Vergeltung!
Wie ein biblisches Missverständnis Unheil schafft
Klaus Straßburg | 02/08/2024
Vergeltung hat Hochkonjunktur. Wir hören täglich in den Nachrichten und lesen in den Zeitungen davon. Vergeltung gehört offensichtlich zum politischen Tagesgeschäft, wie gegenwärtig der Nahostkonflikt zeigt. Und sie gründet bei manchen Menschen sogar in einem biblischen Missverständnis.
1. Vergeltung im Nahostkonflikt
Am 27. Juli1 führte vermutlich die libanesische Hisbollah einen Raketenangriff auf das von Israel besetzte syrische Gebiet auf den Golanhöhen durch. Bei dem Angriff kamen zwölf Fußball spielende Kinder und Jugendliche ums Leben, die der Religionsgemeinschaft der Drusen angehörten. Daraufhin kündigte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu entschlossene Vergeltung an.
Die Religion der Drusen ist im 11. Jahrhundert durch eine Abspaltung vom Islam entstanden. Vertreter der Drusen auf den Golanhöhen haben sich von den israelischen Vergeltungsdrohungen distanziert und erklärten: "Wir lehnen es ab, dass auch nur ein einziger Tropfen Blut unter dem Vorwand vergossen wird, unsere Kinder zu rächen". Die Religion der Drusen verbiete "jegliche Form des Tötens und der Rache".
Drei Tage nach dem Angriff tötete das israelische Militär den ranghöchsten Kommandeur der Hisbollah, Fuak Shukr, der für den Raketenangriff auf die Golanhöhen verantwortlich sein soll. Einen Tag später wurde der Hamas-Führer Ismail Hanija bei einem Besuch in Teheran getötet, mutmaßlich durch einen israelischen Luftangriff. Der iranische Präsident Massud Peseschkian und der oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, kündigten Vergeltung gegenüber Israel an. Andere iranische Sprecher drohten mit Rache.
2. Vergeltung als Gottes Vollendung unserer Taten
Aber Vergeltung ist mehr als militärische Rache. Sie geht auf frühe antike Rechtstexte zurück2. Durch Vergeltung soll ein Ausgleich zwischen zwei Taten hergestellt werden: Eine gute Tat soll mit Gutem und eine böse mit Bösem vergolten werden. Heute noch sprechen wir positiv vom Vergelten in der Formulierung "Vergelt's Gott".
Von Vergeltung ist auch oft in der Bibel die Rede3. Nach Mt 6,4.6.18 verheißt Jesus, dass Gott ein gutes Verhalten entsprechend vergelten wird. Man kann das so verstehen, dass Vergeltung nicht einfach den verdienten Lohn für eine Tat meint, sondern dass die Tat, die auf Erden unbeantwortet und unvollendet bleibt, von Gott her eine Antwort erhält und dadurch vollendet wird. Vergeltung bedeutet dann: Auf eine Handlung wird so reagiert, dass sich ihr Sinn durch Gegenseitigkeit vollendet.
Ein Beispiel: Wenn ich ein Geschenk bekomme, bedanke ich mich dafür und vollende das Schenken, indem ich das Geschenk dankbar annehme und die Zuwendung der schenkenden Person zu mir mit Dankbarkeit beantworte. Würde ich mich nicht bedanken, dann würde die Tat der schenkenden Person unvollendet bleiben. Es würde etwas Entscheidendes fehlen. Meine Dankbarkeit ist nicht der verdiente Lohn für das Geschenk im Sinne einer Belohnung oder Gegenleistung, sondern meine Dankbarkeit ist die Vollendung des Geschenks.
Vergeltung schließt also immer an eine Tat an und verwirklicht das Ziel dieser Tat. Sie fügt der Tat nichts hinzu, was ihr prinzipiell fremd ist. Das gilt für die Vergeltung guter wie böser Taten. So heißt es in Mt 16,27, dass Jesus jedem Menschen seinen Taten entsprechend vergelten wird. Ähnlich äußert sich Paulus (Röm 2,6-10; 2Kor 5,10). Die Taten sind dabei nichts anderes als ein Spiegel der Gottesbeziehung des Menschen, also ein Spiegel seines Glaubens oder Unglaubens.
Das unterschiedliche Vergelten Gottes je nach den menschlichen Taten ist keine Ungerechtigkeit Gottes. Sie zeigt vielmehr die Ambivalenz des menschlichen Verhaltens an. Denn das menschliche Verhalten ist eine Mischung aus Glauben und Unglauben und eben deshalb auch eine Mischung aus guten und bösen Taten.
Dem entspricht das göttliche Vergelten. Es besteht nicht darin, dass dem Menschen eine Belohnung oder Bestrafung widerfährt im Sinne einer Gegenleistung für eine von ihm erbrachte oder verweigerte Leistung. Sondern Gottes Vergeltung besteht in der Vollendung dessen, was der Mensch mit seinen Taten wollte. So lässt Gott die menschlichen Taten zu ihrem Ziel kommen. Er tut dies aber so – und das ist wichtig –, dass er die bösen Anteile an unseren Taten ihrer Nichtigkeit preisgibt und sie vernichtet. Es bleiben also nur die guten Anteile an unseren Taten übrig – die Anteile, die ein Recht darauf haben, bestehen zu bleiben (1Kor 3,12-15).
Weil Gott so vergilt, stellt die Bibel die Vollendung unserer Taten als etwas Herrliches dar: Der das Gericht vollziehende Menschensohn kommt nach Mt 25,31 in Herrlichkeit und setzt sich auf den Thron seiner Herrlichkeit.
Das ewige Leben ist daher keine Gabe, in der alle Menschen einander gleichgemacht werden. Es ist im Gegenteil eine Gabe, die Unterschiede herstellt und in der Unterschiede bestehen bleiben: Jeder Mensch empfängt seinen eigenen Lohn, wie er seinem eigenen Handeln entspricht (1Kor 3,8b). Wobei mit "Lohn" eben keine Gegenleistung gemeint ist, sondern die Vollendung des menschlichen Handelns – auch wenn es, soweit es böses Handeln war, kein Recht auf Bestand hat und der Vernichtung preisgegeben wird. Der Mensch, der böse gehandelt hat, wird dadurch Anteile seiner Existenz verlieren und Schaden nehmen (1Kor 3,15a).
3. Aus dem Teufelskreis der Vergeltungen aussteigen!
Nun lässt sich kaum leugnen, dass das menschliche Vergelten gegenüber dem göttlichen einen entscheidenden Mangel hat: Unser Vergelten kann das Böse nicht vernichten und damit aus der Welt schaffen. Unser Vergelten fügt dem Bösen vielmehr ein weiteres Böses hinzu. Es potenziert also das Böse.
Das ist gerade im Nahostkonflikt deutlich zu beobachten. Eine Vergeltungstat folgt auf die andere. Dabei kommt es nicht zu einer Eindämmung des Bösen, sondern eher zu einer Eskalation. Vergeltung kann jedenfalls nicht deeskalieren. Wenn nicht eine der Krieg führenden Parteien auf Vergeltung verzichtet, findet der Vorgang des Vergeltens nie ein Ende. Der Krieg verewigt sich selbst.
Das gilt für alle Kriege. Sie können nur so enden, dass eine der Parteien aus der sich perpetuierenden Vergeltungslogik aussteigt oder zum Aussteigen gezwungen wird. Oder dass beide gemeinsam sich auf ein Ausstiegsszenario einigen.
Weil aber dieses Aussteigen aus der Vergeltungslogik so schwer ist und die Weigerung auszusteigen Leid und Tod mit sich bringt, macht es Sinn, dass die Bibel im Alten und Neuen Testament die Vergeltung durch Menschen verbietet und sie stattdessen Gott vorbehält (3Mo/Lev 19,18; 5Mo/Dtn 32,35; Röm 12,19; Hebr 10,30).
Im Neuen Testament wird darüber hinaus geboten, Böses nicht mit Bösem, sondern mit Gutem zu vergelten (Röm 12,17; 1Thess 5,15; 1Petr 3,9). Dem entspricht Jesu Forderung der Feindesliebe. Ich zitiere die unbekanntere Fassung nach Lukas (Lk 6,27f.32-35; vgl. Mt 5,43-48):
Ich sage euch, den Hörenden: Liebt eure Feinde! Handelt gut an denen, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen! Betet für die, die euch misshandeln! [...] Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr? Denn auch die Sünder lieben die, die sie lieben. Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank habt ihr? Auch die Sünder tun dasselbe. Und wenn ihr denen [etwas] leiht, von denen ihr hofft, [etwas] zurückzuerhalten, welchen Dank habt ihr? Auch Sünder leihen den Sündern [etwas], damit sie das gleiche zurückerhalten. Doch liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, ohne zu hoffen, etwas zurückzuerhalten! Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein. Denn er ist gütig gegenüber den Undankbaren und Bösen.
Mit anderen Worten: Wir sind aufgerufen, den Teufelskreis des Vergeltens, also der Potenzierung und Eskalation des Bösen, zu durchbrechen. Weil das Unrecht aber nach Gerechtigkeit schreit, gelingt das nur, wenn wir das Vergelten Gott überlassen. Wenn wir das tun, sind wir sogar in die Lage versetzt, Böses mit Gutem zu beantworten.
Denn für Gerechtigkeit wird Gott sorgen. Er wird die guten und bösen Taten zu ihrem Ziel führen, sie vollenden. Das Ziel des Bösen ist sein Vergehen; denn im ewigen Leben ist kein Platz für Böses. Das Ziel des Guten ist hingegen sein Bestehen; denn im ewigen Leben wird alles gut sein.
4. Das Teuflische menschlicher Vergeltung
Was gerade im Nahostkonflikt geschieht, ist das von Gott verbotene Vergelten, denn es potenziert das Leid. Doch in jedem Krieg wird Böses mit Bösem beantwortet. Nur in den seltensten Fällen wird damit Leid verringert; meist wird es vergrößert.
Das geradezu Teuflische daran ist, dass Vergeltung als etwas Normales, Selbstverständliches, ja als etwas Gutes angesehen wird, wenn es sich lange genug kulturell verankert hat. Dann gehört Vergeltung sozusagen zum Tagesgeschäft, das fraglos weitergeführt wird.
Und besonders perfide ist es, wenn Vergeltung dann auch noch mit einem biblischen Missverständnis begründet wird. Ungefähr so: Weil Gott Vergeltung übt, sollen wir es auch tun. Denn das Böse muss ausgerottet werden. Und daran sollen wir mitwirken, indem wir dem anderen mit gleicher Münze heimzahlen. Nur so spürt er, was er uns antut. Nur so kann er in seine Grenzen verwiesen werden.
Die Wahrheit aber sieht anders aus, wie der Nahostkonflikt gerade für jedermann sichtbar zeigt: Durch menschliches Vergelten werden Leid und Tod nicht ausgerottet, sondern potenziert.
Darum macht es Sinn, dass das Neue Testament gebietet, das Vergelten Gott zu überlassen und Böses mit Gutem zu beantworten. Das ist das uns zugute erlassene Gebot des Alten und des Neuen Testaments. Nur so können Leid und Tod verringert werden.
Die Welt wäre friedlicher, wenn wir uns daran halten würden.
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Quellennachweise:
1 Zur Darstellung der politischen Geschehnisse siehe https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/krieg-in-israel-und-gaza-im-news-ticker-vom-29-juli-bis-4-august,UJugcuG und https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/ereignisse-im-nahost-konflikt-aus-kw-31-im-rueckblick,UJF5cNW.
3 Zum Folgenden siehe Etzelmüller: ... zu richten die Lebendigen und die Toten. S. 262-264.302.
Verwendete Literatur:
- Etzelmüller, Gregor: ... zu richten die Lebendigen und die Toten. Zur Rede vom Jüngsten Gericht im Anschluß an Karl Barth. Neukirchener Verlag. Neukirchen-Vluyn 2001.
- Sand, Alexander: apodídomi. In: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Hg. von Horst Balz und Gerhard Schneider. Verlag W. Kohlhammer. 2. Aufl. Stuttgart u.a. 1992. Band 1. Sp. 306-309.
Foto: Klaus Straßburg.
danke für diesen Beitrag, der gut in die Zeit passt.
Ich muss bei Rache und Vergeltung fast zwangsläufig an Alexandre Dumas' großartigen Roman "Der Graf von Monte Christo" denken, wo die Hauptfigur erst gegen Ende erkennt, wie wahr und tief das biblische Wort "Die Rache ist mein" (5. Mose 32,35) ist.
Ich sehe übrigens abgestufte Anforderungen in dem, was ich in der Bibel lese. Die Forderung, auf eigene Rache zu verzichten, ist schon schwierig, aber vielleicht noch machbar, die Forderung, Böses mit Gutem zu vergelten, geht einen Schritt weiter, kann aber immer noch durch Handeln verwirklicht werden. Die Forderung der Feindesliebe, wird, wenn sie ehrlich verwirklicht werden soll, extrem schwierig, gerade für jemanden, der unter seinen Feinden wirklich gelitten hat.
Was ich gerne zu dem Beitrag noch ergänzen würde, speziell für die aktuelle Situation im Nahen Osten, ist, dass dort meiner Meinung nach das Vergeltungsdenken mit seinen Folgen nicht einfach nur in Kauf genommen wird. Vielmehr wird es, so sehe ich es jedenfalls, gezielt genutzt. Das Massaker vom 7.10.23 halte ich nicht nur für einen singulären Akt, sondern Teil eines Gesamtplans. Die zu erwartende Reaktion Israels machen sich die Hamas-Führer zunutze. Der Hass, der durch die Toten, Verletzten und Zerstörungen im Gaza-Streifen entsteht, wird wie ein Brandbeschleuniger eingesetzt, um große Teile der arabischen Welt auf das Ziel einzuschwören, Israel zu vernichten.
Die neuerlichen Aktionen vom Libanon aus passen in ein ähnliches Schema. Es sieht nicht so aus, als wollten alle aus diesem Teufelskreis aussteigen, sondern einigen Interessengruppen fahren darin bewusst Karussell und nutzen den Schwung.
Viele Grüße
Thomas
danke für deine Ergänzungen. Den Roman "Der Graf von Monte Christo" hatten meine Eltern, aber ich habe ihn nie gelesen. Nach dem, was du inhaltlich dazu schreibst, würde er mich nun doch interessieren.
Was du über die Abstufungen im Halten biblischer Gebote feststellst, kann ich unterschreiben. Ich würde noch ergänzen, dass es bei der Feindesliebe nicht um Sympathie oder Gernhaben geht, sondern, wie Jesus ja selbst sagt, darum, den Feinden Gutes zu tun, sie zu segnen und für sie zu bitten. Ich finde, das kann durchaus mit einem gewissen Widerwillen oder zähneknirschend geschehen, also das extrem Schwierige daran, von dem du ja mit Recht sprichst, soll nicht verschwiegen werden. Ich denke auch, dass uns Feindesliebe nur in der Kraft Gottes, d.h. seines Geistes, möglich ist.
Interessant finde ich deine Gedanken dazu, dass das Vergeltungsdenken mit seinen Folgen von der Hamas und der Hisbollah gezielt genutzt wird, um Hass zu schüren. Das halte ich durchaus für möglich. Auf der anderen Seite könnte es auch sein, dass die israelische Regierung unter Netanjahu nicht wirklich auf einen Waffenstillstand aus ist, sondern das "Problem" des radikalen, israelfeindlichen Islam in der Gestalt von Hamas, Hisbollah und Iran ein für allemal erledigen will - vielleicht bis hin zu einem offenen Krieg mit dem Iran. Israel ist Atommacht und kann diesen Krieg gegen die Nicht-Atommächte deshalb nicht verlieren. Es weiß sich darüber hinaus von den westlichen Atommächten unterstützt.
Wie in dieser Gemengelage ein Waffenstillstand möglich werden soll, weiß wohl niemand. Vielleicht muss dazu ein Wunder geschehen - ein Ausgegossenwerden des Geistes Gottes auf Menschen, von denen man ein Einlenken niemals erwarten würde ...
Viele Grüße
Klaus
ich würde strikt zwischen Rache und Vergeltung unterscheiden. Das "Talionsprinzip" als Prinzip der Rechtsprechung ist uralt, es kommt schon auf der Säule des Hammurabi vor, ist also älter als biblische Aufzeichnungen. Vergeltung begrenzt so verstanden die zügellose Rache, indem es ihr ein Maß vorgibt. Gnade, ist danach immer noch möglich, aber sie ist kein Recht das man einfordern könnte.
Ein interessantes Beispiel für Rache, das Deine Ausführungen im Text teilweise wenn auch in gespiegelter Form belegt, liefert aktuell der belgische Satiriker Brusselmans, der für die getöteten Kinder in Gaza "jeden Juden" persönlich umbringen will (Details erspare ich mir hier, siehe der Link https://www.timesofisrael.com/belgian-author-sued-for-writing-he-wants-to-stab-every-jew-he-meets/ ). Bei dem säkularen Autor Brusselmans ist es aber nicht die Berufung auf religiöse Überzeugungen, nach allem was man liest. Die Leute, die ihn auch noch in Schutz nehmen wollen, erklären es letztlich mit Kunst (!), also Satire: "With satirical writers such as Herman Brusselmans, the writing should never be taken 100% literally". So müsste man also, wenn man Deine Überlegungen auch auf die säkulare Welt anwenden will, also Gott durch die Kunst ersetzen. Im Namen der Kunst darf der Künstler offenbar fast alles.
Zu dem Argument "Böses mit gutem vergelten" Frage ich mich, was denn das Gute im konkreten Fall jeweils sein könnte. Das ist gar nicht so einfach. Ob der "Heiligere" also immer nachgeben sollte, insbesondere dann wenn die eigenen Angehörigen Opfer der eigenen Heiligkeit werden könnten, da bin ich skeptisch.
Zu Deinem Kommentar an Tojak bzgl. den Motiven der Regierung Israels möchte ich zu bedenken geben, dass die große Mehrheit Israels die Millitäraktionen unterstützt. Dabei hat fast jede Familie Angehörige als Reservisten und Soldaten im Einsatz. Ausserdem ist zu bedenken wie klein das Land ist, 100 km Breite an der breitesten Stelle, 20 mal so groß wie das Siegerland. Das Argument, Israel sei Atommacht, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
danke für deine wichtigen Ergänzungen. Ich denke auch, dass Vergeltung nicht dasselbe ist wie Rache. Das sieht man schon daran, dass Vergeltung auch positiv gemeint sein kann. Das "Talionsprinzip" (Auge um Auge, Zahn um Zahn) sollte tatsächlich die zügellose Rache einschränken, wie du schreibst. Die Äußerungen Brusselmans finde ich verheerend, weil sie bei manchen Menschen Gewalt gegen Jüdinnen und Juden fördern können. Wenn seine Äußerungen auch nicht zu 100 Prozent wörtlich genommen werden sollen, zu wie viel Prozent denn dann? Zu 90, oder zu 60? Was wäre denn dann das Ergebnis? Insofern finde ich auch, dass Satire oder auch Kunst nicht alles darf, sondern Grenzen haben muss.
Deine Frage, was denn das Gute konkret ist, wenn man Böses mit Gutem vergelten will, ist natürlich immer eine schwierige Frage. Und sie ist nur in jedem Einzelfall konkret zu beantworten. Ich bin auch der Meinung, dass der "Heiligere" nicht immer nachgeben sollte, aber er sollte auch nicht niemals nachgeben. Grundsätzlich sollte es möglich sein, dass der Stärkere eher nachgibt, weil er ein geringeres Risiko eingeht. Ein Nachgeben sollte auch dann möglich sein, wenn das Verhältnis zwischen eigener Gewaltausübung und zu erwartender Gewaltausübung des "Feindes" in Schieflage gerät. Da würde dann sogar wieder das Talionsprinzip greifen. Aber, wie gesagt, das lässt sich nur im konkreten Einzelfall entscheiden, weil jede Situation anders gelagert ist und auch die jeweilige Vorgeschichte mit zu berücksichtigen ist.
Im Fall der aktuellen Politik der israelischen Regierung würde ich auch sagen, dass die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt ist. Das ist nicht gegen Israel gerichtet, sondern gegen die gegenwärtige Regierung Israels. Ich sehe Israel auch als die militärisch weitaus stärkste Macht im Nahen Osten. Wäre sie es nicht, dann wären seine Gegner schon längst über Israel hergefallen. Sie wissen aber, dass das für sie verheerende Folgen hätte - auch, weil Israel Atommacht ist. Was die Billigung der Militäraktionen durch die Bevölkerung betrifft, bin ich auch gegenüber Umfragen skeptisch. Es kommt immer auf die genaue Fragestellung an, und jede Seite wird sich solche Umfragen zu eigen machen, die ihr Handeln unterstützen. Doch selbst wenn eine Mehrheit in Israel die Militäraktionen (alle?) gutheißen sollte, heißt das doch nicht, dass sie ethisch gerechtfertigt sind. Hier entscheidet für uns nicht die Mehrheit, sondern das, was Jesus und die Bibel vorgeben.