Warum ein Shutdown unwahrscheinlich
und zugleich wahrscheinlich ist
und zugleich wahrscheinlich ist
Ein Gastartikel von god.fish | 10/11/2021
67% der Deutschen sind aktuell vollständig geimpft. Die Infektionszahlen in Deutschland steigen stark. Die Intensivstationen füllen sich allerdings hauptsächlich mit Menschen, die nicht geimpft sind. Einige von diesen konnten sich nicht impfen lassen, aus medizinischen Gründen, die meisten aber hätten sich vermutlich impfen lassen können, haben das aber aus irgendwelchen Gründen nicht getan; vielleicht deswegen, weil sie schlecht oder falsch informiert waren oder sich schlecht oder falsch informiert haben, was nach über 1,5 Jahren Pandemie aber schon zu hinterfragen wäre.
Bisher ist es noch relativ warm in Deutschland, der Winter hat noch gar nicht richtig angefangen, man kann noch gut draußen etwas unternehmen mit anderen Leuten und man kann auch noch gut lüften. Wenn es aber richtig kalt wird draußen, könnten die Infektionszahlen noch weiter steigen.
Es könnte nach und nach der Fall eintreten, dass im ganzen Land Intensivstationen keine Betten mehr frei haben, weil dort hauptsächlich Menschen mit Covid 19 liegen, von denen die meisten sich wohl hätten impfen lassen können, es aber nicht getan haben.
Und was dann? Menschen, die einen Unfall hätten, Menschen, die eine dringende Operation bräuchten, könnten nicht mehr verpflegt werden, weil die intensivstationen voll sind.
Die Politik könnte dann mit einem Lockdown oder Shutdown reagieren. Aber für wen?
Ein Shutdown für die nicht Geimpften? Dabei ist das diejenige Gruppe, die dem Staat ohnehin schon skeptisch gegenüber zu stehen scheint, zumindest zu einem gewissen Teil. Ein solcher teilweiser Shutdown könnte also einen gewissen Teil dieser Gruppe in eine radikale politische Ecke treiben.
Oder einen Shutdown für die gesamte Bevölkerung? Die 67% der Bevölkerung, die sich haben impfen lassen, würden das aber womöglich nicht mehr mittragen, denn diese Menschen haben sich ja unter anderem auch deswegen impfen lassen, um einen erneuten Shutdown und die damit einhergehenden wirtschaftlichen und sozialen Härten zu vermeiden.
Wenn aber die Bevölkerung einen Shutdown nicht mehr mittragen würde, müsste ein solcher entweder mit repressiver Gewalt durchgesetzt werden, was die Menschen vom Staat entfremden könnte, oder man würde womöglich von staatlicher Seite aus auf die Durchsetzung verzichten, was bedeuten würde, dass die Maßnahmen, die der Staat verhängt hat, ignoriert werden dürfen. Dies hätte allerdings verheerende Auswirkungen auf viele Bereiche, in denen der Staat das Gewaltmonopol hat, denn der Staat würde nicht mehr ernst genommen werden und stünde damit in der Gefahr, aufzuhören, Staat zu sein. Denn der Staat dürfte für die meisten Menschen unter anderem auch nur deswegen Legitimität haben, weil er für Ruhe, Ordnung und Gerechtigkeit sorgen kann.
Als Ausweg könnte der Politik dann einfallen, doch noch eine Impfpflicht einzuführen, allerdings natürlich viel zu spät. Denn die Intensivstationen wären ja voll.
Oder aber die Politik würde stillschweigend oder auch mit mahnenden und warnenden Worten hinnehmen, dass eben Menschen sterben, weil sie sich nicht haben impfen lassen, dass aber ebenso auch andere, an der ganzen Misere völlig unschuldige Menschen sterben, weil sie für eine Notoperation oder eine andere schwere Krankheit einfach keinen Platz mehr auf Intensivstationen bekommen würden.
Des weiteren könnte eine Diskussion über die Triage aufkommen. Eigentlich heißt es, dass man Menschenleben nicht gegeneinander ausspielen darf. Ein Verbrecher muss genauso medizinisch behandelt werden, wie ein Heiliger. Nun sind Menschen, die sich nicht impfen lassen, keineswegs Verbrecher, sie sind, neben anderen Gründen, vielleicht einfach nur der falschen Propaganda auf den Leim gegangen. Was aber tun, wenn man entscheiden müsste, wer von zwei Patienten das eine Intensivbett bekommt? Ein 70-jähriger Geimpfter, oder eine 40 Jähriger, der sich nicht hat impfen lassen? Würde man dann weiterhin nach der Überlebenswahrscheinlichkeit urteilen, oder würde man anfangen, auch die vermeintliche eigene Mitschuld mit einzubeziehen? Es würde ethisch kompliziert werden. Die ohnehin schon große ethische Dilemmasituation würde sich unglaublich verkomplizieren.
Wie auch immer, die Lage steuert auf ein mögliches Desaster zu. Vielleicht kommt ja alles nicht so schlimm, wie hier ausgemalt, vielleicht aber doch. Zu dem gesundheitlichen Drama käme dann vermutlich obendrauf noch ein gesellschaftliches Drama, eine tiefe Spaltung der Gesellschaft, eine Polarisierung, die sich spätestens bei den nächsten Wahlen dann auch politisch äußern würde, womöglich zugunsten extremistischer Parteien. Letztlich könnte all dies, wenn es dazu käme, dazu führen, dass die Demokratie und der Rechtsstaat ins Wanken geraten.
Der Umgang der Politik mit Corona und dessen Auswirkungen könnte also Auswirkungen weit über den Einzelnen hinaus haben, Auswirkungen nämlich auf den gesamten Staat.
Ein erneuter Shutdown wäre also einerseits wahrscheinlich, weil man ihn dringend bräuchte, um Menschenleben zu retten, er wäre aber andererseits zugleich unwahrscheinlich, weil er die Gesellschaft und den Staat zerrütteten könnte, was in der Folge ebenfalls und in größerem Ausmaß Menschenleben gefährden könnte.
Soweit der Artikel von god.fish. Die christliche Frage wäre: Was sagst du als Christ oder Christin dazu? Gibt es vom christlichen Glauben her Antworten auf die vielen Fragen?
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Vom christlichen Glauben her finde ich keine sehr konkreten Antworten auf die Fragen im Zusammenhang mit der Pandemie, aber ich nehme ein paar Grundeinstellungen mit, z. B. keine große Furcht vor dem Tod, das Gebot der Nächsten- und Feindesliebe, das mich daran hindert, mich in irgendwelche Polarisierungen hineinzusteigern, und ein Befolgen der Anordnungen der weltlichen Obrigkeit, wie es ja auch in der Bibel empfohlen wird.
Wenn diese Regel in Deutschland verpflichtend werden sollte, was sie womöglich wird, könnte sich noch einmal ein größerer Teil der noch nicht geimpften Bevölkerung für eine Impfung entscheiden. Denn eine Impfung bedeutet dann nicht mehr so sehr etwas Abstraktes, nämlich dass sie andere schützen, sondern dass sie für sich selbst Vorteile zurückholen, die ihnen sonst verloren gehen. Das dürfte ein gewisser Anreiz sein.
Entscheidend scheint mir zu sein, von der Selbstbezogenheit wegzukommen, die den größten Anreiz für das eigene Handeln im eigenen Vorteil erblickt. Das ist ein Grundsatz des wirtschaftlichen Handelns im Kapitalismus und ein durchaus menschlicher Impuls, den Christinnen und Christen aber kritisch sehen sollten. Das eigene Wohlergehen befördert eben nicht grundsätzlich auch das des Nächsten. Vor ein paar Tagen in einer christlichen Gruppe kam das Gespräch darauf, ob man sich trotz der hohen Inzidenzen weiterhin treffen sollte. Immer wieder wurde gesagt, dass man sich in der Gruppe sicher fühle. Es war schwer zu vermitteln, dass es vorrangig gar nicht um die eigene Sicherheit als geimpfte Person gehe, sondern um die Sicherheit der anderen, vor allem nicht Geimpften. Man sieht daran, wie sehr wir diesen Impuls, das eigene Wohlergehen über alles andere zu stellen, in uns tragen. Es ist wohl ein angeborener, aber in einer Welt, die meist nach diesem Impuls handelt, auch ein angelernter Impuls.
Zu Nächstenliebe im Zusammenhang mit Corona hätte ich eine Frage. Spielt es denn eine Rolle, ob der Samariter geimpft oder ungeimpft oder er Halbtote geimpft oder ungeimpft ist, dafür wer wem der Nächste ist? Würde Impfung=Nächstenliebe nicht genau in den Legalismus führen, den Jesus bei Pharisäern und Schriftgelehrten kritisiert? Denn die Samariter waren doch dafür bekannt, dass sie die Hygiene- und Reinheitsregeln der Judäer teilweise grob verletzten, obwohl die Regeln im Tanach für das Leben im orientalischen Raum durchaus hygienische Vorteile hatten. Und andersrum betrachtet: wäre es denn nicht zu simpel, wenn sich Nächstenliebe und das wichtigste Gebot bereits in einem biologischen Merkmal wie dem Impfstatus erschöpfen würde?
Ich verstehe die Evangelien so, dass Jesus die Grenzen zum Ärger der Tempel-Leitung zwischen Aussätzigen und Gesunden/Reinen regelmäßig ignoriert.
vielen Dank für deine interessanten Fragen. Ich will versuchen, sie so zu beantworten:
Zunächst fällt ja auf, dass Jesus vom Notleidenden her denkt. Er fragt ja am Ende seines Gleichnisses, wer dem unter die Räuber Gefallenen der Nächste gewesen sei (Lk 10,36). Das bedeutet also, dass wir die Nächsten sind für alle, die in Not geraten sind.
Nun betrifft die Corona-Not ja alle Menschen, weil das Virus vor niemandem Halt macht. Es ist zunächst eine potentielle Not, aus der sich aber, wenn jemand infiziert ist, eine aktuelle Not ergeben kann. Notwendig ist also, dass wir vorsorglich handeln, damit eine aktuelle Not erst gar nicht entsteht. Analog würde ich es beurteilen, dass wir, soweit es in unserer Macht steht, dafür sorgen sollten, dass z.B. Arme nicht zu Hunger Leidenden werden oder Christinnen und Christen, die in manchen Ländern die Minderheit bilden, nicht zu Verfolgten.
Für ein vorsorgliches Handeln in der Pandemie halte ich es auch, sich impfen zu lassen, weil Geimpfte bekanntlich weniger Virenlast in sich tragen als nicht Geimpfte und darum auch weniger infektiös sind. Aber die Vorsorge für den Mitmenschen erschöpft sich natürlich nicht im Impfstatus, sondern auch in vielen anderen Verhaltensregeln, mit denen man die Gefahr, andere zu infizieren, verringern kann. Die Impfung ist nur ein Mittel, die Pandemie nicht weiter zu verbreiten, neben anderen wie z.B. Maske tragen, Abstand halten, Kontakte reduzieren. Dass die Impfung als ein solches Mittel wegfällt, könnte nur für einen Menschen gelten, der vollkommen isoliert lebt, weil er dann eben keinen anderen infizieren kann.
Ich glaube, ein Vergleich mit den Hygiene- und Reinheitsregeln der Israeliten ist hier nicht angebracht, weil es bei den Reinheitsvorschriften nicht um Hygiene ging. Jedenfalls steht das meines Wissen nirgends im Alten Testament geschrieben. Im sogenannten Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26) sind rituelle und moralische Reinheit miteinander verbunden, und die moralischen Gebote fordern die Wahrung des Lebens und Rechts des Nächsten (der Nächste ist hier der Notleidende).
Ich glaube, Jesus kritisiert an den Pharisäern und Schriftgelehrten nicht, dass sie sich darum bemühen, die Regeln der Tora einzuhalten, sondern dass sie bei aller Einhaltung dieser Regeln sich für besser halten als die Zöllner und Sünder und ihnen nicht mit Zuwendung und Liebe begegnen, sondern mit Ausgrenzung. Darum nennt Jesus sie „Heuchler": Sie leben nach den Regeln der Tora, sind aber überheblich und vergessen die Liebe zu den Außenstehenden, Ausgegrenzten, Sündern. Indem sie ihnen keine Nächsten sind und darin Gottes Willen missachten, verfehlen sie aber doch wieder die Regeln der Tora.
Jesus hingegen ist den Aussätzigen und Kranken ein Nächster, indem er sie heilt, und den Sündern ein Nächster, indem er sie nicht vom Reich Gottes ausschließt. Ich denke, so sollten auch wir den von Krankheit Bedrohten ein Nächster sein, indem wir, so gut es geht, dafür sorgen, dass sie nicht durch uns infiziert und nicht zu „Aussätzigen" werden, die isoliert von ihren Lieben im Krankenhaus oder auf der Intensivstation liegen oder gar einsam sterben müssen. Und wir sollten denjenigen, die nicht glauben und im Sinne Jesu leben, durch unseren Glauben und unsere Liebe ein Zeugnis dafür sein, wie man als Nächster im Reich Gottes lebt.
Soweit meine Sicht der Dinge. Ich hoffe, deine Fragen damit beantwortet zu haben, andernfalls schreib mir nochmal.
vielen Dank für die Antwort. Dass die Reinheitsvorschriften der Judäer gar nichts mit Hygiene zu tun hätten, kann ich noch nicht ganz nachvollziehen, wenn ich Mk. 7,1-4 zugrunde lege. Händewaschen wenn man vom Markt kommt gehört doch zu den AHA-Regeln und ist doch ein gegenwärtig eingeübtes präventives Verhalten, das 'potentieller Not', wie Du es nennst vorbeugt. Könnte es denn nicht sein, dass eine, ich nenne sie mal 2G-Kirche, ebenfalls Gefahr läuft 'selbstbezogen' zu werden, indem sie mit dem Vorbeugen vor möglicher Not argumentiert und diese dann gegen reale Not abwägt? Könnten denn nicht so der Pharisäer und der Levit ebenso gerade aus der Sorge für die Lieben und den vielen Menschen, mit denen sie in Kontakt kommen werden, am Halbtoten vorbeilaufen? Ich weiß dass Seelsorge-Besuche in Kliniken während der Corona-Zeit bewußt unterbunden wurden. Einzelne Pfarrer baten daraufhin direkt die Angehörigen sie zu informieren, da von den Kliniken keine Informationen mehr kamen.
gut, dass du noch einmal nachgehakt hast. Es könnte sein, dass wir aneinander vorbeireden.
Mir geht es um die Verantwortung dafür, andere Menschen nicht mit dem Virus zu infizieren. Diese Gefahr ist bei Ungeimpften nach allen mir bekannten Aussagen von Experten auf diesem Gebiet größer als bei Geimpften. Daraus könnte man die ethische Entscheidung ableiten, sich impfen zu lassen – eben nicht, um sich selbst, sondern um andere zu schützen. (Der Selbstschutz könnte aber auch schon Grund genug sein, sich impfen zu lassen, weil wir ja mit dem uns geschenkten Leben nicht leichtfertig umgehen und Gott nicht versuchen sollen.)
Etwas anderes ist die Frage, wie die Kirche sich in der Pandemie mit ihren Gottesdiensten und ihrer Seelsorge verhalten sollte. Ich setze voraus, dass Pfarrerinnen und Pfarrer sich zunächst einmal impfen lassen sollten, um die Gefahr, andere anzustecken, zu minimieren. Dass dann aber Gottesdienste weitgehend ausgefallen sind und Seelsorge mitunter nur noch am Telefon oder gar nicht mehr stattfand, finde ich durchaus diskussionswürdig. Möglicherweise haben sich die Kirchen hier zu sehr zurückgehalten. Die Regeln sind ja wohl in den verschiedenen Landeskirchen unterschiedlich gewesen. Ich bin zwar nicht mehr als Gemeindepfarrer tätig, aber mir wäre es sehr schwer gefallen, meine Besuche bei Gemeindegliedern zu Hause oder im Krankenhaus, die mir immer sehr wichtig waren, einzustellen. Vielleicht hätten die Kirchen hier Protest anmelden sollen, anstatt sich fraglos in die staatlichen Regelungen zu fügen. Bezeichnend war ja, dass z.B. Baumärkte öffnen durften, während Kirchen geschlossen blieben. Die Kirche gilt eben nicht mehr als „systemrelevant". Dagegen hätten die Kirchen durchaus Einspruch einlegen können oder sogar müssen.
Um im Gleichnis zu bleiben: Ein Vorbeilaufen am Halbtoten aus Sorge um andere „potentiell Gefährdete" kann nicht richtig sein. Den Halbtoten zusätzlich zu gefährden, weil man selbst nicht geimpft ist, hielte ich aber auch nicht für richtig.
Dein Hinweis auf Mk 7,1-4 hat mich motiviert, nochmal meine Literatur durchzuschauen. Nach allem, was ich bisher gelesen habe und auch jetzt wieder fand, geht es in den Reinigungsriten um eine kultische Reinheit, die der heiligen Reinheit Gottes entspricht. Nur der reine Mensch durfte mit Gott in Verbindung treten. Verunreinigen konnte man sich z.B. durch Kontakt mit Heiden, durch Essen von Fleisch, das Götzen geopfert worden war, durch Waschen des beim Kochen und Essen verwendeten Geschirrs, um zu vermeiden, dass die Nahrung mit verunreinigtem Geschirr in Berührung kam. Die Vorstellungen sind uns heute ziemlich fremd, dienten aber offenbar auch der Abgrenzung Israels gegenüber anderen Völkern, die nicht Jahwe verehrten. Für Priester und Leviten waren die Vorschriften besonders streng, z.B. wenn sie opferten oder wenn der Hohepriester einmal im Jahr am Großen Versöhnungstag (Jom Kippur) das Allerheiligste betrat. Das belegt noch einmal, dass es nicht um Hygiene ging, sondern um Reinheit in der Verbindung mit Gott. Das schließt natürlich nicht aus, dass Händewaschen auch der Hygiene diente. Aber die Hygiene war nicht der Grund für das Händewaschen, weil man ja auch von Bakterien und Viren noch gar nichts wusste. Bis ins Mittelalter hinein war Hygiene ja auch bei uns, soweit ich weiß, kein großes Thema.
In Mk 7 spricht sich Jesus ja ausdrücklich gegen die Absolutsetzung der Reinheitsvorschriften aus. Er folgt damit den alttestamentlichen Propheten, die ebenfalls schon gegen Reinheitsvorschriften polemisiert hatten. Jesus selbst hat sie mehrfach verletzt, z.B. wenn er mit Sündern und Zöllnern Tischgemeinschaft hatte. Durch Kontakt mit solchen Menschen konnte man sich selbst verunreinigen.
Ich denke, wenn du einen Kommentar zum Markus- oder Mattäusevangelium hast (wo die Geschichte ebenfalls vorkommt), müsste das dort ähnlich beschrieben sein.
ich denke ich verstehe Dich schon, Du siehst eine ethische Verfpflichtung zur Impfung aufgrund der gegenwärtigen Expertenmeinungen und darüberhinaus darin einen Akt der Nächstenliebe. Wir stimmen darin überein, dass sich Nächstenliebe jedoch nicht in der bloßen Impfung erschöpft, ebenso wenig das Nichtimpfenlassen. Letzteres siehst Du offenbar gar nicht mehr als Alternative, ich hingegen durchaus. Meine ethische Bewertung beginnt nicht bei der Impfung an sich, sondern bei den Menschen unabhängig von der sozialen Gruppe. Jesus wählt wohl absichtlich den Samariter als Mitglied der Gruppe, mit der es unbestritten größte Berührungsängste gab (kultisch, aber auch praktisch). Er ist der Nächste weil er hilft. Genauso leisten Ungeimpfte überall in unserer Gesellschaft ihren Beitrag, insbesondere im kaputt gesparten Gesundheitsbereich mit Personalmangel aufgrund von Demographie und falscher Politik. Sie machen regelmäßig Tests. Anstelle die Leistung der Menschen zu würdigen, spricht der Bundespräsident von "Bekloppten", der Ärtzepräsident von einer "Tyrannei der Ungeimpften", usw. usf. Unter dieser Voraussetzung würde ein Berufsverbot für Ungeimpfte geradezu verhindern, dass Gutes getan wird. Und das steht doch eigentlich mit auch im Kern von Jesu Kritik, dass menschliche Gesetze verhindern, dass Gutes getan wird. Im übrigen ist das auch meine Erfahrung mit den Corona-Regeln im Alltag. Oft ist es doch so, dass man die Regeln sehr sehr großzügig bis hin zur völligen Ignoranz interpretieren muss, um wirklich jemanden helfen zu können.
Alles gilt natürlich ebenso auch für Geimpfte. Da ruft die Arzt-Praxis an, dass ein Termin wegen Corona verschoben werden muss. Dahinter dürfte jetzt während der Booster-Impfaktion auch stehen, dass aufgrund der Impf-Nebenwirkungen krankheitsbedingte Ausfälle in den Praxen gehäuft auftreten.
du hast schon recht damit, dass ich das Sich-nicht-impfen-Lassen gar nicht als Alternative gesehen habe, und zwar deshalb nicht, weil ich bisher dafür kein Argument vernommen habe, das mich überzeugt hat. Bei genauerem Nachdenken fallen mir aber einige Argumente ein, die ich zumindest nachvollziehen kann. Ich könnte es auch akzeptieren, wenn ein Mensch sich nicht impfen lässt, dann aber die Kontakte zu seinen Mitmenschen stark reduziert und sich zusätzlich regelmäßig, am besten täglich, selbst testet oder testen lässt. Inwieweit eine so starke Kontaktreduzierung möglich ist, hängt sicher vom Einzelfall ab. Wenn das nicht möglich ist, würde ich eine Impfung für ethisch angemessen halten, weil die Schnelltests keine große Genauigkeit haben und deshalb keine Garantie dafür bieten, nicht infektiös zu sein.
Ich stelle gar nicht in Abrede, dass Ungeimpfte einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten und Gutes tun können. Sie pauschal als „Bekloppte" zu verunglimpfen, halte ich für eine Entgleisung. Das Gute, das Ungeimpfte tun, könnten sie aber doch auch als Geimpfte tun. Ja, sie würden damit sogar die Menschen, denen sie in helfenden Berufen körperlich nahe kommen, besser vor einer Infektion schützen als ohne Impfung. Der barmherzige Samariter kann sozusagen Gutes tun, ob er geimpft ist oder nicht, aber er tut mehr Gutes, wenn er sich impfen lässt, als wenn er sich nicht impfen lässt. Wenn er sich nicht impfen ließe und dann nicht mehr helfen dürfte, wäre das natürlich ein Problem, das von der Politik ja offensichtlich auch erkannt wurde.
Ich kann auch nachvollziehen, wenn jemand sich aus Sorge vor schweren Impfnebenwirkungen nicht impfen lässt. Die jahrelange Testung der Impfstoffe hat es ja diesmal nicht gegeben. Nachdem aber bereits Milliarden von Menschen geimpft wurden, kann man ja von einer weltweiten Life-Testung sprechen. Schwere Nebenwirkungen gibt es meines Wissens nur in verschwindend geringer Zahl, und erst später auftretende Nebenwirkungen werden von den Virologen nach allem, was ich bisher gehört habe, ausgeschlossen.
Wenn du ein überzeugendes Argument kennst, das gegen eine Impfung spricht, würde mich das sehr interessieren.
die Frage wäre für mich ob ein Mehr an Gutem nicht dadurch aufgehoben wird, wenn es unter massivem Zwang geschieht. In Jesu Bild des Samariters: der Samariter musste doch nicht erst Jude werden, eher er für den Halbtoten zum Nächsten wurde.
Mein Argument gegen mRNA-Vakzine folgt aus meiner persönlichen Einschätzung: wie sich entgegen anfänglicher Expertenmeinung herausgestellt hat (was ich auch vermutet hatte), muss mit dieser Methode immer wieder nachgeimpft werden, der Organismus wird darauf getrimmt, körperfremde Spike-Proteine zellulär zu produzieren. Ich bin zwar kein Molekularbiologge, aber mein Sachverstand als Chemiker sagt mir, dass das auf Dauer zu Nebenwirkungen führen wird, insbesondere autoalergische Krankheitsbilder und Zunahme von Herz- und Gefäßkrankheiten werden wahrscheinlich kommen, teilweise sieht man es ja schon. Daher rechne ich damit, dass der Schaden dieser Therapie den Nutzen übersteigen wird und teile somit die Ansicht von Politikern und ausgesuchten Experten nicht. Konventionelle Totimpfstoffe sind aus meiner Sicht etwas anderes. Sie werden in unserem Land nicht angeboten derzeit.
Das zweite ist, dass ich mich als Wissenschaftler entschieden habe, Experimente mit Gentechnik generell nicht zu machen (wenn du heute ein Forschungsprojekt beantragst, musst du explizit angeben, ob dies geplant ist oder nicht, aus gutem Grund). Wenn ich aber selbst solche Experimente aus ethischen Gründen ablehne, dann kann ich nicht gegen mein Gewissen an solch einer Gentherapie als Patient/Versuchsobjekt teilnehmen und schon gar nicht das meinen Kindern empfehlen. Das Subtile dabei ist, dass du dir als Wissenschaftler harmlose Forschungsthemen wählen kannst und damit wunderbar ein Forscherleben hindurch bescheiden erfolgreich sein kannst. Dennoch kann es jetzt sein, dass du an der Uni davon eingeholt wirst. Diese Vorstellung finde ich entsetzlich, da fühle ich mich ehrlich gesagt auch an der Uni nicht mehr wohl. Das ist für mich in etwa so, wie wenn ich an einer Uni über Friedensforschung dozieren dürfte, aber nur unter gleichzeitiger Ableistung von Kriegsdienst. Und ich kann mir vorstellen, dass es gerade im medizinischen Bereich und im Pflegebereich - wo wirklich viel Gutes geleistet wird - viele Menschen gibt, denen es jetzt ähnlich geht. Gestern wurde ja im Bundestag darüber entschieden, heute wird es dann durch den Bundesrat gepeitscht.
vielen Dank für deine ausführliche Stellungnahme. Nach meinen Informationen steht der Totimpfstoff Novavax in der EU kurz vor der Zulassung. Das ist dann ja vielleicht eine Alternative zu den mRNA-Impfstoffen. Eine Information darüber gibt es hier: https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/infektionskrankheiten/coronavirus/novavax-eine-neue-art-corona-impfstoff-799237.html
Außerdem gibt es ja noch die Impfstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson, die keine mRNA-Impfstoffe sind.
Zu deinen anderen naturwissenschaftlichen Ausführungen kann ich als Theologe nichts sagen. Meine Frau ist aber Biologin und hat viel schon mit mRNA bei Pflanzen gearbeitet. Ich habe ihr deine Ausführungen mal vorgelesen, und sie meinte, die Zellen würden keine körperfremden Spike-Proteine produzieren. Zu den Spike-Proteinen gibt es hier einige Informationen, die ich selbst recherchiert habe: https://correctiv.org/faktencheck/2021/06/18/covid-19-keine-belege-dass-das-durch-eine-mrna-impfung-produzierte-spike-protein-toxisch-wirkt/
Meine Frau meinte noch, dass auch Totimpfstoffe in seltenen Fällen allergische Reaktionen hervorrufen könnten. Zu der Wirkungsweise und den Risiken der verschiedenen Impfstoffe, auch zu Autoimmunerkrankungen, fand ich danach diesen interessanten Artikel:
https://www.netdoktor.de/impfungen/dna-und-mrna-impfstoffe/
Die mRNA-Impfstoffe basieren offensichtlich auf Gentechnik. Das ist aber wohl etwas anderes als Genmanipulation und bewirkt auch keine genetische Veränderung im Menschen, wie hier erläutert wird: https://correctiv.org/faktencheck/2021/01/22/mrna-impfstoffe-basieren-zwar-auf-gentechnik-aber-sind-keine-genmanipulation/
Dennoch kann man wohl von Gentherapie sprechen, wie man hier nachlesen kann: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/handelt-es-sich-bei-der-covid-19-impfung-um-gentherapie
Ein kurzer Auszug aus diesem Artikel: „Es ist eine Form von Gentherapie, allerdings eine, die nicht in die DNA des Zellkerns eindringt und diese dauerhaft verändert. Stattdessen verbleibt die mRNA im Zytoplasma (Zellplasma), wo Ribosomen den Code der mRNA auslesen und entsprechende Proteine bilden."
Als naturwissenschaftlicher Laie kann ich mich nur auf das Votum der Expertinnen und Experten verlassen. Meines Wissens bestreitet deren große Mehrzahl (nahezu 100 Prozent), dass die mRNA-Impfstoffe Spätfolgen haben können. Natürlich ist das keine Garantie, aber eine Garantie gibt es auch nicht. Wenn eine an 100 Prozent grenzende Mehrheit der auf diesem Gebiet wissenschaftlich Tätigen Spätfolgen ausschließt, werde ich mich dieser Mehrheit anschließen und nicht der verschwindend kleinen Minderheit. Eine andere Möglichkeit habe ich als Laie nicht. Ich gehe dabei davon aus, dass die große Mehrheit sich nicht irrt und auch nicht absichtlich Falschmeldungen verbreitet.
Ich akzeptiere aber abweichende Meinungen und bin deshalb auch gegen eine Impfpflicht für alle. Ich würde dann aber von nicht Geimpften erwarten, dass sie sich so weit wie möglich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen, um ihrer Verantwortung, das Virus nicht weiterzutragen, nachzukommen. Im Grunde würde das einer fast vollkommenen Selbstisolation gleichkommen. Wege zum Einkaufen und zur Berufsausübung müssen natürlich möglich sein, aber nicht die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Wie eine Selbstisolierung für Berufstätige, die mit Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten müssen, möglich sein soll, ist mir aber eine offene Frage. In manchen Fällen könnte hier Home-Office helfen.
vielen Dank nochmal für die Antwort: meine Aussagen stützten sich u. a. auf einen Artikel im Journal "Vaccines" (Rijkers et al., Vaccines 2021, 9, 848, "Antigen Presentation of mRNA-Based and Virus-Vectored SARS-CoV-2 Vaccines, https://doi.org/10.3390/vaccines9080848 ), der Artikel ist frei herunterladbar. Darin geht in Abschnitt 2.2 hervor, dass mRNA vaccines "[..] utilize the host cell translational machinery for the production of the antigen target and launch of an adaptive immune response, [..]". Abb. 2 illustriert den Prozess anschaulich. Aber ich denke, dass es wenig Sinn macht das zu vertiefen. In dem Artikel wird auf die von mir genannten möglichen Effekte wie allergische Reaktionen eingegangen, allerdings nur ganz vage quantifiziert und es wird eingeräumt, dass die Mechanismen weitgehend unbekannt sind (Abschnitt 3.1). Auf Dinge wie mögliche Fehler bei der Proteinfaltung wird nicht eingegangen, die m. E. problematisch sein könnten. Auf die Gefahren bei Vielfachimpfungen wird auch nicht eingegangen - die Tests für die Zulassung sahen diese ja anfangs auch nicht vor. Man ist hier in einem "real world" experiment.
Ich denke jeder sollte hier ganz selbstverantwortlich entscheiden können, ob er diese weitgehend neuartige Technik an sich ausprobieren will. Ich würde es wie gesagt nicht tun und mich nicht auf Experten aus dem Fernsehen verlassen. Die Vektor-Impfstoffe (Astrazaneca) würde ich auch nicht nehmen und es wurde in manchen Ländern ja wieder vom Markt genommen. Novavax wäre ein Totimpstoff. Hier bin ich etwas weniger skeptisch, allerdings wurde er unter Zuhilfenahme eines abgetriebenen Kindes entwickelt und es gibt Menschen, die auch diesen Impfstoff nicht akzeptieren würden, für meine Frau z. B. ist das keine akzeptable Alternative.
Ich wünsche Dir und Deiner Frau noch eine schöne Zeit.
vielen Dank für deine Erklärung. Ich denke auch, dass wir die wissenschaftliche Diskussion nicht weiter vertiefen müssen und von meiner Seite aus auch gar nicht können. Mir jedenfalls erscheint die Gefahr für andere und auch für einen Ungeimpften selbst größer zu sein als die Gefahr, die möglicherweise von einer Impfung ausgeht. Verantwortungsvoll finde ich es, wenn ihr euch täglich testen lasst. Leider kenne ich einen Christen, noch keine 70 Jahre alt, der sich nicht impfen lassen wollte und an der Infektion gestorben ist.
Mein Wunsch für deine Frau und dich ist, dass ihr gut durch die Pandemie kommt. Vorgestern habe ich einen Bericht gesehen, wonach es inzwischen eine Antikörper-Behandlung gibt. Im Bericht wurde das Klinikum Dessau genannt, vielleicht gibt es das aber auch anderswo. Man kann sich in den ersten 7 Tagen nach der Infektion, wenn noch keine schweren Symptome vorliegen, mit Antikörpern behandeln lassen. Aber das wisst ihr ja vielleicht schon. Infos gibt es z.B. hier: https://klinikum-dessau.de/fachbereiche/kliniken-institute-auenweg/innere-i/fuer-patienten/antikoerpertherapie.