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Mehr als ein Wort

Christsein verstehen
Veröffentlicht von in Theologie verständlich · 29 Februar 2020
Tags: EthikWorteDialogBarmherzigkeitMigration

Mehr als ein Wort
Klaus Straßburg | 29/02/2020

Es war abends kurz vor 10. Ich ließ den Tag langsam ausklingen, schaute nochmal nach neuen E-Mails, freute mich über das, was ich tagsüber geschafft hatte. Dann machte ich es mir bequem, entspannte mich.

Für mich war es an diesem 19. Februar ein Abend wie viele andere. Für elf Menschen in Hanau war es der letzte Abend ihres Lebens.

Neun von ihnen ließen den Tag in zwei Shisha-Bars ausklingen. Wahrscheinlich rauchten sie gemeinsam, unterhielten sich, lachten miteinander. Vielleicht machten sie Pläne, trafen Verabredungen. Sie waren jung, hatten ihr Leben noch vor sich, hatten manches vor in den nächsten Tagen.

Ein Mann betrat die Shisha-Bars, einer, den sie noch nie gesehen hatten und der sie noch nie gesehen hatte. Er hatte eine Waffe in der Hand und erschoss sie. Alles vorbei, von einer Sekunde auf die andere. Alles Lachen, alle Gemeinschaft, alle Pläne ausgelöscht.

Totenstille.

Ich erfuhr von alldem erst am nächsten Tag, nachdem ich ein ruhige Nacht verlebt und gut geschlafen hatte. Für die Getöteten war es die Nacht des Todes. Für sie gab es diesen nächsten Tag nicht mehr.

Politiker zeigten sich entsetzt, sprachen den Hinterbliebenen ihr Mitgefühl aus, die Flaggen wehten auf Halbmast. Alle waren sich einig: Diese Tat war ein grausames Verbrechen, so etwas dürfe sich nicht wiederholen. Der Polizeischutz an muslimischen Einrichtungen wurde verstärkt.

Es gab Stimmen, die den Rechtsnationalen eine Mitschuld durch ihre migrationsfeindlichen Reden gaben. Diese stritten das energisch ab und verurteilten ihrerseits die Tat. Sie betonten, ihre migrationskritischen Worte hätten mit dieser Tat eines psychisch Kranken nichts zu tun.

Ich beginne, mir Gedanken darüber zu machen, wie sich Worte und Taten zueinander verhalten. Die Bibel offenbart uns einmal mehr überraschende Perspektiven.


1. Die Macht der Worte

Worte haben Macht. Jesus war „mächtig in Tat und Wort" (Lk 24,19). Das galt vor ihm schon von den Worten und Taten Moses (Apg 7,22) und nach ihm von den Worten der Christen, die Gottes Wort bezeugten (Apg 19,20). Jesus sagte, das Wort der Glaubenden könne Berge versetzen (Mt 21,21).

Gottes Wort trägt gemäß der ersten Schöpfungserzählung (Gen/1Mo 1) die Leben schaffende Tat in sich. Denn Gott erschafft die Welt nicht mit seinen Händen, sondern durch sein Wort: „Gott sprach: Es werde ... Und so geschah es." Weil Gottes Wort also Leben hervorbringt, ist es „Wort des Lebens" (Phil 2,16), Lebensmittel wie unser tägliches Brot (Mt 4,4). Wer von diesem Lebensmittel lebt, wer es in sich trägt, spricht selber dieses Wort: das „Wort der Versöhnung" mit Gott und untereinander (2Kor 5,18f), das Wort der Nächstenliebe (Gal 5,14).

Wir sprechen aber auch andere Worte: Worte, die uns „verunreinigen", das heißt: uns von Gottes Reinheit und Heiligkeit trennen. Das sind die Worte des Todes, der Lieblosigkeit, der Verunglimpfung und Spaltung.

Nach Mt 15,11.18-20 hat Jesus gesagt: „Nicht was in den Mund hineinkommt, verunreinigt den Menschen [...]. Aber was aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen hervor, und das verunreinigt den Menschen. Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Morde, Ehebrüche, sexuelle Entgleisungen, Diebstähle, falsche Zeugenaussagen, Lästerungen. Das ist es, was den Menschen verunreinigt." Die Sätze klingen merkwürdig. Dass all diese Taten aus dem Herzen hervorkommen, kann man ja noch verstehen. Aber dass sie aus dem Mund herauskommen? Wie ist das gemeint?


2. Worte sind Taten

Schon der hebräische Begriff für „Wort" aus dem Alten Testament bezeichnet mehr als ein Wort, das schnell verklungen ist. Er meint zugleich ein Ding, ein Etwas, das, einmal ausgesprochen, in der Welt ist und Wirksamkeit entfaltet. Dieses unsichtbare Wort-Ding kann nicht zurückgenommen werden und entfaltet deshalb unwiderruflich seine Macht (darum kann Isaak den von Jakob erschlichenen Segen nicht zurücknehmen: Gen/1Mo 27,35-37).

Wir haben gelernt, fein säuberlich zwischen Wort und Tat zu unterscheiden. Aber vielleicht ist der Unterschied gar nicht so groß: Das Wort trägt bereits die ihm entsprechende Tat in sich; und die Tat ist Teil des ihr entsprechenden Worts. In diesem Sinn jedenfalls versteht die Bibel die Sünde: Zu ihr gehört nicht nur die böse Tat oder das böse Wort, sondern alles, was daraus folgt. Die böse Tat oder das böse Wort bringen geradezu eine Sphäre des Bösen und der Zerstörung hervor. So gehört zur Sünde nicht nur ein einzelnes Geschehen, sondern ein ganzer Komplex von Ereignissen. Entsprechend kann man sagen: Zu dem einen bösen Wort-Ding gehört ein Komplex böser Tat-Sachen. Die böse Tat ist dann ein Teil des bösen Wortes, denn das böse Wort beinhaltet bereits die böse Tat, die vielleicht erst viel später geschieht.

Ein Beispiel: Zwar ist die verbale Androhung des Todes etwas anderes als der Messerstich ins Herz. Aber es sind zwei Seiten derselben Medaille: Es gibt das eine nicht ohne das andere. Dem Messerstich geht irgendein Wort voran, das ihn rechtfertigt; und das Wort schafft schon den Raum für die anschließende Tat.

Beim Wort geht es nicht nur um das gesprochene Wort, sondern auch um das geschriebene. In unserer Zeit werden wir besonders auch an das Wort denken, das sich im Internet verbreitet und eine ungeheure Wirksamkeit entfaltet.

All die Worte, die wir ins Internet stellen, aber auch die, die wir sprechen und die so schnell verklungen sind, sind nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Sie sind da wie Dinge, die sich nicht zerstören lassen. So entfalten sie unweigerlich ihre Macht, entweder zum Guten oder zum Schlechten. Und diese Entfaltung ist schon in unserem Wort enthalten. Jedes Wort birgt in sich eine Tat, eine Re-Aktion. Und diese Tat, die später geschieht, ist schon Bestandteil unseres Wortes. Darum auch kann man Worte nicht nur hören, sondern auch tun: Jesus nennt den Täter seiner Worte einen klugen Menschen (Mt 7,24).


3. Wie wir zu Tätern wahrer Worte werden können

Wie man Worte tun kann, so kann man auch die Wahrheit und die Lüge tun (Joh 3,21; Offb 21,27; 22,15). Wer die Wahrheit tut, der lebt im Vertrauen zu Gott und zugleich im Frieden mit seinen Mitmenschen. Wer umgekehrt nicht im Frieden mit seinen Mitmenschen lebt und dennoch behauptet, Gott zu vertrauen, der lügt und bedarf der Vergebung (1Joh 1,6f).

Die Wahrheit redet derjenige, dessen Wort seinen Mitmenschen gnädig ist und sie aufbaut (Eph 4,29). Statt mit Erbitterung und Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung sollen wir unseren Nächsten mit Güte, Barmherzigkeit und Gnade begegnen. Denn auch wir selbst leben von Gottes Gnade und Barmherzigkeit (Eph 4,31f).

Ein Wort der Gnade und Barmherzigkeit ist – in modernem Deutsch – ein Wort, das fehlerfreundlich daherkommt: Der andere darf Fehler machen, darf sich irren und wird nicht auf seinen Irrtum festgenagelt. Er wird nicht bloßgestellt, abgewertet, vor aller Welt für unfähig erklärt, sondern es wird ihm eine neue Chance gegeben.

Das bedeutet nicht, Böses und Unrecht unter den Teppich zu kehren und es mit einer falsch verstandenen Gnade und Barmherzigkeit zuzudecken. Im Gegenteil! Gerade wer sich nicht der „faulen Worte" bedient (Eph 4,29), die keine Frucht bringen, ist in der Lage, die fruchtlosen Taten aufzudecken (Eph 5,11). Denn er macht sich nicht mit denen gemein, die Unfruchtbares tun, sondern setzt sich bewusst von ihnen ab (Eph 5,6-10).

Gegenüber den wahren Worten gibt es die „leeren Worte" (Eph 5,6). Sie enthalten keine Wahrheit, sondern sind „dummes Geschwätz" und „übler Witz" (Eph 5,4), also ein Reden, das inhaltsleer ist und den Mitmenschen nicht aufbaut, sondern erniedrigt. Leider breitet sich solch ein Reden mitunter aus „wie ein Krebsgeschwür" (2Tim 2,17), und deshalb sollen wir „eifrig" darin sein, „das Wort der Wahrheit gerade heraus zu sagen" (2Tim 2,15). Dieses Wort ist kein schwankendes „Ja und Nein", sondern ein eindeutiges Wort, so wie auch in Jesus nicht Ja und Nein waren, sondern Ja und Amen (2Kor 1,17-20).

Wir scheitern alle an diesem Ja und Amen. Darum sind wir darauf angewiesen, dass Gott seinen Geist in unsere Herzen legt und uns dadurch in unserem Reden festigt (2Kor 1,21f). Dann kann das Wunderbare geschehen, das in Mt 13,19-23 beschrieben ist : Das wohltuende Wort von Gottes kraftvollem Wirken auf Erden wird nicht von anderen Worten übertönt, so dass es fruchtlos verklingt. Es wird vielmehr wahrhaft gehört, und seine wesentliche Bedeutung für unser Leben wird verstanden. Auch die Widerstände gegen dieses Wort werden ausgehalten. Und in alledem stehen Menschen unter uns auf, die durch ihr Reden und Handeln unfassbar viel Frucht bringen.


4. Konkretionen

Höher kann man die Bedeutung von Worten wohl nicht einschätzen, als es die Bibel tut – all der Worte, die uns so schnell über die Lippen kommen oder im Internet verbreitet sind, über die wir nicht lange nachdenken, die schnell gesagt und ebenso schnell verklungen sind. Es sind ja nur Worte, denken wir. Aber Worte schaffen Wirklichkeit: Leben oder Tod, Versöhnung oder Spaltung, Liebe oder Hass.

Die böse Tat beginnt meist mit Worten. Es sind Worte, die den anderen nicht ernst nehmen, ihm seine Würde rauben, seine moralische Integrität in Frage stellen oder ihm sein Menschsein absprechen, indem sie ihn mit Tieren oder Dingen gleichsetzen. So gebieren Worte Trennungen: „Wir sind die Guten, die anderen die Schlechten." Worte provozieren Gegenwehr: „Das zahle ich dir heim." Sie führen zu bösem Streit, in dem es nur darum geht, Recht zu behalten. Sie bringen Rache mit sich: „Wie du mir, so ich dir." Schließlich kann es sein, dass der andere gar nicht mehr wie ein Mensch behandelt wird, sondern wie ein Tier oder eine Sache.

Besonders schlimm wird es, wenn Dritte die bösen Worte hören oder lesen und sich zu eigen machen. Dann greift das Böse um sich, sät Hass und Unrecht in anderen, spaltet Gruppen oder gar die ganze Gesellschaft. Das Internet trägt dazu in zuvor nie gekannter Weise bei, weil alle dort veröffentlichten Worte sich rasend schnell verbreiten und neue, an das Böse anschließende Worte hervorbringen.

Dass die bösen Worte sich ausbreiten, dem gilt es entschlossen entgegenzuwirken. Denn es gibt ja auch die anderen Worte, die des Lebens, der Versöhnung, der Wahrheit, die aufbauenden statt erniedrigenden Worte. Diese Worte wahren die Würde und das Menschsein des Gegenübers. Auch wenn er völlig anderer Meinung ist als ich, so bleibt er doch ein Mensch, der es verdient, gehört zu werden. Ja, es ist sogar hilfreich, sich in ihn hineinzuversetzen, so gut es geht, um zu verstehen, wie er zu seiner Meinung gekommen ist. Und meist findet sich sogar ein Funke Wahrheit im Standpunkt des anderen.

Und doch hat auch solch ein Gespräch Grenzen. Denn das Gespräch kann nur gelingen, wenn beide Gesprächspartner das Gefühl haben, vom anderen ernst genommen zu werden und wenn sie nicht nur ihre Parolen fraglos wiederholen wollen. Wenn beide respektvoll und lernbereit miteinander reden, werden sie sich entweder einander annähern oder aber in der Sache einander fern bleiben, als Personen aber einander achten. Doch wenn ein Gespräch dauerhaft nicht weiterführt, wenn die Gesprächspartner einander nicht wirklich zuhören, weil sie nicht lernbereit sind, dann bleibt das Gespräch fruchtlos – es bringt keine neuen Gedanken und Einsichten hervor, sondern jeder betont nur immer wieder seinen eigenen Standpunkt. Solch ein Gespräch ist an sein Ende gekommen. Man kann es getrost abbrechen – hoffentlich im gegenseitigen Respekt voreinander.

Die Güte eines fruchtbaren Gesprächs wird uns von Gott geschenkt. Diese Frucht wächst nicht aus uns, sondern aus Gottes Güte: Nur wer sich vorbehaltlos versöhnt weiß, kann Versöhnung stiften. Nur wer den Frieden in sich trägt, kann Frieden bringen. Nur wer sich mit gnädigen und barmherzigen Worten angesprochen weiß, kann selber gnädig und barmherzig sprechen.


5. Mit Gnade und Barmherzigkeit politisch reden?

Mein Eindruck ist: Das politische Reden ist alles andere als gnädig und barmherzig. Ich habe das Gefühl, hier sind alle Mittel erlaubt, um recht zu behalten. Es wird oft nicht sachlich diskutiert, sondern persönlich verunglimpft. Der Andersdenkende wird in eine Ecke gestellt, in die er nicht gehört. Mit Worten wird eine Karikatur von ihm gezeichnet. Man müht sich gar nicht, ihm gerecht zu werden, sondern im Gegenteil: Seine Verleumdung ist Methode. Denn mit der Karikatur des anderen hat man leichtes Spiel und kann als Sieger vom Platz gehen.

Oft wird behauptet, das müsse so sein, in der Politik werde nun mal mit harten Bandagen gekämpft, anders gehe es nicht. Ich bezweifle das.

Es würde ein anderer Ton herrschen, wenn wir gnädig und barmherzig (also fehlerfreundlich) miteinander umgingen. Wenn wir wüssten: Ich werde auch dann noch ernst genommen, wenn ich einen Fehler eingestehe, wenn ich mich korrigiere, wenn ich zugebe, vom anderen etwas gelernt zu haben. Dann gäbe es keine Gewinner und Verlierer, sondern nur solche, die voneinander lernen und profitieren.

Mit Gnade und Barmherzigkeit muss auch das böse Wort angeprangert werden. Das bedeutet: Der, der das böse Wort gesprochen hat, wird nicht verbal ausgeschaltet und hingerichtet, so dass ihm kein Ausweg bleibt, als sich bis aufs Blut verteidigen. Sondern das Fruchtlose, das Böse seines Wortes wird ihm sachlich aufgezeigt und nachgewiesen. Dazu dient ein eindeutiges, aber liebevolles Wort.

Wer davon spricht, ein anderer Mensch oder eine Gruppe von Menschen solle „entsorgt" werden, muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass Menschen kein Müll sind und dass sein Wort Taten mit sich bringt, mit denen Menschen aus der Welt geschafft werden – durch Mord. Denn jede ausgrenzende und rassistische Bemerkung über einen Menschen raubt ihm sein Recht, als der zu leben, der er ist.

Das Wort von der „Entsorgung" trägt bereits die Mordtat in sich.

Wer dann noch behauptet, mit solchen Worten das christliche Abendland oder die christlichen Werte zu verteidigen, dem muss gesagt werden, dass der christliche Glaube keine Entsorgung von Menschen kennt. Wer dennoch so redet, verteidigt nicht christliche Werte, sondern verrät sie. Seine Behauptung, das christliche Abendland zu verteidigen, verdreht die Wahrheit und ist deshalb eine Lüge. Er bedarf der Vergebung.

Es schützt vor Überheblichkeit, wenn wir als Kritiker der bösen Worte wissen, dass wir selbst auch der Vergebung bedürfen. Und dass es böse Worte auf allen Seiten des politischen Spektrums gibt. Das Wort „Mob" für Demonstranten ist ein Beispiel dafür. Solche Abwertung nimmt die Menschen nicht ernst und spaltet die Gesellschaft.

Ich gestehe, dass es schwierig wird, wenn böse Worte mit Kalkül in die Welt gesetzt werden. Und dass es nur sehr bedingt hilft, dem anderen mit Gnade und Barmherzigkeit zu begegnen, wenn er davon nichts wissen will. Ich denke aber, dass es noch weniger hilft, ihm mit Aggression und Verleumdung zu begegnen. Darum ziehe ich Gnade und Barmherzigkeit vor.

Gnade und Barmherzigkeit sind schwach – wie die Liebe. Aber gerade in ihrer Schwäche sind sie stark, wenn sie gegenüber dem abgrundtief Bösen das bleiben, was sie sind: Gnade und Barmherzigkeit. Mit ihnen häufst du „glühende Kohlen auf das Haupt" des anderen (Spr 25,22; Röm 12,20) – du lässt dich nicht auf das Böse ein und bringst ihn so am ehesten zum Nach- und Umdenken. Du besiegst das Böse mit Gutem (Röm 12,21).

Und wenn der andere zum Umdenken nicht bereit ist? Dann versuche ich, ihn trotzdem zu achten und hoffe, dass er doch noch zur Einsicht kommen wird; dass Gott seinen Geist wirken lässt und sein wohltuendes Wort sich dennoch durchsetzen wird.

Man kann das alles belächeln. Was sollen diese alten Worte „Gnade" und „Barmherzigkeit"? Gut, nennen wir es anders: Fehlerfreundlichkeit. Zuwendung. Toleranz. Respekt. Nicht vor dem bösen Wort, sondern vor dem verirrten Menschen, der es spricht.

Natürlich sind meine Gedanken bruchstückhaft. Die Probleme sind größer, als ich sie hier benennen kann. Darum frage ich dich: Welche Alternativen zu Gnade und Barmherzigkeit kennst du? Was hilft deiner Erfahrung nach besser? Hast du vielleicht ganz andere Antworten auf die Frage, wie wir mit bösen Worten umgehen sollten?


* * * * *




4 Kommentare
2023-09-02 11:24:54
Lieber Klaus

Gnade und Barmherzigkeit hat viel (nach dem AnNehmen dann Festhalten und in dem Fall) mit dem geduldigen LosLassen zu tun. Und das ist vielleicht die größere Herausforderung in der menschlichen Existenz, weil es unser erster Körper und Leib ist und wir unser Dasein im Freuen und Leiden und damit uns selbst zu wichtig nehmen. Aber gerade im Loslassen zeigt sich wieviel ein Mensch von Jesus über das rücksichtsvolle Leben und die selbst-reflektierende Liebe im Geben gelernt hat. Denn wenn man etwas aus Liebe loslässt, dann bleibt es bei einem und das sehr gerne. Und so ist Gott auch uns gerne nah, ein Vater, ein Freund, ein Retter, eine Mutter, ein Lehrer, ein Arzt, ein Erzieher, ein Polizist, ein Richter, ein Helfer, eine Unterstützer, ein Regent, - der ein und alles - was für Namen und Bezeichnungen es für den Geist auch immer geben mag, das im Guten und Besseren verweilt und sich offenbart. Im Lernen und Geben des Besseren ist ein reicher Segen und ewiges Leben.
2023-09-02 11:58:36
Lieber Pneuma,

danke für deine Ergänzungen. Ich denke auch, dass mit Gnade und Barmherzigkeit das Loslassen der eigenen Interessen und Wünsche verbunden ist. Wer sich ausschließlich an sich selbst orientiert, kann dem anderen nicht mit Gnade und Barmherzigkeit begegnen. Jesus hat aus Gnade und Barmherzigkeit mit denen, die ihn verfolgten, sein Leben geopfert.

"Wenn man etwas aus Liebe loslässt, dann bleibt es bei einem und das sehr gerne." Das ist ein interessanter Satz. Kannst du ihn noch etwas erläutern?
2023-09-04 09:14:57
Lieber Klaus

Viele Menschen neigen dazu, was sie einmal haben nicht mehr los lassen zu wollen, so lange sie einen Vorteil davon haben. Und das gilt nicht nur für materielle und körperliche Dinge, so auch für die Gerechtigkeit und die Gewohnheit. Aber gerade Loslassen aus Barmherzigkeit und Gnade bringen einen Abschub, mit der Chance zu lernen, sich zu besinnen, Unverdientes anzunehmen, das Wesentliche zu erkennen, Dankbarkeit wieder weiterzutragen, selbst ein Garten Eden zu werden, in dem sich andere Menschen wohl fühlen. Am Ende des menschlichen Leben heißt es auch loszulassen und der Liebe zu vertrauen. Liebe hat die geistige Eigenschaft sich freiwillig und gerne zu verbinden und zu vereinigen, und daran ändern auch temporäre Trennung (z.B. der Tod) nichts. Daher ist nicht der Tod unser Feind, sondern die Todesfurcht, wenn wir nicht Loslassen und der Liebe vertrauen wollen. Denn bei allem Bösen gibt es immer auch das Gute. In endlichen Strukturen bedingt immer das Eine das Andere. Auch wenn manchmal das Eine wie Goliath auftreten und erscheinen mag und tödlich für uns endet. So ist es alles nur ein Loslassen für etwas Anderes und Besseres, für den der gerne das liebevollere Leben lieben lernt.
2023-09-04 09:43:10
👍 Vielleicht kann man sagen: Auch wenn man als Kind Gottes etwas verliert, gewinnt man etwas Neues - möglicherweise sogar sein Leben.
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