Vom Kampf der Glaubenden
Wie Leid und Wohlergehen zusammenhängen
Klaus Straßburg | 08/10/2025
Wir verstehen den christlichen Glauben oft als ein Wohlgefühl, ein befreites Glücklichsein, ein Geborgensein in der Ungeborgenheit der Welt. Daran ist zweifellos etwas Wahres. Dieses Wahre gibt es aber nur in einer tiefen Gebrochenheit.
Der christliche Glaube schenkt kein beständiges Wohlergehen. Kein glaubender Mensch lebt in anhaltender Hochstimmung; es geht ihm nicht dauerhaft gut. Zu glauben heißt nicht, dass wir uns aller Probleme entledigen können, indem wir sie "bei Gott ablegen". Auch im Glauben – manchmal gerade im Glauben und um des Glaubens willen – gibt es Ängste, Sorgen und depressive Stimmungen.
Zwar vertrauen wir darauf, in Gottes gütiger Hand zu sein. Aber wir machen die Erfahrung, dass diese Hand uns nicht vor allem Ungemach und Unheil bewahrt. Im Gegenteil: Diese gütige Hand kann schwer auf uns lasten (Ps 32,4). Sie kann es zulassen, dass großes Leid uns trifft. Wir verstehen nicht, warum das geschieht. Wir verstehen diesen Gott nicht. Er, der doch unser Freund sein will (Joh 15,13-15), begegnet uns als Feind, der mit Pfeilen auf uns schießt und schmerzhafte Wunden reißt (Ps 38,3f; Hi 6,4; 16,12f).
"Der Jünger steht nicht über dem Meister", sagte Jesus (Mt 10,24a). Er meinte, dass es denen, die ihm nachfolgen, nicht besser ergehen kann als ihm selbst. Der Meister lebte nicht im Reichtum, hatte nur sehr begrenzten Verkündigungserfolg, erweckte Anstoß bei den Autoritäten, wich nicht zurück und wurde schließlich schändlich und qualvoll von ihnen hingerichtet. Sollten die, die ihm nachfolgen, etwas Besseres erwarten?
Nach der Hinrichtung Jesu erst zeigte sich, dass in diesem scheinbar gescheiterten Leben Gott am Werk gewesen war. Jesus selbst hat das, am Kreuz hängend, nicht mehr deutlich und tröstend wahrnehmen können: Er fühlte sich von Gott verlassen (Mk 15,34; Mt 27,46).
Erst am dritten Tag – eine Ewigkeit später, denn tausend Jahre sind bei Gott wie ein Tag (2Petr 3,8) –, erst am dritten Tag zeigte sich, dass nicht das Wirken des Hingerichteten, sondern seine Hinrichtung erfolglos blieb. Der Ermorderte lebte, sein bescheidenes Werk setzte sich fort und wurde groß, seine ungehörten Worte wurden in die ganze Welt getragen. So durchdringt sein Geist bis heute Menschen und Dinge und verwandelt die Welt.
Doch am Kreuz fühlte der einsam Sterbende, von Gott und Menschen Verlassene das nicht.
Wir stehen nicht über unserem Meister. Es ist wichtig, dass wir auf das Leid gefasst sind. Unser Leben im Glauben ist auch ein Leben im Leid – und zugleich in der Hoffnung. In Sorgen, Schmerzen und Ängsten hoffen wir auf das heilvolle Handeln Gottes. Ein vom Leid befreites, herrliches Leben ist uns erst für später verheißen.
Denn wir stehen auch nicht unter unserem Meister (Mt 10,25a). Das Leiden und Sterben Jesu war zugleich Heil für die Welt. Ähnlich ist es auch bei uns. Sterben wir mit ihm, so werden wir auch mit ihm den Tod überwinden (Röm 6,8). Dienen wir ihm, so wird unser Dienst nicht umsonst sein. Verkündigen wir ihn mit Worten und Taten, so wird sein Wort nicht leer zu ihm zurückkehren (Jes 55,11).
Oft sehen wir davon nichts. Unsere Worte verhallen. Die Welt stürzt ins Dunkel. Wir fühlen uns von Gott verlassen, erleben unsere Schwäche, Ohnmacht und Zweifel. Wir erleiden Krankheiten und Schmerzen. Das alles widerstrebt uns. Wir verstehen es nicht, klagen, jammern, verzweifeln. Wir kämpfen, schwanken, stürzen ab, richten uns mühsam wieder auf – werden aufgerichtet. Entgegen unseren schmerzlichen Erfahrungen und trüben Gefühlen vertrauen wir darauf, dass Gott Gutes wirken wird. Wir beten, vertrauen, bekennen uns zitternd und zagend zum rettenden Gott – und wissen nicht, wann der nächste Absturz kommt.
Irgendwann kehrt Ruhe ein, vielleicht nach Jahren des Kampfes. Die Fragen sind noch da, aber sie haben ihr drückendes Gewicht verloren. Wir geben den Widerstand auf, ergeben uns dem uns bestimmten Weg mit allem Schweren, das uns auferlegt ist. Wir nehmen unsere Aufgabe an, unter Entbehrungen und Schwachheit der Welt den gekreuzigten und auferstandenen Herrn zu bezeugen. Wie sollte es uns besser ergehen als ihm? Wir überwinden nur so, wie er überwunden hat. Das ist unsere Bestimmung.
Wohl dem, dessen Leid Gott begrenzt. Wohl dem, dessen Leben lange glückliche Zeiten hat. Wohl aber auch dem, der viel leiden muss. Vielleicht ist er dem gekreuzigten Herrn näher als diejenigen, denen es geschenkt ist, meist froh und schmerzfrei durchs Leben zu gehen. Aber durch beide kann Gott Erstaunliches wirken.
Erkennen werden wir das erst, wenn wir bei ihm das ungebrochene Glück gefunden haben und alles Verborgene offenbar werden wird.
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Foto: Gerd Altmann auf Pixabay.
