Die Welt auf den Kopf stellen
Klaus Straßburg | 22/01/2022
Vor einigen Tagen hüpfte vor meinem Fenster eine Gruppe von Meisen in den kahlen Ästen eines Baums herum. Ich freute mich an ihrem Anblick, und auch die Vögel schienen ihren Spaß daran zu haben, so frei und fröhlich von Ast zu Ast zu springen. Plötzlich fiel mir auf, dass sich eine der Meisen dabei merkwürdig verhielt. Ich beobachtete sie länger, und tatsächlich: Diese eine Meise verhielt sich anders als alle anderen.
Der Vogel hüpfte wie die anderen auch von Ast zu Ast. Aber jedes Mal, wenn er einen neuen Ast erreichte, klammerte er sich von unten an dem Ast fest. Er hing also unter dem Ast und blickte nach oben in den Himmel. Nach zwei bis drei Sekunden schwang er sich – schwupp! – mit Leichtigkeit von unten nach oben und saß nun in der gewohnten Weise auf dem Ast. Das wiederholte er immer und immer wieder.
Ich dachte an die von manchen vertretene wissenschaftliche These, in der Natur geschehe nichts ohne Zweck. Nach dieser These tun Tiere alles, was sie tun, instinktiv, um einen biologischen Nutzen daraus zu ziehen. Wie oberflächlich und unbedacht kam mir in diesem Moment diese wissenschaftliche These vor! Als ob Tiere nicht auch aus reinem Spaß und reiner Freude etwas tun könnten!
Ich dachte auch, dass es der Meise bestimmt Spaß macht, einmal eine andere Perspektive einzunehmen: von unten nach oben durch den Wipfel des Baums hindurch in den Himmel zu schauen.
Wenn wir doch auch mehr Freude daran hätten, einmal diese andere Blickrichtung einzunehmen: Nicht immer geradeaus oder nach unten schauen auf die gerade zu dieser Jahreszeit oft trübe und dunkle Erde – sondern umgekehrt: von der trüben und dunklen Erde hinauf in den lichten Himmel blicken, der in all seiner Grauheit dieser Tage immer noch heller ist als die Erde.
Jedes Mal, wenn wir den Himmel in den Blick nehmen, wird uns in all unseren Gefühlen, Gedanken und Taten aufs Neue bewusst: Es gibt mehr als diese irdische Welt. Und die irdische Welt erscheint in einem anderen Licht, ja sie wird sogar auf den Kopf gestellt, wenn wir sie vor dem Hintergrund des Himmels betrachten.
Es ist immer gut und macht sogar Freude, die Perspektive zu wechseln und in den Himmel zu schauen. Die Meise hat es mir vorgemacht, und ich will versuchen, es ihr gleich zu tun.
* * * * *
wenn Tiere über einen Verlust trauern können, dann können sie sich auch über einen Gewinn freuen. Mich würde es nicht wundern, wenn manch ein Tier mehr Humor hat, als manch ein Mensch, und das völlig unabhängig von irgendwelchen besonderen Fähigkeiten.
Ich bin sicher die stöhnen und loben auch über ihren Nachwuchs oder die eigene Gesundheit ... aber so ist das Leben in dieser Realität.
ja, ich denke auch, das Gefühlsleben von Tieren wird weitgehend unterschätzt. Manche glauben ja immer noch, Tiere könnten nicht leiden! - und dementsprechend werden sie dann auch von uns "zivilisierten" Menschen behandelt.
danke für deine kleine Übung in Achtsamkeit. Manchmal ist es doch ganz leicht eine Leichtigkeit im Leben wahrzunehmen - man muss nur auf bestimmte Momente achten ...
Viele Grüße
Michael
genau, dieser Moment ist mir im wahrsten Sinne des Wortes zugeflogen ...