Das letzte Wort
Klaus Straßburg | 15/04/2022
Einer beginnt zu schreiben. Es ist eine Zeit des Krieges und der Grausamkeiten. Menschen werden massakriert, Tausende sterben. Eine Stadt wird belagert, Einwohner verhungern. Die Eingeschlossenen führen einen Befreiungskrieg für ihr Land, für ihre politische, wirtschaftliche und religiöse Freiheit. Schon lange währt der Hass auf den Angreifer, bis er sich im gewaltsamen Aufstand entlädt. Aber auch innerhalb der Aufständischen ist man sich nicht einig und bekämpft sich oft gegenseitig.
In dieser Situation also beginnt einer zu schreiben – aus dem Exil. Er nennt seine Schrift Gute Nachricht, griechisch Evangelium. Der Titel sollte Geschichte machen. Seinen eigenen Namen nennt der Verfasser nicht. Wir nennen ihn Markus. Markus schreibt um das Jahr 70 n.Chr., mitten im jüdischen Aufstand gegen die römischen Besatzer. Der Aufstand währte 7 bis 8 Jahre. Dann wurde Jerusalem von den Römern gestürmt, die Aufständischen hingemetzelt oder versklavt, die Stadt systematisch zerstört und Feuer an den Tempel gelegt. Nach tagelangem Brand war nicht mehr viel von ihm übrig.
Was kann in solch einer Situation eine gute Nachricht sein? Markus nennt gleich zu Beginn seiner Schrift einen Namen. Das ist der Name, auf den es ihm ankam. Denn von ihm handelt seine gute Nachricht: von Jesus Christus.
Die Geschichte, die Markus erzählt, beginnt mit dessen Taufe im Jordan und endet mit dessen leerem Grab. Die Frauen, die das Grab leer vorfinden, fliehen mit Zittern und Entsetzen vor ihrer Entdeckung (Mk 16,8). Was dann noch folgt, so sagt die theologische Forschung, ist nachträglich hinzugefügt worden: die Erscheinungen des Auferstandenen vor Jüngerinnen und Jüngern, seine Himmelfahrt und der Beginn der Mission.
Zwischen Taufe und leerem Grab erzählt Markus – mitten im Krieg! – die Geschichte des bedingungslos und konsequent liebenden Jesus Christus. Er liebte so sehr, dass er sich um seiner Liebe willen hinrichten ließ. Das ist die gute Nachricht, die frohe Botschaft, das Evangelium, das Markus dem Krieg entgegensetzt.
Krieg ist grausam – und war es schon immer. Was Markus der Grausamkeit entgegensetzt, ist nicht die Gegengewalt, sondern die Liebe. Auch damit hat die Grausamkeit kein Ende: Der Liebende wird selbst zu ihrem Opfer. Aber er setzt ein Zeichen: Er stirbt nicht, weil er zum Schwert gegriffen hat, sondern weil er es nicht tat. Er stirbt, weil er für die Verlorenen da war.
Und dann geschieht das Unglaubliche und versetzt die Frauen in Angst und Schrecken. Der Hingerichtete, der Gekreuzigte bleibt nicht im Tod. Das gab es noch nie! Das hat noch niemand erlebt! Da bleiben nur Zittern und Entsetzen.
Warum beendet Markus seine Schrift so? Vielleicht weil er weiß, wie diese Botschaft auf uns wirkt: Das kann nicht sein! Das widerspricht aller Erfahrung! Entweder ich lehne das ab – oder das blanke Entsetzen packt mich. Das Entsetzen darüber, dass da etwas Unerklärliches passiert, dass da eine Macht ist, die mir unendlich überlegen ist. So überlegen, dass aus einem Toten ein Lebender wird. Das schafft kein Mensch. Das schafft nur ein Gott, der sich in mein Leben einmischt – und der mich vollkommen in der Hand hat.
Der mich da vollkommen in der Hand hat, ist der Gott der Liebe. So beschreibt ihn Markus. Der Gott der Liebe, der über dein Leben bestimmt, ist die gute Nachricht in Zeiten des Krieges. In Zeiten des Mordes und der Zerstörung, Zeiten von Grausamkeit, Tod und Angst.
Weil der Gott der Liebe über unser Leben bestimmt, sprechen Grausamkeit, Angst und Zerstörung nicht das letzte Wort. Und auch der Tod nicht. Verheißen ist ein Tag des Lebens, ein Tag der Auferstehung der Toten. Und Jesus sagte: „Wer mir vertraut, wird leben, auch wenn er stirbt." Das gilt bis heute.
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Dein Beitrag, der mir auch ansonsten gut gefällt, hat dazu geführt, dass ich die Auferstehungsgeschichte nach Markus heute früh noch einmal nachgelesen habe. Knapp und lakonisch, für mich genau das Richtige.
Viele Grüße
Thomas
Vielen Dank für deine Rückmeldung und die Ostergrüße. Mögen die Leidenden und die Gutwilligen in der Hoffnung auf ein anderes Leben gestärkt werden! In diesem Sinne wünsche ich dir und deiner Familie ein gesegnetes Osterfest.
Klaus