X-mas
Klaus Straßburg | 21/12/2021
Stellen wir uns jemanden vor, der zu einem Volk von Ureinwohnern auf Papua-Neuguinea gehört. Sein Volk lebt abgeschieden und unberührt von aller Zivilisation relativ zufrieden im Urwald. Bedingt durch einige unglückliche Zufälle hat ihn das Schicksal ereilt, von einigen Westlern gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, zu uns nach Deutschland geflogen zu werden. Von unserer westlichen Kultur und Religion hat er natürlich keine Ahnung.
Etwas erschrocken und irritiert sieht er das hektische Treiben in unseren Städten, wundert sich über vieles und macht sich ein Bild von den Menschen, die sich das antun – also von uns. Man teilt ihm mit, dass wir uns auf ein großes Fest vorbereiten, bei dem wir eine Geburt feiern, die sich vor langer Zeit zugetragen hat. Er nickt verständnisvoll. Geburt, das weiß er, ist etwas zum Feiern. Das weckt die Hoffnung in ihm, wir seien doch nicht so verrückt, wie er schon zu fürchten begonnen hatte.
Seine Gegenwart in Deutschland ist natürlich für die Medien eine Auflagen und Quoten steigernde Sensation. Darum bleibt es ihm auch nicht erspart, in einem Fernsehstudio gefragt zu werden, ob er denn wisse, um wessen Geburt es bei unserem Fest gehe. Er ist etwas verlegen, will aber höflich sein und die Antwort nicht verweigern. Er hat auch eine Vermutung, die er nun preisgibt.
Weißt du, was er geantwortet hat?
Genau, er hat geantwortet, dass wir die Geburt des Weihnachtsmanns feiern. Denn den hat er überall vorgefunden, allgegenwärtig in Schaufenstern, Verkaufsregalen und in illuminierter Version an Balkonen und Schornsteinen mancher Wohnhäuser. Und weil die Geschenke, wie der Fremde schon bemerkt hat, eine so große Rolle beim Weihnachtsfest spielen, kann es ja eigentlich nur um die Geburt dessen gehen, der die Geschenke der Erzählung nach bringt. Er ist zwar noch unsicher, ob der Weihnachtsmann wirklich gelebt hat oder seine Geburt nur eine Erfindung für die Kinder ist. Aber darauf kommt es ja eigentlich gar nicht an. Hauptsache, es gibt ein schönes Fest zu feiern.
Ich habe gar nichts gegen den Weihnachtsmann. Der folgende Text beschreibt sogar das schwere Handwerk dieses Mannes, dessen Geburt wir zu Weihnachten ... – Entschuldigung, dessen Geschenke wir entgegennehmen. Der Text ist mir schon vor vielen Jahren begegnet. Man kann ihn auch als Satire auf die Kommerzialisierung des Festes und unserer westlichen Zivilisation überhaupt lesen. Oder auch auf die Globalisierung, Hektisierung, Anglisierung und sonstige -isierung unserer Lebensverhältnisse.
Die vielen englischen Wörter im Text muss man übrigens nicht alle verstehen.
Als Autor des Textes wird der Weihnachtsmann selbst angegeben, hier unter dem Pseudonym Santa, der sein Statement in Form eines Briefes abgegeben hat. Das könnte aber ein Fake sein (die zunehmende Anglisierung zeigt bereits Spuren). Wer indes der wahre Autor ist, muss im Dunklen bleiben. Ihm sei trotzdem gedankt.
Und nun viel Spaß beim Lesen!
Wie die fortschreitende Anglisierung gezeigt hat, heißt es in Wahrheit nicht Weihnachten, sondern X-mas, folglich muss der Weihnachtsmann auch X-man sein.
X-mas 2021 steht vor der Tür, und clevere Zeitgenossen haben spätestens ab März 2021 mit der X-mas-Vorbereitung begonnen – Verzeihung: das diesjährige X-mas-Roll-Out gestartet und die Christmas-Mailing-Aktion just in time vorbereitet.
Hinweis: Das offizielle Come-Together des Organizing Committees unter Vorsitz des CIO (Christmas Illumination Officer) wurde schon am 6. Januar 2021 abgehalten. Die Kick-off-Veranstaltung (früher 1. Advent) für das diesjährige SANCROS (Santa Claus Road Show) fand am 28. November 2021 statt.
Erstmals haben wir ein Projektstatus-Meeting vorgeschaltet, bei dem eine in Workshops entwickelte To-Do-Liste und einheitliche Job Descriptions erstellt wurden. Dadurch sollen klare Verantwortungsbereiche, eine powervolle Performance des Kundenevents und eine optimierte Geschenk-Allocation geschaffen werden, was wiederum den Service Level erhöht und außerdem hilft, „X-mas" als Brandname global zu implementieren.
Dieses Meeting diente zugleich dazu, mit dem Co-Head Global Christmas Market Officer (Knecht Ruprecht) die Ablauf-Organisation abzustimmen, die Geschenk-Distribution an die zuständigen Private-Schenking-Centers sicherzustellen und die Zielgruppen klar zu definieren. Erstmals sollen auch sogenannte Geschenk-Units über das Internet angeboten werden.
Die Service-Provider (Engel, Elfen und Rentiere) wurden bereits via Conference Call virtuell informiert und die Core-Competences vergeben. Ein Bündel von Incentives und ein separater Team-Building-Event an geeigneter Location sollen den Motivationslevel erhöhen und gleichzeitig helfen, eine einheitliche Corporate Culture samt Identity zu entwickeln.
Der Vorschlag, jedem Engel einen Coach zur Seite zu stellen, wurde aus Budgetgründen zunächst gecancelt. Stattdessen wurde auf einer zusätzlichen Client Management Conference beschlossen, in einem Testbezirk als Pilotprojekt eine Hotline (2,10 Euro/Minute) für kurzfristige X-mas-Wünsche einzurichten, um den Added Value für die Beschenkten zu erhöhen. Durch ein ausgeklügeltes Management Information System (MISt) ist auch benchmark-orientiertes Controlling für jedes Private-Schenking-Center möglich. Nachdem ein neues Literatur-Konzept und das Layout-Format von externen Consultants definiert wurde, konnte auch schon das diesjährige Goldene Buch (Golden Book Release 001.04) erstellt werden. Es erscheint als Flyer, ergänzt um ein Leaflet und einen Newsletter für das laufende Updating. Hochauflagige Lowcost-Giveaways dienen zudem als Teaser und flankierende Marketingmaßnahme.
Ferner wurde durch intensives Brain Storming ein Konsens über das Mission Statement gefunden. Es lautet „Let's keep the candles burning" und ersetzt das bisherige „Frohe Weihnachten". Santa Claus hatte zwar anfangs Bedenken angesichts des Corporate-Redesigns, akzeptierte aber letztlich den progressiven Consulting-Ansatz und würdigte das Know-how seiner Investor-Relation-Manager.
In diesem Sinne wünscht noch eine erfolgreiche Performance beim diesjährigen X-mas-Roll-Out und den Christmas-Mailing- sowie -Schenking-Aktionen
Euer Santa
Falls du nun nicht alles verstanden hast, mach dir nichts draus, mir geht es genauso. Ich habe auch keine Betriebswirtschaft studiert.
Jedenfalls wird deutlich, dass es uns gelungen ist, durch unsere Kommerzialisierung des Festes dessen ursprünglichen Sinn komplett an den Rand zu drängen. Dort führt das Kind in der Krippe nun eine prekäre Randexistenz in kitschigen Krippenbildern und einigen kirchlichen Veranstaltungen. Insgesamt dient es hauptsächlich einer romantischen Gefühlsduselei.
Welche Chance hat auch ein Kind in der Krippe gegen den Weihnachtsmann mit all seinen Geschenken? Die bringen ein solches Maß an Freude (jedenfalls manchmal und dann auch nur kurzfristig), gegen die der Freudenlevel eines Krippenkinds vor 2.000 Jahren deutlich zurückbleiben muss.
Dabei sollte doch das Kind das Geschenk schlechthin an uns sein: die Versöhnung der Welt mit Gott, die unendliche Gnade Gottes gegenüber uns allen. Gnade oder Geld, das ist hier die Frage. Das Geld hat offensichtlich in unserer christlichen Kultur den Sieg davon getragen.
Unser Ureinwohner aus Papua-Neuguinea würde es wohl eher verstehen, wenn wir die liebevolle Zuwendung eines Gottes zu uns feiern würden. Aber davon sind wir gebildeten und fortschrittlichen Westler meilenweit entfernt.
Na dann frohe Weihn... – sorry: Let's keep the candles burning.
* * * * *
noch verwirrter wäre der fiktive Papuaner, wenn man ihm erzählte, was eine religiöse Minderheit in unserem Land zu Weihnachten glaubt: dass vor rund zweitausend Jahren Gottes Sohn unter ärmlichen Verhältnissen in einem Viehstall geboren wurde. Manche glauben, dass es Gott selbst war, der auf diese Weise als Mensch zur Erde kam. Das würde bedeuten, dass der Allmächtige dreißig Jahre später von Menschen grausam umgebracht wurde, was kaum vorstellbar erscheint. Auch hätte dann Gott in Todesnot und größter Verlassenheit nach sich selbst gerufen und würde nach der Auferstehung von den Toten im Himmel ehrenvoll an seiner eigenen Seite thronen.
Das, was die Engel in der Heiligen Nacht den Hirten auf dem Felde zusangen, wurde vor wenigen Jahrzehnten ebenfalls verändert, wodurch ein nicht zu übersehender Bedeutungswandel eintrat.
Viele Grüße und Frohe Weihnachten!
Hans-Jürgen
ich denke nicht, dass Gottes Existenz am Kreuz von Golgatha endete, aber dass seine Einheit mit Jesus durch dessen Tod zunächst ein Ende fand. Auch denke ich nicht, dass Jesus am Kreuz nach sich selbst rief, sondern nach seinem Vater im Himmel. Auch sitzt der Sohn nicht neben sich selbst im Himmel, sondern "zur Rechten Gottes, des Vaters", wie es das Glaubensbekenntnis sagt. Die Kirche hat von Beginn an festgehalten, dass Vater und Sohn zwei Unterschiedene sind, die dennoch eine Einheit bilden. Wie ich mir das vorstellen kann, findest du in den Artikeln, die auf der Themenseite den Stichwörtern "Trinität" und "Sohn Gottes" zugeordnet sind.
Was meinst du damit, dass vor einigen Jahrzehnten die biblische Botschaft der Engel verändert wurde? Eigentlich kann es da doch nur um eine revidierte Bibelübersetzung gehen, oder?
Viele Grüße
Klaus
mein Beitrag enthält Konditionales: Wenn, wie von manchen behauptet, Gott selber in Bethlehem geboren wurde und nicht sein Sohn, dann würde Er rund dreißig Jahre später am Kreuz sterben, nach sich selbst rufen usw. Und was die Engel angeht, so handelt es sich bei der erst wenige Jahrzehnte alten revidierten Bibelübersetzung um eine nicht unerhebliche Veränderung des Sinns des Engelgesangs. Dies geht aus meiner in dem obigen Beitrag anklickbaren Seite hervor.
Viele Grüße
Hans-Jürgen
was du ansprichst, sind Fragen, die an das Geheimnis Gottes rühren, dem unsere Vorstellungen immer nur ganz unvollkommen gerecht werden können. Die Kirche hat geantwortet: In Bethlehem ist nicht Gott der Vater geboren, sondern Gott der Sohn. Dementsprechend ist am Kreuz nicht Gott der Vater gestorben, sondern Gott der Sohn. In der "Person" oder "Seinsweise" des Sohnes ist aber nicht einfach ein außergewöhnlicher Mensch geboren, sondern der Vater selbst Mensch geworden. Und mit dem Tod des Sohnes endet nicht nur die gehorsam-vertrauensvolle Beziehung des Sohnes zum Vater, sondern auch die fürsorglich-rettende Beziehung des Vaters zum Sohn. Der Tod ist hier als Beziehungslosigkeit verstanden, nicht primär als Ende der physischen Körperfunktionen. Beides hängt miteinander zusammen, aber das Wesen des Todes kann man (jenseits aller biologischen Feststellungen) als absolute Beziehungslosigkeit begreifen. Darum kann im Buch der Offenbarung die nach dem physischen Tod für manche Menschen eintretende Beziehungslosigkeit zu Gott als der "zweite Tod" bezeichnet werden, während die Glaubenden in einer ewigen Beziehung zu Gott existieren werden.
Die Einheit von Vater und Sohn ist keine mathematische im Sinne von 1+1=1, sondern eine "soziale" im Sinne einer Liebeseinheit zweier voneinander unterschiedener "Personen" oder "Seinsweisen", die aber so sehr in der Liebe miteinander verbunden sind (dasselbe denken, fühlen und tun), dass sie eine Einheit bilden. So kann ich mir vorstellen, dass der Vater total im Sohn gegenwärtig ist und ebenso der Sohn im Vater. Das Johannesevangelium spricht oft von diesem In-Sein des Vaters im Sohn und des Sohnes im Vater, aber auch des Sohnes in den Glaubenden und der Glaubenden im Sohn. Mit "sozialer" Einheit ist also dieses Ineinander-Sein von einander Liebenden gemeint, die es in ganz unvollkommener Weise auch zwischen Menschen gibt, wenn sie z.B. sagen: "Wir sind ein Herz und eine Seele" oder "Du bist immer bei mir, auch wenn wir getrennt sind" oder "Du lebst in mir". Eigentlich ist es etwas, was wir alle kennen, aber gar nicht reflektieren.
Über die Aussage der Engel nach Lk 2 haben wir uns schon an anderer Stelle ausgetauscht. Die Revision der Lutherübersetzung hat eine Textvariante zugrunde gelegt, die man für ursprünglicher hält als die der alten Lutherübersetzung zugrunde liegende, so dass die Übersetzung nun lautet: "... und Friede auf Erden den Menschen seines [= Gottes] Wohlgefallens". Die Änderung geht also auf den biblischen Text selbst zurück.
Viele Grüße
Klaus
antworten möchte ich nur auf Deinen letzten Absatz. Die Änderung geht offensichtlich nicht auf den biblischen Text zurück, denn dort steht lediglich "... den Menschen des Wohlgefallens". Das Wort "seines" fehlt. Es wurde später hinzugefügt und zusätzlich auf Gott bezogen. So kam es zu der Einschränkung, dass der Friede nur den Menschen zugesprochen wird, die Gott wohlgefällig sind. Und das stört mich.
Viele Grüße
Hans-Jürgen
da sprichst du einen interessanten Punkt an, denn es kann einen wirklich stören, dass Friede nur den Menschen zugesprochen wird, an denen Gott Wohlgefallen hat. Man könnte auch etwas provozierend formulieren: Was fällt diesem Gott eigentlich ein, den Frieden nicht allen Menschen zuzusprechen, sondern nur denen, die ihm (aus welchem Grund auch immer) gefallen?
Tatsächlich fehlt im griechischen Text das Wort "seines". Es in die Übersetzung einzufügen, ist also schon Interpretation des Textes. Die Elberfelder Übersetzung hat darum die Fassung: "... und Friede auf Erden in den Menschen (des) Wohlgefallens". Das Wort "des" ist dort in Klammern gesetzt, weil es ebenfalls im griechischen Text nicht steht, aber im Deutschen notwendig ist.
Nun muss man fragen, welches Wohlgefallen denn eigentlich gemeint ist. Wer sind denn "die Menschen des Wohlgefallens"? Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: Entweder es sind die Menschen, die Wohlgefallen an Gott haben, oder die, an denen Gott Wohlgefallen hat.
Ich habe gerade mal alle meine Übersetzungen durchgesehen, und alle entscheiden sich, wenn sie es nicht bei "des Wohlgefallens" belassen, für die zweite Lösung. Der Lukaskommentar von Wolfgang Wiefel (Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1988, S. 74) begründet das auch:
Ein semitisches Äquivalent, das Umkreis und Sinn dieser Verbindung [Menschen des Wohlgefallens] erschließen lässt, ist erst seit der Entdeckung der Danklieder von Qumran belegbar. Sie sprechen von dem durch den Geist gewirkten Wandel, "damit sie erkennen ... das Übermaß seiner Erbarmungen über alle Söhne seines Wohlgefallens" [es folgt ein zweites Beispiel aus Qumran]. razon (= Wohlgefallen) - bereits im AT überwiegend mit Gott verbunden - erscheint in beiden Fällen mit einem auf Gott bezogenen Subjekt. [...] "Söhne des Wohlgefallens" meint in Qumran die eigene Gemeinde, die sich als endzeitliche Heilsgemeinde versteht. Dort ist Wohlgefallen mehr in der Bedeutung delectatio [Ergötzung, Erfreuung] und approbatio [Billigung, Zustimmung] aufgefasst worden, während der lukanische Text an Gottes benevolentia [Zuneigung] und gratia [Gnade, Gunst] denkt. So ist denn auch eudokia [Wohlgefallen] nicht exklusiv [also Menschen ausschließend] zu verstehen; auf anthropoi [Menschen] bezogen, meint sie vielmehr: Gott wendet den Menschen sein Wohlgefallen als Wohlwollen und Gnade zu.
Der Textauszug zeigt, wie exegetisch gearbeitet wird und wie mühsam diese Arbeit mitunter ist - und auch, wie vorläufig und revidierbar Schriftauslegung ist. Das alles gilt (wie alle unsere Erkenntnis) nur unter dem Vorbehalt besserer Erkenntnisse. Und ich habe hier nur einen Kommentar zitiert, in anderen mag es andere Auslegungen geben.
Das störende Element der biblischen Formulierung wird ja vielleicht dadurch beseitigt, dass man annimmt, Gott habe an allen Menschen Wohlgefallen, die Formulierung sei also "nicht exklusiv": Gottes Gnade gilt allen Menschen, darum können alle an seinem Frieden Anteil haben. Dass nicht alle in seinem Frieden leben, liegt dann daran, dass sie sich Gottes Gnade nicht gefallen lassen wollen.
Andererseits muss man wohl zugestehen, dass es allein an Gott liegt, welchen Menschen er gnädig ist. Gnade wäre ja nicht Gnade, wenn wir sie uns verdienen könnten; das wäre dann ein Anspruch, den wir an Gott hätten. Also sind wir ganz darauf angewiesen, dass Gott uns gnädig ist, dass er Wohlgefallen an uns hat. Wir können dieses Wohlgefallen nicht erwerben, sondern nur darum bitten und es dankbar annehmen. Paulus setzt sich mit dieser Frage ja in Röm 9-11 auseinander. Ist Gott denn ungerecht, wenn er dem einen gnädig ist und dem andern nicht? fragt er dort. Seine Antwort lautet: Ich erbarme mich, wessen ich will, und bin barmherzig, gegen wen ich barmherzig bin. Mit anderen Worten: Wir haben ihm nicht reinzureden, sondern sein Urteil hinzunehmen. "Wer bist du denn, o Mensch, dass du mit Gott rechten willst?" (Röm 9,20) Doch dann stellt Paulus fest, dass auch die, deren er sich nicht erbarmt, dem Guten dienen, das er mit allen Menschen vorhat. Und schließlich erbarmt er sich doch ganz Israels, so dass also keiner ausgeschlossen wird.
Du kannst vielleicht ahnen, welche Flut von Büchern schon über Röm 9-11 geschrieben wurde, wie man immer wieder versucht hat, das zu verstehen. Und es gibt ganz unterschiedliche Verstehensversuche. Ich würde einfach Folgendes sagen: Gott möchte, dass alle Menschen gerettet werden (1Tim 2,4). Seine Gnade gilt deshalb grundsätzlich allen. Dennoch ist es Gnade und kein Verdienst, das wir uns "erarbeitet" oder "erglaubt" haben. Wir haben seine Gnade nicht verdient und können sie nur dankbar annehmen, aber auch immer wieder um sie bitten. Es ist nicht Gottes Job, gnädig zu sein. Verdient haben wir, von ihm verworfen zu werden. Aber wenn wir uns unserer Unwürdigkeit bewusst sind, unsere Schuld bekennen und allein von Gottes Gnade unser Heil erhoffen, dann wird er sie uns auch nicht vorenthalten. Entscheidend ist, dass wir das Heil nicht aufgrund etwas Eigenem zu erlangen versuchen, sondern allein aufgrund der Barmherzigkeit Gottes, die allen Menschen gilt.
In diesem Sinne herzliche Grüße
Klaus
danke für Deine interessante Antwort. Die ganze Gedanken- und Auslegungsarbeit rührt vom Vorhandensein eines einzigen Buchstaben her, nämlich vom Sigma am Ende von "eudokias" - da hatte es Luther leichter, bei dem er fehlte.
Über Gottes Gnade denke ich wie Du und wünsche mir "Frieden auf Erden", wie die Engel, hierbei unstrittig, sangen.
Herzlichst
Hans-Jürgen