Fragwürdige Wissenschaft
Klaus Straßburg | 08/01/2020
Ich fand den Vortrag sehr interessant, obwohl ich kein Experte auf dem Gebiet bin und genaue Einzelheiten gar nicht wiedergeben kann. Gegen Ende des Vortrags hatte ich aber einen interessanten Gedanken.
Es war spannend für mich zu hören, wie Wirtschaftswissenschaftler arbeiten. Die entscheidende Frage war: Wie wird sich die Zukunft unter ökonomischen Gesichtspunkten entwickeln? Um in die Zukunft zu blicken, muss von bestimmten Annahmen ausgegangen werden: z.B. Annahmen zur wirtschaftlichen, technologischen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung. Der Wirtschaftswissenschaftler versucht also herauszufinden, wie sich diese Bereiche in Zukunft entwickeln werden.
Das ist in einer globalisierten Welt nicht einfach. Denn es spielen so viele Faktoren eine Rolle, dass gar nicht alle berücksichtigt werden können. Und die, die berücksichtigt werden, könnten sich auch ganz anders entwickeln, als es der Wissenschaftler annimmt.
Als mir das klar wurde, hatte ich den Eindruck, dass das wissenschaftliche Ergebnis von so vielen Unsicherheiten bestimmt ist, dass die Zukunftsprognose nur eine Prognose unter vielen möglichen sein kann. Das sieht man auch daran, dass sich die Prognosen der Wirtschaftswissenschaftler stark unterscheiden oder sogar widersprechen. Dementsprechend unterscheiden oder widersprechen sich auch die Vorschläge der Wissenschaftler, wie man in unserer Situation am besten ökonomisch handeln sollte. Das wurde übrigens im Vortrag nicht verschwiegen.
Ich gestehe, dass diese Unsicherheit wissenschaftlicher Aussagen in mir ein Gefühl der Genugtuung erzeugte. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Denn genau diese Unsicherheit von Aussagen wird manchmal der Theologie vorgeworfen. Man meint, die Theologie könne doch im Unterschied zu den sogenannten "exakten Wissenschaften" gar keine Belege für ihre Thesen vorweisen. Es sei alles Spekulation und entbehre jeder Beweisführung. Man "glaube" eben nur und wisse nichts.
Der Einwand sieht etwas Richtiges. Theologie und christlicher Glaube haben keine objektiven Beweise für ihre Annahmen. Theologien sowie glaubende Menschen unterscheiden und widersprechen sich. Es ist ein dauerndes Ringen um die Wahrheit, wie auch ein Blick in die Theologiegeschichte zeigt.
Von außen mögen die christlichen Glaubensaussagen als Spekulation erscheinen. Für den glaubenden Menschen aber können sie tiefste Gewissheit werden. Was nicht heißt, dass manche Gewissheiten auch immer wieder in Frage gestellt werden können. Jedenfalls gründet der Glaube nicht in "bewiesenem" Wissen (soweit es das überhaupt gibt), sondern in einer Gewissheit, die aus dem Vertrauen zu Gott wächst. Das damit zusammenhängende Glaubenswissen kann allerdings bei Christinnen und Christen sehr unterschiedlich ausfallen. Sie haben (noch) keine vollkommene Erkenntnis (vgl. 1Kor 13,12) und können irren. Darum bleiben unsere Erkenntnisse bis zum himmlischen Dasein unsicher.
Offenbar ist es in den sogenannten "exakten Wissenschaften" nicht viel anders. Die "Beweisführung" ist von so vielen unsicheren Annahmen durchsetzt, dass auch das Ergebnis völlig unsicher ist. Dies gilt nicht nur für die Wirtschaftswissenschaften, sondern auch für die Naturwissenschaften. Deren Erkenntnisse sind ja angeblich so sicher, weil sie im Experiment objektiv nachvollzogen werden können. Aber der Schein trügt, wie wohl alle ernsthaften Naturwissenschaftler zugeben werden.
Seit der Entdeckung der sogenannten "Unschärferelation" durch Werner Heisenberg (1901-1976) kann man auch naturwissenschaftlich nicht mehr von der Wirklichkeit sprechen, die für alle Menschen objektiv dieselbe sei. Vielmehr hat sich gezeigt, dass der forschende Mensch durch die jeweilige Versuchsanordnung das Ergebnis seiner Forschung mitgestaltet.
Der Philosoph Karl Popper (1902-1994) hat mit Blick auf unser menschliches Wissen gesagt: "Wir wissen nicht, wir raten". Dies gilt wohl für all unser Wissen. Die Gewissheit des Glaubens aber würde ich nicht als ein Raten bezeichnen, sondern als ein Vertrauen, Hoffen und Lieben. Und in diesem Vertrauen, Hoffen und Lieben gibt es sogar Erkenntnisse, die dem glaubenden Menschen gewisser werden als alles angeblich gesicherte Wissen.
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Was glauben wir denn wer wir sind. Es wird ein staunen sein im Himmel.
Unser Glaube wird dann erst die ganze Wahrheit und Größe Gottes erfahren.
Der andere, möglicherweise sogar stärkere Einwand gegen die Theologie dürfte m. E. der Mangel an Empirie zur Überprüfung ihrer Kernaussagen sein.
Zitat:"Man glaube eben nur und wisse nichts". Das ist mein Ausgangspunkt bei der Frage, weshalb man als Christ überhaupt Naturwissenschaftler sein kann und umgekehrt. Ich war schnell an dem Punkt, dass ich erkannt habe, dass profan "glauben" eigentlich "vermuten" ist, während man für "glauben" im Sinne des Paulus oder im Sinne Jesu eigentlich eigene Wörter verwenden müsste, wenn man dadurch gerechtfertigt, ja sogar gerettet wird (Joh. 11,25-26).
Ich stimme dir auch darin zu, dass das Wort "glauben" missverständlich ist. Es geht dabei gerade nicht um Vermutungen, sondern um eine innere Gewissheit, die aber nicht auf Empirie beruht. Gott ist eben nicht empirisch nachweisbar. Oder anders herum: Was empirisch nachweisbar ist, ist Geschöpf im weitesten Sinn und nicht Schöpfer. Das griechische Wort für "glauben" heißt "treu sein, trauen, vertrauen, überzeugt sein". Es geht im Glauben also darum, Gott zu vertrauen, ihm treu zu sein und überzeugt davon zu sein, dass er vertrauenswürdig ist. Man müsste also wirklich, wie du sagst, eigene Wörter verwenden statt "glauben", und zwar auch in den Bibelübersetzungen.