Gottes heilsame Schöpfung
Klaus Straßburg | 01/11/2022
Gestern war ich in der Schweiz. Nein, nicht in der Schweiz von Wilhelm Tell, sondern in der Kroppacher Schweiz. Das ist ein Teil des Westerwaldes. Dort gibt es Berge, aber nicht so hohe, wie in der Schweiz von Wilhelm Tell. Die Schweizer würden sich darüber kaputtlachen. Aber egal. In der Kroppacher Schweiz ist es sehr schön. Und man kann dort hervorragend wandern.
1. Gottes Herz im Schöpfungswerk
Wenn ich in einer so schönen Gegend unterwegs bin, begegnet mir das Werk des Schöpfers auf Schritt und Tritt. Okay, das Menschenwerk bleibt auch nicht ganz unsichtbar. Da gibt es auch Schotterwege und gerodete Fichtenplantagen. Oder gar völlig aufgewühlte Wege, die früher einmal Wanderwege waren – aber dann kamen die Rodungsmaschinen ... Aber in der Kroppacher Schweiz gibt es nicht viel davon. Die Forstwirtschaft spielt dort eine untergeordnete Rolle.
Also blickt mich von allen Seiten das Werk des Schöpfers an. Und dann wird mir das Werk des Schöpfers zu einem Hinweis auf sein Herz: Wer so etwas Wunderbares erschafft, muss ein gutes Herz haben, denke ich dann. Und noch dazu, wenn er das alles nicht für sich, sondern für uns Geschöpfe geschaffen hat.
Ich gehe davon aus, dass Gott an seinem Wohnort, den wir etwas hilflos "Himmel" nennen, genug Wunderbares hat. Er bedarf der Schöpfung nicht. Darum hat er sie ausschließlich für uns, seine Geschöpfe, geschaffen.
Ein solcher Gott kann es nur gut mit uns meinen, denke ich dann. Denn es tut unendlich gut, sich in seiner Schöpfung zu bewegen. Jedenfalls, wenn man sich mit offenen Augen in ihr aufhält.
Natürlich weiß ich, dass es in der Schöpfung auch Grausames gibt, sozusagen Mord und Totschlag – in jeder Sekunde. Eins frisst das andere, alles muss sterben und vergehen, nichts bleibt für immer. Aber daran musste ich gestern auf meiner Wanderung nicht denken. Die Schönheit der Schöpfung, an der sich die Seele erfreute, übertönte einfach all das andere, das es auch gibt.
Es wäre ja verrückt, sich ständig die Grausamkeit der Natur vor Augen zu halten, wenn einem die Schönheit der Schöpfung in ihrer ganzen Fülle begegnet. Das wäre ja so, als wollte man bei seiner Hochzeit hartnäckig an die Krisen denken, die in der Ehe kommen werden, und daran, dass man spätestens mit dem Tod voneinander geschieden wird. Man gönnte sich dann die Freude an der Liebe nicht, die ja in der Hochzeit gefeiert werden soll.
Also lasse ich mich von der Schönheit der Schöpfung umgarnen und genieße sie in vollen Zügen. Sie ist mir überhaupt kein Beweis für Gottes Existenz und sein gutes Herz. Sondern umgekehrt: Nur weil ich an Gottes Existenz und sein gutes Herz glaube, kann mir seine Schöpfung zu einem Hinweis auf ihn werden. Die Schöpfung kann mir den Glauben an Gott bestärken, aber nicht begründen.
2. Die Schöpfung im Foto
Ich habe da so eine kleine Kamera, die in die Hosentasche passt und die ich gern auf meine Wanderungen mitnehme. Auch gestern habe ich Fotos von dem gemacht, was mich beglückte. Und weil das Glück nicht für mich allein da ist, möchte ich es hier, soweit das möglich ist, ein wenig mit dir teilen. Es folgt also eine Auswahl meiner Fotos, die ich gestern machte. Bitte mach die Augen auf und lass dich mitnehmen in das Werk des Schöpfers.
Auf den Fotos siehst du gar nichts Besonderes, sondern das, was jeder Mensch beobachten kann, wenn er durch den Wald wandert. Es ist das Alltägliche. Man muss es nur sehen. Wenn man es aber sieht, dann kann man gar nicht anders, als froh zu werden. So jedenfalls erlebe ich es.
3. Die Wohlordnung der Welt
In der ersten Schöpfungsgeschichte von 1Mo/Gen 1 ist gar nicht von blauem Himmel, bunten Herbstfarben, plätschernden Bächen oder Spiegelungen im Wasser die Rede. Die Schöpfungsgeschichte erzählt vielmehr davon, dass Gott Ordnung in das Chaos brachte. Aus dem chaotischen und beängstigenden Wirrwarr wird etwas Wohlgeordnetes: Was durcheinandergewirbelt war, wird voneinander geschieden, so dass alles einen sinnvollen Ort bekommt. So kann das Leben sich nach und nach ausbreiten – jedes Lebewesen an dem Ort, der für es bestimmt ist. Auch die Sieben-Tage-Woche mit dem Ruhetag am Ende gehört zu Gottes Wohlordnung.
Die Welt ist allerdings manchmal alles andere als wohlgeordnet. Das Chaos hat immer noch seine Orte in der Welt. Es ist noch nicht vollständig verschwunden. Aber das schlimmste Chaos, das gar kein Leben zulässt, ist vorbei, sagt uns die Schöpfungsgeschichte. Die Chaosmächte haben verloren. Auch in unserem Leben können sie nur noch eine Randerscheinung darstellen. Denn Gott hat uns zum Leben und zur Freude bestimmt.
Dass zu unserem Leben auch noch der Tod gehört, mag die Freude ein wenig trüben. Aber auch der Tod ist aufgehoben in Gottes Wohlordnung. Denn er gehört zur Schöpfung. Er ist aber nur noch so etwas wie eine Erinnerung an das bereits besiegte Chaos, das auch in uns noch seinen Ort hat. Aber dieses Chaos hat keine letzte Macht über uns. Denn der Schöpfer hat das Leben für uns vorgesehen – ewiges Leben und ewige Freude an einem neuen Ort, für den das Leben in dieser Welt nur ein Vorspiel ist.
4. Die Heilkraft der Schöpfung
Wenn man gerade selbst in einer schweren Lebenskrise ist, dann mag es sein, dass auch das Schöne in der Schöpfung davon überdeckt wird und das Herz nicht so richtig froh werden kann. Aber man bekommt zumindest einen Eindruck davon, dass es mehr gibt als das Schwere, das gerade das Herz bedrückt. Das Schwere wird durch das Schöne ein Stück weit zurückgedrängt. Ein kleines Licht in all der Dunkelheit wird entzündet. Und das ist der Anfang der Hoffnung, dass die Krise überwunden werden kann.
Es ist vielfach belegt, dass die Schöpfung eine heilende Wirkung auf uns ausübt. Deshalb lautet sogar eine Empfehlung für Menschen, die unter einer Depression leiden, dass sie nach draußen gehen sollten. Es gibt noch viele andere Empfehlungen – jeder muss das herausfinden, was für ihn das Richtige ist. Mit offenen Augen sich von Gottes Schöpfung erfreuen lassen, könnte dazugehören.
Aber nicht nur bei Depressionen kann Gottes Werk heilend auf uns wirken. Auch in vielen anderen Situationen kann es die Dunkelheit erhellen. Zum Beispiel
- wenn du dich einsam fühlst
- wenn du das Gefühl hast, dass kein Mensch dich versteht
- wenn dir etwas über den Kopf zu wachsen droht und du dich überfordert fühlst
- wenn die Trauer dich überzieht, weil du von einem Menschen getrennt wurdest
- wenn du im Streit mit jemandem liegst
- wenn dich jemand bloßgestellt, abgewertet oder nicht ernst genommen hat
- wenn dein Glaube von Zweifeln geplagt wird
- wenn du von einer Krankheit befallen bist
- wenn du Sorge um einen lieben Menschen hast.
Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Am besten, du probierst es selbst aus, wenn es dir einmal schlecht geht.
Erwarte keine Wunder, aber lass Gottes Schöpfung ein kleines Licht in dir entzünden. Vielleicht ist es der Anfang vom Ende deiner Traurigkeit.
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Fotos: Klaus Straßburg.