dargestellt werden. Fundamentalismus muss auch nicht zwangsläufig zu Gewaltanwendung führen. Es gibt Fundamentalisten, die jede Gewalt strikt ablehnen. Fundamentalisten sind auch keine Unmenschen. Viele von ihnen wollten sicher Gutes für die Menschheit. Sie waren aber, wie wir alle, nicht gefeit gegen extremistische Ideologien und Irrtümer.

Weil wir alle davon bedroht sind, kann es nicht darum gehen, fundamentalistisch denkende Menschen pauschal zu verurteilen, sehr wohl aber darum, ihre Lehren und ihr Handeln der Kritik zu unterziehen. Eine der Hauptlehren des religiösen Fundamentalismus ist die Vorstellung von der absoluten Irrtumslosigkeit eines heiligen Buches, sei es die Bibel oder der Koran. Es könnte sein, dass gerade diese Hauptlehre das gefährliche Einfallstor für extreme Ideologien und für Gewalt ist.

Christliche Fundamentalisten gehen davon aus, dass jedes einzelne Wort der Bibel den Schreibern der biblischen Texte vom Geist Gottes eingegeben wurde. Fundamentalisten meinen also, man müsse sich, wenn man die Wahrheit sucht, nur an die biblischen Texte halten. Diese Texte sagen klar und deutlich, was wahr ist und was unwahr, was richtig und was falsch ist. Wenn man sich nur an diese Texte halte, dann habe man die Wahrheit. Darum gehen christliche Fundamentalisten davon aus, dass sie im Besitz der Wahrheit sind. Jeder, der etwas anderes behauptet als sie selbst, sei im Irrtum.

Eine solche Auffassung übersieht, dass kein Mensch allein die Wahrheit hat, sondern jeder nur einen Teil der Wahrheit erkennen kann und außerdem nicht vor Irrtümern sicher ist. Gegen Irrtümer kann zwar das Lesen der Bibel helfen; aber weil jedes Lesen schon ein Interpretieren ist, garantiert auch das Lesen allein nicht, die Wahrheit zu kennen. Zur treffenden Interpretation eines biblischen Textes und zu seiner Bedeutung für die heutige Zeit führt nicht einfach die geistige Arbeit eines Menschen, sondern der Geist Gottes – der "Geist der Wahrheit", der uns "in die ganze Wahrheit leitet" (Joh 16,13).

Mit anderen Worten: Die Wahrheit muss uns offenbart werden. Wir finden sie nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit Hilfe der Kraft Gottes. Gegen Irrtümer hilft nur Gottes Geist und der feste Wille des Menschen, diesen Geist in sich wirken zu lassen. Gottes Geist in sich wirken zu lassen heißt aber, sich immer wieder selbst hinterfragen zu lassen. Es heißt, keiner religiösen oder politischen Ideologie fraglos zu folgen. Darum schrieb Paulus (2Kor 3,4-6):

Ein solches Vertrauen haben wir durch Christus zu Gott. Nicht, dass wir von uns selbst her fähig wären, etwas zu ersinnen, gleichsam aus uns selbst heraus. Sondern unsere Fähigkeit kommt von Gott, der uns fähig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes; denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

Das ist nicht weniger als biblische Kritik an einem Buchstabenglauben. Der Buchstabe der Bibel tötet, weil er allein nicht die Wahrheit Gottes enthält. Kein Wort und kein Buch kann die Fülle Gottes in sich fassen. Wer sich daher allein auf die Bibel beruft, ohne zugleich auf Gottes Geist zu hören, findet in der Bibel nicht das Leben, sondern nur tödliche Worte. Umgekehrt lauert aber dieselbe Gefahr: Wer sich allein auf irgendwelche geistliche Offenbarungen beruft, ohne die Bibel zu Rate zu ziehen, findet in diesen angeblichen Offenbarungen nicht das Leben, sondern nur tödliche Ideologien.

Was also sollen wir tun? Wir sollen die Bibel ernst nehmen und zugleich darum bitten, dass der Geist Gottes uns die Bibel erschließe. Wir sollen in der Bibel lesen und zugleich darum wissen, dass wir sie falsch verstehen könnten. Wir sollen uns eingestehen, dass wir uns irren können, und unser Verständnis der biblischen Worte immer wieder hinterfragen lassen – von anderen biblischen Worten, von anderen Christinnen und Christen, von allen Menschen, die uns Fragen stellen und von unseren Lebenserfahrungen. Nur wer sich hinterfragen lässt, kann in der Erkenntnis wachsen.

Es geht dabei nicht um die Relativierung der Autorität der Bibel, sondern um die Relativierung jeder Auslegung der Bibel. Und es geht um die Einsicht, dass Gott durch Schriften zu uns spricht, die inmitten der Geschichte durch menschliche Gedanken und geschichtliche Entwicklungen entstanden sind. Gottes Geist bedarf keiner wortwörtlichen Einflüsterungen; er spricht zu uns durch geschichtliche Ereignisse – so, wie Gott sich uns in der Geschichte des Menschen Jesus kundgetan hat.

Sich selbst beständig hinterfragen zu lassen, macht unsicher. Unsicherheit ist aber nicht jedermanns Sache – vor allem nicht in Glaubensdingen. Das fundamentalistische Selbstbewusstsein, diese scheinbare Sicherheit, erscheint mir manchmal nur als verbrämte Unsicherheit: Weil man im Tiefsten unsicher ist, hält man verkrampft an der scheinbaren Sicherheit des biblischen Buchstabens fest. Doch in Glaubensdingen gibt es keine schwarz auf weiß belegbare Sicherheit. Es gibt nur eine innere Gewissheit, die uns von Gott geschenkt wird.

Diese Gewissheit ist nicht abhängig von Buchstaben, die schwarz auf weiß vor uns stehen, sondern vom Geist Gottes, den wir nicht zu fassen kriegen. Buchstaben können wie ein Beweis der Wahrheit sein. Gottes Geist aber kann kein Beweis sein. Darum gibt es für die Wahrheit des christlichen Glaubens keinen eindeutigen Beleg – außer den Geist Gottes selbst, der in uns wirkt (Röm 8,16). Dieser Geist kann in uns eine Gewissheit schaffen, die stärker ist als alles scheinbar sichere und bewiesene Wissen.

Zur Gewissheit des Glaubens gehört, dass wir trotz aller Unsicherheit von Gott angenommen und geliebt und bei ihm mit all unserer Unsicherheit herzlich willkommen sind.

Bezüglich der Folgen des christlichen Fundamentalismus ist deutlich geworden, dass er nicht selten Nationalismus und Gewalt mit sich brachte. Die Puritaner übertrugen die Aussagen der Johannesapokalypse, auch "Offenbarung" genannt, 1:1 auf sich selbst: Sie hielten sich für die von Gott Auserwählten, die den Kampf zwischen Christus und dem Antichristen zu führen hätten, einen militärischen Endkampf auf Leben und Tod. Als sie militärische Erfolge errungen hatten, fühlten sie sich berufen, der ganzen Welt Frieden zu bringen, indem sie als die überlegene Nation das "Reich des Satans" militärisch besiegen – so wie das ägyptische Heer am Schilfmeer vernichtet wurde.

Es wird deutlich, dass dieses ungeheure Erwählungs-, Sendungs- und Siegesbewusstsein dadurch entstand, dass man die biblischen Aussagen, die fast 2.000 Jahre zuvor in völlig anderen historischen Verhältnissen aufgeschrieben wurden, auf sich selbst übertrug. Dass nach den Aussagen der Bibel Israel Gottes auserwähltes Volk ist und dass in der Bibel unbestimmt bleibt, wer eigentlich der Antichrist ist, wurde dabei vollständig ignoriert. So war es möglich, dass man jeden, den man als Feind ansah, mit dem Antichristen gleichsetzte.

Das ist die Gefahr, wenn man die biblischen Texte aus ihrem historischen Kontext löst und bruchlos auf sich selbst, den eigenen Glauben und das eigene Volk überträgt. Man kann dann zu einer Selbstgewissheit kommen, in der man sich allen anderen überlegen fühlt. Man selbst gehört zu den Guten, der auserkorene Feind aber zu den Bösen.

Vom Erwählungs- und Sendungsbewusstsein eines Volkes ist es nur ein kleiner Schritt zu Nationalismus und Gewalt. Wenn ein Volk hingegen seine Sendung im Sinne der Bibel versteht, muss jeder selbstbezogene Nationalismus abgelehnt werden. Denn dann geht es nicht um die eigene Nation, sondern darum, den göttlichen Frieden für jedes Volk auf Erden durchzusetzen, und zwar nicht mit Gewalt, sondern auf dem Weg der Nächstenliebe. Jürgen Moltmann formuliert mit Blick auf Amerika (und hier durch meine Interpretation ergänzt):

Als ein humaner Traum ist der "American dream" ein guter und notwendiger Traum; als ein bloß "amerikanischer Traum" aber wird dieser humane Traum in sein Gegenteil verkehrt. Im Grunde liegt diese Zweideutigkeit schon im Erwählungs- und Sendungsbewusstsein Israels vor: Ist Israel von Gott erwählt, um ein "Licht der Völker" zu sein [für die Völker da zu sein; Jes 49,6], oder sind die Völker dazu bestimmt, ihr Licht in Israel zu finden [sich Israel einzuordnen]? Geht es Gott mit Israel um die Völker [um das Wohlergehen der Völker, dem sich Israel unterzuordnen hat] oder mit den Völkern um Israel [um das Wohlergehen Israels, dem sich die Völker unterzuordnen haben]? Dahinter steht die entscheidende Frage: Wie kann ein universales Anliegen [der Einsatz für das weltweite Friedensreich Gottes] durch etwas Partikulares [ein einzelnes Volk] vertreten werden, ohne dass dieses Partikulare [dieses einzelne Volk] sich entweder selbst für das Universale [das Friedensreich Gottes] hält oder sich selbst auflöst [indem es sich ganz an das Friedensreich Gottes hingibt]?13

Bis heute wird ein politisiertes Christentum gepflegt, zum Beispiel von Donald Trump, der mit der Bibel in der Hand posiert und fordert, Amerika wieder großartig und mächtig zu machen. Aber nicht nur in den USA wird diese Ausnahmestellung der eigenen Nation vertreten.

Vergessen wird dabei ein wesentlicher Aspekt jedes christlichen Glaubens und jeder biblischen Ethik: dass sie quer zu allen politischen Ideologien, Konzepten und Programmen stehen. Der christliche Glaube hat seine eigene Weltanschauung und Ethik. Er eignet sich deshalb nicht dafür, von irgendwelchen bevorzugten Weltanschauungen und Ethiken vereinnahmt zu werden.


* * * * *


Quellennachweise:
1 Zu diesem Kapitel siehe Moltmann: Politische Theologie, S. 107-109
2 Moltmann: Politische Theologie, S. 109. Dieses Zitat wie auch viele der folgenden Zitate stehen bei Moltmann im amerikanischen Original. Die Übersetzungen habe ich mit Google Übersetzer angefertigt und nachbearbeitet.
3 Zu diesem Kapitel siehe Moltmann: Politische Theologie, S. 103-107. Ich folge der Darstellung Moltmanns, der sich auf diverse amerikanische Literatur und Zeitungsartikel bezieht.
4 Moltmann: Politische Theologie, S. 105
5 Moltmann: Politische Theologie, S. 103f
6 Moltmann: Politische Theologie, S. 116
7 Moltmann: Politische Theologie, S. 106
8 Zu diesem Kapitel siehe Kienzler: Der religiöse Fundamentalismus, S. 29f und Moltmann: Politische Theologie, S. 109-112.118f
9 Moltmann: Politische Theologie, S. 110
10 Moltmann: Politische Theologie, S. 112
11 Zu diesem Kapitel siehe Kienzler: Der religiöse Fundamentalismus, S. 36-41
12 Zu diesem Kapitel siehe Kienzler: Der religiöse Fundamentalismus, S. 9f
13 Moltmann: Politische Theologie, S. 114

Verwendete Literatur:
  • Kienzler, Klaus: Der religiöse Fundamentalismus. Christentum, Judentum, Islam. C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung. Beck'sche Reihe Band 2031. München 1996.
  • Moltmann, Jürgen: Politische Theologie der modernen Welt. Gütersloher Verlagshaus in der Penguin Random House Verlagsgruppe München. Gütersloh 2021.

Foto: J F auf Pixabay.




9 Kommentare
Jochen
2024-05-30 23:56:25
Hallo Klaus,
also bezüglich des politischen Sendungsbewusstseins der USA will ich doch ein bischen den Artikel gegen den Strich bürsten. Von 1820 bis zum Kriegseintritt der USA in den ersten Weltkrieg verfolgten die USA die sog. "Monroe-Doktrin" einer auf Passivität ausgelegten Aussenpolitik. Der erste der mit dieser Politik brach war Präsident Woodrow Wilson mit eben dem besagten Kriegseintritt -- Wilson ist jetzt eher nicht gerade als religiöser Fundamentalist bekannt. Bis 1930 war die US-Bevölkerung dennoch mehrheitlich für die Beibehaltung der Monroe-Doktrin. Die Annahme eines politischen Sendungsbewußtseins von der Zeit der ersten Siedler bis heute ist so m. E. nicht haltbar. So haben wir es jedenfalls in Geschichte in West-Deutschland der 1980er Jahre gelernt. Dieses Detail finde ich deswegen interessant, weil Präsident Trump für seine vergleichsweise passive Rolle innerhalb der NATO etwa scharf kritisiert wurde. Trumps Vorstellung der Rolle der USA in der Welt enthält im Grunde weniger Sendungsbewußtsein als die seiner Vorgänger, dafür mehr Wirtschaftsprotektionismus.

Also was an Idea so schlimm sein soll erschießt sich mir nicht. Da gab es früher ein sehr gutes Leserforum mit ganz unterschiedlichen Meinungen, wo man viel lernen konnte. Da traf man auch auf Leute, die heute noch in Glaubensblogs schreiben. Schade dass es eingestellt wurde.
2024-05-30 23:57:30
Hallo Jochen,

Danke für deine Ergänzungen und die andere Sichtweise, die du zum Ausdruck bringst.

Bei meinen Aussagen zum US-Sendungsbewusstsein beziehe ich mich auf das Buch "Politische Theologie der modernen Welt" des Tübinger Theologen Jürgen Moltmann, der in den USA und darüber hinaus ein anerkannter Theologe war, die USA oft besuchte, vielfache Kontakte dorthin pflegte und dort sogar ein Jahr lang mit seiner Familie lebte und lehrte. Moltmann wiederum belegt seine Ausführungen mit verschiedenen amerikanischen Publikationen und Zeitungsartikeln. Mehr kann ich dazu nicht sagen, halte Moltmann, bei dem ich selber noch studierte, aber für glaubwürdig.

Dass Woodrow Wilson und andere von mir Genannte nicht gerade als religiöse Fundamentalisten gelten, ist mir klar. Ich wollte aber einen Aspekt der politischen Denkweise innerhalb der amerikanischen Kultur darstellen, die offenbar mit dem Fundamentalismus in Zusammenhang steht. So wird ja der gewiss nicht als Christ besonders aufgefallene Donald Trump bis heute von evangelikalen Kreisen in den USA stark unterstützt. Trump wie auch andere machen und machten sich das tief in der amerikanischen Kultur verankerte Sendungsbewusstsein für ihre politischen Ziele zunutze. "Make America great again" ist ja auch nicht ohne Sendungsbewusstsein.

Die Monroe-Doktrin, 1823 erlassen und später weiterentwickelt, sollte zunächst sicherstellen, dass Europa die nunmehr unabhängigen lateinamerikanischen Staaten nicht erneut kolonialisiert. Für den Fall, dass das geschehen würde, behielten sich die USA ein militärisches Eingreifen vor. Im 20. Jahrhundert wurde die Doktrin dahin erweitert, dass die USA nicht dulden würden, dass irgendeine Überseemacht auf dem amerikanischen Kontinent Fuß fasst. In der Kubakrise 1962 wurde dies auch mit militärischen Drohungen durchgesetzt. Dass dies eine passive Außenpolitik ist, sehe ich nicht.

Von "idea" kenne ich vor allem das "ideaSpectrum", das mir damals durch eine mir unerträgliche Ausländerfeindlichkeit aufgefallen ist. Ob sich "idea" heute anders orientiert, weiß ich nicht. Nach allem, was mir bekannt ist, kann man den Pressedienst schon als fundamentalistisch oder fundamentalistisch-nah einstufen. Aber da lasse ich mich gern eines Besseren belehren.
Jochen
2024-05-31 11:03:59
Hallo Klaus,
ich verstehe Trumps "Make America great again" in erster Linie innenpolitisch, seine Linie ist wesentlich wirtschaftsprotektionistisch, um Jobs in Amerika zu schaffen und zu erhalten. Beim Lesen Deines Artikels habe ich immer noch das Gefühl, dass der Artikel zu einseitig auf religiösen Fundamentalismus zugespitzt ist. Die Anfänge der USA wurden auch von den Gedanken der Aufklärung geprägt, noch heute findet in New York etwa die Steuben-Parade statt (kannst Du ja mal die Hintergründe recherchieren). Goldrausch, Ölrausch, Börsen-Spekulation, Sozial-Darwinismus haben in den USA ebenso ihre Spuren hinterlassen. Vieles kann oder muss man damals wie heute
mit Geld erklären. In Loretta Lynns "Coal miner's daughter" geht es auch um Geld - "a poor man's dollar", und um die Bibel in einer armen aber mit vielen Kindern gesegneten Familie. Evangelikal ist auch oft einfach echt, z. B. wenn es um Nachbarschaftshilfe geht, die auf dem Land traditionell oft mehr ausgeprägt als in den anonymen Städten. Wieviel Gutes da getan wurde weiss heute wohl nur Gott allein. (Link zu Loretta Lynn: https://www.youtube.com/watch?v=5VhOPHR47qE )
2024-05-31 19:04:38
Hallo Jochen,

dass die Anfänge der USA auch von Gedanken der Aufklärung bestimmt waren, ist ein wichtiger Hinweis. Ich habe das auch kurz angedeutet, aber den Gedanken nicht weiter verfolgt: "Wie Israel von Gott aus der ägyptischen Sklaverei befreit worden war, so fühlten sich die Auswanderer von der Unterdrückung im feudalistischen, absolutistischen und staatskirchlichen Europa befreit. Freiheit und Selbstbestimmung galten als die amerikanischen Errungenschaften und als das politische Heil, das diese 'auserwählte Nation' der Welt zu bringen habe." Man sieht daran, dass sich positive und negative Intentionen und Handlungsweisen miteinander vermischen können. Moltmann selbst äußert sich zum "American Dream" und der damit verbundenen Freiheit auch positiv, fühlte sich nach der elenden und beengten Nachkriegszeit in Deutschland, die er wohl sehr intensiv erlebte, sogar sehr davon angezogen. Wie du schreibst, haben natürlich viele Bewegungen ihre Spuren in den USA hinterlassen - positive wie negative. Mir ging es in meinem Artikel nur um den Beitrag des Fundamentalismus, der mir selbst neu war.

Ich will damit gar nicht jeden Fundamentalismus der politischen Verfehlungen beschuldigen und schon gar nicht das Evangelikale pauschal schlechtmachen. Es gibt ja auch einen "unpolitischen" religiösen Fundamentalismus. Und nicht jeder evangelikale Christ ist Fundamentalist.

Ich möchte aber auf Gefahren hinweisen, die fundamentalistisches Denken mit sich bringt, wenn es mit politischen Ideologien vermischt wird (man sieht das ja heute beim fundamentalistischen Islam). In den Gründerzeiten der USA scheint das jedenfalls sehr schlimme Folgen gehabt zu haben - was wiederum nicht bedeutet, dass alle Fundamentalisten damals ebenso dachten. Aber bei den Eliten scheint doch der Glaube an das "auserwählte Volk" und das damit verbundene Sendungsbewusstsein eine große Rolle gespielt zu haben - und ist offenbar bis heute im politischen Selbstverständnis der USA verankert, auch bei den säkularen Eliten. Das verstehe ich als einen gefährlichen Missbrauch des Namens Gottes für politische Ziele.
2024-06-03 11:34:57
Klaus nicht verurteilen ABER verstehen ist der Auftrag. und ganz wichtig antworten dort wo Ort und Zeit passen, das könnte evtl. dein Gegenüber zum Nachdenken aktivieren.
Den Versuch der Antwort in angemessener Form wagen ohne Überheblichkeit (!).
Sachgerecht Argumentieren kannst Du nur, wenn Du deine Argumente sorgfältig geprüft hast. Die Sache durchdacht hast.

Schlau sein d.h. viel reden weil Du glaubst Du (!) bist klug, ist kein guter Weg. Du kannst dir selbst vertrauen, wenn Du mit Gott im Reinen bist. Wenn Du dein Tun und dein Reden aufrichtig reflektierst nach besten Wissen und Gewissen. Ist der Anfang der Leitung durch Gott.

Frag nach den Sinnaussagen, den biblischen, und was dein Gegenüber eigentlich sagen sagt bzw. sagen will. Die Verpackung ist nicht der Inhalt!
Das gilt auch oder besonders für die biblischen Bücher AT und NT. Gottes Geist steckt in den Texten. Nicht die Wortoberfläche, die inneren Aussagen geben Dir Auskunft. Etliche biblische Bücher wurden mit dem Geist geschrieben. Wer mit seinen tatsächlichen (!) Herzens-Fragen liest, findet.
Gott offenbart sich in den Texten und im gesprochenen Wort, Predigt, wenn der Sprecher den Geist erhielt. Martin Luther, John und Charles Wesley, Dietrich und Klaus Bonhoeffer, u.a.
Klaus, dein Wille bewirkt gar nichts, Du kennst das Luther Wort?
Die Suche nach dem was der Autor der Prediger wirklich sagt, hilft und eigenes Tun reflektieren hilft.
2024-06-03 20:24:14
Ich stimme dir in den meisten Aussagen zu. Du scheinst mir aber Überheblichkeit zu unterstellen, ohne das ausdrücklich zu sagen. Um darauf antworten zu können, müsste ich konkret wissen, woran du das festmachst. Sachkritik an Bibelauslegungen und an der Herangehensweise an die Bibel muss nicht nur möglich sein, sondern ist unerlässlich. Ich unterscheide Sachkritik von persönlicher Kritik und Überheblichkeit.
2024-06-05 13:08:31
Lieber Klaus, ich unterstelle Dir keine Überheblichkeit! Aber ich glaube deine Definition von Fundamentalismus enthält ein unklares Bild. Z.B. dein Satz: „Weil wir alle davon bedroht sind […]pauschal zu verurteilen, sehr wohl aber darum, ihre Lehren [zu beurteilen]“
Niemand ist Irrtumslos, darum ist der Austausch das Gespräch notwendig. Versuche zu erkennen, wer mit dem Geist Gottes schrieb bzw. schreibt. Der Geist steckt im Text NICHT im Wort! UND ganz wichtig, den Geist erhält wer nach Christus fragt mit Fragen aus dem eigenen Herzen. NICHT die „Texte“, wie Du sie beschreibst geben Auskunft über richtig und falsch. Auskunft gibt dir dein Gewissen, wenn Du an dein Gewissen den Maßstab Gottes anlegst. Dann kannst Du dich von Gott leiten lassen. Voraussetzung ist, Christus begegnete Dir und Du pflegst diese Beziehung.
2024-06-05 14:10:31
eine Ergänzung zu deinem Punkt 4.
Ganz gleich in welcher Religions-Gemeinschaft ein Mensch lebt, er kann auf dem Weg zu Christus sein. Uns ist aufgegeben zu beurteilen. Und dieses Urteil begründet vortragen.
2024-06-05 19:41:47
Hallo Johanne,

vielen Dank für deine Stellungnahmen. Du schreibst: "Ganz gleich in welcher Religions-Gemeinschaft ein Mensch lebt, er kann auf dem Weg zu Christus sein." Dem stimme ich zu, und das habe ich auch immer wieder betont. Mit dem Beurteilen ist es allerdings so eine Sache. Wir sollen "die Geister unterscheiden", also Wahrheit und Irrtum unterscheiden. Wir sollen aber nicht über Menschen urteilen, denn das ist allein Gottes Sache.

Du schreibst: "NICHT die „Texte“, wie Du sie beschreibst geben Auskunft über richtig und falsch. Auskunft gibt dir dein Gewissen, wenn Du an dein Gewissen den Maßstab Gottes anlegst." Da fühle ich mich überfordert, den Maßstab Gottes anlegen zu können. Woher sollte ich den Maßstab Gottes kennen? Ich kann da nur auf die biblischen Texte zurückgreifen und das Wort Jesus Christus zum Maßstab nehmen. Mein Gewissen ist kein Maßstab, denn es kann sich irren. Darum bin ich misstrauisch gegenüber meinem Gewissen. Nicht misstrauisch bin ich aber gegenüber den biblischen Texten, durch die Gott zu uns sprechen kann, und gegenüber Jesus Christus. Und ich kann nur hoffen und darum beten, dass ich ihn richtig verstehe und die biblischen Texte treffend auslege.

P.S. Bitte mach keine Eingabe in der Spalte "Website im Internet", das ist überflüssig.
Theologische Einsichten für ein gutes Leben
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