Welchen Sinn hatte Jesu Tod am Kreuz?
Klaus Straßburg | 24/03/2021
Jesu Tod am Kreuz wurde von Beginn der Christenheit an als das Heilsereignis schlechthin verstanden. Durch Jesu Tod, so sagte man, sei die Welt mit Gott versöhnt worden. Den Menschen, die Gott nicht als Gott anerkannten, werde diese fehlende Anerkennung Gottes verziehen.
Doch wie kann das sein? Wie kann der Tod Jesu vor rund 2.000 Jahren die Versöhnung der ganzen Welt mit Gott bewirken? Wie kann durch Jesu Tod allen Menschen aller Zeiten ihre Verachtung Gottes verziehen sein? Warum war der Tod des Sohnes Gottes nötig, um die Welt mit Gott zu versöhnen? Konnte Gott nicht auch ohne diesen Tod Schuld vergeben?
Nicht selten wurde und wird von Christinnen und Christen gesagt: Jesus hat die Strafe getragen, die wir verdient haben. Er hat unsere Sünden auf sich genommen und weggetragen.
Doch ich habe mich gefragt: Wie muss ich mir das vorstellen, dass meine Sünde auf Jesus übertragen wurde? Und warum war sein Tod nötig? Weil Strafe eben sein muss? Oder weil Gott ein Opfer braucht? Muss ich mir Gott wie einen zornigen Herrscher vorstellen, der seine ungehorsamen Untergebenen straft und damit seinen Zorn besänftigt?
Ich konnte mir Gott so nicht vorstellen. Mein Gottesverständnis war ein anderes. Darum suchte ich im Neuen Testament nach Antworten auf die oben formulierten Fragen.
Ich ging dabei von dem Gedanken aus, dass Gott Liebe ist (1Joh 4,8.16). Dass er also nicht nur Liebe hat, sondern wesenhaft Liebe ist. Er tut nichts anderes als das, was sein Wesen ist: lieben.
Gott liebt also die Welt, die er erschaffen hat, mit all ihren Geschöpfen. Und er will eine liebevolle Beziehung zu uns Menschen aufbauen. Von seiner Seite aus steht diese Beziehung. Wir aber scheitern ständig daran, Gott mit seiner Liebe ernst zu nehmen – ihn als Gott anzuerkennen und zu achten.
Das tut Gottes Liebe zu uns aber keinen Abbruch. Er liebt trotzdem. Um uns so nah wie möglich zu sein und uns seine Liebe zu erweisen, kam er als Mensch in unsere Welt. Er sandte uns seinen „Sohn" – den, der engstens mit ihm verbunden war, der nichts anderes wollte und tat als das, was Gott selbst wollte und tat. Dieser Mensch, Jesus, war nichts als Liebe – wie Gott auch.
Doch es geschah, was geschehen musste: Die Menschen wollten diese Liebe nicht haben. Das ging ihnen dann doch zu weit, dass da einer kam, der sich den schlimmsten Sündern zuwandte: denen, die mit Unterdrückern und Ungläubigen zusammenarbeiteten. Denen, die den Menschen das Geld aus der Tasche zogen und damit reich wurden. Den Frauen, die sich als Huren verdingten. Kurz: Jesus gesellte sich zum Abschaum, der von Gottes Willen nichts wissen wollte und Gott einen guten Mann sein ließ. Diese Leute zu lieben und sie aufzunehmen in die Gemeinschaft der Kinder Gottes – das ging nun wirklich zu weit.
Noch dazu, wo dieser Jesus sich mit den Frommen anlegte, die Tag und Nacht nichts anderes taten, als sich Gedanken über Gott und seine Gebote zu machen. Die nannte er Heuchler und meinte, das Himmelreich sei ihnen verschlossen. Wer so über die Frommen sprach, den konnte man doch gar nicht ernst nehmen.
Aber es wurde ernst. Jesus bekam zu viele Anhänger. Es bestand die Gefahr, dass der wahre Glaube verfälscht wurde. Jesus wurde gefährlich – er musste mundtot gemacht werden, irgendwie. Doch er war starrsinnig. Er ließ sich einfach nicht von seinem Irrweg abbringen. Schließlich kam er auch noch nach Jerusalem. Das konnten die religiösen Führer nicht zulassen. Was, wenn er dort die Massen erreicht, die zum Passafest in die Hauptstadt kamen? Man musste radikale Maßnahmen ergreifen. Da half nur noch die Anklage als Aufrührer, der die religiöse und staatliche Ordnung gefährdet.
Die Anklage hatte Erfolg. Jesus wurde verurteilt und hingerichtet. Die Welt schien wieder in Ordnung.
Warum ist Jesus diesen Weg gegangen? Warum hat er so stur an seinem Programm, sich an die Seite der Außenstehenden, Verstoßenen, Ungläubigen und Unmoralischen zu stellen, festgehalten? Warum war er so kompromisslos?
Die Liebe kennt eben keine Kompromisse. Die Liebe liebt, nichts anderes. Ein Kompromiss wäre ein Abstrich an der Liebe. Und damit wäre die Liebe keine Liebe mehr, sondern eine Mischung aus Liebe und Lieblosigkeit.
Also blieb Jesus nichts anderes, als sich seinen Verfolgern zu stellen. Er hätte flüchten können – doch dann wäre er unglaubwürdig geworden. Er hätte Gott bitten können, seine Verfolger zu vernichten (Mt 26,51-53) – doch das wäre das Gegenteil von Liebe gewesen. Liebe zerstört nicht, sondern baut auf. Sie gibt auch dem Bösesten noch eine Chance und lässt ihn leben.
Weil er liebte, setzte sich Jesus der Verfolgung und Verspottung aus. Weil er liebte, ließ er sich kreuzigen. Weil er liebte, starb er. Er tat es für die, die er liebte – die Verächter Gottes auf der einen und auf der anderen Seite. Denn eigentlich standen sie alle in einer Reihe.
Indem Jesus ins Leiden und Sterben ging, lebte er die Liebe Gottes. Und was tat Gott? Tat es ihm nicht leid um seinen Sohn?
Es tat ihm leid. Er litt mit ihm. Alles, was Jesus erlitt, erlitt auch Gott. Jeder Peitschenschlag, der Jesus traf, traf auch Gott. Jede Verspottung Jesu verspottete auch Gott.
Was Jesus mit voller Wucht traf, war die zerstörerische Gewalt der Menschen. Sünde ist zu großen Teilen Gewalttat. Diese Gewalt, die gegen Gott und seine Liebe gerichtet ist, erlebte Jesus. Er ertrug nicht einfach einen menschlichen Irrtum, sondern er ertrug die abgrundtiefe Gottlosigkeit seiner Verfolger.
In diesem Sinne griff die Sünde auf Jesus über. In diesem Sinne trug er die Schuld der Sünder. Er trug sie, weil er die Sünder leben und gewähren ließ. Er ließ sie leben und gewähren, weil er sie liebte.
Jesu Tod versöhnte keinen zornigen Gott. Sein Tod versöhnte die Welt mit Gott (2Kor 5,18f), weil sich in ihm die unendliche Liebe Gottes ausdrückte. Jesus ließ lieber sich selber hinrichten, als die Gewalttäter hinzurichten. Seine Liebe bis hin zum Tod (Phil 2,8) ist die Macht der Versöhnung. Dass die mit Gott Versöhnten ihre Versöhnung nicht annahmen, steht auf einem anderen Blatt.
Jesus erlitt nicht die Strafe Gottes. Er erlitt die Macht der Sünde in ihrer schlimmsten, nämlich todbringenden Form. Sünde ist mehr als die böse Tat. Sie ist immer auch das, was die böse Tat mit sich bringt. Auch die Folgen der Sünde gehören zu ihr.
Die Folgen der Sünde betreffen aber nicht nur das Opfer, sondern auch den Täter und sein Umfeld. Das war biblische Überzeugung. „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein" (Pred 10,8a). So schnell werden wir unsere Sünde nicht los. Sie verfolgt uns und unser Umfeld. In diesem Sinne folgt die Strafe der Sünde auf dem Fuße. Es ist keine Strafe, die Gott über uns verhängt, weil keine Sünde ohne Strafe bleiben darf. Es ist die Strafe, die in unserem eigenen Handeln liegt.
Die Sünde derer, die Jesus verfolgten, brachte ihm schließlich den Tod. Er trug die Folge der Gewalttat. Man mag das – für uns missverständlich – Strafe nennen: die Strafe, die eigentlich die Gewalttäter selbst hätte treffen müssen. Sie traf sie nicht, weil Jesus sie leben und gewähren ließ.
So trat der Sündlose an die Stelle der Sünder (2Kor 5,21): Ihn traf das ganze Elend, das die Sünde mit sich bringt. So wurden die Sünder gewürdigt, weiterleben und vom Weg der Sünde umkehren zu dürfen.
Aber was hat das mit uns zu tun? Was mit den Menschen, die Jesus nie begegnet sind, ihn also auch nicht verfolgt und hingerichtet haben?
Die Antwort darauf muss vom trinitarischen Gott sprechen – von der Dreieinigkeit. Denn Gott und Jesus gehören engstens zusammen. Sie denken, wollen, fühlen, tun dasselbe. Zwischen sie passt kein Blatt Papier. Sie sind ein Herz und eine Seele im wahrsten Sinne des Wortes. Sie sind so sehr in Liebe miteinander verbunden, dass ihr Denken, Wollen, Fühlen und Handeln eins ist. Gottes Erleben ist Jesu Erleben und umgekehrt. Jesu Geschichte ist Gottes Geschichte und umgekehrt.
Darum war das, was vor 2.000 Jahren am Kreuz von Golgatha passiert ist, keine Episode – einmal passiert, schnell vergessen. Was dort passiert ist, prägt das Leben Gottes, solange es Sünde gibt. Gott leidet immer schon unter der menschlichen Ablehnung seiner Liebe und darunter, was Menschen sich selbst und anderen antun. Das Kreuz zeigt uns nur, was Gott zu allen Zeiten war und ist: der um seiner Liebe willen Leidende.
Ist er auch der Sterbende? Das schlimmste, was der sterbende Jesus erlebte, war seine Verlassenheit von Gott (Mk 15,34; Mt 27,46). Die zerstörerische Macht der Sünde ist so groß, dass sie auch den Stärksten kleinkriegt, dass sie ihn die absolute Verlassenheit spüren lässt. Von allen guten Mächten verlassen war Jesus am Kreuz. Auch von der Hilfe seines himmlischen Vaters verlassen. Wo die Liebe nicht mehr lieben, nicht mehr helfen und retten kann, da bleibt nur die abgrundtiefe Einsamkeit. Das hat Jesus erlebt.
Und Gott hat es mit ihm erlebt. Die entfesselte Gewalt macht jede Rettung unmöglich und darum auch jede Liebestat, die retten und nur retten will. Aber der Gott, der auch die Gewalttäter liebte, hätte seinen Sohn nur retten können um den Preis, dass er die Gewalttäter tötet. Gerade das aber konnte seine Liebe nicht tun. So blieb ihm nur, das Undenkbare geschehen zu lassen und selbst sein liebendes und rettendes Vatersein hinzugeben.
Am Karfreitag starb mit dem Sohn das durch Liebe rettende Vatersein des Vaters.
Der Karsamstag ist die Zeit der Trennung von Vater und Sohn, der vollständige Tag der Verlassenheit beider, die darin besteht, dass die liebende Rettung unmöglich war.
Der Ostersonntag ist der Tag, an dem beider Verlassenheit endlich ein Ende hatte und die liebende Rettung sich als stärker als der Tod erwiesen hat. „Tod, wo ist dein Stachel?" (1Kor 15,55b) Er steckt und schmerzt noch, aber die Hand, die ihn herauszieht, ist schon angesetzt. Der Tod schmerzt zwar noch, aber seine Macht ist bereits gebrochen. Das Leben hat gesiegt, weil Gottes Liebe gesiegt hat.
Gott hat also den Menschen, seit es sie gibt, ihre Gottesverachtung verziehen. Denn Gott hat immer schon für sich selbst den Tod gewählt und für die Menschen das Leben. Er ließ sie gewähren, konnte ihnen aber deshalb nicht rettend zur Seite stehen. Sie wollten sich ja nicht retten lassen. Darum liefen und laufen sie ein ums andere Mal in ihr Verderben. Das ist der Tod der liebenden Rettung Gottes.
Der Tod Jesu darf nicht isoliert betrachtet werden. Er ist der Tod aufgrund seiner Liebe. Nicht durch den Tod Jesu an sich – isoliert betrachtet – wurde und wird den Menschen verziehen. Verziehen wird ihnen durch Gottes und Jesu Liebe, eine Liebe, die Gott in den Tod geführt hat und führt. Nicht Jesu Qualen an sich brachten Versöhnung, sondern die Liebe, die so stark war und ist, dass sie die Qualen nicht scheute.
Auch das Blut Jesu, von dem das Neue Testament im Hinblick auf sein Kreuzesleiden spricht, meint nur das Leben, das er hingab. Denn von Blutvergießen kann man am Kreuz gar nicht sprechen. Die Kreuzigung war keine blutige Hinrichtungsart.
Darum gilt Jesu Tod am Kreuz auch uns und den Menschen aller Zeiten: weil Gott immer schon und bis heute unter der Sünde der Menschen aller Zeiten leidet – und sie dennoch leben und gewähren lässt. Auch uns.
Jesu Tod war nicht nötig, damit Gott Schuld vergeben kann. Nötig war nur seine Liebe, die zugleich Gottes Liebe ist. Diese aber führte ihn unweigerlich in den Tod. Und seine Geschichte war und ist Gottes Geschichte.
Es hängt alles an der Liebe. Das ist meine Überzeugung. Gott braucht keine Strafe und kein Opfer. Er braucht keine Genugtuung, um seinen Zorn zu überwinden. Er ist ja Liebe und nichts anderes. Und die Liebe schafft Leben, ohne selbst der Gewalttat zu verfallen. Dafür geht sie selbst in den Tod. Und darin besiegt sie den Tod. Ostern zeigt es an. Darum ist Gottes Leiden immer schon überwundenes Leiden.
Darum können auch wir in allen Leiden Hoffnung haben. Denn auch wenn es anders scheint – Gottes rettende Liebe ist nicht tot! Sie ist unzerstörbar und wartet darauf, dass wir sie uns gefallen lassen. Und sie wird am Ende den Sieg davontragen.
So verstehe ich den Tod Jesu am Kreuz heute. Ich bin dankbar für diese Sichtweise. Ich lerne aber nicht aus. Wir reden über den Frieden Gottes, der uns zu hoch ist (Phil 4,7). Vielleicht habe ich mich geirrt oder etwas übersehen. Darum freue ich mich über jede Frage oder Ergänzung, die du mir mitteilst. Nur gemeinsam können wir dem Geheimnis Gottes näherkommen, welches das Geheimnis der Liebe und das Geheimnis Christi ist (1Kor 13,2; Kol 2,2b).
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vielleicht geht es darum dass Gott sich im Menschen sich selber erkennen können will. Dazu muss er ihm die Sünde nehmen, wie es in Mal. 3,3 genau so beschrieben wird, wie es in der Metallurgie gemacht wird: das Silber ist genau zu dem Zeitpunkt rein, wenn der Meister sein Bild in der Schmelze sieht. Es hat nichts mit Zorn zu tun, es ist wohl Gottes Plan schon vom Anfang her und Jesu Tod und Auferstehung gehören notwendig dazu. Deswegen habe ich in Deinem Beitrag den Bezug zum Alten Testament auch total vermisst. Geheimnisvoll, wie der auferstandene Jesus es den Emmaus-Jüngern sagt, was Moses und alle Propheten über ihn gesagt haben (Lk 24 eigentlich die ultimative 'Bible short story'). Für mich ist die Osternacht mit dem ausführlichen Exsultet und den vielen Lesungen das ergreifendste aber auch persönlich herausfordernste Ereignis im Kirchen-Jahr. Hoffentlich findet es statt.
ich finde den Gedanken sehr interessant, dass Gott sich im Menschen selber erkennen können will. In Mal 3,3 finde ich dazu zwar keine Aussage, das Handeln des Meisters in der Metallurgie ist dort ja nicht beschrieben, und deshalb würde ich es auch nicht in den Text eintragen. Aber von einem anderen Gedanken her finde ich es nachdenkenswert: Gott hat ja in Jesus Christus tatsächlich sich selbst als Ebenbild, d.h. er erkennt sich in ihm selbst: im liebenden und leidenden Jesus. Wenn Jesus aber der exemplarische Mensch ist ("Ecce homo"), also der Mensch, wie Gott ihn sich vorgestellt hat, dann liegt der Gedanke nahe, dass Gott sich in uns allen wie in Jesus erkennen will. Wir sollen ja der irdische Leib Christi sein, Christus aber ist eins mit Gott, und Gott möchte uns in die Gemeinschaft mit sich aufnehmen. Man muss nur vorsichtig sein: Wir gehen doch wohl nicht in die Trinität ein, sondern bleiben auch in der ewigen Gemeinschaft mit ihm von ihm unterschieden. Wir werden also nie dieselbe Stellung wie Jesus Christus einnehmen. Dennoch kann ich den Gedanken gut nachvollziehen, dass Gott sich selbst in uns erkennen will, wenn auch anders als im Sohn.
Ich habe in meinem Artikel ja diesmal nur wenige Bibelstellen genannt und mich dabei fast ganz auf das Neue Testament beschränkt. Aus dem Alten Testament hätte man die messianischen Weissagungen anführen können. Besonders oft genannt wird Jes 53. Vom Neuen Testament her kann man diese Weissagungen als Hinweise auf Jesus deuten. Dennoch sollte man zuerst das Alte Testament für sich sprechen lassen. Leider berichtet uns der Evangelist in Lk 24 nicht, was Jesus den Emmaus-Jüngern genau gesagt hat, sondern fasst es nur kurz in einem Satz (V 27) ganz allgemein zusammen. Schade eigentlich.
Ich wünsche dir, dass du auch dieses Jahr die Osternacht feiern kannst, wenn auch wahrscheinlich unter Pandemie-Bedingungen.
das Handeln ist sehr wohl beschrieben, er "sitzt" über dem Silber. (Lässt er es im entscheidenden Moment aus dem Auge, würde die heiße Flamme das dann reine Silber nur noch oxidieren oder einfach verdampfen, wenn die Temperatur zu hoch ist).
du hast Recht, das Sitzen über dem Schmelzvorgang bezeichnet offenbar die ganze Handlung des Schmelzers. Insofern kann man den Vorgang des Sich-Erkennens dort verankert sehen. Gut, dass du die technischen Abläufe so gut kennst.
Wie bei jeder Gerichtsszene ist interessant, dass dieser reinigende Vorgang eben ein Gericht über die Menschen ist, also mit Schmerzen verbunden. Oder umgekehrt: Das Gericht ist zwar etwas Schmerzhaftes, aber es führt zu etwas Gutem, nämlich dazu, dass Gott sich in uns erkennt und wir von allem Ungöttlichen gereinigt werden. Von daher sollte uns das Gericht keine Angst mehr machen, oder?
nun komme ich endlich dazu auf Ihre freundliche E-mail zu antworten bzw. hier einen Kommentar zu hinterlassen.
unumschränkte Liebe Gottes als Beweggrund Jesu in seine Passion einzuwilligen ist richtig, Doch warum diese Liebe uns letztlich zu erlösen vermag, das wird für mich persönlich vor allem durch die Worte Jesu, die er angesichts seiner Passion an seine Jünger richtet konkret, differenziert und zeigt das erschütternde Ausmaß dieser Liebe: Der alte Begriff „Zorn Gottes“ ist eine Metapher für den Zustand der Entfremdung zwischen Gott und Mensch. Der Mensch ist fehlbar, krank, schwach und sterblich. Gott hingegen ist jene zeitlose Wahrheit, die sich immer und überall behauptet und durchsetzen wird. Diesen Zustand würde der Mensch auch erreichen wollen. Es ist die uralte Sehnsucht nach dem Paradies – nach Freiheit und Unsterblichkeit. Die Diskrepanz wird als Zorn Gottes wahrgenommen, denn der Mensch konnte (bis Jesus Christus kam) seine Lebensferne und Benachteiligung (Krankheit, Schwäche, Leid und Tod ) gegenüber den göttlichen Prinzipien (ohne Trennung und Tod) nur als „Strafe“ auffassen. Jesus Christus vermittelt nun eine völlig neue Auffassung von Gottesnähe und somit von Leben: Um die Einheit mit Gott wieder zu finden und zu ihr zurückzukehren soll der Mensch erkennen, dass Gott in ausnahmslos allen Geschehnissen und Menschen wirkt, die uns begegnen, also auch in den leidvollen und beschwerlichen bzw. auch in ungerechten und bösen Menschen, also in unseren Feinden: Liebet eure Feinde! Diese Auffassung bezieht sich jedoch nicht nur auf feindlich gesinnte Menschen, sondern eben auf ausnahmslos alles, was uns selbst an Hinderlichem, Schwachem, Krankem etc. begegnet oder anhaftet, ganz gleich ob fremdverschuldet oder selbstverschuldet.
Indem wir dem Aufruf Jesu folgen und unsere eigene menschliche Schwäche und Fehlbarkeit zum Anlass nehmen, anderen zu vergeben, findet eben dieser alter Makel (die Sünde) unverhofft einen Sinn und eine tiefe Bedeutung. Dass Sinnloses unverhofft Sinn erfährt, das ist es, was Jesus in seiner Passion verdeutlicht. Das göttliche Prinzip beruht darauf, dass alle Geschehnisse einen tiefen Sinn und eine Bedeutung erfahren müssen, wodurch sie im Geist überwunden sind – eben weil „in“ Gott nichts sinnloses geschehen kann muss das Sinnlose in Gott „hineingetragen“ werden, damit es Sinn erfährt. So auch das reziproke Prinzip der Vergebung: Wir vergeben, weil wir wissen, das in Gott alle Dinge eine Bedeutung finden, sofern wir darauf vertrauen – das ist der Glaube. Die göttliche Einheit, zu der wir in Christus zurückkehren liegt somit in der Annahme seiner Passion als ein sichtbares Zeichen, dass Gott alle Dinge in sich selbst zu verwandeln vermag – dass er mit allen Dingen eins wird, wodurch sie gute werden. In seiner Passion zeigt Jesus, dass hierzu nur ein einziger authentischer Weg existiert, der uns wieder mit Gott vereint nämlich die Annahme unseres Dasein in seiner Vollständigkeit, die absolut nichts ausklammert. Jesu hat in seiner Passion aufgezeigt, dass das Böse nur überwunden werden kann, wenn wir es vertrauensvoll aus der Hand Gottes entgegennehmen. Indem Jesus in seine Passion einwilligte hat er Gott gewissermaßen zum Urheber des Bösen, von Leiden und Sterben gemacht, was aber nicht möglich ist, da dies nicht dem Wesen Gottes entspricht. Damit diese Bereiche gut werden, musste Gott dem Tod eine Bedeutung verleihen wodurch er ins Leben verkehrt wurd. Weshalb? Weil alles, was in Übereinstimmung mit Gottes Willen geschieht nicht sinnlos geschehen kann, es muss durch den Geist übrwunden werden „Vater, nicht wie ich, sondern wie du willst.“ Jesus hat die Wirklichkeit seiner Ablehnung, Verurteilung und Hinrichtung in Gott hineingetragen- hat Gott der die die Wahrheit selbst ist, mit der Lüge konfrontiert und berührt. Eben diese „Berührung“ hat Gott selbst zum Leidenden und Sterbenden gemacht. Und alles was Gott auf diese Weise „berührt“ das verwandet Gott und macht es zu sich selbst. Auferstehung ist insofern eine Notwendigkeit, die aus der Einheit mit Gott rührt, wodurch die Lüge zerfallen musste. Alles was mit Gott auf diese Weise (durch vertrauensvolle Einwilligung) vereint wird, das wird lebendig - muss lebendig werden und alles überwinden, was dieser Einheit im Wege steht, selbst wenn es der eigene Tod ist. „Wer an mich glaubt der wird leben, selbst wenn er stirbt."
Herzliche Grüße aus Dresden
Elmar Vogel
vielen Dank für Ihren langen Kommentar und Ihre tiefgehenden Gedanken. Sie zeigen mir, dass Sie sich intensiv mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt haben und dass Ihnen sehr an der Wahrheit Gottes und unseres Lebens gelegen ist. Ich stelle eine gewisse Nähe zu meinem Glauben fest, aber auch Unterschiede.
Ich verstehe den Zorn Gottes, wahrscheinlich wie Sie auch, nicht als unkontrollierten Gefühlsausbruch Gottes, sondern als die notwendige Konsequenz unserer Entfremdung von Gott. Sie sprechen von einer "Diskrepanz". Ich würde sagen, es gibt eine Diskrepanz zwischen Gottes Liebe zu uns und unserem Hass auf Gott; wir lehnen ihn ja ab, wollen nicht, dass Gott Gott ist, wie Luther sagte, sondern wollen selber Gott sein (Gen 3,5). Damit bestrafen wir uns sozusagen selbst, denn wir berauben uns selbst der Nähe zu Gott. Man könnte sagen: Der Sünder ist ein "Kostverächter". Er verachtet das Glück seines Lebens, nämlich das bedingungslose Geliebtsein durch Gott und die dadurch ihm geschenkte Nähe Gottes.
Wie finden die Sünder den Weg zurück zu Gott? Sie bringen das Gebot Jesu „Liebet eure Feinde!" ins Spiel. Ich halte dieses Gebot für ein wesentliches, ja für den Inbegriff der Ethik Jesu. Er hat ja das sog. Doppelgebot der Liebe formuliert: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken. Dies ist das größte und erste Gebot. Das zweite ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten" (Mt 22,37-40). Das Liebesgebot (dessen höchste Herausforderung die Feindesliebe ist) ist daher ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zurück zu Gott. Es ist für mich aber erst der zweite Schritt. Der erste Schritt wird von Gott selbst gemacht: Es ist der Schritt von ihm auf uns zu. Das ist mir wichtig, um nicht in eine "Werkgerechtigkeit" (Luther) zu verfallen, die bedeuten würde, dass wir uns Gottes Gnade durch unseren Glauben oder unsere Liebe verdienen können. Darum möchte ich festhalten: Gott hat uns zuerst geliebt (1Joh 4,19), und diese Liebe führt, wenn wir sie für uns gelten lassen, dazu, dass Gottes Geist in uns wirkt, und aus der Kraft dieses Geistes, nicht aus eigener Kraft (Joh 15,5), werden wir dann auch Liebe üben.
In der Kraft dieses Geistes wird dann auch unser Leben sinnvoll. Sie sprechen ja auch die Sinnfrage an: Jesu Passion zeige, dass Sinnloses unverhofft Sinn erfährt, wenn es in Gott hineingetragen wird, weil er das Sinnlose in sich selbst in Sinnvolles verwandle, indem er mit allen Dingen eins wird, so dass sie zu guten Dingen werden (ich hoffe, Sie so richtig wiedergegeben zu haben). Das kommt meiner Vorstellung sehr nahe, auch wenn ich es etwas anders formulieren würde. Ich finde es auch sehr wichtig, dass Sie sagen, Jesus habe Gott mit der Lüge konfrontiert und ihn damit berührt, so dass Gott selbst zum Leidenden und Sterbenden wurde. Wobei sicher hinzuzufügen wäre, dass Gott stirbt, indem er an seiner Liebe zu Jesus festhält und so gerade durch den Tod hindurch, durch sein Mitsterben mit Jesus hindurch sein Leben bewahrt. Aber das sind Grenzformulierungen, die das Geheimnis der Trinität nur sehr unvollkommen ausdrücken können.
Ich würde es, wie gesagt, bei aller Nähe zu Ihnen noch etwas anders formulieren. Wenn Sie von einem "göttlichen Prinzip" sprechen und vom „Prinzip der Vergebung", aber auch davon, dass Gott "mit allen Dingen eins wird" und dass "Auferstehung eine Notwendigkeit" sei, dann klingt mir das etwas zu abstrakt. Ich würde lieber von Gottes Liebe reden, die mir konkreter erscheint als ein "göttliches Prinzip". Ich glaube, dass Gott von Ewigkeit her in Liebe mit Jesus verbunden ist, dass Jesus also schon vor der Schöpfung existierte, mit Gott eins war. In der Liebe Jesu ist daher schon der Kosmos erschaffen (Joh 1,1-4; Kol 1,15-17).
Dann aber kam die Sünde in die Welt. Durch sie wurde und wird die sehr gute und sinnvolle Schöpfung pervertiert. Weil Gott die Welt aber nicht sich selbst überlässt, sondern weiterhin mit seiner unendlichen Liebe in ihr wirkt, kann er "aus Bösem Gutes entstehen lassen" (Dietrich Bonhoeffer) und aus Sinnlosem Sinnvolles. Er kann das tun, er muss es aber nicht und es geschieht auch nicht automatisch, weil es eben das göttliche Prinzip ist. Sondern es geschieht, wenn Gott seine Liebe übt. Er kann uns seine Liebe aber auch "für eine kurze Zeit", einen "Augenblick" versagen (Jes 54,7f), indem er uns den Folgen unserer Sünde ausliefert – aber selbst das tut er nicht, um uns zu zerstören, sondern um uns zur Umkehr zu bewegen und letztlich das Böse aus der Welt zu schaffen. Manchmal müssen auch "die Bösen" aus der Welt geschafft werden (siehe den Untergang des ägyptischen Heeres im Schilfmeer), damit das Böse sich nicht weiter ausbreiten kann. Ich denke, das wünschen wir uns manches Mal auch selber, dass die Bösen in der Welt keinen Platz mehr haben.
Aber wenn Gott Unheil über uns kommen lässt, tut er das nicht mit Freude und Genuss, sondern mit Trauer – er leidet in seiner Liebe selber darunter (siehe Gottes Klagen und Weinen über Israel in Jer 8,18-9,11 und sein Klagen über Heidenvölker in Jer 48,30-32.35f sowie Jesu Weinen über Jerusalem in Lk 19,41-44). Das zeigt mir die Passion Jesu: Gott leidet lieber selber, als den Sündern Leid zuzufügen. Gerade so lebt seine Liebe weiter. Denn diese "Berührung" Gottes mit Leid und Tod gibt den Sündern die Chance zur Umkehr. Das Böse wird dadurch nicht automatisch gut und das Sinnlose nicht automatisch sinnvoll, aber der Mensch hat die Möglichkeit, sich dem ihn liebenden Gott anzuvertrauen, um die Kraft seines Geistes zu bitten und so sich verwandeln zu lassen, so dass er zum Guten und Sinnvollen geführt wird. Diese "Neuschöpfung" des Menschen ist keine Notwendigkeit, sondern ein unverdientes Geschenk Gottes.
Lieber Herr Vogel, ich hoffe, dass mein Standpunkt einigermaßen deutlich geworden ist, sowohl die Nähe zu Ihren Vorstellungen als auch die Unterschiede. Vielleicht sind aber die Unterschiede gar nicht so groß. Falls Sie möchten, können wir das Gespräch gern auf diesem Wege fortsetzen.
Herzliche Grüße und gesegnete Feiertage
Klaus Straßburg
haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme zu meinem Kommentar, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Ich sehe viel Verbindendes und Übereinstimmung. Ganz kurz möchte ich Ihnen vorerst nur auf einen Aspekt antworten. Ein Unterschied in unser beider theologischem Verständnis liegt wohl tatsächlich in der Definition des Gottesbegriffs: Ich selbst bleibe hier ganz bei der Definition Jesu: "Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten." Joh 4, 23 Daraus folgt: Gott ist nicht Person, so wie Jesus Person war. Diesen Unterschied betont Jesus auch an anderer Stelle, so, wenn er erklärt: "Ich gehe zum Vater; denn der Vater ist größer als ich." Joh 14, 28. Was ich sagen möchte ist, dass es von einer Personifizierung Gottes nur ein kleiner Schritt zu einem vermenschlichten Gottesbild ist. Gott ist die Wahrheit selbst und die Wahrheit hat keine menschlichen Launen oder Präferenzen, wie ein Mensch sie hat. So viel dazu in aller gebotenen Kürze.
Herzliche Grüße
Ihr Elmar Vogel
vielen Dank für diese Klarstellung. Da haben Sie tatsächlich einen Unterschied zwischen unseren Standpunkten deutlich benannt. Ich verstehe Gott auch als Geist - aber nicht nur. Er hat für mich vielmehr auch personale Eigenschaften. Er ist Geist, aber mehr als das, und er ist "Person", aber mehr als das. Der Begriff "Person" für Gott ist allerdings schwierig, weil er uns zu sehr an menschliche Personen erinnert. Aber wir haben wohl kein anderes Wort dafür.
Wäre Gott nur Geist, also ohne jede personalen Eigenschaften, könnte ich mir nicht vorstellen, wie er handelt, wie er klagt und weint, wie er liebt. Das alles sind aber biblische Beschreibungen für Gott. Zu einem bloßen Geist könnte ich auch nicht beten. Denn ein Geist kann nicht hören und nicht reagieren - es sei denn, man legt dem Geist doch wieder personale Eigenschaften bei.
Ich schließe übrigens aus Joh 4,23 nicht, dass Gott nicht Person ist, sondern dass er auch Geist ist. Das schließt nicht aus, dass er zugleich Personales in sich hat. Von einer "Definition" Gottes würde ich auch nicht sprechen, weil Gott von uns gar nicht zu definieren ist. Wir können ihn nicht endgültig bestimmen und auf unsere Definition festlegen. Und in Joh 14,28 sagt Jesus zwar, dass der Vater größer ist als er, aber nicht, dass Gott nicht Person ist. Jesus redet Gott ja sogar als "Vater" an, wie er es öfter tut und uns im Vaterunser sogar aufgetragen hat. Ein Vater aber, auch wenn er unvergleichlich ist mit allen menschlichen Vätern, muss personale Eigenschaften haben. Und im Vaterunser wird vorausgesetzt, dass Gott einen Willen hat, dass er uns das tägliche Brot geben und unsere Schuld vergeben kann usw. Alles personale Eigenschaften! Aber vielleicht gestehen Sie Gott dem Geist ja solche Eigenschaften zu. Dann würden wir uns wieder einander annähern.
Und Sie haben vollkommen recht, wenn sie darauf bestehen, dass Gott von allen Menschen unterschieden ist. Er ist der Schöpfer (wieder eine personale Eigenschaft), wir sind Geschöpfe. Dieser Unterschied darf niemals aufgehoben werden. Darum ist es wichtig festzuhalten, dass Gott in anderer Weise Person ist, als wir es sind. Dennoch bleiben uns nur unsere menschlichen Begriffe, um von Gott zu sprechen. Andere haben wir ja nicht zur Verfügung. Und die ganze Bibel redet in menschlichen Begriffen von Gott - was eigentlich gar nicht geht, da er nicht in menschliche Begriffe zu fassen ist. Auch "Geist" ist ein menschlicher Begriff, der Gott nicht in sich fassen kann. Aber wir müssen so von Gott reden, wenn wir nicht von ihm schweigen wollen. Und ich bin sicher, dass Gott sich in diesen menschlichen Worten uns offenbart - so wie er sich nach meinem Verständnis ja in dem Menschen Jesus Christus offenbart hat. Das Menschliche scheint Gott also nicht allzu fremd zu sein - wenngleich er natürlich kein Mensch ist. Aber wenn Gott sich wirklich in dem Menschen Jesus uns kundgetan hat, dann muss er "Menschliches" (ich muss es in Anführungszeichen setzen) an sich haben.
Sie merken schon, dass es schwierig ist. Aber weil Gott so viel größer ist als wir, muss es ja schwierig sein. Das Wunderbare ist, dass wir dennoch mit unseren Worten von Gott und zu ihm sprechen dürfen. Und dass er uns so nah gekommen ist, wie er uns näher gar nicht kommen kann. Das bedenken wir ja gerade zu Weihnachten.
In diesem Sinne viele Grüße
Klaus Straßburg
leider wurde konnte ich vorhin meinen obigen Gedanken nicht ganz zu Ende bringen, daher hier noch eine kurze Ergänzung. Wenn ich sage, dass Gott Geist ist, dann meine ich damit, dass Gott alles in sich selbst verwandelt, was ihn "berührt" und das bedeutet, dass alles Geistlose und Sinnlose durch Gott, Geist und Sinn erfährt. Jesus Christus hat in seiner Passion dem Geist- und Sinnlosen Geist und Sinn verliehen: Verleumdung, Anklage, Prozess, Folter und Hinrichtung Jesu waren tatsächlich ein Akt sinnloser und geistloser Barbarei gegen einen unschuldigen Menschen. Paulus schreibt dazu im 2. Kor. 5, 21 etwas Bemerkenswertes: „ Denn er (Gott) hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf das wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.“ Was heißt das? Was wir aus menschlicher Sicht als Makel, als Unrecht, als Niedertracht ja als reine Böswilligkeit und Boshaftigkeit (Sünde) erachten, daraus erschafft Gott in Jesus Christus eine neue Form von Gerechtigkeit. Wie ist das möglich? Diese Gerechtigkeit besteht darin, dass nun wir selbst in Christus aufgefordert sind, in allen Geschehnissen den Willen Gottes zu suchen, insbesondere in den beschwerlichen, leidvollen und ungerechten. Warum sollten wir das tun? Weil in Wahrheit nichts geschehen kann, was nicht dem Willen Gottes unterliegt. Solange wir jedoch glauben, uns geschehe etwas Böses (wenn uns beispielsweise ein Unrecht widerfährt, wir verleumdet werden, erkranken etc. ) sind wir „uneins“ mit Gott. Diese Uneinigkeit ist unser Dilemma, da wir es als Strafe, Unrecht oder Boshaftigkeit des Schicksals auffassen. Doch das ist ein Irrtum! Durch Jesus Christus wissen wir nun, dass wir unser Elend nur dann wandeln können, wenn wir das Gute mitten im Bösen erkennen. Daher sagt er angesichts seiner Passion: „Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist euch gut, dass ich hingehe. Denn wenn ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.“ Joh 16, 6-7 Hier vermittelt Jesus jene außerordentliche Geisteshaltung, die das bisher Böse unverhofft zu etwas Gutem macht, indem sie um ein ganz bestimmtes geistiges Gesetz weiß. Dieses Gesetz besagt, dass alles was aus der Hand Gottes kommt ausschließlich und immer Leben, Geist und Sinn ist. Nehme ich nun mein eigenes persönliches Unglück nicht länger aus der Hand meiner Feinde, böser Umstände etc., sondern aus der Hand Gottes entgegen, so wird es durch diesen Glauben in Leben Geist und Sinn verwandelt. Alles hängt also davon ab, „wie“ wir den schicksalhaften Seiten unseren Lebens begegnen. Es hängt, wie Sie ganz richtig sagen, nicht von Gott ab, sondern es hängt von uns ab, ob uns das Leidvolle und Beschwerliche in diesem Dasein dient, oder ob es uns hindert und vernichtet. Denn in Wahrheit (in Gott) dient alles dem Leben, das Gott selbst ist. In der Botschaft und Passion Jesu geht es darum, dass wir „eins“ werden mit allem, auch mit dem Beschwerlichen und Leidvollen, das uns begegnet. Warum? Weil es unsere Wirklichkeit ist und weil unsere Wirklichkeit in Gott liegt. Unsere Wirklichkeit ist gewissermaßen Gottes „Bühne“. Was wir an Wirklichkeit aus der Hand Gottes entgegennehmen, das wird gut. Was nicht, das bleibt geistlos und sinnlos. Nicht dass das Böse an sich gut wäre, aber es wird gut, in jener Geisteshaltung in der Jesus Christus das Böse auf sich genommen hat. In diesem Zusammenhang verdeutlicht Jesus: „Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich's wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wiederzunehmen. Dieses Gesetz habe ich empfangen von meinem Vater. Joh 10, 17-18 Hier erfahren wir den alles verändernden Unterschied. Mit einer Wirklichkeit, die wir aus der Hand Gottes entgegennehmen, selbst wenn sie Unrecht, Leid und Tod für uns bedeutet, werden wir eins mit Gott selbst. Was aber eins wird mit Gott, das wird damit auch mit Geist und Sinn erfüllt und das wiederum bedeutet, es wird lebendig. In Christus wird unsere leidvolle Wirklichkeit zu unserer ureigenen Wirklichkeit, die wir freiwillig auf uns nehmen, in der Gewissheit dass darin Gottes Wille geschieht. Geschieht aber Gottes Wille an uns, so geschieht damit notwendigerweise auch das Gute. Daher sagte Jesus, dass seine Passion eben nicht gegen seinen Willen geschieht, weil er um das Gesetz des Geistes wußte, dass durch unser Einswerden mit dem Willen Gottes, etwas unverhofft etwas neues und Gutes entsteht.
Herzlichst
Elmar Vogel
Gott kann nicht personifiziert werden. Die Personifizierung Gottes bezieht sich allein auf Jesus Christus, er ist der menschgewordene Gott – er ist Gott in Person, sonst niemand. Warum? Jesus Christus hat uns den Vater durch sein Wort verkündet. Diese Wortverkündigung ist Person im wahrsten Sinne des Wortes per-sonare = durch die Stimme. Alles andere ist menschliches Wunschdenken. Auch die Definition im Johannesprolog kann exemplarisch für Gott und Gottes Kraft gelten, sie lautet schlicht lógos. Dieser Begriff ist nicht von ungefähr gewählt, denn unter lógos wird auch ein allgemeines Prinzip einer Weltvernunft oder eines Gesamtsinns der Wirklichkeit verstanden. Auch philosophische und religiöse Prinzipien werden in der altgriechischen Literatur mit dem Ausdruck lógos bezeichnet. Emotionen wie Klagen, Weinen, Zorn etc. sind Metapher, sind Bilder der Entfremdung des Menschen gegenüber einem Prinzip das weit über negativen Emotionen steht. Solche „Emotionen“ können nicht als menschliche Schablonen auf den neutestamentlichen Gott Jesu angewendet werden, denn es sind alttestamentliche Gottesbilder, die vom Gottesbild Jesu überholt bzw. auf neue Weise mit neuem Sinn erfüllt wurden. Insofern ist es richtig, was Sie sagen, dass der Geist selbst nichts mitbekommt vom Elend des Menschen es sei denn, der Mensch trägt sein Elend in Gott hinein, was in Jesus Christus geschehen ist. Auch dass Jesus Gott mit Vater anredet bedeutet nicht, dass Gott deshalb Person wäre. Denn auch die Begriffe Vater und Sohn bzw. Kinder Gottes sind letztlich Bilder, die ein Prinzip des Verhältnisses von Gott und Mensch verdeutlichen. Wäre Jesus und Gott tatsächlich eigenständige Personen im Sinne einer festen Definition von Vater und Sohn, dann hätte Jesus nicht sagen können: „So lange bin ich bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den Vater. Wie kannst du da sagen: Zeige uns den Vater? Joh. 14,9
Es gäbe jetzt noch eine Fülle hierzu zu sagen, aber für heute belasse ich es dabei.
Auch Ihnen wünsche ich eine besinnliche Weihnachtszeit
Elmar Vogel
was die Frage der "Personalität" Gottes betrifft, unterscheiden wir uns. Ich gestehe gern zu, dass man den Begriff in Anführungsstriche setzen muss (wie auch den Begriff "Geist", wenn wir ihn auf Gott anwenden). Denn unsere unvollkommene Sprache kann nicht das Vollkommene ausdrücken (es sei denn, Gott drückt sich selbst darin aus, d.h. er offenbart sich uns).
Ich finde es entscheidend wichtig, dass wir uns bei unserem Nachdenken über Gott an die biblischen Schriften halten, zu denen auch das Alte Testament gehört. Und in den biblischen Schriften begegnet mir durchweg ein handelnder, segnender, rettender, die Welt regierender, liebender, aus Liebe leidender und auch mitunter zorniger Gott. Auch Jesus spricht vom Zorn Gottes (z.B. Mt 3,7), und ich möchte Jesus nicht unterstellen, hier "Bilder der Entfremdung des Menschen gegenüber einem Prinzip" zu benutzen. Wie gesagt, ich leugne nicht die Geist-Dimension Gottes, sondern ich vereine sie gedanklich mit seiner Person-Dimension, wie es der biblischen Botschaft entspricht.
Wie unvollkommen unser menschliches Denken sich Gott nur vorstellen kann, zeigt auch der von Ihnen zitierte Vers "Wer mich sieht, der sieht den Vater". Einerseits geht daraus die Einheit Jesu mit Gott hervor. Wenn aber andererseits beide eigenständige Personen sind, können sie nicht eins miteinander werden. Deshalb hat das Christentum von Beginn an die Einheit Jesu mit dem Vater als eine differenzierte, in sich unterschiedene Einheit verstanden. "Ich und der Vater sind eins", sagte Jesus selbst (Joh 10,30). Sie werden nicht unter bestimmten Umständen miteinander eins, sondern sie sind es. Ich verstehe die Einheit von Vater und Sohn als ein Einssein in Liebe, die beide so sehr miteinander verbindet, dass "kein Blatt Papier zwischen sie passt", die aber keine Verschmelzung beider bedeutet.
Was Sie zum Guten und Bösen schreiben, würde ich etwas anders akzentuieren: Es gibt Böses in der Welt, aber Gott kann aus diesem Bösen Gutes entstehen lassen. Ob er das tut, liegt an ihm, nicht an uns. Nicht wir entscheiden darüber, ob aus Bösem Gutes wird, sondern allein Gott. Das empfinde ich als große Befreiung, weil mein Heil dann nicht mehr von mir abhängig ist. Und ich brauche mich um mein Heil auch nicht zu mühen und zu sorgen, weil er es schon vor all meinem Tun für mich bestimmt hat: das ist seine mir zuvorkommende Liebe. Vielleicht verstehen Sie, wie befreiend diese Liebe für mich ist. Ich muss sie mir nicht verdienen, sondern ich bin schon von Ewigkeit her geliebt.
Mir hat Ihr Satz gefallen: "Nicht dass das Böse an sich gut wäre, aber es wird gut." Darin wird für mich Gottes Liebe deutlich: Er will nur Gutes für uns, und darum wird er auch durch Böses Gutes für uns bewirken. "Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will", schrieb Dietrich Bonhoeffer. Gott tut das aber nicht nur dann, wenn wir "unser Elend in Gott hineintragen" oder ihm das Böse zuführen, so dass es ihn "berührt", oder wenn wir "in allen Geschehnissen den Willen Gottes suchen". All dies macht Gottes Liebe abhängig von unserem eigenen Handeln. Liebe ist aber immer (auch zwischenmenschlich) ein Geschenk und kann nicht verdient werden. Sie ist immer bedingunglos, und verdiente Liebe oder Liebe unter Bedingungen wäre eben keine Liebe mehr.
Das ist für mich ein entscheidender Punkt im christlichen Glauben, der ihn von allen anderen Glaubensrichtungen, die ich kenne, unterscheidet: Der Mensch muss nichts tun, damit Gott ihm gnädig ist, ihn liebt. Im Gegenteil: Der Mensch soll sich ganz auf die unverdiente Gnade und Liebe Gottes verlassen, ohne ihm durch irgendwelche Taten oder einen starken Glauben zuvorkommen zu wollen. Denn Gott ist uns mit seiner Liebe immer schon zuvorgekommen. Darum sagte Jesus: „Nicht ihr habt mich erwählt, ich habe euch erwählt" (Joh 15,16).
Diese abgründige Abhängigkeit von Gott ist uns um Selbstbestimmung und Autonomie ringenden Menschen, wie fromm wir auch immer seien, ein Dorn im Auge. Wir wollen lieber selber etwas tun, um uns das Heil zu sichern, anstatt uns ganz auf Gott zu verlassen – man kann ja nie wissen ... Aber gerade so berauben wir uns des Heils, nämlich der Freiheit, die davon lebt, dass wir ohne eigene Bemühungen und ohne Bedingungen von Gott geliebt werden. Nur die bedingungslose Liebe macht uns frei.
Wenn es uns schwerfällt, Gott als Person zu sehen – und damit komme ich zum Anfang zurück –, dann könnte das auch damit zusammenhängen, dass wir uns eine Gottesbeziehung wünschen, die von unseren eigenen Taten abhängt. Denn Gott als Person ist uns wohl immer näher als Gott als Geist. Eine Person rückt uns auf den Leib, spricht uns an, macht uns von sich abhängig, hält das Heft in der Hand, so dass wir nicht unabhängig von ihr agieren können. Gott als Person ist der handelnde und die Welt regierende Gott (unabhängig von dem, was wir tun), und in uns allen liegt das Bestreben, selber zu regieren (unabhängig von dem, was Gott tut), also wie Gott sein zu wollen. Darum ist der Glaube ein täglicher Kampf gegen uns selbst – oder auch ein tägliches Geschenk Gottes. So jedenfalls sehe ich es. Und dass mein Glaube nichts von mir selbst Gewirktes ist, sondern dass Gott mich erwählt und den Glauben in mir gepflanzt hat, so dass ich für mein Heil nichts mehr tun muss – das ist die große Freiheit meines Glaubens.
Herzliche Grüße
Klaus Straßburg
vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich möchte das Thema hier jetzt nicht weiter zerpflücken. Auf meinem Blog finden Sie (bei Interesse) ausführliche Darlegungen hierzu. In einer Sache stimme ich Ihnen vollkommen zu, alles ist unverdiente Gnade. Nichts kommt aus uns selbst, alles Gute rührt aus Gott. Und als Konsequenz aus dieser Einsicht folgt die Unfreiheit der menschlichen Entscheidung: Wir können uns nicht für oder gegen Gott entscheiden, wie dies bspw. viele evangelikale Richtungen dies vermitteln. "Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn dass der Vater ihn ziehe." oder Paulus: "So macht Gott den einen Glauben und den anderen unglauben ... was verklagt er uns dann noch..." Erkennen wir den Weg Jesu als den wahren und guten, so stehen wir bereits in der Gnade Gottes, ein weiterer Grund niemanden zu verurteilen, der nicht in dieser Gnade steht. Wären wir selbst in der Lage uns für den Weg Jesu zu entscheiden, so läge das Gute ja bei uns soviel zur Thematik Verdienst und Werksgerechtigkeit. Wie ist Ihre Auffassung dazu?
Herzliche Grüße
Elmar Vogel
es freut mich, dass Sie die unverdiente Gnade Gottes so stark betonen und die unfreie menschliche Entscheidung. Ich kann Ihnen in diesem Punkt vollkommen zustimmen. Wie ein göttlicher "Geist" (was verstehen Sie eigentlich genau darunter? – eine Kraft? eine Energie? ein Bewusstsein?) allerdings gnädig sein und uns zu sich ziehen, Glauben schaffen und uns verklagen kann, ohne dass man diesem Geist auch personale Eigenschaften zuspricht (was für mich nicht bedeutet, ihn zu vermenschlichen!), will mir nicht einleuchten.
Aber vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, das ein andermal zu besprechen. Und vieleicht stellt sich dann ja heraus, dass wir gar nicht so weit auseinander liegen, wie es jetzt vielleicht scheint. Denn, wie gesagt, ich bestreite die Geist-Dimension Gottes ja gar nicht. Er ist auch für mich mehr als eine Person - aber auch mehr als eine bloße Kraft und Energie.
Von daher bedanke ich mich für diesen interessanten Dialog und grüße Sie herzlich
Klaus Straßburg
sie fragten:
Wie ein göttlicher "Geist" (...) allerdings gnädig sein und uns zu sich ziehen, Glauben schaffen und uns verklagen kann, ohne dass man diesem Geist auch personale Eigenschaften zuspricht (....), will mir nicht einleuchten.
Auf die Liebe als "Emotion" Gottes möchte ich im Folgenden kurz eingehen.
Gott ist Geist. Alles Leben, alle Existenz, alle Form, fließt aus dem Geist. Jedwede Erscheinung ist eine Manifestation des Geistes. Gott ist ohne Alternative, d.h. Gott ist alles in allem. Außer Gott existiert nichts Wirkliches, da es keine Wirklichkeit außerhalb von Gott gibt. Unsere menschliche Vorstellung, dass da irgendwo eine Alternative zu Gott existierte oder dass ein Leben jenseits von Gott möglich wäre, beruhen auf einem Irrtum. Die Vorstellung von einem Konkurrenten oder einem Gegenspieler Gottes, wie dem Teufel oder dem Satan, sind nichts anderes als eine Folge unserer menschlichen, d. h. unserer körperlichen Befangenheit und Konditionierung. Das heißt, durch unsere Befangenheit sind und werden wir getäuscht. Gott ist die Wirklichkeit, der Teufel hingegen ist Täuschung und Illusion. Gott ist die Wahrheit – der Teufel hingegen ist Lüge und Unwahrheit. Aber Lüge und Illusion zerfallen angesichts der Wahrheit. Schon daraus ist ersichtlich, dass dem Teufel an sich kein wirkliches Sein zukommt. Der Sieg über den Teufel ist nichts anderes, als ein Abstreifen der Illusion - ein Bewusstwerden über die Wirklichkeit unsere Existenz. In diesem Bewusstwerden liegt die Befreiung von Irrtum, Täuschung und Lüge durch die Wahrheit, die Jesus uns in seiner Botschaft und Passion vermittelt hat. In dem Moment, wo wir unsere Täuschung erkannt haben, sind wir erlöst. Der Mensch kann die Wahrheit nur im Vergleich zur Lüge erkennen - das Gute erweist sich als gut in der Berührung mit dem Bösen - das Leben erhält seinen Wert in Anbetracht des Todes. Daher, im Erkennen und Betrachten der Lüge (eigener wie fremder) wird die Wahrheit mächtig. Aus eben diesem Grund kommt unserer menschlichen Schwäche und Mangelhaftigkeit (der Sünde) in Christus eine essentielle Bedeutung und Notwendigkeit zu:
Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen. Mat 5,8
Reinheit ist die Fähigkeit, die Befleckung zu betrachten. Simone Weil
Das bedeutet, die Einsicht in unser eigenes menschliches Elend ist unser höchstes Gut, denn sie lehrt uns dreierlei: 1. Einen Zustand innerer Aufrichtigkeit, der uns die Wahrheit (Gott) über uns selbst offenbart. 2. Das Verständnis daraus, dass unserer menschlichen Schwäche einen tiefen Sinn, eine Bedeutung und somit eine Notwendigkeit erfährt. 3. Das Verständnis, dass die Aufforderung Jesu Nachsicht, Demut, Vergebung, Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit gegenüber unserem Mitmenschen zu üben, die einzig ehrliche und mögliche Konsequenz aus dieser Einsicht ist.
So ist das Wesen der Liebe Gottes, die uns Jesus Christus gelehrt und gezeigt hat: Durch Einsicht in unsere eigene Schwäche und Unvollkommenheit finden wir zur Vergebung und Barmherzigkeit gegenüber unserem Mitmenschen. Das heißt, die Liebe Gottes zu uns Menschen offenbart sich in jener Liebe, die wir selbst bereit sind, gegenüber unseren Mitmenschen zu üben, ob Freund oder Feind. Dass dies das Wesen der Liebe Gottes offenbart sich uns in der Geisteshaltung Jesu, der eben so an uns Menschen handelte. In seinem Geist sind wir aufgefordert, Gottes Liebe in diese Welt zu tragen.
Herzliche Grüße
Elmar Vogel
Das heißt, dass sich uns das Wesen der Liebe Gottes in der Geisteshaltung Jesu offenbart, der eben so an uns Menschen handelte, dass er seine eigene körperliche Schwachheit so auffasste und verwendete, dass damit uns gedient werden konnte. In seinem Geist sind wir aufgefordert, Gottes Liebe in diese Welt zu tragen.
was Sie zum Teufel schreiben, sehe ich ganz ähnlich. Darüber müssen wir also nicht diskutieren.
Allerdings leuchtet mir immer noch nicht ein, wie ein "Geist" gnädig sein, lieben und handeln kann (herrschen, Jesus spricht von der Gottesherrschaft, auferwecken etc.), es sei denn, man geht davon aus, dass er auch personale Eigenschaften hat. Sie sprechen ja selbst von Gottes Liebe. Zugleich sagen Sie, jedwede Erscheinung sei eine Manifestation des Geistes und Gott sei alles in allem, es gebe keine Wirklichkeit außerhalb von Gott. Das klingt sehr pantheistisch. In den biblischen Schriften ist Gott aber ein Gegenüber zu uns Menschen, und er wird erst am Ende der Tage alles in allem sein (1Kor 15,28). Bis dahin gibt es noch das Böse, Gott Widersprechende, Gottlose (Röm 4,5; 5,6). Darum kann ich auch die Sünde nicht als Notwendigkeit, sozusagen als notwendiges Übel betrachten. Die Wahrheit erkennen wir nicht im Vergleich zur Lüge, sondern an Jesus Christus, der die Wahrheit in Person war (Joh 14,6). Alles andere würde die Sünde rechtfertigen. Zwar kann uns ein Krieg wie der in der Ukraine vor Augen führen, wozu der Mensch fähig ist. Der Kern der Sünde ist aber nicht menschliches Versagen, sondern die Ablehnung Gottes und das menschliche Bestreben, selber Gott zu sein. Und dass wir solche Menschen sind, erkennen wir an der Liebe Jesu Christi, der uns am Kreuz zeigt, dass wir nicht nur missliebigern Menschen, sondern Gott selbst die Nichtexistenz wünschen.
Wenn Sie dann schreiben, dass unser eigenes menschliches Elend unser höchstes Gut sei und dass uns dieses unser Elend, also unsere Sünde (wenn ich Sie recht verstehe) Gott offenbare, dann ist das quasi das Gegenteil meiner Sichtweise. Denn ich gehe davon aus, dass Gott sich selbst uns offenbart, und zwar in seinem "Sohn" oder "Ebenbild" Jesus Christus (2Kor 4,4; Kol 1,15; Hebr 1,3). Und wenn Sie schreiben, durch unsere Einsicht in unsere eigene Unvollkommenheit fänden wir zur Vergebung, dann klingt das für mich nach einer Art Selbsterlösung. Denn die Vergebung Gottes als seine ureigene Tat brauche ich dann nicht mehr, ebenso wenig wie seine Offenbarung. Ich muss ja nur zur rechten Einsicht finden, und dann erlange ich Gottes Vergebung. Das wiederum klingt nach einer Spielart der Gnosis, die es ja auch zu neutestamentlicher Zeit schon gab.
Ich will Ihnen nichts unterstellen, ich sage nur, wie das, was Sie geschrieben haben, für mich klingt. Vielleicht habe ich Sie ja auch missverstanden.
Für mich hängt einfach von Gottes Gnade und Liebe alles ab, und darum muss Gott in meiner Sicht auch ein Gegenüber sein. Und alles, was nach Pantheismus klingt, ebnet dieses Gegenüber ein, was dann wohl unweigerlich auf einen Verlust von Gottes Gnade und Liebe und deshalb auf Selbsterlösung hinausläuft. Dass es bei Ihnen so ist, will ich nicht unterstellen, vielleicht können Sie ja beides miteinander vereinen.
Herzliche Grüße
Klaus Straßburg
vielen Dank für Ihre Antwort, auf die ich hier in einigen Punkten eingehen möchte.
Gott ist gnädig, und zwar in Relation zur Ungnade des Menschen, er ist barmherzig - in Relation zur Unbarmherzigkeit des Menschen, er ist lebendig - in Relation zu unserer Sterblichkeit. In Christus ist er allumfassend und bedingungslos liebend – in Relation zu jener Bedingtheit und Beschränktheit, in welcher wir Liebe gewähren oder eben verweigern. Ohne Relation Gott-Mensch wäre Gott nicht einmal Gott. Daher schreibt Meister Eckhart: Wäre ich nicht, so wäre auch Gott nicht. Dass Gott ist, dafür bin ich die Ursache.
Diese Ursächlichkeit wird unter anderem an folgendem Jesuswort deutlich:
„Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.
Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?“ Mat. 5, 43-48
Jesus verdeutlicht und betont hier genau das, was Ihnen fragwürdig vorkommt, nämlich, dass jedwede Erscheinung (gut wie böse) eine Manifestation des Geistes ist. Das mag pantheistisch klingen, ist es aber insofern nicht, als Jesus die Dualität klar benennt und sie thematisiert. Ja, eben wegen der Dualität, der wir hier ausgesetzt sind, ist Jesus in diese Welt gekommen, um sie im Geist Gottes zu überwinden. In seiner Passion überwindet Jesus die Dualität der Welt. In seiner Geisteshaltung „zieht“ er sozusagen alles zu sich hinauf – selbst seine Feinde, in dem er sterbend am Kreuz verkündet: „Vater, vergib ihnen sie wissen nicht was sie tun!“ Luk. 23,34
Wenn Sie die Sünde theologisch nicht als Notwendigkeit erachten, dann ist Jesus umsonst gestorben, denn es ist die Sünde, die Jesus ans Kreuz gebracht hat. Und ohne diese Sünde wäre uns keine Erlösung zuteilgeworden. Eine Grundaussage der Botschaft Jesu ist, dass jegliche Sünde und Schuld eine tiefe Bedeutung erfahren muss, wodurch allein sie gut werden kann. Das ist es, was er angesichts seiner bevorstehenden Passion seinen Jüngern erklärt, dass das Leidvolle und Beschwerliche dieses Daseins in seinem Geist eine Bedeutung erfahren muss, wodurch es gut wird.
„Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand unter euch fragt mich: Wo gehst du hin? Sondern weil ich solches geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden. Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist euch „gut“, dass ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.“ Joh 16, 5-7
Was wir im Geist Jesu aus der Hand Gottes entgegennehmen, das tragen wir in Gott hinein und machen Gott damit gewissermaßen zum Urheber von Unrecht, Leid und Tod. Da aber in Gott kein Raum ist für Unrecht, Leid und Tod, wurde es im Geist Jesu verwandelt, denn Jesus nimmt seine Passion aus der Hand Gottes entgegen:
...und sprach: Vater, willst du, so nehme diesen Kelch von mir, doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! Luk 22, 42
....das ist mein Blut des neuen Testaments, welches vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. Mat 26,28
Das heißt, unsere Schuld ist insofern vergeben, als sie in Jesus Christus einen Sinn erfährt, so wie er in seiner Passion einen Sinn fand und eben daher seinen Feinden allumfassend vergeben konnte, erfährt nun auch unsere „Sünde“ einen Sinn, wodurch sie überwunden ist.
Der Mensch kann die Wahrheit nur im Vergleich zur Lüge erkennen - das Gute erweist sich als gut, in der Berührung mit dem Bösen - das Leben erhält seinen Wert in Anbetracht des Todes. Daher, im Erkennen und Betrachten der Lüge (eigener wie fremder) wird die Wahrheit mächtig. Deshalb kommt unserer menschlichen Schwäche und Mangelhaftigkeit (der Sünde) in Jesus Christus eine essenzielle Bedeutung und Notwendigkeit zu: Die Einsicht in unser menschliches Elend lehrt uns: Demut, Vergebung, Mitmenschlichkeit, Barmherzigkeit, gegenüber unserem Nächsten.
Sie schreiben: Die Wahrheit erkennen wir nicht im Vergleich zur Lüge, sondern an Jesus Christus, der die Wahrheit in Person war (Joh 14,6).
Herr Straßburg, sie trennen hier, was zusammengehört. Ja, Jesus Christus ist die Wahrheit – eben jene Wahrheit, die sich in der Passion Jesu bewusst Verrat, Verleumdung, Unrecht, Lüge, Leiden und Sterben aussetzt. Das ist das Wesen der Wahrheit, dass sie durch keine Sanktion der Welt geschmälert oder vernichtet werden kann, sondern, dass sie immer und ausschließlich Förderung erfährt, und zwar dort, wo sie das Hinderliche aus der Hand Gottes auf sich nimmt und trägt.
Ganz herzliche Grüße in den Abend
Ihr Elmar Vogel
Seien sie ganz herzlich gegrüßt und kommen Sie gut ins neue Jahr.
Ihr Elmar Vogel
mir scheint, dass wir uns im Kern unseres Denkens doch sehr unterscheiden. Von daher könnten wir wahrscheinlich endlos weiterdiskutieren, wenn wir uns im Kern nicht einander annähern.
Ich sehe ein Problem darin, Gott in Relation zu etwas anderem zu verstehen. Das Problem besteht darin, dass man Gott dann gedanklich von etwas anderem abhängig macht. Wenn man Gottes Liebe z.B. als Steigerung menschlich-unvollkommener Liebe versteht, macht man das Verständnis der Liebe Gottes abhängig vom Verständnis menschlicher Liebe. Man misst Gottes Liebe sozusagen an menschlicher Liebe, man versteht sie von dem her, was wir als menschliche Liebe erleben. Das gilt auch dann, wenn man versucht, Gottes Liebe so zu verstehen, dass sie die ins Unermessliche gesteigerte menschliche Liebe ist.
Wenn man so denkt, kommt Gott aus der Abhängigkeit von menschlichen Gegebenheiten niemals heraus. Das gilt dann selbstverständlich auch, wenn man Gottes Existenz von der Gott-Mensch-Beziehung abhängig macht, also von der Existenz des Menschen. "Wäre ich nicht, so wäre Gott auch nicht. Dass Gott ist, dafür bin ich die Ursache." Ich könnte das nur mittragen, wenn gemeint wäre, dass, wenn ich nicht wäre, Gott für mich nicht wäre; wenn ich nicht wäre, Gott auch nicht in mir sein könnte. Das würde aber nicht bedeuten, dass Gott, wenn ich nicht wäre, gar nicht existieren würde. Gott braucht mich nicht. Er ist auch ohne Welt und Menschen, was er ist. Er braucht die Menschheit nicht als Gegenstand seiner Liebe. Und zwar deshalb nicht, weil Gott in sich selbst schon von Ewigkeit her Liebe ist: im Verhältnis zu seinem Sohn und zum Heiligen Geist. Gott ist in sich selbst ewige Beziehung, Liebesbeziehung, und deshalb benötigt er keine Menschen, um Liebe sein zu können.
Das ist deshalb wichtig, weil Gott andernfalls vom Menschen abhängig und nicht mehr frei in seiner Liebe wäre. Abhängige Liebe aber ist keine Liebe. Auch zwischen Menschen ist Liebe nur dann Liebe, wenn der eine nicht vom anderen abhängig ist. Für Gott gilt das noch viel mehr. Meiner Meinung nach muss man es sogar umdrehen: Nicht Gottes Liebe ist von uns abhängig, sondern wir sind von Gottes Liebe abhängig. Unsere Liebe ist immer begrenzt, ist sogar immer an ein Gegenüber gebunden. Das gilt von Gottes Liebe nicht, weil er schon von Ewigkeit her ein Gegenüber in sich selbst ist.
Wäre Gott nicht frei in seiner Liebe, dann würde sie sich z.B. an unserem Wohlwollen ihm gegenüber entzünden oder an unseren guten (oder auch bösen) Taten. Wir könnten uns seine Liebe dann verdienen (oder durch böse Taten auf uns ziehen), was tatsächlich menschliches Bestreben ist. Aber gerade darin besteht der Kern unserer Sünde: dass wir uns nicht bedingungslos lieben lassen wollen, sondern selber Bedingungen dafür schaffen wollen, dass Gott uns liebt. Wir wollen die Voraussetzungen der Liebe selber schaffen. Wir wollen wie Gott sein.
Wenn Gott nicht frei ist in seinem Sein, ist er auch nicht frei in seiner Liebe. Wenn er nicht frei ist in seiner Liebe, kann er sie uns nicht entziehen. Er ist dann gezwungen, uns zu lieben. Liebe ist dann ein Prinzip Gottes. Es ist "sein Job, uns zu lieben". Das entwürdigt seine Liebe. Freie Liebe kann immer auch entzogen werden. Dass Gott uns seine Liebe auch entziehen kann, damit müssen wir leben. Dass er es dennoch nicht auf Dauer tut, das ist sein unverdientes Geschenk, für das wir nur dankbar sein können.
Sie zitieren Mt 5,43ff als Beleg dafür, dass ich die Ursache für Gottes Sein bin. Inwiefern die Verse diese Ursächlichkeit begründen sollen, verstehe ich nicht. Es geht doch um Jesu Aufforderung an uns, die Feinde zu lieben. Wenn wir das nicht tun, erlischt doch nicht Gottes Sein. Vielmehr erlischt unser Sein als das, was wir sein sollen: wirklich lebendige Menschen, Menschen, die Leben in sich tragen. Wenn wir aber nicht lieben, sind wir schon lebendig tot.
Dass Jesus seine Sonne aufgehen lässt über Bösen und Guten, heißt auch nicht, dass "jedwede Erscheinung (gut wie böse) eine Erscheinung des Geistes ist." Es heißt nur, dass Gott Bösen wie Guten Gutes widerfahren lässt, dass er sie alle liebt. Das bedeutet aber nicht, dass das Böse durch Gottes Liebe gut wird. Vergebung der Sünden ist nicht Verwandlung der Sünden in Gutes. Auch vergebene Sünden bleiben Sünden, nur dass sie uns nicht mehr angerechnet werden. Das Böse, das ein Mensch tut, wird nicht dadurch gut, dass Gott es ihm vergibt. Er soll es vielmehr bereuen und in Zukunft nicht mehr tun. Damit ist gesagt, dass es böse bleibt, auch wenn es ihm vergeben wird. Es verstößt weiterhin gegen die Gebote oder Jesu Aufforderungen zur Liebe. Darum sagt Jesus oft: "Sündige hinfort nicht mehr!"
Ich kann die Sünde auch nicht als notwendig dafür sehen, dass Jesu Tod einen Sinn hat und nicht umsonst gestorben ist. Denn Jesus ist aus Liebe gestorben. Er hat uns dadurch die Liebe Gottes offenbart, die stärker ist als unsere Sünde. Gottes Liebe aber gründet nicht in unserer Sünde, sondern in ihm selbst, wie ich oben schon erläuterte. Man mag ja sagen, dass ohne die menschliche Sünde Gott uns nicht vergeben, also uns nicht mit Liebe begegnen müsste. Aber man sollte nicht sagen, dass ohne die menschliche Sünde es keinen vergebenden, liebenden Gott gäbe. Das würde die Ewigkeit Gottes bestreiten und ihn von der zeitlichen Schöpfung abhängig machen.
Lieber Herr Vogel, wahrscheinlich können wir, wie ich schon sagte, unseren Dialog noch endlos fortsetzen mit immer neuen Fragestellungen. Ich will Ihnen Ihren Glauben auch gar nicht ausreden, wenn er Ihnen die Beziehung zu Jesus Christus eröffnet. Ich will nur auf Gefahren hinweisen. Und im Grunde ist der Glaube nicht kompliziert, sondern einfach. Die einfachen, unerlässlichen Wahrheiten des Glaubens sind: Gott ist der von Ewigkeit her liebende Gott. Er hat sich uns in Jesus Christus offenbart. Er vergibt allen, die es sich gefallen lassen, ihre Schuld und will ihnen das ewige Leben schenken. Und er will uns zu solchen Menschen machen, wie er sie sich gedacht hat. – Wir reden im Glauben zuerst von Gott, dann erst vom Menschen. Alle Liebe geht von Gott aus, nicht vom Menschen. Was der Mensch tut oder nicht tut, glaubt oder nicht glaubt, ist zweitrangig. Jesus Christus ist das A und das O, der Anfang und das Ende. Ihm allein gebührt Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Darum dürfen wir nicht das Menschliche betonen und irgendwie in Relation zu Gott setzen. Denn damit ist die Gefahr groß, es ihm gleichzusetzen.
Mir gefällt Ihr Satz: "Das ist das Wesen der Wahrheit, dass sie durch keine Sanktion der Welt geschmälert oder vernichtet werden kann." Dann aber kann die Wahrheit, also Gott selbst, durch nichts Menschliches, sei es gut oder böse, geschmälert oder auch aufgerichtet werden.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes neues Jahr und grüße Sie herzlich
Ihr Klaus Straßburg
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
Auf diese Wege wünsche ich auch Ihnen alles erdenklich Gute für das neue Jahr.
Sie schreiben:
„Ich sehe ein Problem darin, Gott in Relation zu etwas anderem zu verstehen.“
Auf welche Weise sollte denn Gott sonst verstanden werden, wenn nicht in Relation zu seinen Geschöpfen? Ein Vater ist Vater in Relation zu seinen Kindern. Hat er keine Kinder, so ist er nicht Vater. So ist es auch mit Gott: Gott ist Vater, insofern er uns (durch Christus) als seine Kinder erkennt und somit hervorbringt. Wir sind nur insofern Kinder Gottes, als wir uns (durch Christus) als seine Kinder erkennen und damit Gott als unseren Vater erkennen und bestätigen. Jesus Christus hat Gott als seinen Vater erkannt und bestätigt und das gilt auch umgekehrt, d. h. Gott hat Jesus Christus als seinen Sohn erkannt und bestätigt. Der Begriff „Gott“ ist (in Christus) nur in dieser Relation möglich und denkbar. Insofern trifft zu, was Sie sagen, dass Gott sich (in Christus) gedanklich von uns abhängig macht. Diese vollkommene Abhängigkeit Gottes von unserem Willen zu ihm, die hat er uns in Jesus Christus gezeigt, indem er sich für uns am Kreuz hingab. Gott will nur dort wohnen, wo wir ihn herbeisehnen und einlassen, nirgendwo anders. Soweit wir Gott (Leben und Geist) suchen und wollen, soweit sucht und will Gott auch uns. Das eine hängt unauflöslich am anderen. Nun könnten Sie sagen, ja, aber Gott hat uns schon gesucht, bevor wir ihn suchten. Das ist nur bedingt richtig, da in Gott kein Davor und Danach existiert – Gott ist zeitlos, ewig. Daher, erkennen wir uns in Gott, so erkennen wir damit unsere zeitlose Existenz. Das heißt, in Jesus Christus erkennen wir uns als jene Geschöpfe, die wir schon waren, ehe die Welt wurde. In dieser Erkenntnis sind wir vollkommen eins mit Gott und Gott mit uns. In dieser Erkenntnis kann und will Gott nicht ohne uns sein und wir nicht ohne ihn.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Elmar Vogel
tatsächlich können wir Gott nur erkennen in Relation zu uns und seinen anderen Geschöpfen. Und tatsächlich ist er ja in Relation zu ihnen getreten. Er hat sich, wie sie sagen, gedanklich von uns abhängig gemacht. Aber in diesem gemacht steckt ja schon, dass er es nicht von Ewigkeit her war. Gott war schon, bevor er die Schöpfung gemacht und sich selbst sozusagen von ihr abhängig gemacht hat. Und er wird sein, wenn es die Schöpfung nicht mehr gibt. Und er ist auch gegenwärtig nicht so von ihr abhängig, dass er ohne sie nicht existieren und lieben könnte. Darauf kommt es an! Denn nur dann ist Gott frei in seiner Liebe.
Wenn Gott aber frei ist in seiner Liebe, gilt nicht, dass er uns nur dann sucht und will, wenn wir ihn suchen und wollen. Das beste Beispiel dafür ist Paulus, der Jesus nicht suchte, sondern verfolgte, und von ihm gesucht und gefunden wurde. "Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt" (1Joh 4,19).
Ich erkenne kein Gegenargument darin, dass Gott ewig ist, im Gegenteil: Gerade weil Gott ewig ist im Unterschied zu uns, hat er uns, nämlich seine Geschöpfe, gesucht, bevor er die Welt und uns erschaffen hatte. Dass Gott ewig ist, bedeutet ja nicht, dass es die Schöpfung schon in Ewigkeit gab. Insofern gibt es auch in Gott ein Vorher und Nachher – vor der Schöpfung und nach der Schöpfung. Zwar war die Schöpfung, waren wir als seine Geschöpfe schon in Ewigkeit "als Ideen" Gott gegenwärtig – die Ewigkeit rückt alle Zeiten sozusagen in einem Punkt zusammen –, aber das bedeutet nicht, dass es in Gott nicht auch ein Vorher und Nachher gäbe, ein Vorher, zu dem wir noch nicht existierten.
Man kann sich natürlich viel vorstellen, aber die Bibel ist hier doch eindeutig. Vor der Schöpfung war Chaos: "Die Erde war wüst und leer." Erst nach und nach wurden die verschiedenen Geschöpfe erschaffen. Nirgends steht etwas davon, dass es die Geschöpfe immer schon gab, dass sie in Ewigkeit bei Gott und mit ihm eins waren. Das ist gnostisches Denken.
Eine Ewigkeit ohne Vorher und Nachher wäre etwas Totes; denn ohne Vorher und Nachher gibt es keine Bewegung, kein Leben. Gott hat in seiner Ewigkeit seine ihm eigene Zeitlichkeit. Nur in diesem Paradox können wir uns – in unserer begrenzten Weise – die Ewigkeit vorstellen.
Ich schließe daraus nicht, dass wir als Geschöpfe eine zeitlose Existenz haben bzw. schon vor der Schöpfung existierten. „"Noch ehe ich dich bildete im Mutterleib, habe ich dich erwählt", spricht Gott nach Jer 1,5. Also noch ehe wir zu existieren begonnen haben, hat Gott uns geliebt – wir haben aber nicht schon existiert, bevor er uns im Mutterleib bildete.
Entscheidend wichtig finde ich, dass Gottes Liebe zu uns nicht von unserer Liebe zu ihm abhängig ist. Denn dann wäre seine Liebe nicht frei, und sie könnte uns nicht frei machen. Denn dann wären wir dazu verdammt, Gott zu lieben, damit er dann auch uns liebt. Das aber wäre keine frei(willige) Liebe mehr, sondern Leistung und Gegenleistung.
In dieser Hinsicht "will Gott nicht ohne uns sein", obwohl wir ohne ihn sein wollen. Das ist zwar eine unangenehme Erkenntnis, aber auch eine befreiende. Denn sie befreit uns von allem Leistungsdruck – und von aller Selbstverständlichkeit der Liebe Gottes, wonach er gar nicht anders kann als uns zu lieben.
Wie gesagt, Herr Vogel, ist will Sie von nichts überzeugen und freue mich, dass Sie sich schon so viele Gedanken über all das gemacht haben – sicher mehr als die meisten Menschen auf dieser Erde. Aber ich finde es ganz wesentlich, dass wir nicht in ein Schema von Leistung und Gegenleistung hineingeraten: "Gott liebt mich, weil ich ihn liebe. / Ich liebe Gott, damit er mich dann auch liebt." Wenn Sie das für sich vollkommen ausschließen können, ist ja schon viel gewonnen. Es sollte aber auch nicht in der Konsequenz ihrer Gedanken liegen.
Herzliche Grüße
Klaus Straßburg
sie schreiben: "Er hat sich, wie sie sagen, gedanklich von uns abhängig gemacht. Aber in diesem gemacht steckt ja schon, dass er es nicht von Ewigkeit her war. Gott war schon, bevor er die Schöpfung gemacht und sich selbst sozusagen von ihr abhängig gemacht hat. Und er wird sein, wenn es die Schöpfung nicht mehr gibt. Und er ist auch gegenwärtig nicht so von ihr abhängig, dass er ohne sie nicht existieren und lieben könnte. Darauf kommt es an! Denn nur dann ist Gott frei in seiner Liebe."
Das trifft so nicht zu. Jedes Werk Gottes ist ein Werk von Ewigkeit her. Nur weil es hier in der Zeit geschieht, heißt das nicht, dass es nicht von Ewigkeit her besteht. Man kann Gottes zeitloses Wesen und wirken nicht aus der Zeitlichkeit heraus beurteilen. Alles was Gott tut, das tut er aus seinem ewigen Grund heraus. Daher sagte Jesus vor seiner Passion: „Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ Joh 17,5 Das heißt, „in“ der Passion Jesu wird Gottes ewiges Werk für uns sichtbar gemacht, aber es bestand schon vor der Zeit.
Herzliche Grüße aus dem frühlingshaften Dresden
Ihr Elmar Vogel
PS: Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie auf meinen neuen Beitrag in meinem Blog aufmerksam machen, der sich der Theodizeefrage widmet. Viellicht haben Sie ja Lust mir dort ebenfalls einen fachlichen Kommentar zu hinterlassen: https://christophilos.de/die-theodizee-frage/
es fällt mir schwer, den Diskussionsfaden nach so langer Zeit wieder aufzugreifen. Zur Frage der Abhängigkeit Gottes vom Menschen kann ich nur sagen: Man kann ja vielleicht sagen, dass jedes Werk Gottes ein Werk von Ewigkeit her ist. Aber das bedeutet nicht, dass er abhängig von uns ist. In welcher Weise sollte er das sein? Er kann auch ohne uns existieren, und es würde ihm ohne uns an nichts mangeln. Er benötigt keine Menschen, um lieben zu können, sondern ist in der trinitarischen Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist schon in sich selbst Liebe. Er benötigt keine Schöpfung, um an ihr handeln zu können, denn er handelt in der ewigen trinitarischen Liebe an sich selbst. Er ist nicht einsam ohne uns, weil er in sich selbst die Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist ist.
Das sind nur menschliche Begriffe, die das Undenkbare anzudeuten versuchen. Dennoch ist die Vorstellung von einer Trinität genau aus diesem Grund nicht überflüssig: Gott ist sich selbst genug und bedarf keiner Schöpfung und Menschheit.
Viele Grüße
Klaus Straßburg
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Nun, in dieser Sache verstehe ich den christlichen Glauben tatsächlich anders als Sie: Gott kann, eben nicht ohne den Menschen, das hat er in Jesus Christus unmissverständlich aufgezeigt. In seiner Liebe zu uns ist er in ihm Mensch geworden und hat sich für uns aufgeopfert, damit wir zum Leben, nämlich zu Gott finden. Die Auffassung, Gott könne auch ohne den Menschen gut existieren, findet sich auch im christlichen Kontext so nicht. Sie fragen, in welcher Weise Gott von uns abhängig sei? Die Antwort gibt Jesus selbst und sie lautet; durch die Liebe. Auf der Liebe beruht Gottes Abhängigkeit zu uns und unsere zu ihm: "Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.„ Joh 3, 16. Dabei ist das Wort „Abhängigkeit“ in diesem Kontext eigentlich unzutreffend, denn es suggeriert Unfreiheit. Aber aus Liebe kann Gott nicht anders, denn in der Liebe zu uns liegt sowohl Gottes als auch unsere Freiheit zum Leben begründet. Würde Gott nicht lieben, so wäre er nicht Gott, denn Gott ist Liebe. Dort, wo wir lieben, können und wollen wir nicht ohne den Gegenstand unserer Liebe existieren und so verhält es sich auch mit Gottes Liebe zu uns.
Herzliche Grüße
Ihr Elmar Vogel
Sie schreiben: Wenn Gott aber frei ist in seiner Liebe, gilt nicht, dass er uns nur dann sucht und will, wenn wir ihn suchen und wollen. Das beste Beispiel dafür ist Paulus, der Jesus nicht suchte, sondern verfolgte, und von ihm gesucht und gefunden wurde. "Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt" (1Joh 4,19).“
Dass Gott frei in seiner Liebe wäre, ist unzutreffend, wenn Sie damit sagen wollen, Gott könne auch etwas anderes als lieben bzw. er könne seine Liebe auch verweigern. Freiheit und Liebe sind in Gott der Sache nach vollkommen eins und können als göttliche Eigenschaften nicht voneinander getrennt werden. Das heißt, Gott „muss“ lieben, sonst wäre er nicht Gott und in dieser Liebe ist die Freiheit eingeschlossen. Ebenso ist es mit der Suche nach Gott und Mensch, sie ist reziprok: Gott sucht nur, was auch ihn sucht, er liebt nur, was auch ihn liebt und er macht nur frei, was seine Freiheit in Gott erkennt. Ohne diese Einheit existiert gar keine Suche. Eben weil in Gott keine zeitliche Abfolge existiert, lässt sich das Gesuchte gar nicht trennen, von dem, der sucht, denn unsere Suche nach Gott ist ja nur ein Ausdruck dessen, dass Gott bereits nach uns sucht und umgekehrt. Mit anderen Worten, dass wir Gott überhaupt suchen können, das macht Gott! „Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, dass der Vater ihn ziehe.“ Joh 6,44 So ist das Prinzip der Gnade. Wenn Jesus auffordert: „Suchet, so werdet ihr finden, denn wer da sucht, der findet.“, so ist dies nur möglich, weil Gott in Christus nach uns sucht: Siehe Gleichnis vom verlorenen Schaf. Das eine hängt unauflöslich am anderen.
Herzliche Grüße
Ihr Elmar Vogel
was mir wichtig ist: Gott hat sich aus freiem Willen in seiner Liebe von uns abhängig gemacht, aber er musste es nicht. Er hätte auch ohne uns Gott sein können. Gott "muss" uns nicht lieben, aber er liebt uns aus freien Stücken. Wer will ihn zur Liebe zwingen? Erzwungene Liebe oder eine Liebe, die lieben "muss", damit der Liebende er selbst ist, ist keine Liebe, sondern Selbstwerdung.
Gott liebt uns zuerst. Dann erst können wir ihn lieben. Das ist für mich keine Reziprozität, sondern eine Priorität der Gnade/Liebe Gottes vor all unserem Handeln und Lieben.
Lieber Herr Vogel, ich glaube, wir haben an dieser Stelle alle Argumente zu diesem Thema ausgetauscht. Wenn Sie mögen, setze ich das Gespräch mit Ihnen gern fort, aber dann zu neueren Artikeln von mir, so dass auch andere Leserinnen und Leser davon profitieren können. Sie können auch mit Pseudonym oder nur mit Vornamen schreiben. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Herzliche Grüße
Klaus Straßburg