Christsein Verstehen - Christsein verstehen

verstehen

Theologische Einsichten für ein gutes Leben

Christsein

Christsein
verstehen
Theologische Einsichten für ein gutes Leben
Direkt zum Seiteninhalt

Der Glaube und das Weltliche

Christsein verstehen
Veröffentlicht von in Theologie verständlich · 21 September 2021
Tags: EthikUmkehrNachhaltigkeitTat_und_FolgeKultur

Der Glaube und das Weltliche
Klaus Straßburg | 21/09/2021

Viele leben ganz anders. Ich habe euch schon oft vor ihnen gewarnt, und auch jetzt kann ich nur unter Tränen schreiben: Sie sind Feinde des Kreuzes von Christus. Am Ende erwartet sie das Verderben! Ihr Bauch ist ihr Gott. Und was eigentlich Schande ist, darauf gründen sie ihr Ansehen. Sie streben nur nach weltlichen Dingen. Wir dagegen haben schon jetzt Bürgerrecht im Himmel. Von dort erwarten wir auch den Retter, den Herrn Jesus Christus!
(Philipper 3,18-20; Übersetzung: BasisBibel)

Merkwürdig ...

Christinnen und Christen ist doch eigentlich klar, dass wir auf unserer schönen Erde nur zu Gast sind. Dass unser Leben hier nur eine Art Vorspiel zum echten Leben ist. Dass die vollkommene Lebensfülle noch kommt und wir deshalb nicht nach weltlichen Gütern zu streben brauchen. Ja, dass wir unser Herz an nichts Weltliches hängen sollen, sondern alles Weltliche loslassen.

Eigentlich habe ich Christinnen und Christen immer so reden hören.

Viele leben ganz anders.

Was? Kann das sein?

Sehen wir uns einmal um: Es fällt schon auf, dass es vielen Christinnen und Christen offensichtlich recht schwer fällt, ja es ihnen geradezu unmöglich zu sein scheint, das Weltliche loszulassen. Sie pflegen gern und intensiv ihren weltlichen Wohlstands-Lebensstil.

Nun muss ich mich aber auch an meine eigene Nase fassen: Ich habe auch diesen Lebensstil gepflegt. Ohne länger nachzudenken. Ohne mir die Schattenseiten dieses Lebensstils bewusst zu machen. Es war ja so schön ...

Aber es hat sich etwas verändert.

Wir haben die Erde mit unserem Lebensstil geschlagen – nun schlägt sie zurück. Was wir taten, kommt zurück „auf unser Haupt". Diese Formulierung gibt es mehrmals in der Bibel (z.B. 2Sam 3,29; Apg 18,6). Eine andere Formulierung für dieselbe Sache ist: „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein" (Spr 26,27). Das Unrecht fällt auf den Unrechtstäter zurück.

Und Gott lässt es zu, dass das geschieht. Ob er uns damit etwas klarmachen will?

Es könnte doch sein ... es könnte sein, dass wir endlich erkennen sollen, was die Stunde geschlagen hat. Dass wir erkennen sollen, dass wir so nicht weiterleben können. Dass wir unseren Lebensstil radikal – ja radikal! – ändern müssen.

Einige Christinnen und Christen haben es schon gemerkt. Einige reden sogar schon seit Jahren davon. Aber – o Schreck – nur einige! Die Mehrzahl der Glaubenden, so scheint es, kann sich so gar nicht damit anfreunden, etwas von ihrem weltlichen Standard – loszulassen!

Sie streben nur nach weltlichen Dingen.

Aua! So ein Satz tut weh! – Gehöre ich etwa auch zu denen, die zwar theoretisch wissen, dass das Weltliche nicht das Wesentliche ist, die aber in der Praxis so handeln, als sei das Weltliche doch das Wesentliche?

Ihr Bauch ist ihr Gott.

Mensch, willst du mich fertig machen?

Das geht echt an die Schmerzgrenze: Könnte es sein, dass all das Gerede vom „Gast auf Erden" gar nicht so ernst gemeint war? Dass der Glaube an das ewige Leben zwar ein schöner Gedanke war, mehr aber auch nicht? Könnte es sein, dass ich so lebe, als gäbe es dieses ewige Leben gar nicht und als müsste ich deshalb alles Glück und Wohlbefinden schon jetzt erleben? Könnte es sein, dass mein Glaube gar kein echter Glaube ...

Am Ende erwartet sie das Verderben!

Jetzt reicht's aber! Keiner kann über den anderen urteilen.

Andererseits: Vielleicht hat ja das Verderben wirklich schon begonnen ...

Wir dagegen haben schon jetzt Bürgerrecht im Himmel.

Ah, das klingt schon besser! Man kann auch von Heimat sprechen: Unsere Heimat ist im Himmel. Der echte Wohlstand wartet im Himmel auf uns. Darum können wir jetzt getrost ein Stück vom irdischen Wohlstand loslassen.

Können wir? Wollen wir?

Von dort erwarten wir auch den Retter, den Herrn Jesus Christus!

Ja, jetzt fühle ich mich wieder wohl bei solch bekannten Worten. Ich erwarte auch den Retter!

Aber was erwartet der Retter von mir?

Nun hör aber auf! Musste das jetzt wieder sein?

Ich könnte mir vorstellen, dass er eine radikale Lebensänderung von mir erwartet. Er kennt nämlich keine halben Sachen. Der Glaube an Gott kennt überhaupt keine halben Sachen. Da geht es immer ums Ganze. Auch ums ganze Loslassen.

Du machst mich fertig!

Gerade jetzt, wo die Erde zurückschlägt. Und wo Gott uns doch vielleicht etwas damit sagen will – oder uns schon ins Ohr schreit! Sind wir taub?

Jetzt hilft nur noch eins: So glauben, dass es uns innerste Gewissheit wird, dass dieses Leben nicht das letzte ist. So glauben, dass wir unser Herz nicht mehr an unseren Wohlstands-Standard hängen müssen. So glauben, dass wir unseren Lebensstil radikal ändern – ohne Angst, dabei etwas zu verlieren. So glauben, dass wir fröhlich und frei das Schlechte loslassen und nicht mehr ...

Was denn nicht mehr?

Also, das musst du dir nun selbst beantworten.


* * * * *



12 Kommentare
2021-09-21 22:54:58
Hallo Klaus,

mir ist da zu viel "pie in the sky" dabei. Das Leben in der Welt ist real, ob es später tatsächlich ein echteres, erfüllteres und besseres Leben gibt, weiß man nicht. Es ist noch keiner von da zurückgekommen. Wenn es um biblische Text zu diesem Thema geht, denke ich sofort an den hier:

"Denn wer noch bei den Lebenden weilt, der hat Hoffnung; denn ein lebender Hund ist besser als ein toter Löwe. Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen nichts; sie haben auch keinen Lohn mehr, denn ihr Andenken ist vergessen. Ihr Lieben und ihr Hassen und ihr Eifern ist längst dahin; für immer haben sie keinen Teil mehr an allem, was unter der Sonne geschieht. So geh hin und iss dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut; denn dein Tun hat Gott schon längst gefallen. Lass deine Kleider immer weiß sein und lass deinem Haupte Salbe nicht mangeln. Genieße das Leben mit der Frau, die du lieb hast, solange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat; denn das ist dein Teil am Leben und bei deiner Mühe, mit der du dich mühst unter der Sonne. Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu; denn im Totenreich, in das du fährst, gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit."

Prediger 9, 4-10

Damit kann ich etwas anfangen und diese Einstellung halte ich für weise.

Viele Grüße

Thomas
2021-09-22 10:28:06
Hallo Thomas,

den zweiten Teil des von dir zitierten Bibeltextes (ab „So geh hin und iss dein Brot mit Freuden") schätze ich sehr, weil er die Welt als Freudenort und nicht als Jammertal vor Augen stellt.

Der erste Teil des Textes und die ihm vorangehenden Verse zeichnen allerdings das deprimierende Bild, das auch sonst im Buch Prediger vorherrscht: Der Mensch weiß nichts und erkennt nichts, er ist von Grund auf böse und sein Leben ist sinnlos, weil doch alles mit dem Tod endet und niemand mehr seiner gedenken wird. Das ist aus einer rein menschlichen Perspektive betrachtet richtig; es klingt geradezu existentialistisch, und diese Sicht ist lange Zeit auch mein Empfinden gewesen. Es hat aber keine Perspektive über den Tod hinaus, die ich im christlichen Glauben für wesentlich halte. Von daher fällt auch ein anderes Licht auf unser Leben.

Meinem Glauben würde etwas Entscheidendes fehlen, wenn diese Perspektive fehlen würde, die dann vor allem im Neuen Testament stark gemacht wird. Dann bliebe nach meinem Empfinden tatsächlich nichts anderes als die deprimierende Sicht, die im Predigerbuch vorherrscht. Dann erschiene mir wirklich alles sinnlos, und auch die weltlichen Freuden, die doch in ihrer „Menge" und ihrer zeitlichen Dauer eigentlich recht bescheiden sind, hätten dem nichts entgegenzusetzen.

Unsere Vorstellungen von dem, was wir „ewiges Leben" nennen, sind sehr begrenzt. Wir müssen es auch nicht verstehen. Mir reicht die Gewissheit, dass wir dann, wenn niemand auf Erden mehr unser gedenken wird, bei Gott nicht vergessen sein werden und dass er weiter mit uns zusammen sein will. Und das kann nur Lebensfülle bedeuten.

Das heißt natürlich nicht, dass wir nicht auch unser Leben auf Erden genießen sollen, so gut es geht und anderen nicht schadet. Gäbe es aber nur dieses irdische Leben, dann würde dieser Genuss für mich aber arg beeinträchtigt.

Ich wünsche jedem Menschen, gleich welcher Weltanschauung oder Religion, von Herzen diese Perspektive auf ein neues, befreiendes Leben nach dem irdischen.

Viele Grüße
Klaus
Hans-Jürgen Caspar
2021-09-22 23:49:57
Hallo Klaus,

nach meinem Empfinden sind in unserem Land nur relativ wenige Menschen daran interessiert, nach dem Tod in Gottes Himmlisches Reich zu kommen. Um Genaueres darüber zu erfahren, suchte ich im Internet und stieß dabei auf die Enzyklika "Spe Salvi" von Benedikt XVI. aus dem Jahre 2007. Ich fand sie ganz interessant bis einschließlich Seite 12; ab dann wurde es sehr theoretisch, und ich hörte auf, weiter zu lesen.

Selber gehöre ich zu denen, die das Leben bei Gott zwar dankbar annehmen würden, es aber nicht zum eigentlichen Ziel haben. Das, was der "Prediger" über die Toten schreibt, erscheint mir als das Natürliche, und wenn ich nach dem Tod nicht in die Hölle käme (an die ich nicht glaube), wäre ich auch damit zufrieden.

Dass der Mensch als einzige Kreatur Gottes das Recht habe, unendlich lange zu leben, erschien mir schon lange etwas sonderbar in Richtung überheblich-egoistisch. Dabei denke ich auch daran, dass Gott sozusagen der "Erfinder" des Prinzips "Fressen und Gefressenwerden" ist, das für viele Lebewesen den gewaltsamen Tod bedeutet. Dass wir Menschen am Ende der Nahrungskette stehen (seit wir nicht mehr von Löwen u. dgl. gefressen werden können) und ihn nicht erleiden müssen, ist bereits ein großes Privileg, für das ich dankbar bin.

Unser irdisches, endliches Leben muss nicht sinnlos sein, wie Du schreibst. Das hat jeder mehr oder weniger selbst in der Hand. Dass es sinnvoll und fruchtbar sein kann - dazu trägt auch der Gedanke und Glaube an Gott bei, übrigens auch die Teilnahme an einem Blog wie dem Deinen.

Mit herzlichem Gruß
Hans-Jürgen

2021-09-23 11:28:28
Hallo Hans-Jürgen,

vielen Dank für deine persönliche Stellungnahme. Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass es in der Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht, weder Beweise dafür noch dagegen geben kann. Es geht also bei der Beantwortung der Frage um eine Glaubensaussage, die sich weder beweisen noch widerlegen lässt.

Ich möchte daher von meinem Glauben sprechen, der sich in einigen Punkten von deinem unterscheidet. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass Gott der Erfinder des Prinzips „Fressen und Gefressenwerden" ist. Zwar hat Gott die Lebewesen als sterbliche Wesen erschaffen, und von daher ist der Tod nicht einfach nur schlecht. Aber ich denke nicht, dass Gott all die Leiden und das Grausame, das es in Verbindung mit dem Sterben in der Welt gibt, so gewollt hat. Die Welt ist vielmehr eine gefallene Welt, d.h. sie ist nicht so, wie Gott sie gewollt hat. Es geht ein Riss durch die Welt, von dem nichts ausgenommen ist. Gleich nach den Schöpfungsgeschichten der Genesis ereignet sich der Abfall von Gott und beginnt das Töten (Gen 3 und 4). Die friedliche Einheit des Menschen mit Gott und mit den Tieren (Gen 2,19f) ist seither erheblich gestört.

Natürlich kann man nun fragen, warum Gott denn diese Entwicklung zugelassen habe oder warum er überhaupt eine Welt geschaffen habe, in der diese Entwicklung möglich war. Aber die Warum-Frage ist für uns nicht zu beantworten, jedenfalls erhalten wir keine Antwort in dieser Welt.

Vielleicht gehen wir ja darin einig, dass die Welt nicht in dem Zustand ist, wie Gott sie haben will. Und das betrifft nicht nur das zwischenmenschliche Miteinander, sondern auch das Miteinander der Tiere und das zwischen Mensch und Tier und allen anderen Lebewesen, ja der ganzen Schöpfung – wie wir gerade in unserer Zeit schmerzlich erfahren.

Die Entfernung von dem, was Gott will, betrifft also nicht nur den Menschen, sondern die ganze Schöpfung. Damit müssen wir leben.

Zum zweiten glaube ich nicht, dass nur der Mensch das Recht habe, ewig zu leben. Das Neue Testament spricht von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, also einer umfassenden Neuschöpfung – wir würden sagen: des ganzen Universums (z.B. Offb 21,1). Das bedeutet, dass nicht nur Menschen „in den Himmel kommen" (um es mal so auszudrücken), sondern auch Tiere. Vielleicht ist das eine ungewöhnliche Vorstellung, aber sie ist wichtig für alle Menschen, die schon einmal eine starke emotionale Verbindung zu einem Tier erlebt haben. Für mich ist es kein Problem, mir das vorzustellen, denn warum sollen Tiere davon ausgeschlossen sein, was es für Menschen gibt?

Auch hieran kann man wieder weitere Fragen stellen, z.B. die nach einer „Überbevölkerung" im Himmel oder einer „leiblichen Auferstehung". Ich will darauf jetzt nicht weiter eingehen, weil Ewigkeit für uns gar nicht vorstellbar ist und darum auch alle Vorstellungen des ewigen Lebens nur ganz unvollkommene Bilder für das Gemeinte sein können. Wir können ja nur in den Kategorien von Raum und Zeit denken, während Ewigkeit gerade diese Kategorien ausschließt.

Zum dritten ein Gedanke dazu, was eigentlich „natürlich" ist. Du schreibst ja, dass dir die Worte aus dem Buch Prediger als das „Natürliche" erscheinen. Besonders der Satz des Predigers, dass das Andenken der Toten vergessen sein wird, stimmt mit vielen biblischen Aussagen nicht überein. Ich glaube nicht an einen Gott, der uns nur für die paar Jahre auf Erden erschaffen hat, sondern an einen Gott, der uns aus Liebe erschaffen hat und der aus Liebe mit uns zusammen sein will, und zwar nicht nur für ein paar Jahre. Es ist keine Liebe auf Zeit, sondern eine treue, bleibende, ewige Liebe. Das ist der Grund des ewigen Lebens.

Hier widerspreche ich also dem Prediger von den vielen anderen Bibelstellen her und von Gottes Offenbarung in Jesus Christus her, in dem er sich als der liebende Gott erwiesen hat. Es sei denn, der Prediger habe nur gemeint, dass das Andenken der Menschen an die Toten ein Ende haben wird, nicht aber das Andenken Gottes.

Ich finde den Satz schön, dass du das Leben bei Gott zwar dankbar annehmen würdest, es aber nicht zum eigentlichen Ziel hast. Es soll doch wohl auch nicht so sein, dass wir unser irdisches Leben vernachlässigen und abwerten, weil das Eigentliche ja das himmlische Leben ist. Es gibt eine Konzentration auf das himmlische Leben, die das irdische Leben nicht mehr ernst nehmen zu müssen glaubt. Das Leben mit Gott soll aber schon jetzt beginnen, und unser irdisches Leben soll ein Weg hin zum himmlischen Leben sein. So bekommt das Irdische gerade vom Himmlischen her seinen Sinn: Das, was dereinst in aller Fülle für die Glaubenden Wirklichkeit werden wird, kann schon jetzt in aller Unvollkommenheit ihr Leben prägen.

Es geht also keinesfalls um eine Abwertung des Diesseits, sondern um seine Aufwertung. Für mich gewinnt das Diesseits erst seine Würde dadurch, dass ihm ein großes Ziel verheißen ist. Das Ziel ist eben nicht der Tod, sondern ein neues Leben. Und für mich persönlich muss ich sagen, dass ich ein irdisches Leben, das mit dem Tod sein absolutes Ende finden würde, tatsächlich als sinnlos empfinden würde. Ich würde mich fragen, welchen Sinn denn alle Mühsal und alles Glück haben sollte, wenn es doch unwiderruflich ein Ende hat. Kann der Sinn denn nur darin bestehen, einige glückliche Tage erlebt zu haben? Oder einige Menschen glücklich gemacht zu haben, für die es aber auch nur einige glückliche Tage sind?

Dieses Ungenügen am zeitlich begrenzten Leben ist seit meiner Jugend sehr stark in mir. Aller zeitlich begrenzte Sinn, alle zeitlich begrenzte Fruchtbarkeit können dieses Ungenügen nicht beseitigen. In der Tat: „Wenn wir nur in diesem Leben auf Christus gehofft haben, sind wir bemitleidenswerter als alle anderen Menschen" (1Kor 15,19). Das empfinde ich genauso wie Paulus.

Für mich ist also der Tod das große Fragezeichen hinter allen Sinngebungen und Glückserfahrungen des irdischen Lebens. Und ich nehme an, dass es doch wohl für alle Menschen ähnlich ist. Denn niemand stirbt gern und freut sich auf den Tod – was doch eigentlich nur bedeuten kann, dass der Tod auch ihnen ein großes Fragezeichen ist. Von daher glaube ich auch nicht, dass nur relativ wenige Zeitgenossen ein Interesse an einem ewigen Leben haben – das Leben möchten sie ja doch so weit wie möglich ausdehnen. Umfragen sagen, dass gar nicht wenige Menschen an ein „höchstes Wesen" glauben und dann auch daran, dass möglicherweise nach dem Tod „noch etwas kommt". Das sind religiöse Hoffnungen, die mit dem christlichen Glauben wenig zu tun haben. Sie sprechen aber dafür, dass die Endlichkeit des Lebens durchaus als Mangel erlebt wird. Und ich denke, dass das für die meisten Menschen gilt, wenn sie in ehrlichen Momenten darüber nachdenken.

Soweit meine Gedanken zu diesem Thema. Äußerungen über das ewige Leben sind immer unbeweisbare Glaubensaussagen. Mein Anliegen kann nur sein, damit ein wenig Appetit zu machen auf das Leben, das Gott uns verheißen hat.

In diesem Sinne viel Segen
Klaus
Jochen
2021-09-24 09:39:57
Hallo Klaus,
Was das Leben nach dem Tod angeht hat mir ein alter Pfarrer (der selbst lange Zeit schon im Koma gelegen war) erzählt, das Leben sei wie ein Kelch, der nach oben offen ist. Man weiß nie, was Gott noch dazu tut. Vielleicht sogar Besseres nach Gottes Maßstäben, z. B. für die Mutter in Afrika ohne westliche Medizin-Versorgung in einem Deiner letzten Beiträge. In dieselbe Richtung geht die Mystik der Hl. Gertrud von Helfta, der der Spruch "Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht" zugeschrieben wird. Paradox: ehe die Fülle kommt, ist die Schale erst mal leer. Da frag ich mich, was diese Sehnsucht weckt. Radikale Änderung des Lebensstils, also sowas wie 'Öko-Umkehr'? Politisch erzwungene Öko-Gerechtigkeit könnte am Ende mehr Menschen ausgrenzen und Ängste erzeugen. Im Alten wie im Neuen Testament - meine ich - ist von eher kleinen Anfängen die Rede. Da gibt es den schönen Liedtext "Kleines Senfkorn Hoffnung" von Alois Albrecht, in der die erste Strophe so geht: "Kleines Senfkorn Hoffnung, mir umsonst geschenkt / werde ich dich pflanzen, dass du weiter wächst / dass du wirst zum Baume, der uns Schatten wirft / Früchte trägt für alle, alle, die in Ängsten sind", trotz der Banalität unschlagbar konsequent aber zwanglos. Ich bin schon der Meinung, dass das Christentum wie damals zu den Zeiten der römischen Kaiser eher im Unsichtbaren wird wirken müssen. Hier das Landeserntedankfest, wo ich wohne atheistisch mit "knackigem Bühnenprogramm" und Unterhaltung für Hunderte und Tausende, Radio vor Ort, dort das dünne und schwerelose Stundengebet der Schwestern in Helfta, in das sich immerhin einige freiwillig reinsetzen, die Augen schließen, und vielleicht doch etwas Ahnung zu haben meinen von dem was danach kommt. Daher meine ich: wichtig ist auch das Freiwillige, weniger das Radikale.
Hans-Jürgen Caspar
2021-09-24 12:11:44
Hallo Klaus,

dass die Welt nicht in Ordnung ist, stimmt. Menschen machen verbreitet oder als Minderheiten viele Fehler, die zu großen Leiden und Schäden führen. Dass sie im Laufe der Zeit mehr und mehr erkannt und mit Gottes Hilfe abgestellt werden, ist zu hoffen.

Mit herzlichem Gruß
Hans-Jürgen
2021-09-24 16:13:44
Hallo Jochen,

ich bin auch der Überzeugung, dass in dieser Welt nichts läuft, wenn Gott nicht den Kelch füllt. Ehrlich gesagt: Von den Menschen erwarte ich nichts mehr, aber von Gott alles. Wenn aber Gott den Kelch füllt - und das kann bei Glaubenden wie bei nicht Glaubenden sein -, dann passiert auch etwas, dann kehrt ein Mensch um von seinen zerstörerischen Wegen - und zwar nicht erzwungen, sondern von Herzen freiwillig. Das können kleine, kaum sichtbare Dinge sein, es können aber auch große Ereignisse von weltgeschichtlicher Bedeutung sein. Eine Mutter Theresa hat sich mit dem Kleinen wohl nicht zufriedengegeben, und ein Michail Gorbatschow hat durch radikale Veränderungen ein Stück friedliche Weltgeschichte geschrieben, ohne bekennender Christ zu sein. War es nicht derselbe Gott, der in beiden gewirkt hat? Das Unscheinbare und das deutlich Sichtbare schließen sich doch nicht aus. "Ora et labora!" Mutter Theresa wird wohl für ihr Werk gebetet haben; ohne Gottes Segen hätte es nicht gelingen können. Gorbatschow hat vielleicht nicht gebetet; und doch hat Gott seinen Segen zu seinem Werk gegeben. Die Schwestern in Helfta wirken mit ihren Gebeten das, was sie vermögen, und die politisch Aktiven mit ihren Aktionen das, was ihnen liegt. Und alle sind in der Hand Gottes und darauf angewiesen, dass er den Kelch füllt. Wir sind alle nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gottes und als solche gesegnet, aber auch aufgerufen, uns seinem Segen nicht zu verschließen, also Kleines und Großes, Unsichtbares und Sichtbares zu tun. Und was schließlich aus unserem Tun wird, ob es wirklich groß wird und Segen bringt - liegt allein in SEINER Hand. "Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen; wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst" (Ps 127,1). Möge Gott die Welt behüten und bewahren und möge er die politischen Entscheidungsträger der Gegenwart und Zukunft segnen! Denn ohne seinen Segen läuft nichts.
2021-09-24 16:18:05
Hallo Hans-Jürgen,

diese Hoffnung auf Gottes Segnen in der Welt verbindet uns und alle Christinnen und Christen, wie ich eben schon in meiner Antwort an Jochen ausführlich geschrieben habe. Ich setze ganz auf den Gott, der seine Schöpfung bewahrt, solange er es will, und auch durch Menschen in ihr wirkt.
Jochen
2021-09-26 12:01:22
Hallo Klaus,
Mein erster Gedanke war: Gorbatschow als VIP hat sicher viel Gutes bewirkt, das hat Kaiser Augustus aber auch, dessen Friedenswerk so sprichwörtlich wie defizitär war, und in dessen Zeit die Geburt des wahren Erlösers fällt.
Mein zweiter Gedanke: Ich hab mal eine Dokumentation über den Kreml gesehen, in der von einer kleinen verborgenen Kapelle im Kreml die Rede war. Die Kommunisten haben überall im Ostblock die Kirchen weggesprengt, doch diese Kapelle - vielleicht waren sie abergläubisch - wurde nicht entfernt und war genau im Zentrum der Macht als Verweis auf den Erlöser. Tja, das Licht kam in die Finsternis, die Finsternis hats nicht begriffen.
Dennoch: ich finde man sollte in der heutigen Zeit den Atheismus nicht unterschätzen. Wir brauchen diese Orte. Nur nebenbei ein Satz, den ich heute in der Predigt hörte: unsere unzulängliche Gerechtigkeit impliziere geradezu die Frage nach Gott.
2021-09-26 20:00:19
Hallo Jochen,

danke für deinen Beitrag. Den Hinweis auf die Kapelle im Kreml finde ich sehr interessant. Ob da vielleicht doch manchmal klammheimlich jemand betet? Oder sich einfach nur hinsetzt und auf Erleuchtung in schwierigen Fragen hofft? Wer weiß ... "Alle Dinge sind möglich bei Gott."

Kein Mensch ist vollkommen, keiner wirkt nur Gutes. Bei keinem Menschen segnet Gott ALL sein Tun. Aber ich bin überzeugt davon, dass er vieles Tun segnet, auch bei Menschen, die nicht an ihn glauben. Wäre es anders, dann sähe es in unserer Welt noch viel dunkler aus. Und wer will Gott hindern, nicht auch durch Ungläubige Gutes zu wirken?

Dabei geht es mir nicht darum, den Atheismus zu unterschätzen. Aber ich kann auch nicht ausschließen, dass Gott in seiner großen Gnade auch durch Atheisten Gutes wirkt. Damit werden sie nicht zu "Gläubigen", aber doch zu Werkzeugen Gottes - ohne davon zu wissen.

Die andere Seite der Medaille wäre, das Christentum nicht zu überschätzen. Denn auch das Handeln von Christinnen und Christen MUSS Gott nicht segnen, sondern kann sich ihnen auch entziehen. Und, wie viele Beispiele zeigen, sie selbst, die "Gläubigen", entziehen sich dem Segen Gottes. So liegt es wiederum "nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen" (Röm 9,16).
Jochen
2021-09-28 10:39:22
Hallo Klaus,
ich hab nochmal recherchiert, aber der Beitrag ("der Kreml - im Herzen Russlands", NDR, 2005) ist schon älter und deshalb nicht in Mediatheken o. ä. verfügbar. Ein Leibwächter von Stalin hat angeblich berichtet, dass Stalin als die Deutschen Truppen Moskau bedrohten, in einer Privatkapelle der Romanovs um Rettung betete.

Ein Beispiel wäre ja König Kyros, der in der Bibel ja ungewöhnlich positiv beurteilt wird.

Dass man sich als Christ nicht überschätzen sollte, seh ich auch so. Jemand hat mal über einen Geistlichen und Wissenschaftler gesagt, er sei in seiner Schusseligkeit wie eine kaputte Uhr, die dafür aber jeden Tag zwei mal exakt die richtige Zeit anzeigt, was eher als Kompliment gedacht war. Würde ich auch so beurteilt werden, würde ich es in meinem Arbeitszimmer aufhängen.
2021-09-28 17:02:38
Hallo Jochen,

ja, an Kyros habe ich auch schon gedacht. Zu ihm hat Gott gesprochen, und er hat es gehört. Was man vom dem Massenmörder Stalin wohl kaum sagen kann. Da war sein Gebet (wenn es denn stattgefunden hat) wohl eher ein Missbrauchen Gottes als ein Hören auf ihn. Aber gut, dass ich darüber nicht urteilen muss ...
Theologische Einsichten für ein gutes Leben
Christsein
verstehen
Christsein
verstehen
Theologische Einsichten für ein gutes Leben
Zurück zum Seiteninhalt