Der gemachte Tag
Klaus Straßburg | 24/08/2020
Tage vergehen und Tage kommen. Und du bist mittendrin, in jedem neuen Tag.
Was hat es auf sich mit den Tagen unseres Lebens?
Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat;
lasst uns jubeln und uns freuen an ihm!
(Psalm 118,24)
Der Tag ist nicht einfach ein Prozess der Natur oder ein Zufallsprodukt der Geschichte. Der Tag ist von Gott gemacht. Und das heißt: Er ist gewollt.
Gott will nichts Schlechtes. Wenn er diesen Tag will, dann ist es ein guter Tag. Gut, dass es diesen Tag gibt!
Darum ist es ein Tag der Freude und des Jubels. Sich freuen und jubeln gelingt besser in Gemeinschaft mit anderen, die ebenfalls voller Freude sind. Darum: „Lasst uns jubeln und uns freuen an diesem Tag!"
Man kann auch sagen: „Lasst uns jubeln und uns freuen über diesen Tag!" Beide Übersetzungen sind möglich. Nicht über irgendetwas, was uns gerade gefällt, sollen wir uns also freuen, sondern über den ganzen Tag: Er ist, wenn auch nicht alles Freude macht, insgesamt ein guter Tag. Denn Gott hat ihn gemacht.
Ein guter Tag: das kann kein sinnloser Tag sein. Kein verlorener Tag.
Du siehst das Gute dieses Tages nicht? Dann geh trotzdem davon aus, dass es ein guter Tag ist. Denn Gott macht nichts Schlechtes (1Tim 4,4a).
Auch der gute Tag hat seine Herausforderungen. Er ist nicht ohne Last und Plage. Und dennoch ist er ein guter Tag.
Du hast mit Menschen zu kämpfen an diesem Tag. Sie wollen dich verletzen. Dann erinnere dich: „Man stieß mich, dass ich fallen sollte; doch der Herr hat mir geholfen" (Ps 118,13). Er wird auch an diesem guten Tag dein Helfer sein.
Sorgen belasten dich an diesem Tag. Du weißt nicht weiter. Dann denke zurück: „Aus der Bedrängnis rief ich zum Herrn; er hat mich erhört und befreit" (Ps 118,5). Warum sollte er dich diesmal nicht erhören und aus den Sorgen dieses Tages befreien?
Du bist krank. Dein Körper spielt nicht mehr mit, wie du es gewohnt bist. Oder deine Seele ist bedrückt, von Traurigkeit eingehüllt, alles ist dunkel. Kann es sein, dass Gott an dir arbeitet? Dass er dich knetet und drückt, um Neues zu schaffen und dich stark zu machen? Vielleicht ist das dein Wort: „Schwer hat mich der Herr gezüchtigt, aber dem Tod gab er mich nicht preis" (Ps 118,18).
All das geschieht an diesem guten Tag.
Du kannst es nicht ändern. Der Tag ist, wie er ist. Du kannst aber die Blickrichtung wechseln: von den Lasten und Plagen hin zu dem Gott, der dich auch an diesem Tag nicht verlässt. „Siehe, ich bin bei euch alle Tage ..." (Mt 28,20b).
Auf Gott schauen heißt, auf ihn zu warten. Er widersetzt sich unserem „Jetzt" und „Sofort", das wir uns angewöhnt haben. Darum sagst du: „Ich bin gekrümmt und tief gebeugt, den ganzen Tag gehe ich trauernd einher. ... Auf dich, Herr, harre ich; du wirst mir freundlich antworten, Herr, mein Gott" (Ps 38,7.16).
Das Gute an diesem Tag ist, dass du Hoffnung hast. Und in dieser Hoffnung auf Gott warten kannst.
Wer oder was ermächtigt uns, die Güte dieses Tages anzuzweifeln? Was treibt uns dazu, der bedrückenden Wirklichkeit so viel mehr Raum zu geben als Gottes unsichtbarem Wirken an diesem Tag? Sind wir solch knallharte Materialisten geworden, für die nur das zählt, was ihre Augen sehen?
Warum sehen wir nicht mit unserer Seele? „Man sieht nur mit dem Herzen gut; das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar" (Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz).
Jesu Auferstehung von den Toten war nicht nur an seinem Kreuz unsichtbar, sondern blieb es für immer. Niemand hat sie beobachtet. Und dennoch ist sie geschehen.
Ja, es werden viele Tränen geweint und Tode gestorben an diesem guten Tag Gottes. Und es bleiben viele Fragen offen. Aber die Tränen und Tode werden sich in Lachen und Leben verwandeln, und die Fragen werden ein Ende haben. Dann, am ewigen Tag, werden wir Gott nichts mehr fragen (Joh 16,20-23a).
Noch sind wir nicht so weit. Noch sprechen die Verhältnisse und unsere Gefühle manches Mal eine andere Sprache. Dann müssen wir gegen die Verhältnisse anglauben. Und auch gegen unsere Gefühle.
Dann brauchen wir die Ermunterung, trotzdem auf das Gute dieses Tages zu vertrauen. Darum ermuntert der Psalm: „Lasst uns jubeln und uns freuen!"
Was erleichtert uns den Jubel und die Freude? Zum einen die Gemeinschaft der Glaubenden, in der diejenigen, die voller Freude sind, die anderen mit ihrer Freude anstecken.
Vor allem aber verhilft uns zu Jubel und Freude der Gott, der diesen Tag gemacht hat. Darum folgt auf den Satz „Lasst uns jubeln und uns freuen!" sogleich die Bitte: „Ach Herr, hilf doch! Ach Herr, lass doch gelingen!" (Ps 118,25)
Flehen und Freude gehören zusammen! Denn Gott, der den heutigen Tag gemacht hat, lässt uns nicht allein an ihm, sondern ist bei uns, hilft uns und lässt gelingen, was ihm wichtig und für den Tag gut ist.
Darum lasst uns jubeln und uns freuen an diesem Tag!
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Unabhängig von davon, inwieweit ich Gottes Handeln im Hier und Jetzt und bei allen Menschen für real halte, dein Text Klaus ist wieder sehr gut und mutmachend im Bezug auf die dunklen Tage. Danke !
Und wenn mir der Glaube daran schwerfällt, dann gilt wieder Vers 25 des Psalms: Ich kann um diesen Glauben bitten. "Ach Herr, hilf doch! Ach Herr, lass es doch gelingen (dass ich daran glauben kann)!"